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Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Mi 2. Mai 2012, 18:55
von C9dP
Hallo,
ich habe gerade auf Arte einen Beitrag über Pestizide und Insektizide und deren Auswirkung auf den Menschen gesehen, den ich schon irritierend fand. Es ging um Chlorpyrifos und eine Studie, nach der der Stoff bei ungeborenen Kindern schädliche Einflüsse auf die Entwicklung des Gehirns hat. Eine Aussage war, dass der Stoff gerade im Weinbau eingesetzt wird. Jetzt sollte ja klar sein, dass man während der Schwangerschaft keinen Alkohol trinkt. Trotzdem drängen sich mir zwei Fragen auf.
1) Kann sich so ein Giftstoff ablagern, so das er auch nachwirkend noch schädlich sein kann?
2) Weiß jemand, ob ein Einsatz eher bei den Massenweinen großer Kellereien oder auch bei den Produzenten "unserer" Weine erfolgt?
Vielen Dank für Antworten.
Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Mi 2. Mai 2012, 19:54
von Gerald
Nun, ganz konkret kann ich dazu auch nichts sagen.
Allgemein aber gehört Chlorpyriphos zu den Phosphorsäureestern, die vielfältig als Insektizide eingesetzt werden (verwandte Stoffe aber auch als Kampfgas, z.B. Sarin). Meines Wissens werden sie in der Umwelt meist sehr schnell abgebaut, daher halte ich eine Gefährdung über Wein nicht für sehr wahrscheinlich.
Zu deiner zweiten Frage: schwer zu sagen, ich glaube aber persönlich nicht, dass da ein großer Unterschied besteht. Ausgenommen natürlich biologisch bzw. biodynamisch arbeitende Weingüter, denn diese dürfen meines Wissens keine Insektizide verwenden.
Vor kurzem war zu lesen, dass gerade in Baden eine Maikäferplage in den Weingärten aufgetreten ist. Ich nehme an, dass auch die Topwinzer dieser Gegend Insektizide dagegen einsetzen werden. Ist aber natürlich nur eine Vermutung ...
Grüße,
Gerald
Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Mi 2. Mai 2012, 20:39
von UlliB
C9dP hat geschrieben:
1) Kann sich so ein Giftstoff ablagern, so das er auch nachwirkend noch schädlich sein kann?
Hallo Aloys,
ich nehme an, Du meinst mit dieser Frage, ob eine Substanz auch noch sehr lange Zeit nach der Aufnahme im Körper anwesend sein kann und schädliche Effekte entfalten kann? - Ja, grundsätzlich ist das möglich. Im konkreten Fall - Chlorpyriphos - ist das auf Grund der chemischen Struktur aber nicht sehr wahrscheinlich; die Substanz dürfte einigermaßen schnell abgebaut werden. Wenn man's genau wissen will, müsste man recherchieren, ob mit Chlorpyriphos eine sogenannte
ADME-Studie gemacht worden ist (bei einer Substanz, die in den 60ern in den Markt gekommen ist, ist das nicht unbedingt der Fall).
Wie Gerald glaube ich übrigens nicht, dass man in Wein wirklich erhebliche Mengen von Chlorpyriphos finden kann - die Substanz wird die Fermentation vermutlich nicht "überleben".
2) Weiß jemand, ob ein Einsatz eher bei den Massenweinen großer Kellereien oder auch bei den Produzenten "unserer" Weine erfolgt?
Grundsätzlich besteht hinsichtlich des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden und Fungiziden kein systematischer Zusammenhang zur Betriebsgröße bzw. zum Preis des hergestellten Weines. Mir sind mehrere renommierte Winzer bekannt, die ihre hoch bewerteten Weine mit Hilfe eines Chemiewaffen-basierten Vernichtungskrieges gegen alles Störende im Weinberg erzeugen. Andererseits gibt es mittlerweile Bioweine auch von Großkellereien.
Wenn Du einigermaßen sicher sein willst, musst Du Weine aus zertifizierten biologisch oder biodynamisch arbeitenden Betrieben kaufen. Auswahl gibt es da ja mittlerweile genug.
Gruß
Ulli
Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Mi 2. Mai 2012, 21:05
von Herr S.
Hallo Aloys, Hallo Gerald,
ich versuche mal Deinen Wissensdurst zu Stillen
Kann sich so ein Giftstoff ablagern, so das er auch nachwirkend noch schädlich sein kann?
Von den Daten her, die ich jetzt auf die Schnelle im Internet finden kann, besteht die Möglichkeit einer Anreicherung in Organismen und vor allem entlang der Nahrungskette nicht. Phosphorsäureester werden meist schnell metabolisiert was gegen eine Anreicherung spricht. Wie es mit den Metaboliten, gerade mit dem polychlorierten Aromaten ausschaut kann ich aber nicht beurteilen.
Weiß jemand, ob ein Einsatz eher bei den Massenweinen großer Kellereien oder auch bei den Produzenten "unserer" Weine erfolgt?
