Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
Benutzeravatar
susa
Beiträge: 4163
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 15:33
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Niederrhein
Kontaktdaten:

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von susa »

Und was beweist das? Dass die Herstellungsmethoden alleine überhaupt kein ausreichendes Kriterium sind, um die Qualität oder Individualität eines Weines zu beurteilen. Und das die Gleichung "Industriewein = schlecht, Winzerwein = gut" schon mal gar nicht aufgeht und in die falsche Richtung galoppiert.

Ein weiteres noch nicht genanntes "Industrieweinkriterium" ist sicher auch die Rechtsform und Kapitalausstattung des Unternehmens (AG oder GmbH gegen Personengesellschaften).

Und doch, für mich ist Gallo und Penfolds und auch Mertes KG Industrie und auch beispielsweise die Rothschilds in ihrer Gesamtheit, auch wenn ihre Flaggschiffe "handwerklich" erzeugt sind, die betriebswirtschaftlichen Kriterien, die Gerald genannt hat, sind erfüllt. Genauso gibt es eine Agrarindustrie (die nach der Würtzschen Definition dann auch keine wäre), bei der ein armes Schwein im Laufe seines Lebens außer Fließband nichts gesehen hat.

lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4963
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von UlliB »

susa hat geschrieben:[...] und auch beispielsweise die Rothschilds in ihrer Gesamtheit, auch wenn ihre Flaggschiffe "handwerklich" erzeugt sind, [...]
Geh mal davon aus, dass Mouton, Lafite und Duhart mit rein industriellen Methoden hergestellt werden; bei der Größe der Betriebe wäre das auch gar nicht anders möglich. Ich habe etliche GCCs im Médoc besucht, und was Du da an ausgefeilter Prozessleittechnik und Hightec-Equipment siehst, ist ganz sicher nicht handwerklich. Dennoch kommen wohl nur verbohrte Ideologen auf die Idee, die hier erzeugten Weine als "Industrieplörre" zu bezeichnen (Kössler redet nur von "unseriöser Vinifikation"... ;) )

Gruß
Ulli
Benutzeravatar
susa
Beiträge: 4163
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 15:33
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Niederrhein
Kontaktdaten:

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von susa »

Ich glaub, ich hab die gleichen Besuche hinter mir. Nun ist das Credo im Médoc ja immer noch Handlese, Handselektion des Leseguts und auch manueller Abstich, alles Dinge, die in einer industriellen Fertigung automatisiert bzw. mechanisiert sind. Das Hightechgedöns findet man ja meistens bei der Temperatursteuerung der Tanks und vom Abfüllen an.

Insofern eine semi-automatisierte Fertigung.

lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
James Bond in From Russia with Love
Benutzeravatar
Gerald
Administrator
Beiträge: 7717
Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Wien

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Gerald »

Dennoch kommen wohl nur verbohrte Ideologen auf die Idee, die hier erzeugten Weine als "Industrieplörre" zu bezeichnen (Kössler redet nur von "unseriöser Vinifikation"... ;) )
immerhin hat er ja die klassifizierten Gewächse aus seinem Programm geworfen, siehe auch hier: http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... &start=370

Ich nehme mal an, wegen der industriellen Produktionsweise :D (der Link zum Shop ist nicht mehr vorhanden).

Grüße,
Gerald
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4963
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von UlliB »

susa hat geschrieben: Handselektion des Leseguts
Seit zwei, drei Jahren auch nicht mehr - das Zauberwort heißt Laserscanner und spektralgestuftes Bilderkennungssysstem. Das funktioniert angeblich zuverlässiger als das menschliche Auge...

Manueller Abstich wird in absehbarer Zeit auch der Vergangenheit angehören.

Gruß
Ulli
Benutzeravatar
Gerald
Administrator
Beiträge: 7717
Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Wien

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Gerald »

Seit zwei, drei Jahren auch nicht mehr - das Zauberwort heißt Laserscanner und spektralgestuftes Bilderkennungssysstem. Das funktioniert angeblich zuverlässiger als das menschliche Auge...
und ermüdet dazu nicht ;) Gerade bei den höchst angesehenen Kaffeeröstereien ist so etwas meines Wissens schon seit langem üblich, um ja keine schlechte Bohne in das Endprodukt kommen zu lassen.

Man muss es - leider? - akzeptieren: in vielen Bereichen geht höchste Qualität nur mehr durch Weglassen der "Fehlerquelle" Mensch ...

Grüße,
Gerald
Benutzeravatar
Mr. Nebbiolo
Beiträge: 882
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 16:44
Wohnort: Mühldorf

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Mr. Nebbiolo »

Hallo zusammen,

es gibt eben auch, oder gerade ;) , bei uns Weintrinkern bzw. Weingenießern ;) viele... na, ja, ich nenn es jetzt halt mal so... Träumer :roll:

Groß ist immer schlecht, klein ist immer gut. Privat geführt ist gut, GmbH weniger, AG .. um Gottes willen :o.

