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Re: Bordeaux 2008

Verfasst: So 6. Apr 2025, 07:41
von Alba
Hallo,

ein paar Eindrücke einer vor gut einer Woche gelaufenen 2008 Bordeaux Verkostung eines lieben Weinfreundes in Linz. Insgesamt eine sehr schöne Angelegenheit und hat meine, jahrgangsbedingt nicht sooo hohen Erwartungen sogar deutlich übertroffen. Alle Weine waren okay, kein Ausfall und alle in einem schönen Trinkfenster. Die oftmals zitierte Kargheit der 08er war auch nicht wirklich unangenehm, die meisten Weine nicht einmal so arg tertiär sondern immer noch mit überraschend feiner Frucht, klassisch gereift ja - keine wirklichen Bret Noten dabei.
Das was zum großen Jahrgang fehlt ist einfach die Struktur und vor allem Fülle in der Mitte sowie daraus resultieren die Abgangslänge.
Dabei waren Weine aus jeder der bekannten Appelationen:
Chasse-Spleen (überraschend schön, am Papier der "Kleinste", konnte gut mithalten)
D´Issan (zuverlässig, klassisch, noch Brombeerfrucht durchblitzend, schön)
Gruaud Larose (ein Wein den ich eigentlich nie gekauft habe, kühle Cabernet Stilistik, etwas rauhe Tannine, dazu sogar noch Vanille-Toasting Noten wahrnehmbar !!)
GPL (guter Ersteindruck, durchaus kraftvoll - Pauillac pur, ab der Mitte zum relativ kurzen Ende kann er das dann halt nicht halten)
Cos d´Estournel (fast etwas mollig - gute süße und sicher nicht karg - Chateau typisch und das halt Parker-wohlwollend gelöst ;) )
Domaine de Chevalier (wirkte am gereiftesten ohne hinüber zu sein, sehr offen - erdig warm, auch etwas molliger als andere, auch hier das maximal Parkerische rausgeholt, aber gekonnt)
Figeac ("anders" - spannend und sich im Glas am stärksten verändernd, dem würde ich das noch größte Potenzial zugestehen)
Clinet (sehr fein, elegant, am "burgundischsten", super Trinkfluss, legt aber im Glas und der angebrochenen Flasche nicht mehr zu, am Punkt)
Pirat - ET Mariental (wurde als Österreicher erkannt, als Blaufränkisch nur mit Nachhilfe - Ersttip eher Richtung Cuvee, sehr schön und absolut auf Augenhöhe der Bordelaiser; auch in Ö. kein besonders gehypter Rotwein Jahrgang)
Und dann für mich, der beste Wein des Abends zum Abschluss, aus natürlich 2008 der Dom Perignon (grandios !!) - da rückt die 100 er Tafel in Reichweite.

Allzu lange warten muss man bei 2008 rot sicher nicht mehr, die Weine werden m.M. nach auch nicht mehr wahnsinnig zulegen, wer noch deutlichere (und irgendwann nur mehr) Tertiäraromen mag kann natürlich noch zuwarten.
Die beiden von der Gruppe in Summe bestbewerteten Weine waren übrigens Cos vor Clinet, bei mir war Figeac die #1

LG
Manfred

Re: Bordeaux 2008

Verfasst: Mi 23. Apr 2025, 09:42
von bergerOUS
Château Grand Corbin Despagne 2008
Saint-Emilion GCC
75% Merlot / 24% CF / 1% CS

Naturkork sehr guter Zustand
1h nach Öffnung direkt aus der Flasche ins Glas
Nase: undifferenziert wenig verheißungsvoll aber schon deutlich Bordeauxwein
Mund: Herb, sehr viel Tannin, ein Hauch Kirsche deutlich schmeckbare Traubenkerne
Abgang: Traubenkerne, Rappen, Holz und etwas Pflaumenschale
Da kommt noch was, zu diesem Zeitpunkt sehr ungehobelt

Tag zwei die Flasche ist ca. 30h offen nicht dekantiert
Die Nase bleibt enttäuschend
Jetzt hat der Wein eine gute Saftigkeit, etwas zu präsente Säure, eine gewisse Frische, schöne Frucht nicht ganz reife Süßkirsche und Pflaume ich schmecke immer noch Traubenkerne
Der Abgang ist mittellang bis lang schön geschliffene Tannine
Eine schöne Entwicklung 89P

Tag 3 nochmals 24h später
Die Nase unverändert blass
Im Mund entwickelt sich eine noch intensivere Saftigkeit, die Säure ist gänzlich eingebunden, die Frische ist nach wie vor da, die Kirscharomen nehmen sich etwas zurück die Pflaume nicht, ein Hauch Zwetschkenschale, sehr rund sehr süffig
Abgang wie gestern

90-91/100 P - Nachkauf 1/3
Ich bin etwas ratlos, was ich mit den beiden verbleibenden Flaschen machen soll. Traubenkerne schätze ich gar nicht, außer bei jungen Weinen, da meine Erfahrung sagt, dass das Traubenkernaroma während der Flaschenreife umgebaut wird und später ein schönes Tanningerüst gibt. Also noch ein paar Jahre liegen lassen, oder das nächste Mal für ein paar Stunden in den Dekanter?

