finde ich nicht
Ich habe mir die Kritik durchgelesen und kann sie selber nur kritisieren. Der Text liest sich für mich so, als würde ein Juwelier die Hochstände beim Goldpreis kritisieren. Juweliere partizipieren übrigens wie Weinhändler kaum von den hohen Preisen des Ausgangsprodukts. Die Margen bleiben bei Gold wie bei Petrus oder DRC bei neuen Preisorgien klein oder schmelzen sogar noch. Wenn ich den Text kritisiere, blende ich die ökonomische Situation der Händler sicher nicht aus. Steigende Preise verbessern nicht nur die Margen nicht. Sie haben in der Vergangenheit zu hoher Kapitalbindung und damit Risikomaximierung geführt und dieses Risiko ist viel schwerer abzustoßen. Eine Palette kleinen Weines bekommt man noch stückweise über ebay oder in der Gastronomie verkauft. Wer aber auf nur einer Kiste Mouton 2010 sitzengeblieben ist, wird auf die Preisspirale fluchen. Ich meine also durchaus zu verstehen, warum Herr Kössler schimpft - und er schimpft ja leidenschaftlich gern. Nur die Thesen, die daraus abgeleitet werden, teile ich nicht.
These Nr. 1 "
Der Weinmarkt ist noch viel anspruchsloser geworden als er es vorher schon war." Den Weinmarkt muss man natürlich in seinen Segmentierungen begreifen und der Verweis auf die Forenfeinschmecker greift sicher zu kurz. Deshalb nur ein schneller Überblick über den Markt. Im Discount-Bereich hat sich viel getan. Es gibt viel mehr Auswahl bei ALDI und Co als noch vor 15 Jahren, wenn das auch nie der Laden sein wird, wo ich meinen Weinbedarf decken möchte. Ab und an bekommt man einen Grand Cru Classé oder einen ordentlichen Riesling vom VDP-Winzer. Im LEH ist nicht wie früher bei Mouton Cadet Schluss mit der Auswahl. Manch Drogeriediscounter ist im Weinsegment sogar regelrecht ambitioniert. Im Einzelhandel in der Innenstadt finde ich immer mehr Spezialisierungen. In Berlin gibt es Geschäfte nur für georgischen, südfranzösischen oder burgundischen Wein. Wohlbemerkt. In diesen Läden bekommt man NUR Wein aus diesen Regionen. Man erhält aber auch im Feinkosthandel, auf dem Wochenmarkt oder im Kaufhaus eine erstaunliche Auswahl geboten. Sind das nun alles Industrieweine, wie die nächste These weissmachen will?
These 2 "
die globale Einheits-Brühe, genannt ‘Wein’" Ist das so? In meiner Studentenzeit Anfang der 90er führten die meisten Weinhändler Wein nur nach den Katalogen ihrer Lieferanten. Wer machte sich denn schon in der Zeit vor dem liberalisierten Binnenmarkt auf den Weg direkt zum Erzeuger? Und was habe ich da nicht für zusammengeschusterte Weine von Genossenschaften getrunken? Natürlich gibt es auch kritische Entwicklungen. Viele Rotweine wirken vanillisiert durch zu viel Toasting (oder eben Eichenholzchips). Viele Weissweine künstlich stählern und frisch. Ich vermisse Quellen, um gereifte Weine zu kaufen, die nicht überlagert sind oder im Dritt- oder Vierterwerb durch die Händlerkette strömen. Es gibt einen Trend der kurzen Lagerhaltung. Das kann man gerne kritisieren. Aber es gibt auch den Feinkostladen bei mir um die Ecke, der nur Franzosen aus Cahors und Madiran und noch etwas mehr aus Südwestfrankreich führt. Keine einfachen Gesellen. An diese Vielfalt unter einem sicherlich vorhandene globalen Trend kann ich mich nicht entsinnen.
These 3, die "
Biowein"-Lüge". Im Moment wird viel davon verkauft. Das stimmt schon. Verbraucher verhalten sich nicht selten unaufgeklärt und greifen zur Flasche, wenn nur das nichtssagende EU-Bio-Label darauf angebracht ist. Bio ist Marketing und sicher nicht immer gutes. Aber es gibt auch Alterantiven und die werden beschritten. Warum gehen immer mehr interessante Winzer den Weg der Biodynamik? Nicht nur wegen des Marketings, sondern auch weil die Weine sich damit verbessern. Nachfragen nach den Kellerarbeiten sind dabei eingepreist. Dem Bioweintrinker wiederum vorzuwerfen, dass er sich nicht für Herkunft und Ursprung interessiert, ist gelinde gesagt ein Luxusvorwurf. Wein war immer nur in der Spitze ein Getränk mit Ambitionen. Die Masse des getrunkenen Weines war und ist für den Verbrauch bestimmt. Wenn nun mehr Biowein verbraucht wird, kann ich daran nichts schlechtes finden. Dann liegt es am Händler zu erklären, weshalb diese Kunden, die offensichtlich bereit sind ein paar Euro Bio-Aufschlag pro Flasche zu zahlen, diesen Aufpreis nicht auch für meine Weine zahlen.
Kösslers Konsequenz aus dieser Beobachtung ist wiederum folgerichtig und beweist seinen untrüglichen Sinn für das Geschäftliche. Er geht in die Nische. Champagner macht es vor. Es sind auch bei K & U nicht nur günstige Weine im Programm und wenn es Kössler um eine "Systemkrise" ginge, dann müsste er auf Champagner ganz verzichten, weil das Preis-Leistungsverhältnis bei so hohen Traubenkosten nie besonders gut sein kann. Aber Kössler ist am Ende Kritiker mit einem gewissen Hang zur Larmoyanz UND Händler. Und als solcher schlägt er die einen und verkauft die seinen und die kosten auch Geld und die werden durchaus auch mit jedem Jahrgang teurer. Das ist gutes systemkritisches Marketing, aber es ist am Ende eben auch nur Marketing. Am Ende geht es doch darum, den Individualisten unter den Käufern nicht wirklich schlechten Weines einen Grund zu liefern, ihre Weine künftig bei K & U und nicht mehr beim Versandhandel zwei Klicks entfern zu kaufen.
Gegen diese Strategie ist nichts einzuwenden. Aber die "Systemfrage" löst durch den Kauf einer Flasche Wein in einem sehr gut sortierten und engagierten Weinhandel in Nürnberg genausowenig auf, wie der Kauf einer handgeschmiedeten Pfanne bei Manufaktum, die Marktstellung der Kochgeschirrindustrie in diesem Land gefährdet.
Just my 10 ct.
Grüße,
wolf