Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

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weinaffe
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Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

gestern konnte ich an einer Weinverkostung des hiesigen Weindealers teilnehmen, bei der Weine ausgeschenkt wurden, die um die 100 Euro jeweils kosten, mal etwas weniger, mal etwas mehr.

Als Begrüssungsschluck gab es eine Magnum-Flasche Champagner:

Heritage extra Brut (Andre Heucq)
Cuvee aus Pinot noir, Meunier und Chardonnay. 5 Jahre Hefelager.
Sehr feine, anhaltende Perlage, geradlinig, erfrischend, perfekt ausgewogen mit tollem Trinkfluss, gelungener Einstieg in den Abend.

Zunächst gabe es direkt hintereinander 2 High-End-Silvaner, die unterschiedlicher kaum sein können. Der eine ist schon seit einigen Jahren Kult, der zweite ist mit dem 2022er erstmals am Markt und wird wohl auch Kult werden.
Doch der Reihe nach:

2022er "Kniebrecher" Silvaner QW tr. (Rudi May, Retzstadt) -Franken-
Bei diesem Wein handelt es sich um eine Cuvee aus den Thüngersheimer GG-Lagen Himmelspfad und Rothlauf, 2 Barriques (Francois Freres), eines davon neu, 18 Monate Ausbau, abgefüllt in eine (Leicht-)Schlegelflasche mit Korken und Wachsverschluss. Optisch sieht das nicht besonders wertig aus, kostet aber schlappe 110 Euro :? Trotzdem sollte man dieses Unikat einmal im Leben getrunken haben. Man kann sich ja die Kosten mit einigen Weinfreunden teilen ;)
Zunächst: mit dem üblichen Silvaner hat dieser Wein überhaupt nichts zu tun. In der Nase sehr tief, aber völlig fruchtbefreit, etwas Reduktion, Feuerstein, Popcorn, aber der Wein ist kein neumodischer Blender, entwickelt sich prächtig im Glas, beissende Mineralität schon in der Nase, salzig, steinig, am Gaumen unheimlich präzise, laserartige, aber reife Säure, salzig-hefig, dezent Jod, ein Hauch Fino, aber ohne jegliche Oxidation, sehr feiner Holzeinsatz, unheimlich lange im Abgang, zieht direkt eine Salzspur über die Zunge, angenehm phenolischer Grip. Als Silvaner aber kaum erkennbar, stilistisch liegt er vielleicht zwischem einem Cru aus Chassagne-Monrachet und einem Jura-Wein mit einem Hauch Sherry-Touch. Dieses Unikat wird wohl extrem gut reifen können, ist aber definitif nichts für Fruchttrinker und Anhänger des traditionellen fränkischen Silvaners. In seiner Art aber Weltklasse. In der VDP-Klassifikation ist dies aber lediglich ein Gutswein :lol: und kostet doppelt soviel wie das GG.

Zum Vergleich anschliessend den schon einige Jahre bekannten Kult-Silvaner aus Sulzfeld:

2016er Sulzfelder Creutz Silvaner QW tr. (Luckert, Sulzfeld) -Franken-
auch hier ein komplexer Wein, den man aber im Gegensatz zum Vorgänger klar als Silvaner verorten kann. Sehr elegante, feingliedrige Nase, Apfel, ein Hauch Birne und Quitte, etwas kräutrig, Heu, aber schon in der Nase herrlich tief und komplex, am Gaumen trocken, extrem ausgewogen, da sticht nichts hervor, ruht in sich, dezente Gelbfrucht, würzig, verändert sich ständig im Glas, absolut kein Marktschreier, souveräne Länge. Komplett anderer Typ als der Vorgänger, aber ebenso outstanding. Damals hat der Creutz noch 75 Euro gekostet, der aktuelle 22er kostet mittlerweile das Doppelte :( Tendenz steigend. Auch wenn die Preise für den Verbraucher schwer verdaulich sind, ist es für die internationale Wahrnehmung des Silvaners als hochqualitative Rebsorte nicht schlecht, wenn es mehr solche Icon-Weine aus Franken gibt.

