"Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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graves
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"Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von graves »

Hierzulande gibt es ja eine recht schmale Auswahl an Zweitweinen verglichen mit dem, was französische Vinotheken oder Supermärkte so in den Regalen stehen haben. Dazu gibt es einen eigenen Thread:

http://www.dasweinforum.de/viewtopic.php?f=21&t=162

Noch obskurer wird es bei dem, was es nicht einmal in den Zweitwein schafft, sei es aus Qualitätsgründen, dem Rebsortenmix, oder den Weingesetzen (bspw. falsche Appellation). Diese "Drittweine" oder wie man sie nennen möge laufen hierzulande - vermutlich zu Recht - unter dem Radar. Vermutlich überlebt die Mehrheit dieser Namen oder Marken auch nur wenige Ernten. Trotzdem ist es interessant sich kundig zu machen, was es da so gibt und was Frankreich selber trinkt.

Letztens stieß ich auf folgenden Wein der Domaines Reybier (Cos d'Estournel), so eine Art "Cos de Cos" aus 2004:
Cos de Cos.jpg
Erfahrungen dazu?
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UlliB
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Re: "Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von UlliB »

janhenning hat geschrieben: Erfahrungen dazu?
Keine.

Aber ich komme auch aus einer Zeit, in der die meisten Zweitweine auch ganz klar zweitklassig waren. Das soll sich dem Vernehmen nach mittlerweile geändert haben. Mag sein, keine Ahnung. Solange das Geld noch für das Original reicht, brauche ich keine hauseigenen Zweit- und Drittversionen :lol:

Aber es ist schon interessant, wie gegenläufig die Marketing-Maschine laufen kann: dort, wo es bislang kompliziert war (Deutschland), verschlankt man die Sortimente gnadenlos. Aber dort, wo es einmal extrem einfach war (ein grand vin und das war's) führt man Zweit- Dritt- und Viertweine ein und nebenbei einen Weißwein und einen Rosé-Clairet und demnächst was weiß ich noch. Der Markt muss bedient werden, und sei's von der Resterampe.

Gruß
Ulli
graves
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Re: "Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von graves »

UlliB hat geschrieben:Solange das Geld noch für das Original reicht, brauche ich keine hauseigenen Zweit- und Drittversionen
Wenn es Zweit- oder Drittversionen wären, würde ich es interessant finden. Meine Befürchtung ist eher, dass sie mit dem Erstwein außer einem Namensbestandteil wenig gemein haben.... wobei der eine oder andere Zweitwein durchaus so etwas wie Stallgeruch aufweist. Bei einem Drittwein würde es mir schon reichen, typisch für die Appellation zu sein.
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UlliB
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Re: "Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von UlliB »

janhenning hat geschrieben:Bei einem Drittwein würde es mir schon reichen, typisch für die Appellation zu sein.
Ja, und was zahlt man dann dafür? Ich weiß es hier wirklich nicht, aber ich vermute jetzt einfach mal: deutlich mehr als für einen soliden cru bourgeois aus der gleichen AOC, der das gleiche leistet und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, nämlich dabei auch noch individuellen Charakter zeigt.

Als Bordeaux-Trinker wird man ziemlich regelmäßig mit dem impliziten oder auch expliziten Vorwurf konfrontiert, "Etikettentrinker" zu sein. Ich behaupte jetzt mal: bei den Konsumenten der Zweit- und Drittweine findest du diese Sorte Konsument tatsächlich. Der Name auf der Flasche stimmt; der Preis allenfalls noch in direkter Relation zum grand vin des jeweiligen Erzeugers, aber nicht mehr im Kontext der jeweiligen AOC. Der "Pauillac de Latour" ist da ein Musterbeispiel.

Gruß
Ulli
graves
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Re: "Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von graves »

UlliB hat geschrieben:Als Bordeaux-Trinker wird man ziemlich regelmäßig mit dem impliziten oder auch expliziten Vorwurf konfrontiert, "Etikettentrinker" zu sein.
Gibt es sicher nicht wenige, ein Zitat gefällig :?:
Solange das Geld noch für das Original reicht...
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Jochen R.
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Re: "Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von Jochen R. »

Ich interessiere mich für Zweitweine und bin doch über die eine oder andere immer
wiederkehrende Pauschalaussage bzgl. generell mangelnder Qualität bzw. fehlender
Typizität überrascht.
Und nur so am Rande: ich finde es schon einen Unterschied, ob ich z. B. für einen
exzellenten Clos du Marquis 2009 ca. 50 EUR oder für den Erstwein das ca. 5fache
zahlen muss. Aber wenn natürlich das Geld keine Rolle spielt... :lol:

Zum eigentlichen Thema:
Kontakt mit einem Drittwein hatte ich bisher nur mit der "Virginie Comtesse de Lalande 2000".
Durchaus mal interessant zu probieren. Die Nase fand ich durchaus Comtesse-typisch,
unterm Strich aber das Geld nicht wert.

Viele Grüße,
Jochen
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octopussy
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Re: "Drittweine" oder: "Was Frankreich selber trinkt."

Beitrag von octopussy »

UlliB hat geschrieben: Aber es ist schon interessant, wie gegenläufig die Marketing-Maschine laufen kann: dort, wo es bislang kompliziert war (Deutschland), verschlankt man die Sortimente gnadenlos. Aber dort, wo es einmal extrem einfach war (ein grand vin und das war's) führt man Zweit- Dritt- und Viertweine ein und nebenbei einen Weißwein und einen Rosé-Clairet und demnächst was weiß ich noch. Der Markt muss bedient werden, und sei's von der Resterampe.
Ich vermute, dass die Châteaux, die entsprechend ausdifferenzieren, sich an zwei Vorbildern (teils aus dem eigenen Konzern) orientieren:

1. Mode: Früher gab es von einigen Designern nur eine Kollektion (Haute Couture), dann die "Sports" Collection, die "Jeans" Collection, Uhren, usw. Der Glanz der Hauptmarke soll auf die preislich und designerisch einfacheren Kollektionen abstrahlen und für die einfacheren Kollektionen ein höherer Preis erzielt werden als dies der Fall wäre, würde eine komplett neue Marke etabliert werden.

2. Toskana: Ornellaia, Le Serre Nuove, Le Volte. Sassicaia, Guidalberto. Hier hat das Etablieren des Zweitweins funktioniert. Allerdings gab es da auch quasi aus dem Nix gleich mindestens zwei Weine. Im Bordelais haftet den Zweitweinen nach meiner Wahrnehmung immer noch etwas das Image der "Resteverwertung" an, jedenfalls unter den langjährigen Bordeaux-Trinkern, wobei (das müsste ich aber nochmal überprüfen) m.E. die Erzeugungsmenge des Erstweins in den letzten Jahren immer mehr abgenommen hat (oder gleich geblieben ist, dann aber nur durch Vergrößerung der Fläche durch Zukauf anderer Châteaux). Insofern ist das Bild im Bordelais doch auch einfacher geworden. Denn mit jedem eingeführten Drittwein sind auch früher existierende Cru Bourgeois Güter von der Bildfläche verschwunden.

Im Ergebnis bin ich aber auch der Meinung, dass sich so einige Drittweine nicht werden halten können und dass es in einigen Jahren auf dem ein oder anderen Château wieder klarer strukturiert aussehen wird.
Beste Grüße, Stephan
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