LaLas in Graz

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oli_oli_oliver
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LaLas in Graz

Beitrag von oli_oli_oliver »

Schon lange schleiche ich um die Lagen-Cote Roties von Guigal herum. Nach diversen erfreulichen Begegnungen mit älteren Ausgaben des "einfachen" Brune et blonde sowie jüngeren Jahrgängen Chateau d' Ampuis und Ermitage Ex Voto sowie eingehender Lektüre von Jeff Leve und Achim Becker war eigentlich klar, dass diese Weine genau mein Ding sein müssten. Nur bekommt man sie viel zu selten ins Glas. Das liegt vor allem an den geringen verfügbaren Mengen und den zum Teil wahnwitzigen Preisen, die für diese seltenen Weine aufgerufen werden. Meine Trinkerfahrungen waren demnach stark begrenzt (nur ein Mal 92er La Turque). Das hat sich nun erfreulicherweise mit einer sensationellen Weinprobe in Graz geändert.

Umrahmt wurde das Kernprogramm der 14 Guigal-Lagenweine von 14 höchstkarätigen "Nachbarn", teils von Guigal selber, teils von anderen Top-Produzenten wie Ogier, Jamet oder Rostaing. Ich glaube, ich habe selten an einem Abend so viele Parkerpunkte getrunken.

Rückschauend kann ich nur sagen: von den knapp zweitausend Kilometern, die ich für diese Probe an einem Wochenende im Auto gesessen habe, hat sich jeder einzelne gelohnt. Die Weine präsentierten sich auf unglaublich hohem Niveau und größtenteils mit einer faszinierenden Frische, die sie bei aller Konzentration phänomenal elegant erscheinen lässt. Insbesondere die reiferen Flights 3, 4 und 6 haben alles getoppt, was ich in meiner bisherigen Weinproben-Historie erleben durfte. Die Lalas verfügen einfach über einen Tick mehr Frische als Rayas, über etwas mehr Dampf als die La Chapelles und (und das schreibe ich wirklich nicht gerne) über ein Quäntchen mehr Feinheit als die Giacosas.

Ich bin überaus dankbar, dass ich an einer solchen Probe teilnehmen durfte.

Die Probe war in jeder Hinsicht perfekt organisiert. Die Weine wurden in 4er- und 5er-Flight blind aus Gabriel-Gläsern probiert. Nach jedem Flight wurde aufgedeckt.

Flight 1:

E. Guigal Chateau d'Ampuis -Cote Rotie 1995
Der erste Jahrgang Chateau d'Ampuis. Sehr dunkle, junge Farbe. In der Nase Vanille, etwas Stall. Dunkle Frucht. Eher zurückhaltend. Am Gaumen mittlere Dichte. Schlank aber sehr lang. Elegant. Im Glas öffnet sich die Nase deutlich und wird immer schöner und eigenständiger. Wie häufig bekommt man Lakritz, Thymian und Curry in einer Rotwein-Nase geboten? Über allem liegt eine ganz zarte Zitrus-hafte Note, die uns an diesem Abend noch häufiger über den Weg laufen wird. Einige der Teilnehmer riechen Blutorange, für mich geht das Ganze in Richtung Eisenkraut. Die Note sorgt für eine fabelhafte, elegant wirkende Frische, nach der ich süchtig werden könnte. Super! (93)

Jean-Michel Gerin - Côte Rôtie "Le Grand Places" 1995
Farblich dem Ampuis sehr ähnlich. In der Nase seidiger, geschliffener, feiner aber auch nochmal etwas dezenter. Am Gaumen erheblich weniger Substanz. Etwas bitteres Holz. Rustikal anmutendes Tannin. Die Nase legt zu, der bockige Eindruck aber bleibt. Ich vermute, dass der Wein noch ordentlich Luft nach oben hat. (88+)

E. Guigal - Côte Rôtie "La Turque" 1997
Auch hier farblich fast identisch. Sehr duftig, üppig und komplex. Sexy! Wunderbar. Viel Kirsche. Auch am Gaumen: jung! Tragende Säure, Ordentlich (meint: zu) viel Holz. Zumindestens im aktuellen Stadium. Deutlich länger als der Gerin. Auch hier entwickelt sich die Nase deutlich im Glas mit einer fast Latour-haften Walnuß-Note. Der Gaumen scheint sich mit der Zeit zu verschliessen und wirkt überschlank bis hohl. Den scheinen wir im Tiefschlaf erwischt zu haben. (89+)

Chapoutier - Cote Rotie "La Mordoree" 1995
Dunkler. Erneut nussige Noten. Sehr dunkle, reife, wenn man so will "moderne" Frucht. Würzige, erdig, trotzdem frisch. Am Gaumen breit, sehr viel Holz. Mit der Zeit entwickelt der Wein sehr schöne Kräuternoten und eine fast etwas künstlich anmutende Frucht. Im Mund bleibt er weiterhin ein kantiger Brocken. Hier bin ich bezüglich einer positiven Entwicklung weniger optimistisch als bei den Vorgängern. (88)

