am Freitag trafen sich wieder einmal 17 Weinfreunde, um dem "deutschen Sektwunder" auf den Grund zu gehen. Qualitativ hochwertige deutsche Winzersekte machen mengenmäßig maximal 3% des deutschen Sektmarktes aus, wobei in diesem Segment natürlich auch Durchschnittliches zu finden ist. Vor 20 oder 25 Jahren hätte eine solche Probe noch keinen Sinn gemacht, da zum damaligen Zeitpunkt sich nur ganz wenige Produzenten mit "ernsthaftem" Sekt beschäftigt haben. In den letzten Jahren drängen immer mehr tolle Schaumweine von ambitionierten Erzeugern auf den Markt, meist aber nur in homöopathischer Menge

Schaumwein 1:
Der erste Vertreter hat eine mittelfeine Perlage, einen zarten Rosastich, so dass hier zu Recht von einem Rose-Schäumer ausgegangen wurde. Am Gaumen ganz dezente Erdbeerfrucht, deutlich Brioche, sehr klare und frische Stilistik, keinerlei Süsse, straight und straff, animierende Säure, aber in keiner Weise sauer oder spitz, ordentliche Länge, vorbildlicher Rose-Schäumer. Der Wein wurde von fast allen nach Deutschland verortet, was sich auch als richtig herausstellte. Es war der
2017er Pinot Noir Rose Brut Nature (Gebrüder Mathis, Merdingen) -Baden-
Der Wein hat 4,5 Jahre Hefelager und wurde im November 2022 degorgiert.12,5 Vol%. Ein wirklich vorbildlicher Rose-Sekt ohne jegliches Make-up, der für 15,90 EURO ab Weingut fast verschenkt wurde. Top-PLV !!
Schaumwein 2:
Der nächste Schäumer ging in eine völlig andere Richtung. Kleine, feine Perlen, schon in der Nase "wärmer" und etwas volumiger, am Gaumen völlig trocken, zarte Säure, die eine deutliche Cremigkeit bewirkt, gehaltvoll, absolut reintönig, zarthefig, ganz dezent blütig, saftig, gute Länge. Ein hochwertiger, kraftvoller Schäumer, der trotzdem nicht satt macht und sicherlich ein guter Speisenbegleiter ist. Ein idealer Schäumer für säureempfindliche Mägen