Als nächstes Riesling von der Mosel, der exakt 100 Euro kostet:
2020er Enkircher Batterieberg Monopol Riesling Reserve Große Lage (Immich-Batterieberg)-Mosel-
Schon in der Nase sehr kraftvoller Eindruck für einen Mosel-Riesling, kandierte Aprikose, Limone, etwas Schiefer, ein Hauch Malolaktik (wohl Ausbau im großen Holzfass), trotzdem harmonisch, am Gaumen relativ weich, sanfte Säure, trotdem nicht unausgewogen, im Mosel-Kontext kraftvoll (13 Vol%), nicht komplett trocken, reife gelbe Früchte, etwas Schiefer-Mineralik, wiederum etwas Malo, gute Länge. Sehr guter Riesling, der aufgrund seiner Stoffigkeit und eingebundenen Säure international gut ankommt, mir persönlich ist er eine Spur zu "plüschig" und langweilig, aber auf einem unzweifelhaft hohem Niveau :lol: Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern verpasst man hier nicht allzuviel, wenn man die 100 Euro anderweitig investiert.

Beim nächsten Wein könnte man beim Preis von 100 Euro sofort an einen Schreibfehler denken: Trollinger Rose und 100 Euronen??? Aber es ist kein Schreibfehler:

2021er Untertürkheimer Gips Trollinger Rose QW tr. (Aldinger, Fellbach)-Württemberg-
Direkt gepresst und spontan im französischen Barrique vergoren, 15 Monate Vollhefelager.
Auch dieser Wein hat mit normalen Trollinger nichts am Hut: reduktiv, Feuerstein, etwas Schiesspulver, aber auch Dunkelfrucht (Brombeere, Kirsche), die aber nur im Hintergrund mitschwingt, straffe Säure, keine Spur Fett, mittelgewichtig, aber durchaus Extrakt, kühle Anmutung, mittellanger Abgang. Der Wein ist deutlich von der Machart geprägt und zeigt nur wenig die klassische Sortenart. Durchaus hochwertiger Wein, bei dem -ähnlich dem Ziereisen Premium- Gutedel- die Qualitätsgrenzen der Rebsorte sowie die Zahlunsbereitschaft der Kundschaft :lol: ausgelotet werden soll.

Fortsetzung folgt in Kürze!

LG
Bodo
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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von EThC »

...ich beobachte das mal mit dem "Kniebrecher" (ist das ggf. irgendein "lieux dit"?), vielleicht mal aus einem etwas kühleren Jahr, falls nochmal eins kommen sollte. Auch wenn May mit den wärmeren Jahrgängen richtig gut umgehen kann, war da bisher für mich dann doch immer das Bessere (in dem Fall Kühlere) der Feind des Guten...
Viele Grüße
Erich

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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von Nora »

EThC hat geschrieben:...ich beobachte das mal mit dem "Kniebrecher" (ist das ggf. irgendein "lieux dit"?),...
"Zieht man auf der Landkarte eine gerade Verbindungslinie zwischen den beiden Lagen (GG-Lagen Rothlauf und Himmelspfad; Anm. durch mich), dann läuft diese durch den ‚Kniebrecher‘, eine Flur, in der kein Weinbau stattfindet, weswegen es weinrechtlich gestattet ist, den Begriff als Marke und Namen für den Wein zu verwenden."

zitiert aus der Schnutentunker, https://www.schnutentunker.de/silvaner- ... #more-7864

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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von EThC »

...ahhh, vielen Dank für die Aufklärung :!: :D
Viele Grüße
Erich

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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von Rieslingfan »

weinaffe hat geschrieben:Hallo zusammen,

gestern konnte ich an einer Weinverkostung des hiesigen Weindealers teilnehmen, bei der Weine ausgeschenkt wurden, die um die 100 Euro jeweils kosten, mal etwas weniger, mal etwas mehr.
Besten Dank für deine Eindrücke.
Gruß Markus
weinaffe
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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

Hallo Erich,

blind probiert wäre ich beim "Kniebrecher" nie auf den Jahrgang 22 gekommen.Der hatte überhaupt nichts "Warmes" an sich, eher Typ 21 oder 17.

