Bordeaux 2019

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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OsCor
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von OsCor »

Ich glaube, dass es zwischen Ulli und Stefan ein grundlegendes Missverständnis gab: Ulli meinte die Käufer und Stefan die Erzeuger. Ist das so?

Gruß
Oswald
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UlliB
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von UlliB »

OsCor hat geschrieben:Ich glaube, dass es zwischen Ulli und Stefan ein grundlegendes Missverständnis gab: Ulli meinte die Käufer und Stefan die Erzeuger. Ist das so?
Zumindest für meinen Teil ist das so. Welche andere Perspektive sollte ich auch einnehmen können?

Gruß
Ulli
Bernd Schulz
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von Bernd Schulz »

small talk hat geschrieben:Unabhängig davon kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Produktionskosten in Frankreich deutlich höher liegen als beispielsweise in Deutschland (das gilt besonders für die Arbeitskosten).
Dass die Herstellungs- und Arbeitskosten im Bordeauxgebiet grundsätzlich deutlich höher sein sollen als im Steillagenweinbau an der Saar, leuchtet mir zunächst überhaupt nicht ein. Gibt es irgendwelche Zahlen dazu?

Herzliche Grüße

Bernd
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small talk
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von small talk »

Zur Frage von Rainer:
Es gibt durchaus Schwierigkeiten weniger populäre Jahrgange gut zu Verkaufen. Es macht überhaupt keinen Sinn sich gegen den Markt zu stemmen. Weder auf der Angebot-, noch auf der Nachfrageseite. Wirklich verlässliche Aussagen kann ich aber nur aus meiner Erfahrung geben.
Vom 2013er habe ich alle qualitativ minderwertige Chargen im Tank verkauft. Meine Weine waren da noch nicht so bekannt und das ‚schnelle Geld‘ konnte ich zu dieser Zeit sehr gut gebrauchen und der Preis war auch sehr gut, weil die Menge sehr klein war. Nach der Abfüllung wollte der Markt den Wein auf einmal nicht mehr, da war das meiste aber auch schon durchgehandelt. Die letzten Flaschen gingen nach China. Von dort kamen dann noch Anfragen, aber das war ja dann schon durch.
Vom 2017er der auch als ‚schwacher Jahrgang‘ betrachtet wird, (Was meines Erachtens für die Weingüter, die nicht vom Frost betroffen waren und gut gearbeitet haben, überhaupt nicht stimmt.) kann ich dir folgende Zahlen geben. Gesamt Jahrgangs-Produktion etwas über 201 K Flaschen davon als 2017er abgefüllt etwas über 154 K Flaschen. Weil der 2017er vom Markt regelrecht abgelehnt wird habe ich von der Möglichkeit gebraucht gemacht, den Wein einem anderen Jahrgang beizumischen. Das dürfen wir zu maximal 15 %. Im Klartext: im Wein müssen mindestens 85 % des Jahrgangs drin sein, wie auf dem Etikett angegeben ist. Ich bleibe normalerweise unter 10 % Beimischung um die Jahrgangstypizität, die ich meines Erachtens die europäischen Weine so spannend macht, nicht zu verändern. Vom Abgefüllten 2017er sind nun schon über 140 K Flaschen verkauft und wieder erwarten gibt es doch mehr Nachfragen. Viele versuchen mich da im Preis zu drücken (– Fehlanzeige). Die versuche ich nun auszubremsen und auf den 2018er (noch 40 % verfügbar) oder 2019er (noch 50 % verfügbar) umzuleiten. (Für Besucher der Chateaux wird aber vom 2017er noch was da sein, aber auch die werden kaum danach fragen – ‚weil der ja nicht gut ist…‘)
Zur Diskussion mit Ulli/
Selbstverständlich sehe ich das vom Standpunkt eines Bordeaux-Winzers, aber auch immer mit dem Hintergrund, dass ich bis vor 10 Jahren noch selbst ‚Weinkäufer‘ war. Viele Zusammenhänge wurden mir allerdings erst hier in Médoc im Laufe der Zeit klar. Und bestimmt kenne ich auch heute noch nicht alle Hintergründe. Es ist mit dem Handel nun mal so, dass dieser die Kommunikation zwischen Verbraucher und Produzent möglichst unterbinden will. Je weniger die voneinander wissen desto mehr Spielraum hat der Handel für seine Geschichten. Das gilt übrigens für die gesamte Nahrungsmittelbranche in erschreckender Weise. Viele Produkte werden anonymisiert und herkunftsverschleiert. Dazu sind Angaben oft unzureichend oder nummeriert. Die Deklaration von Tierfutter ist aufschlussreicher – nur mal so als Exkurs.
Ich nutze dieses Forum hier auch um den Dialog zwischen einem aufrichtigen Produzenten (– davon gibt es sehr viele) und aufgeschlossenen Konsumenten (– auch davon gibt es sehr viele) zu führen. Das muss nicht bedeuten, dass man immer gleicher Meinung ist. Respekt hilft da ungemein.
Ob nun der Handel oder verschiedene Chateaux mit der Primeur-Show übertrieben haben ist mir eigentlich egal. Ich wunder mich nur, dass viele Konsumenten das mitmachen.
In der Ökonomie gibt es einen Grundsatz: ‚Der Konsument bezahlt alles.‘ Letztendlich stimmt das tatsächlich. Es ist aber so, dass nur wirklich informierte Konsumenten auch wirklich souverän entscheiden können was sie bezahlen möchten. Lasst Euch also nicht an der Nase herumführen.
Wein ist Genuss und Genuss ist Geschmackssache. Wein gibt dem Genießer die Möglichkeit seinen Geschmack mit entscheiden zu lassen. Wenn dazu auch das Etikett oder die Klassifizierung gehört, ist das auch in Ordnung. Es ist ja die souveräne Entscheidung des Konsumenten.
Es wundert mich manchmal, sehr wenn ich sehe wie leicht sich Konsumenten durch etwas Show und Verkappungsspielchen an der Nase herum führen lassen. Oder wie naiv so manche Winzerkollegen sich in die Hände von Händlern begeben. Was hier schon so weit gegangen ist, das am Ende das Château dem Händler gehörte… Keine Sorge, mir wird das nicht passieren.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Zuletzt geändert von small talk am So 3. Mai 2020, 15:23, insgesamt 1-mal geändert.
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innauen
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von innauen »