"Alma" Grande Cuvee non dosato Franciacorta DOCG (Bellavista, Erbusco) -Franciacorta-
Grundwein vermutlich Jahrgang 2018, 3 Jahre Hefelager, Cuvee aus 90 % Chardonnay und 10 % Pinot noir. 12,5 Vol%. Für mich ein sehr typischer und gelungener Franciacorta, der vielen auch sehr gut gefallen hat. Ca. 34 EURO im Handel.
Schaumwein 3:
Nun wurde es etwas kniffliger. Der nächste Vertreter hat eine sehr feine Perlage, eine klare und messerscharfe Aromatik, Hauch Dunkelfrucht, elegante Hefearomatik, glasklar und animierend in der Nase, am Gaumen komplett trocken, saftige, aber integrierte Säure, sehr straight, durchaus elegant, der Grundwein hat wohl etwas Holz gesehen, das ganze ist aber so subtil verflochten, dass man den Holzeinfluss nur als dezente Würze wahrnimmt, gebirgsquellartig klar, saftig, gute Länge, ein sehr hochwertiger Schaumwein vermutlich mit hohem Anteil roter Trauben. Cava und Franciacorta scheiden hier aus, aber es könnte durchaus ein Champagner der eleganten Art sein. Die Mehrheit blieb jedoch bei der Herkunft "Deutsch", was auch stimmte. Es war der
2018er Essenheimer Teufelspfad Pinot Noir Prestige Brut Nature (Braunewell, Essenheim) -Rheinhessen-
gut 4 Jahre Hefelager, degorgiert August 2023, 12 Vol%. Das ist schon verdammt guter Sekt, der sich qualitativ vor gutklassigen Champagnern nicht verstecken muss. Fairer Preis, ca. 29 EURO.
Schaumwein 4:
Wieder etwas völlig anderes. Dezentes Hellgold, feine Perlage, in der Nase eine andere Aromatik, weniger Zitrus, mehr Apfel, frisch, am Gaumen völlig trocken, eingebundene, saftige Säure ohne jegliche Spitzen, gewisse Kraft, neben Brioche auch ein Hauch Frucht, was dem Schäumer außerordentlich gut zu Gesicht steht, saftig, belebend, gewisse Fülle, aber doch auf der trinkfreudigen Seite, Hauch pfeffrig, unterscheidet sich deutlich von allen Vorgängern, Hauch Malo, aber gelungen, gute Länge. Hier waren fast alle bei der deutschen Herkunft, was auch korrekt war.
Es hendelte sich um den
2018er Retzstadter Langenberg Silvaner Brut Nature (Rudi May, Retzstadt) -Franken-
ca. 4 Jahre Hefelager, degorgiert Oktober 2023. 12,5 Vol%. Dass sich Silvaner durchaus für die Versektung eignet, zeigt dieser vorbildliche Wein sehr deutlich. Er stammt aus einem Teilstück mit altem Rebbestand (50 Jahre+), aus dem komplett dieser Sekt stammt. Mit Sicherheit einer der besten, wenn nicht der beste Silvanersekt am Markt.
Schaumwein 5:
Der nächste Schäumer war wieder schwieriger zu verorten. Lebendiges Hellgelb, sehr feine Perlen, komplexe, hefebetonte Nase mit latenter Kraft, aber auch viel Finesse, am Gaumen knochentrocken, präsente, aber toll integrierte Säure, ein Hauch Holz, aber ähnlich wie bei Wein Nr. 3 nur ganz dezent, die Ähnlichkeit zu Wein Nr. 3 ist etwas zu spüren, nur hat dieser Schäumer mehr Mineralität und Charakter, er ist dank eines ultrafeinen, nur zart schmirgelnden Gerbstoff-Grip etwas raffinierter, trotzdem behauptet sich neben Brioche uns Autolysenoten auch ein Hauch Dunkelfrucht. Sehr gute Länge, hier sind Kraft, Finesse und Charakter perfekt vereint. Champagner oder doch deutscher Sekt? Hier gingen die Meinungen etwas auseinander, was aber nur für die Klasse dieses Sektes spricht. Es war der
2019er "Calcaire" Blanc de Noirs Brut Nature (Rings, Freinsheim) -Pfalz-
100% Pinot noir, Tirage Juli 2020, degorgiert Juni 2023, Grundwein zu 50% im Tonneau, ohne SO2 Zusatz !
Dass die Brüder Rings tolle Weissweine und ebensolche Rotweine produzieren, dürfte allgemein bekannt sein. Jetzt ist klar: sie können auch Schaumwein. Und wie! Die 34 EURO (Handel) sind absolut berechtigt. Toller Sekt!
Schaumwein 6:
Wann kommt nun der erste Champagner? Die Nummer 6 ist es für alle jedenfalls nicht. MIttelkräftiges Zitronengelb, feine Perlage, in der Nase zarte und nicht aufdringliche Gelbfrucht (Zitrus, Hauch Marille und Apfel), sehr animierend und tänzelnd leicht, am Gaumen ohne jegliche Süsse, saftige, präsente, aber nicht spitze Säure, kein Schwergewicht, saftig toller Trinkfluss, kann man literweise trinken. Das kann aufgrund der Frucht eigentlich nur deutscher Riesling-Sekt sein, aber ein Exemplar, bei dem nicht die pure Frucht im Vordergrund steht, sondern ein gutes Hefelanger (hier gut 4 Jahre) dagegensteht. So macht Riesling-Sekt unheimlich viel Spass. Wir lagen alle richtig. Es war der
2018er Saarburger Rausch Riesling Brut Nature (Forstmeister Geltz-Zilliken, Saarburg) -Mosel (Saar)-
Der Sekt wurde von einem Meister seines Fachs (Raumland) versektet und wurde im Juni 2023 degorgiert. Gelungener Rieslingsekt zu einem angemessenen Preis (ca. 33 EURO im Handel).
Schaumwein 7:
Kann der folgende Schaumwein ein Champagner sein? Im Prinzip ja, auf jeden Fall was die Qualität betrifft. Zartes Gelbgold, sehr feine, aber abgerundete Nase, die Frische und einen gewissen Gehalt erwarten lässt, feine, flinke Perlen, auch hier ohne jegliche Süsse, saftige Säure, die sich perfekt in den Körper eingliedert, hier ist nichts zuviel oder zuwenig, lässige Selbstverständlichkeit, sehr klar und frisch-würzig, der Schäumer hat Gehalt, bleibt aber auf der frischen und luftigen Seite, zarte Briochenote, aber auch ein Hauch Gelbfrucht. Das ist typisch Chardonnay der feinen Art und damit lagen auch viele richtig. Die Mehrheit entschied sich aber für die deutsche Herkunft, was rein statistisch auch Sinn macht, denn die meisten Schäumer waren nun mal aus deutschen Landen

2019er Chardonnay Brut Nature (Sekthaus Krack, Deidesheim) -Pfalz-
Tirage August 2020, degorgiert Oktober 2023, 12 Vol%. Diesen Schäumer, der wirklich jedem schmecken dürfte, kann ich nur jedem ans Herz legen, der eleganten und doch gehaltvollen Blanc de Blancs sucht. Die Jungs und Mädels von Krack machen wirklich einen tollen Job, zumal die Preise in Anbetracht der Qualitäten sehr bescheiden sind. Ca. 24 EURO für diesen tollen Sekt sind mehr als angemessen.
Fortsetzung mit den restlichen 8 Schäumern in Kürze!
LG
Bodo