LG
Bodo
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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von EThC »

weinaffe hat geschrieben:Hallo Erich,

blind probiert wäre ich beim "Kniebrecher" nie auf den Jahrgang 22 gekommen.Der hatte überhaupt nichts "Warmes" an sich, eher Typ 21 oder 17.

LG
Bodo
Hallo Bodo,
vielen Dank für die Einschätzung! Tatsächlich hat für mich Rudolf May eine der besten 18er-Kollektionen hingelegt, für meinen Geschmack halt. Die Weine standen aber -soweit ich sie mit kühleren Jahren vergleichen konnte- immer etwas zurück, deshalb meine aktuelle Zurückhaltung. Mal drüber schlafen... :mrgreen:
Viele Grüße
Erich

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weinaffe
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Re: Verkostung Weine um die 100 EURO in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

.... und weiter geht es mit den "100 Euro-Weinen:

als nächstes gab es etwas Gereiftes in weiss:

1983er Corton-Charlemagne Grand Cru (Louis Latour)- Burgund-
ein erstaunlich rüstiger "oldie": dezentes Goldgelb, etwas holzbetonte Nase, aber von bester Qualität, etwas Zitrus und Apfel, keine Spur von Oxidation, perfekt gereift, am Gaumen wieder viel neues Holz, aber die kräftige Struktur des Weines kommt gut dagegen an, ein Hauch Gerbstoff-Grip, steinige Mineralität, bestens integrierter Alkohol, sehr lebendig, ein "Maul voll Wein", nicht die ganz große Eleganz und Finesse, aber viel geballte, gut verpackte Kraft. Sehr langer Abgang. Toller Corton aus einem mittleren Jahrgang.

Nun ging es über zu den Roten:

1997er Bürgstadter Centgrafenberg Spätburgunder "R" (Paul Fürst, Bürgstadt) -Franken-
wie gut die Fürst'schen Pinots schon damals waren, zeigt dieses wunderschön gereifte Exemplar: seh feine Dunkelfrucht (Kirsche, Himbeere), etwas Unterholz, Pilze, Tabak, sehr komplex und gleichzeitig kühl schon in der Nase, am Gaumen völlig durchgegoren, saftige Säure, Hauch Minze, ätherisch, zarte Kirsch- und Brombeerfrucht, trotz 13,5 Vol% eher mittelgewichtig, zarte Tanninreste, kräutrig, frische Pilze, sehr fein und komplex, mittellanger Abgang mit viel Frische. Toller Pinot, der in einer Probe mit gereiften "Originalen" sicherlich eine gute Figur abgeben würde.

Bordeaux fehlt natürlich noch:

1986er Chateau Pichon Longueville Baron 2e Grand Cru Classe Pauillac
von Parker und Co. damals recht niedrig bewertet, macht zumindest diese Flasche aus dem "Tschernobyl-Jahr" einigen Spass: schon in der Nase intensive Cabernet-Noten, knapp reife Frucht, Cassis, Brombeere, etwas grüne Paprika, Hauch Tabak und Leder, athletisch, kein Gramm Fett zuviel, perfekt gereift, am Gaumen strukturiert, elegante Säure, feinkörniges Tannin, mittelgewichtig, immer noch angenehm dunkelfruchtig und würzig, keinerlei Oxidation, klassischer Bordeaux alter Schule. Es fehlt sicherlich die letzte Tiefe und Reife für höhere "Weihen", aber das macht schon verdammt viel Spass und verlangt nach weiteren Schlucken :lol:

Zum Vergleich eine Bordeaux-Cuvee aus Italien, die ein Stück jünger ist:

2001er "Guado al Tasso" Bolgheri Superiore (Antinori) -Toskana-
Die Nase ist bezüglich der Fruchtcharakteristik dem Vorgänger fast aus dem Gesicht geschnitten, aber man spürt sofort die größere Reife und Wärme, trotzdem nicht opulent, reife Dunkelfrucht, Cassis, Herzkirsche, Brombeere, perfekter Holzeinsatz, perfekter Zustand, am Gaumen zwar komplett trocken, aber aufgrund der 14,5 Umdrehungen (kaum spürbar) und der sehr großen Dichte mit deutlicher Extraktsüsse, würziger Holzeinsatz, sehr harmonisch, fast abgeschmolzenes Tannin, langer, fruchtig-würziger Abgang. Toller, perfekt vinifizierter Wein auf Weltniveau. Die Hälfte der Teilnehmer bevorzugten den Pichon Baron, die andere Hälfte fanden den Bolgheri besser. Ich konnte mich definitif nicht entscheiden, ich würde glatt beide trinken ;) Alles zu seiner Zeit!

Das "Power-Pack" kommt natürlich zum Schluss:

2018er "Flor de Pingus" Ribera del Duero DO (Dominio de Pingus)-Ribera del Duero

dieser reinsortige Tinta del Pais (Tempranillo) zeigt im modernen Gewand alles, was diese Rebsorte so attraktiv macht: aufgrund der Jugend noch etwas zurückhaltend, entwickelt der tieffarbene Wein mit Luft eine satte Frucht (Kirsche, Pflaume, Brombeere und ein Hauch Himbeere), gelungener Holzeinsatz mit etwas Rauch und Vanille, sehr tiefgründig, am Gaumen sehr extraktreich, viel Glyzerin und Reife, daher hier auch ein imaginärer Süsseeindruck, der Alkohol (14,5) ist überraschend gut eingebunden, auch hier viel satte Dunkelfrucht, das kräftige, feinkörnige Tannin in Verbindung mit lebendiger Säure hält diesen Kraftbolzen in der Spur, durchaus lang mit Frucht und Würze. Der Wein ist momentan noch etwas jung, lässt sich aber schon gut antrinken. Ein kraftvoller Wein, der aber dennoch eine feine Komponente besitzt. In 5-10 Jahren mit Sicherheit noch interessanter.

Außer Konkurrenz gab es am Schluss der Weinrunde (das Abschlussbier vom Pax-Bräu folgte danach noch ;) )einen gereiften süssen Weintyp, den man leider nicht so oft ins Glas bekommt:

1969er Coteaux du Layon
Den Produzenten konnte man aber leider aufgrund des fragmentarischen Etiketts nicht mehr so richtig erkennen. Aber seis drum! Der Winzer hat jedenfalls alles richtig gemacht: recht lebendiges Hellgold, ein Hauch Bortrytis spürbar, Zitrus, reifer Apfel, ein Hauch Rhabarber, etwas Holz, durchaus komplexe Mischung aus Reife und sekundärer Würze, am Gaumen nur ein dezenter Süsseeindruck, wirkt eher halbtrocken, deutlich (gutes) Holz, saftige Säure, ein Hauch Honig, zarte Bortrytisnoten, aber straight und schlank, nach rund 55 Jahren steht dieser Wein noch wie eine Eins im Glas. Auch wenn dieser Wein aufgrund des beschädigten Etiketts ohnehin keinen Verkaufswert hat, würde ich ihn ohne weiteres für kleines Geld gerne kaufen. Chenin blanc ist jedenfalls eine tolle und wandlungsfähige Rebsorte.

Wieder einmal eine tolle Probe in gemütlichen Ambiente mit netten, aufgeschlossenen Teilnehmern... was will man mehr?

Nächsten Freitag gibt es im Rahmen meiner VHS-Kurse eine interessante Blind-Probe, die ausschließlich den beiden Rebsorten Silvaner und Grüner Veltliner gewidmet ist. Es werden die unterschiedlichsten Stilistiken am Start sein; ich bin mal gespannt, wie oft die Rebsorten verwechselt werden :lol: Ich werde berichten!

LG
Bodo
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