Hier kann ich Dir leider nicht weiterhelfen. Ich weiß nur aus, daß die Substanz wegen ihrer breiten Wirksamkeit (Cholinesterase-Hemmer) vielfältig angewendet werden kann. Allerdings kenne ich keine Aufwandzahlen pro Jahr o.Ä.
Zu dem neurotoxischen Effekt finde ich keine valide Gesamtbewertung. Zudem bin ich kein Toxikologe sondern kann nur den Umweltteil +/- valide abdecken. Sollten die zuständigen Behörden bei der (Wieder-)Zulassung des Wirkstoffes allerdings der Meinung sein, daß ein begründeter Verdacht auf neurotoxische Wirkung besteht würde dies eine Zulassung nicht eben vereinfachen.
Was aber die entscheidende Frage angeht: Wenn man sicher sein will muss man seine NAhrung und auch seinen Wein entweder analytisch freimessen lassen oder aber man vertraut der biologischen Landwirtschaft (die je nach Zertifizierung auch den ein oder anderen "Hammer" benutzen darf).
Viele Grüße,
Björn
Quellen:
http://www.dive.afssa.fr/agritox/php/sa.php?sa=251
http://www.echemportal.org
Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Mi 2. Mai 2012, 21:15
von Sebastopol
Ich habe mal ein bißchen gesucht und auch meine Weinbauunterlagen zu Rate gezogen, zum einen gibt es wohl noch eine Notfallzulassung bei bestimmten Käfern im Raps:
http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzensc ... _node.html
Zum andern gab es mal eine Zulassung gegen den Traubenwickler im Weinbau, allerdings konnte ich keinen Hinweis finden das diese Zulassung noch besteht.
Darüberhinaus wird das Problem der Traubenwickler schon seit Jahren ganz anders gelöst: mit Duftstoffen die das Zueinanderfinden der weiblichen&männlichen Tiere und dadurch die Vermehrung verhindert (Stichwort RAK). Diese Verwirrmethode hat zumindest in den nördlichen Weinbaugebieten sehr starke Verbreitung gefunden, etwa an der Mosel, der Ahr, im Rheingau, dem Mittelrheintal und großen Teilen Rheinhessens..bei allen weiß ich es nicht 100% genau.
Alles in allem also Entwarnung für den Wein

Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Do 3. Mai 2012, 07:23
von Chris
Ein sehr häufig im konventionellen Weinbau benutztes Herbizid ist
Roundup. Im Netz findet sich viel darüber.
Diesen Wiki Artikel sollte man zumindest mal gelesen haben.
Logischerweise kommen Umweltverbände in der Regel zu anderen Ergebnissen wie der Monsanto Konzern

Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Do 3. Mai 2012, 07:57
von austria_traveller
Chris hat geschrieben:Ein sehr häufig im konventionellen Weinbau benutztes Herbizid ist Roundup.
Da hab ich unlängst einen eher besorgniserregenden Artikel dazu gelesen. Benutze das Mittel gelegentlich auch zur Unkrautbekämpfung.
http://news.orf.at/stories/2062665/
Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Do 3. Mai 2012, 08:16
von Gerald
Nun, zum Einsatz von Roundup im Weinbau gab es schon hier (und früher bei taw) recht intensive Debatten. Nicht zuletzt auch, da ein sehr angesehener deutscher Winzer, der sich gerne in Verbindung mit "Naturwein" bringt, freimütig erklärt hat, dieses Mittel einzusetzen. Grund dafür war, dass das Unkraut in seinen Steillagen ansonst nur manuell entfernt werden könnte, was für ihn zu viel Aufwand darstellt.
Und unser Freund und Weinhändler Martin K. hat auch einen lesenswerten Artikel über Roundup im Weinbau geschrieben:
http://www.weinhalle.de/blog/2011/10/ro ... m-weinbau/
Für mich merkwürdig aber besonders dieser Absatz:
(Bildunterschrift) Weine von solchen Reben führen wir nicht!
Für uns von K&U ist Glyphosat ein heißes Thema. Wir bearbeiten alle Winzer, denen wir begegnen (… und nicht nur unsere, die, bis auf wenige Ausnahmen im extremen Steillagenweinbau, kein Roundup einsetzen!), um sie für dieses Thema zu sensibilisieren. Glyphosat muß schnellstmöglich aus der Landwirtschaft verschwinden! Hier gibt es keine Alternative zum Bioweinbau!
Denn genau bei dem oben genannten prominenten Winzer macht er doch eine Ausnahme. Irgendwie muss ich da an "Animal farm" denken
Grüße,
Gerald
Re: Giftstoffe im Weinbau
Verfasst: Do 3. Mai 2012, 11:07
von C9dP
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten und Links. Was die Gefährdung in der Schwangerschaft angeht gibt es wohl eine wissenschaftliche Studie. Allerdings wurde eben nicht klar, ob der Weinkonsum nur während der Schwangerschaft oder auch vorher problematisch ist. Deshalb nochmal Danke für die "Aufklärung"