UlliB hat geschrieben:
Bradetti hat geschrieben:Die Frage die sich mir stellt ist, ob die diversen Verkoster wie Lobenberg, Beck, Gerstl und Co. beim 19er Jahrgang nicht generell 2-3 Bonuspunkte per se mehr geben.
Da müsste Lobenberg bei seinen diversen Exklusivitäten die Skala erst einmal auf 105 Punkte erweitern... mehr als 100 geht ja im Moment dummerweise nicht :lol:
(...)
Gruß
Ulli
Doch. Für Heiner Lobenberg hält die 100 Punkte Skala mehr bereit, zB hier "100+"

https://www.gute-weine.de/produkt/westh ... 19-42383h/

Grüße,

wolf
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von Jochen R. »

Hallo Stefan,
vielen Dank für deinen (wiederholt) informativen Beitrag!

Vielleicht wäre dein 2017er Le Reysse - wenn in D verfügbar - mal ein
Thema für eine gemeinsame Verkostung hier im Forum !?

Viele Grüße,
Jochen
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TOM
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von TOM »

Hallo Stefan,
auch von mir ein Dankeschön für Deine Ausführungen, die das Forum sehr bereichern.
Da wir ja hier nun den Produzenten selbst befragen können und nachdem wir gelernt haben, dass 2017 gar nicht so schlecht ist, wie es immer geredet wird, würde mich allerdings Deine Meinung zum Jahrgang 2019 brennend interessieren. Wäre toll, wenn Du dazu etwas sagen könntest!