Ogier - Cote Rotie "La Belle Hélène" 1997
Der dunkelste Wein des Fünfer-Flights. Kirsche! Üppig. Sexy. Den Wein könnte man blind ohne Probleme in einen Flight modernen Italiener stellen ohne dass er übermäig auffallen würde. Am Gaumen mittlere Dichte, etwas breit. Viel Holz. Gute Länge. Hier fehlt mir die Substanz in der Mitte. Ähnlich wie bei den Weinen 2 und 3 vermute ich aber, dass der Wein deutlich Potenzial für mehr Trinkspaß hat, wenn man ihm noch etwas Zeit gibt. (90+)

Fortsetzung folgt...
Rieslingmaster
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von Rieslingmaster »

oli_oli_oliver hat geschrieben:E. Guigal - Côte Rôtie "La Turque" 1997
Auch hier farblich fast identisch. Sehr duftig, üppig und komplex. Sexy! Wunderbar. Viel Kirsche. Auch am Gaumen: jung! Tragende Säure, Ordentlich (meint: zu) viel Holz. Zumindestens im aktuellen Stadium. Deutlich länger als der Gerin. Auch hier entwickelt sich die Nase deutlich im Glas mit einer fast Latour-haften Walnuß-Note. Der Gaumen scheint sich mit der Zeit zu verschliessen und wirkt überschlank bis hohl. Den scheinen wir im Tiefschlaf erwischt zu haben. (89+)

Hallo Oli,

brr.... Tiefschlaf, wollte meine Flasche in den nächsten 12 Mt. mal köpfen, somit wird das nix.

Von den anderen Guigal Lalas 97 hört man eigentlich nix solches.

Besten Dank für die Info.

Gruss

Dominik
oli_oli_oliver
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von oli_oli_oliver »

Hi Dominik,

97 La Mouline war zwar etwas offener aber weit davon entfernt reif zu sein. Insofern scheint wirklich Geduld angesagt...

VG

Oliver
oli_oli_oliver
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von oli_oli_oliver »

Flight 2

E. Guigal Chateau d'Ampuis - Côte Rôtie 2003
Sehr junge Farbe. Dichte, extrem reife, tiefe, kirschige Frucht. Dazu dunkle Beeren und ein Anflug von Sauerkraut. Lakritz. Am Gaumen setzt sich die dunkle, sehr reife Frucht fort. Extrem dicht und extrem reif. Ich habe mir aufgeschrieben: "Spanien-hafter Einschlag." Extrakt ohne Ende. Dicht, tolle Struktur. Sehr lang. (93)

René Rostaing - Côte Rôtie "La Landonne" 2003
Farblich identisch mit dem Ampuis. Vielleicht sogar ein wenig dunkler. Einigermaßen seltsame Nase, die man blind ziemlich sicher für einen weißen Sauvignon Blanc halten würde: v.a. Stachelbeere. Dazu Katzenpisse. Letzere Note hatten einige Mittrinker schon in der letzten Flasche im Oktober 2010 identfiziert. Damals hatte ich das aber nicht nachvollziehen können. Am Gaumen sehr gute Struktur und Länge, wobei sich die Aromen aus der Nase am Gaumen reduziert fortsetzen. Seltsam: Vor einem guten Jahr war der Wein in meiner Wahrnehmung noch völlig anders. Trotzdem insbesondere wegen der Performance am Gaumen ziemlich gut. (92)

Ogier - Côte Rôtie "Lancement" 2001
Erster Jahrgang. Farblich den beiden Vorgängern sehr ähnlich. Der Wein riecht wie ein asiatischer Tempel, insbesondere nach Räucherstäbchen. Ein Hauch Haarspray. Schöne Frucht. Am Gaumen extrem dicht, schlank und sehr lang. Extrem gut balanciert. Elegant. Unglaublich harmonisch. Kraft- und Eleganz-mäßig auf Augenhöhe mit dem nachfolgenden La Turque. (94)

E. Guigal - Côte Rôtie "La Turque" 2005
Farblich der dichteste von den vier Weinen. Feuerstein. Eisenkraut. Rote Beeren. Super-reife Frucht. Komplexität auf Weltklasse-Niveau. Am Gaumen extrem dicht und lang. Ordentlicher Bumms. Geniale Fruchtsüße, sowohl am Gaumen als auch in der Nase. (95+)

Fortsetzung folgt...
oli_oli_oliver
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von oli_oli_oliver »

