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Auf ein Glas ..... 2008 Schwarz Rot, Zweigelt, Neusiedlersee

Verfasst: Di 23. Aug 2011, 08:42
von susa
Ich würde ja zu gerne mal wissen, wie das in den großen besternten Restaurants so vor sich geht, wenn der Sommelier und der Maître, auch kurz Chef genannt, Essen und Wein vermählen. Wer hat die Oberhoheit? Ist das Essen gesetzt und der Sommelier soll gefälligst zusehen, wie er die richtigen Weine dazu heranschafft? Kann der Sommelier (wenigstens in engem Rahmen ;)) Einfluss nehmen, so ungefähr "also wenn hier noch ein wenig Zitronenthymian und Limettenabrieb eingesetzt würde, dann würde ich mit einem Chardonnay Sowieso die perfekte Marriage hinbekommen" bis zu "Chef, ich hab da zwei Kisten Zweigelt im Keller, die müssen jetzt unbedingt weg bevor sie über den Zenith gehen, kannst Du nicht mal was mit geschmortem Wild oder so machen?" - und der Chef überlegt sich was?

Bei uns zu Hause geht es entweder so zu, dass Herr susa zB sagt, er habe noch mal richtig Lust auf Daube oder Zitronenrisotto mit Flusskrebsen oder Orangenente und dazu suchen wir dann einen feinen Wein aus oder er sagt, dass er am Wochenende einen Bordeaux oder kalifornischen Pinot Noir oä zu trinken gedenke und ich mir ja dazu etwas Schönes zu essen ausdenken könne. Oder ich mach einfach was zu essen und wer immer sich berufen fühlt, kann einen Wein dazu auswählen.

Bei meinen Freunden geht es ähnlich zu, manche greifen auch einfach blind ins Fach und trinken, wonach ihnen gerade der Sinn steht, ohne irgendeinen Gedanken daran zu verschwenden, ob das nun zum Essen passt. Manchmal kommen da richtig gute Sachen bei raus und wenn nicht, kann man immer noch erst das Essen verspeisen und den Wein dann später genießen oder sich einfach nix draus machen.

Von "muss weg" kann von meinem heutigen Wein allerdings gar nicht die Rede sein, eher im Gegenteil, nichts desto trotz wollte das passende Essen sorgfältig geplant sein. Da trifft es sich gut, dass ich das passende Buch mein eigen nenne, nämlich "Top Winzer kochen", das mit seiner doch sehr hausbackenen Umschlaggestaltung keinen vom Hocker reißt und deswegen vielleicht nicht die Verbreitung findet, die ich ihm wünsche. Namhafte (ich glaube zumindest, dass sie alle namhaft sind, viele davon sind mir auch aktiv (= kenne ihre Weine) oder passiv (= kenne ihren Namen) bekannt) österreichische Winzer werden vorgestellt und einer ihrer Weine wird mit dem passenden Gericht vermählt – oder umgekehrt, das ist hier hauptsächlich eine Frage des Blickwinkels.

Und da er nun schon mal im Keller war und auch im Buch erwähnt ist, war es natürlich Weinindianerehre, dass das empfohlene Gericht gekocht und der Wein dazu serviert wurde, übrigens bei 16°C und in Bordeauxgläsern.

2008 Schwarz Rot
Hans Schwarz, Neusiedlersee


auch bekannt als "The Butcher" immerhin hat Herr Schwarz dieses ehrbare Handwerk ebenfalls gelernt und führt es auch noch aktiv aus. So kann man davon ausgehen, dass er von Fleisch was versteht. In meinem Keller befand sich allerdings nur der 2008er, nachdem ich letztens noch einmal einen Schwarz-Zweigelt probiert habe, musste wieder etwas vom Metzgerhans ins Haus.

Als Gericht wurden geschmorte Ochsenbäckchen mit Kartoffelpüree und Gemüse empfohlen – und es passte perfekt.

Was den Wein angeht, der im Buch empfohlene 2006er hätte sicher noch einen Tick besser gepasst, weil reifer und abgerundeter, aber der 2008er war ebenfalls ein wunderbarer Begleiter, dessen Kraft und komplexe Aromatik sich bestens mit der sanften Fülle von Fleisch und Kartoffeln verband.

Ich habe statt des Kartoffelpürees Kartoffelplätzchen serviert, gekochte Kartoffeln mit einer Gabel zerquetscht und mit ganz wenig sehr fein gewiegten Schalotten vermischt, mit Pfeffer, Salz und Muskat abgeschmeckt und in viel heißem Butterschmalz ausgebacken. Eine knusprige Komponente erschien mir passender. Im Originalrezept wird Kartoffelpüree mit Ei (trennen und Eiweiß zu Schnee aufschlagen, dann mischen) im Ofen überbacken dazu serviert.