Gruß
-Tom
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small talk
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von small talk »

Bernd: die Kosten sind nun mal wie sie sind. Hier in Frankreich sind sie nun mal höher. Dass die Kosten für Steillagen je Traubengut sehr hoch sind, ist vollkommen klar. In Sauternes mit Erträgen von 5 -15 hl je ha übrigens auch. Bei einem Vergleich der Lohnkosten in der Landwirtschaft zwischen Frankreich und Deutschland kam 2012 oder 2013 (weiß ich nicht mehr so genau) heraus, dass diese in Frankreich fast doppelt so hoch sind. Die Lohn-Nebenkosten sind wirklich sehr heftig hier und steigen ständig. Maschinen, Treibstoff etc. ist auch teurer. Vieles lasse ich schon aus Deutschland kommen.
Zum 2019
Der 2019er ist hier bei mir extrem gut geworden. Das Traubengut war perfekt und ich habe mich getraut ohne Sulfitzusatz zu vinifizieren. Sulfit (SO2) kam erst nach der malolaktischen Gärung dazu. Wenn es irgendwie geht werde ich die nächsten Jahre so weiter machen. Die Fruchtaromen sind viel präziser und deutlicher. Jetzt liegt alles im Barrique und so eine gute Ausgangslage stellt da auch hohe Ansprüche. Die Nachgärung hat schon angefangen. Diese Einschätzung betrifft aber nur meine Weine, weil andere Weine habe ich kaum probieren können! Die Primeurs finden halt nicht statt.
Yves Beck war vor ein paar Wochen hier. Wir sind gut befreundet. Er hat mir gestern eine Link geschickt:
https://www.yvesbeck.wine/bordeaux-2019 ... -france-3/

Für 2019 sieht es demnach insgesamt sehr gut aus. Trotzdem würde ich das nicht verallgemeinern. Immer probieren. Von mir aus auch blind probieren aber nicht blind kaufen. Ich hatte schon miese 2010er im Glas.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von pessac-léognan »

Wie ist denn, lieber Stefan, der 19er deiner Meinung nach im Vergleich zum 18er, der wohl nächstens abgefüllt wird? In beiden Jahren war ja wohl ziemlich viel Trockenstress zu verzeichnen?
Ich merke, gerade auch nach der Lektüre von Yves Becks Artikel, wie es mich nach Frankreich zieht. Im Unterschied zu ihm habe ich das schon beladene Auto zwei Tage vor der Verhängung des confinement wieder ausgeladen. Sonst wäre ich jetzt seit bald zwei Monaten im Burgund quasi unter Hausarrest, und selbst nach dem 11. Mai wäre Bordeaux außerhalb der ab dann erlaubten 100km-Zone... Und die Grenze bleibt zu!
Gruß
Jean
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small talk
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Re: Bordeaux 2019

Beitrag von small talk »

Auf unserer Webseite (https://www.vignoblespaeffgen.org/index.de.html) schreibe ich zu jedem Jahr eine Zusammenfassung zu unserem Weingut. Weiter unten gegen Ende vom Text.
2018 hatte ich einige Verluste wegen Falschem Mehltau. Die jungen Reben hatten teilweise Totalverlust. Ich benutze nicht so ‚scharfe Sachen‘ im Pflanzenschutz. Das habe ich auch nach den herben Verlusten von 2018 so beibehalten. Die Trockenheit ging hier erst ab Ende Juni los war also nicht ganz so schlimm. Den alten Reben hat diese Trockenheit auch kaum was ausgemacht. 2018 Ist sehr gut. Im Qualitätsniveau durchaus vergleichbar mit 2019. Vielleicht ist der 2018er fülliger. Dafür hat der 2019er die interessantere Säure. In beiden Jahrgängen sollte einem guten Winzer ein großer Wein gelungen sein.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
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