32 Cent pro Liter Rotwein

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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VillaGemma
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32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von VillaGemma »

Hallo in die im Sommer recht ruhige Gemeinde,

ein Thema kochte letzte oder vorletzte Woche ja ein wenig hoch...oder besser spritze hoch. Franz. Winzer haben spanischen Rotwein auf die Straße laufen lassen, da man in Spanien wohl für Sage und Schreibe 32 Cent der Liter "Rotwein" herstellen kann :?

Wahnsinn: 32 Cent der Liter oder eben 32,- Euro für 100L (Hektorliter). (Quelle:SPON)

Ich frage mich im Ernst: Muss das sein, dass man ein Kulturgut so billig (mit all den Folgeschäden, der Belastung für Mensch und Natur, der wahrscheinlichen Förderung durch die EU) herstellen können muss. Das sind so Auswüchse wo ich mich schon frage, warum fast alles in der "Gesellschaft" sich so extrem entwickeln muss...
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austria_traveller
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von austria_traveller »

VillaGemma hat geschrieben:dass man ein Kulturgut so billig (
Für die Masse der Konsumenten ist es eben kein Kulturgut
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
Carpetbagger
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von Carpetbagger »

VillaGemma hat geschrieben:Hallo in die im Sommer recht ruhige Gemeinde,

ein Thema kochte letzte oder vorletzte Woche ja ein wenig hoch...oder besser spritze hoch. Franz. Winzer haben spanischen Rotwein auf die Straße laufen lassen, da man in Spanien wohl für Sage und Schreibe 32 Cent der Liter "Rotwein" herstellen kann :?

Wahnsinn: 32 Cent der Liter oder eben 32,- Euro für 100L (Hektorliter). (Quelle:SPON)

Ich frage mich im Ernst: Muss das sein, dass man ein Kulturgut so billig (mit all den Folgeschäden, der Belastung für Mensch und Natur, der wahrscheinlichen Förderung durch die EU) herstellen können muss. Das sind so Auswüchse wo ich mich schon frage, warum fast alles in der "Gesellschaft" sich so extrem entwickeln muss...


Das ist jetzt aber nicht wirklich überraschend. In deutschen Supermärkten wir der Liter Wein für circa 1,40 Euro verkauft. Rechne ich jetzt Umsatzsteuer, Verpackung, Transport, Einkauf und Marketing runter und kalkuliere noch ein paar Cent als Gewinn, dann bleibt für das Produkt nicht mehr viel übrig. Ein Liter Wein (und auch ein Liter Milch) ist häufig billiger als ein Liter Wasser. Keine große Neuigkeit.
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EThC
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von EThC »

Man muß aus meiner Sicht einfach akzeptieren, daß es zwei Weinwelten gibt, die eigentlich wenig miteinander zu tun haben. Die hier im Forum vertretenen Mitglieder, die den Genuß von lecker Tröpfchen auch monetär zu schätzen wissen, leben in einer völlig anderen (Genuß-) Welt als das Gros der Weinkonsumenten. Irgendwas um die 80 % des in D konsumierten "Weins" wird in Discountern etc. verramscht. Durchschnittspreis dort < 3 Euronen pro Liter (wohlgemerkt nur dort, der Preis gilt nicht für den gesamten Weinumsatz in D, wie häufig falsch zitiert wird).
Diesen Leuten ist Wein auch nicht mehr wert bzw. sie können mit "besserem" Wein auch meist nichts anfangen bzw. bemerken keinen wesentlichen Unterschied, wie ich schon häufig festgestellt habe. Und diese Leute gehen auch nie in einen Weinfachhandel oder gar direkt zum Winzer. Wenn, dann vielleicht, sofern sie direkt in einer Weingegend wohnen und der Winzer um die Ecke was für 3,50 EUR im Angebot hat.
In diesem Sektor zählt fast ausschließlich Angebot und Nachfrage. Der Wein ist zwar in der Regel zumindest in der Flasche "sauber", nach allem anderen fragt man aber besser nicht. Und mit "Kulturgut" hat diese Art des Weinbaus weder in D noch in E noch irgendwas zu tun...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Gerald
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von Gerald »

Na ja, ist ja bei anderen Agrarprodukten auch nicht anders (für Äpfel zur Saftbereitung beispielsweise bekommt der Bauer oft nur 2-3 Cent pro Kilo), wird wohl Konsequenz der Überschussproduktion sein.

Bei Wein ist diese Thematik ja besonders ausgeprägt, zumal in den wichtigsten Herkunftsländern der Verbrauch kontinuierlich zurückgeht, aber die Produktionsmenge nicht im entsprechenden Maß reduziert wird.