Die Bäckchen wurden zwei Tage (drei schaden auch nix ;)) in Rotwein (ich hatte da noch einen einfachen Syrah rumstehen) und Wurzelgemüse (allerdings nichts aus der großen Familie der Zwiebeln, ich hatte Möhren, Petersilienwurzel und Sellerie) mariniert. Dann aus der Marinade nehmen, trocken tupfen und in Butterschmalz (Originalrezept sagt Sonneblumenöl, ich würde allerhöchstens halb Butterschmalz halb leichtes Olivenöl nehmen, aber jeder wie er mag) von allen Seiten angebraten und aus der Kasserolle nehmen (gusseiserne sind für diese Zwecke am besten). Die Marinade mit dem Gemüse durch ein Sieb geben, die Flüssigkeit auffangen, das Gemüse im heißen Fett anrösten, einen EL Tomatenmark anrösten, dann mit der Hälfte der Marinade und einer Suppenkelle Rinderbrühe ablöschen.

Das Fleisch wieder zugeben und mindestens zwei Stunden bei ganz sanfter Hitze schmoren lassen (Deckel ein wenig geöffnet lassen), hin und wieder immer abwechselnd etwas von der Marinade und dann wieder Rinderbrühe dazu geben.

Danach das Fleisch aus dem Topf nehmen, das Gemüse entfernen, Sauce einkochen lassen, etwas Bitterschokolade, Sojasauce (wenig!) und Portwein dazu geben, abschmecken. Bäckchen in Scheiben schneiden und in der Sauce noch ein wenig ziehen lassen.

Dazu passen am besten blanchierte und in Butter und frischem Estragon geschwenkte zarte Möhrchen, da sich ihr etwas süßliches Aroma sehr fein mit den anderen Komponenten und dem Wein verbindet.

Der Wein, der auch als Solitär eine sehr gute Figur macht, war ein hervorragender Begleiter zum Essen, dichtrot, in der Nase ein wunderbares Kirscharoma, Brombeere, Gewürz, etwas staubiges Mineral wie man es manchmal bei alten Bandols findet, am Gaumen kraftvoll, fleischig, intensives Tannin, Pflaumenmus, Kirsche, Gewürz, Mocca, knapp langer recht komplexer Abgang. Insgesamt erinnerte mich der Wein an kräftige Syrahs oder Mourvèdres aus dem Süden Frankreichs, aber für den Schwarz Rot werden ja gerne derartige Vergleiche bemüht.

Jedenfalls war es ein gelungener Abend und ein Wein, den man vielleicht nicht alle (Sonn)tage haben muss, der aber für Überraschung und große Trinkfreude sorgt, wenn man sich mit einem kleinen Kraftpaket hin und wieder anfreunden kann.

Prost!

Re: Auf ein Glas ..... 2008 Schwarz Rot, Zweigelt, Neusiedle

Verfasst: Di 23. Aug 2011, 10:08
von dylan
Liebe Susa,

bitte künftig solche Beiträge erst nach dem Mittaggessen einstellen. Ich sitze jetzt den Rest des Vormittags mit knurrendem Magen im Büro. ;)

Beste Grüsse

dylan

Re: Auf ein Glas ..... 2008 Schwarz Rot, Zweigelt, Neusiedle

Verfasst: Di 23. Aug 2011, 12:19
von susa
So, Eingangsfrage ist auch beantwortet, Ronny Weber, Sommelier im Hotel/Restaurant Ritter in Durbach hat es mir eben auf fb wie folgt erklärt:


Nun zu Deiner Frage: Also bei uns ist es so, dass unser Küchenchef und ich die Speisekarte meist zusammen austüffelten. Das heißt das ich da schon einen gewissen Einfluss auf gewisse Komponenten habe. Den groben Rahmen gibt aber er natürlich vor. Danach zerbreche ich mir meinen Kopf welche Weine theoretisch am Besten passen könnten. Unser Küchenchef und sein Team kochen die Gerichte dann zur Probe. Dazu serviere ich meinem Team und unserem Chef ca. 3 Ideen. Meistens passt da schon einer, wenn nicht heißt es weiterprobieren bis die optimale Paarung gefunden wird. Gott sei dank haben wir einen Chef der das alles zu schätzen weiß und bezahlt.
Diverse 'Kellerleichen' kann man schon mal in einer speziellen Liason in neuem Glanz erstrahlen lassen, haben wir so aber noch nicht nötig gehabt.
Bei Komponenten wie Tomaten oder Artischocken bin ich natürlich immer Skeptisch. Aber meist wird die Säure oder die Bitterstoffe im Gericht recht gut integriert so dass ich das oft einen passenden Tropfen finde. Ich hoffe Dir damit geholfen zu haben.


Danke auch noch mal an dieser Stelle

susa

Re: Auf ein Glas ..... 2008 Schwarz Rot, Zweigelt, Neusiedle

Verfasst: Di 23. Aug 2011, 16:36
von Michael Pronay
Nur der guten Ordnung halber eine winzige Anmerkung: Der "Maître" wird nie "Chef" genannt, denn ersterer ist der Restaurantleiter, auch "Serviceleiter" oder "Oberkellner" tituliert, während "Chef" stets nur der (respektive die Anrede für den) Küchenchef ist.

Re: Auf ein Glas ..... 2008 Schwarz Rot, Zweigelt, Neusiedle

Verfasst: Di 23. Aug 2011, 16:57
von susa
oui Chef

;)