Re: Bordeaux 2008

Verfasst: Mi 23. Apr 2025, 10:59
von Nora
Hallo bergerOUS,

das hört sich eher nach grünen/unreifen Gerbstoffen an, das wird m.E. nach auch nicht besser mit Belüftung oder mehr Reife.

VG Nora

Re: Bordeaux 2008

Verfasst: Mi 23. Apr 2025, 11:31
von bergerOUS
Nora hat geschrieben: Mi 23. Apr 2025, 10:59 Hallo bergerOUS,

das hört sich eher nach grünen/unreifen Gerbstoffen an, das wird m.E. nach auch nicht besser mit Belüftung oder mehr Reife.

VG Nora
Nee kann ja nicht, da die Traubenkerne am dritten Tag nicht mehr da waren... Eventuell bin ich besonders empfindlich auf den Geschmack.
Ich habe zur Arrivage 2020 zwölf Weine probiert, bei zehn konnte ich Traubenkerne schmecken. Ich kann mich nicht entsinnen, irgendwo etwas von unreifen Tanninen zu den Weinen gelesen zu haben.
Ratlos macht mich eher die Tatsache, das Profis dem Wein keine lange Lebensdauer mehr bescheinigen, ich aber das Gefühl habe, dass er noch gar nicht den Zenit erreicht hat.

Re: Bordeaux 2008

Verfasst: Mi 23. Apr 2025, 11:53
von amateur des vins
bergerOUS hat geschrieben: Mi 23. Apr 2025, 11:31 Ratlos macht mich eher die Tatsache, das Profis dem Wein keine lange Lebensdauer mehr bescheinigen, ich aber das Gefühl habe, dass er noch gar nicht den Zenit erreicht hat.
Negatives Trinkfenster :mrgreen:
(Copyright Charlie)

Re: Bordeaux 2008

Verfasst: Mo 20. Okt 2025, 08:45
von UlliB
Vieux Chateau Certan 2008 (Pomerol) 13,5%Vol. Meine bisherigen Begegnungen mit VCC haben mich immer ein wenig rätseln lassen, warum die Profis diesen Betrieb lieben und mit Höchstnoten förmlich überschütten. Gut waren die Weine zwar immer, aber herausragend? Für mich nicht.

Vielleicht hatte ich VCC immer zu jung oder jedenfalls im unpassenden Moment getrunken, denn dieser 17 Jahre alte Wein hat gezündet, und wie. Dunkles Kirschrot, breite Randaufhellung ohne Brauntöne. In der Nase unmittelbar rote Johannisbeere, aber Frucht ist hier gar nicht das Thema. Auch nicht Konzentration, denn der Wein tendiert jahrgangstypisch eher in Richtung schlank. Was hier wirklich beeindruckt, ist eine ganz enorme Vielschichtigkeit und Komplexität, die man auch bei hochwertigem Bordeaux so nicht immer findet. Jedes Riechen und Schmecken zeigt neue Facetten, nach der Frucht taucht da zunächst ein maritimer Eindruck auf, Wattenmeer bei Tiefebbe, dann sogar ein Hauch Jod, wechselt zu kaltem Schwarztee, diverse Kräuter, dann ein wenig Carbolineum, dann wieder Frucht. Zieht einen immer wieder ans Glas.

Das Tannin ist weitgehend abgeschmolzen, aber ein paar Reste sind schon nach da. So schön der Wein jetzt schon ist, vermute ich, dass der in ein paar Jahren noch etwas mehr zeigen wird, Höhepunkt vielleicht 2030?

Ach ja, der hat seinerzeit en primeur 48,90 € gekostet. Der 2021er (!) lag bei 315 €. Verrückte Welt.

Gruß
Ulli

Re: Bordeaux 2008

Verfasst: Mo 20. Okt 2025, 09:10
von amateur des vins
Danke, Ulli!
Der erste VCC, den ich je kaufte, und der letzte, den ich je gekauft werden habe. Schon 2009 mochte ich mir nicht mehr leisten. Müßten noch zwei im Keller sein, und ist ein oder sogar der Lieblingswein meines besten Freundes, mit dem zusammen ich den trinken werde. Vielleicht dann ja 2028 zum Jubiläum.