Und aus der Massenproduktion auszubrechen und Qualitätsweine (über die wir hier dann diskutieren) zu produzieren, ist für den Winzer doch immer ein großes finanzielles Risiko, das auch leicht in der Pleite enden kann. Vor einiger Zeit war eine Doku über das Languedoc im TV, wo die meisten Winzer zwar laut geklagt haben, dass sie mit ihren Erlösen gerade (oder nicht einmal) die Kosten decken können, trotzdem aber weiterhin die Genossenschaft beliefern, wo die produzierte Qualität nicht honoriert wird und die Weine aller Mitglieder einfach "zusammengeschüttet" werden ...

Grüße,
Gerald
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UlliB
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von UlliB »

Tja, Spanien... ich war überrascht, Anfang dieses Jahr zu lesen, dass in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise dort der ohnehin schon seit langem rückläufige Weinkonsum nochmals eingebrochen ist und mit mittlerweile rund 21 Liter / Kopf und Jahr bereits unter dem Weinkonsum in Deutschland liegt - und das in einem klassischen Weinbauland.

Was das für dramatische Auswirkungen hat, lässt sich leicht veranschaulichen: der Inlandskonsum in Spanien liegt noch bei rund 10 Millionen Hektolitern (inclusive importierter Weine, was aber wohl nicht allzu viel sein wird), die durchschnittliche Jahreserzeugung aber bei etwa 40 Millionen Hektoliter. Heißt: über 75% der Produktion muss exportiert werden, und das in einen global betrachtet gesättigten und stagnierenden Markt, auf dem ein massiver Verdrängungswettbewerb herrscht.

Ich kaufe bei einem auf Spanien spezialisierten Versandhändler hin und wieder ein paar Flaschen Sherry, worauf ich regelmäßig mit Sonderangeboten "bombardiert" werde; vieles davon liegt preislich sehr deutlich unter 5 Euro / Flasche. Da dürfte der Inhalt wohl auch für weniger als einen Euro / Liter eingekauft worden sein. Und ich vermute jetzt einmal, ohne bisher einen Versuch gestartet zu haben: manches davon wird durchaus trinkbar sein...

Gruß
Ulli
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UlliB
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von UlliB »

Übrigens, gerade gegoogelt: der aktuelle Fassweinpreis für Dornfelder aus Rheinhessen liegt bei 80 Euro / Hektoliter, mithin bei 80 Cent / Liter; Müller-Thurgau und Silvaner Qualitätswein liegen sogar bei nur 50 Euro / Hektoliter. Und die Produktion dürfte in Deutschland schon deutlich aufwendiger sein als in Spanien, wo sowohl die klimatischen Bedingungen günstiger als auch die Löhne niedriger sind. Die 32 Cent sind also wohl durchaus "normal".

Gruß
Ulli
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Gerald
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von Gerald »

Und die Produktion dürfte in Deutschland schon deutlich aufwendiger sein als in Spanien, wo sowohl die klimatischen Bedingungen günstiger als auch die Löhne niedriger sind.
allerdings sind in Deutschland meines Wissens die mittleren Hektarerträge mit 90-100 hl/ha wesentlich höher als in Spanien mit 30-40 hl/ha.

Grüße,
Gerald
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UlliB
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von UlliB »

Gerald hat geschrieben: allerdings sind in Deutschland meines Wissens die mittleren Hektarerträge mit 90-100 hl/ha wesentlich höher als in Spanien mit 30-40 hl/ha.
Die 90-100 hL/ha sind aber mit einem erheblichen Einsatz an Pflanzenschutzmitteln erkauft - im wahrsten Sinne des Wortes, denn das ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. In Zentral- und Südspanien ist da der Aufwand deutlich niedriger, vor allem gibt es dort deutlich weniger Probleme mit Pilzkrankheiten. Außerdem kostet Agrarfläche in Spanien deutlich weniger als in Rheinhessen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will - in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung dürften am Ende 32 Cent / Liter in Spanien nicht problematischer sein als 50 oder 80 Cent in Deutschland. Und die Fassweinwinzer leben hier auch; irgendwie.

Gruß
Ulli
MichaelWagner
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Re: 32 Cent pro Liter Rotwein

Beitrag von MichaelWagner »

Ich wage mal die Prognose, dass sich das Thema "Fassweinwinzer" in den nächsten 5 Jahren zumindest in D erledigt hat. Spanien kenne ich mich nicht aus, inwieweit Brüssel das Thema "rettet"
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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