Flight 3

E. Guigal - Côte Rôtie "La Turque" 1994
Dicht. Enorm konzentriert. Minimal malzig. Rauchig. Wahnsinnig lecker. Am Gaumen extrem dicht. Stramme Säure. Sehr, sehr lang. Auf höchstem Niveau fehlt ihm der letzte Druck für das absolute High End. Die Nase bekommt mit der Zeit eine dezente Fruchtgummi-Note, die ich sauisch lecker finde. (95)

E. Guigal - Côte Rôtie "La Landonne" 1994
Etwas dunkler als der La Turque. Geniale, frische, unglaublich antörnende Nase. Im Vergleich zum La Turque eher rotbeerig. Tabak. Enorme Dicht. Phänomenale Fruchtsüße. Das ist absolute Weltklasse. Mit der Zeit Lakritz. Aus meiner Sicht ist die Nase perfekt. Besser gehts nicht. Am Gaumen dicht, balanciert, sehr elegant. Seidig. Lang. Zur Perfektion fehlt hier der letzte Kick Konzentration und Komplexität. (97)

E. Guigal - Côte Rôtie "La Mouline" 1994
Auch der La Mouline entwickelt in der Nase diese kräuterige, leicht zitrus-hafte Eisenkraut-Note, die den Wein wunderbar frisch und komplex macht. Dazu gesellt sich beim 94er Weihrauch. Am Gaumen ultra-dicht. Sehr lang. Eine Winzigkeit weniger konzentriert als die ersten beiden Weine im Flight. (95)

E. Guigal - Côte Rôtie "La Mouline" 1995
Dunkler als die drei Vorgänger. Riecht auch deutlich jünger. Mega-dicht. Geschliffen. Aromatisch dem Vorgänger sehr ähnlich. Daher auch hier wieder: Eisenkraut. Geschliffener und aristokratischer als der 94er. Traumhaft, nicht besser zu machende Fruchtsüße. Am Gaumen nahe der Perfektion. Geniale Struktur. Fabelhafte Balance. Der setzt auf den Vorgänger noch ein Schippchen drauf. (98)

E. Guigal - Côte Rôtie "La Mouline" 1997
Auch sehr dunkel. Von allen Weinen im Flight die Nase mit der größten Bordeaux-Affinität. Etwas Stall und Vanille. Wird mit der Zeit dunkler und rauchiger. Auf allerhöchstem Niveau von allen Weinen im Flight der schlankeste. Schöne Balance. (93+)

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dyingromeo
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von dyingromeo »

Hallo Oli,

Du findest das jetzt bestimmt total lustig....uns (insbesondere mich!) hier mit solch munwässernden Notizen "geil" zu machen....................... ich aber ganz und gar nicht! :evil: ;) :D
weinfreudige Grüße
Christian

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sorgenbrecher
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von sorgenbrecher »

dyingromeo hat geschrieben:Hallo Oli,

Du findest das jetzt bestimmt total lustig....uns (insbesondere mich!) hier mit solch munwässernden Notizen "geil" zu machen....................... ich aber ganz und gar nicht! :evil: ;) :D
da kann ich mich nur anschließen, eine grandiose probe, die einen den mund wässrig macht und wunderbar beschrieben dazu, großes kompliment !

für mich gehört ein im letzten jahr getrunkener 1989er la turque zu den bisher besten weinen meines "weinlebens" und scheinbar liegen auch bei dir, oli, wie auch nach meinem geschmack burgund und nördliche rhone genussmäßig ganz weit vorn.
Gruß, Marko.
oli_oli_oliver
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von oli_oli_oliver »

dyingromeo hat geschrieben:Hallo Oli,

Du findest das jetzt bestimmt total lustig....uns (insbesondere mich!) hier mit solch munwässernden Notizen "geil" zu machen....................... ich aber ganz und gar nicht! :evil: ;) :D
:twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted:
oli_oli_oliver
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von oli_oli_oliver »

Hi Marko,

Danke für die Blumen :oops:

Wie Du schon schreibst: Burgund und die nördliche Rhone haben (wenn gut) einfach einen unnachahmlichen Charme. Der Dritte Flight war für mich aus Spass-/ Genuss-Gesichtspunkten schon Perfektion. Leckerer geht eigentlich nicht. Da waren wir uns am Tisch ziemlich einig. Nicht lange allerdings, denn die Flights 4 und 6 haben das Ganze fast nochmal getoppt.

VG,

Oliver
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austria_traveller
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Re: LaLas in Graz

Beitrag von austria_traveller »

Eigentlich sollte der Tag heute weinlos bleiben, aber nach deinen Notitzen habe ich jetzt schon Lust auf ein gutes Tröpfchen. Noch nicht mal der Kaffee alle :?
Hast du übrigens auch den Brune et Blonde von Vidal-Fleury gehabt, oder ist der ein paar Stufen drunter ?
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
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