Warum bitte, sollte ein Winzer / Erzeuger oder nennt es, wie ihr wollt, der 10.000 Flaschen abfüllt, generell besseren Wein machen als einer der 100.000 abfüllt ? Wenn jetzt einer 1000000 Flaschen abfüllt, ist das dann Industriewein ? Ab welcher Größe gilt das und wer legt das fest ?

Wenn in einem kleinen Keller saubere, technisch neue Gerätschaften stehen, ist das ein guter Winzer. Wenn in einem 10 x so großen Betrieb 10 x so viele oder so große Geräte stehen, ist das Industrie ?

Der kleine arbeitet handweklich, der große Industriell. Ich kenne viele kleine Winzer, die Weine produzieren, die mir nicht schmecken und viele sehr große Winzer produzieren Weine, die mir sehr gut schmecken :o . Habe ich einfach einen Massengeschmack, oder noch schlimmer, bin ich Industrieweintrinker :oops: :o
Grüße

Klaus
Dirk Würtz
Beiträge: 229
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 15:30

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Dirk Würtz »

@Susa
Ich hatte vorhin auch schon das "Schweinebeispiel" im Kopf. Das sehe ich das Ganze doch anders. Fleisch wird, meiner Meinung nach, industriell produziert und hier ist tatsächlich auch ein großer Unterschied zu machen.Angefangen bei der Moral und Ethik und dem Umgang mit einem Lebewesen. Ein Schwein will von Natur aus rennen, hüpfen, suhlen und baden. Das entspricht seinem Naturell. Bei der Fleischproduktion ist auch ganz am Ende ein gewaltiger Unterschied zu machen, denn Fleisch aus der Turbomast kann durchaus gesundheitsschädlich sein.

Und @UliB hat Recht, was die Selektion angeht. Ich habe mior letztes Jahr das neue Gerät der Firma Bucher angeschaut. Funktioniert extrem gut und wenn ich mir die Referenzliste anschaue, ist alles gesagt... :mrgreen:
Benutzeravatar
harti
Beiträge: 2593
Registriert: Mo 9. Aug 2010, 15:49
Wohnort: Deutschland

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von harti »

Hallo zusammen,

Warum sollten wir uns von der üblichen Definition von Industrie im Zusammenhang mit der Weinbereitung lösen? Wikipedia bringt es m.E. auf den Punkt:

Die Industrie (lat. industria: Betriebsamkeit, Fleiß) bezeichnet den Teil der Wirtschaft, der gekennzeichnet ist durch die Produktion und Weiterverarbeitung von materiellen Gütern oder Waren in Fabriken und Anlagen, verbunden mit einem hohen Grad an Mechanisierung und Automatisierung – im Gegensatz zur handwerklichen Produktionsform.

Genauso für die Herstellung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln gibt es auch für Genussmittel, einschließlich Wein, eine industrielle Produktionsweise. Der Grad der Industrialisierung bemisst sich hierbei in der Traubenproduktion nach den angewendeten Anbau- und Ernteverfahren (insbesondere maschinelle Lese) und in der Weiterverarbeitung nach den dort eingesetzten Technologien einerseits und den Chargengrößen (unter anderem durch Zusammenfassung verschiedener Anlieferungen) andererseits.

Grundsätzlich führen industrialisierte Prozesse zu einer kostengünstigeren Herstellung und sollten gleichzeitig zu einer Verstetigung der Produktqualität beitragen. Individuelle Spitzenprodukte sind damit nicht das Ziel, sondern die Herstellung qualitativ einwandfreier Ware zu günstigen Preisen.

Das Beispiel Lafite passt eindeutig nicht in dieses Schema, denn Anbau, Ernte und Weiterverarbeitung sind auf die Erzeugung von Kleinchargen ausgerichtet. Daran ändern auch die modernen Gärkeller nichts. Gleichwohl sollte man bei solchen Betrieben nicht mehr von handwerklicher Produktion sprechen; der Begriff Manufaktur erschiene mir hier angemessener.

Grüße

Hartmut
Zuletzt geändert von harti am Mo 23. Jan 2012, 13:24, insgesamt 2-mal geändert.
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4963
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von UlliB »

Na ja, Manufaktur kommt von lateinisch manu factum, mit Hand gemacht. Das betrifft bei Lafite & Co. eigentlich nur noch die Arbeit im Weinberg, da hier etliches (noch!) nicht automatisiert werden kann. Sobald die Trauben den Keller erreichen, ist mit Handarbeit weitestgehend Schluss. Die Arbeitsweise im Keller ist für meine Begriffe schon eindeutig industriell - die Im Weinberg aber nicht. Eine Art Zwitter.

Gruß
Ulli
Antworten

Zurück zu „Aktuelle Themen“