Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Mi 7. Sep 2016, 08:26
Da der Text sehr lang geworden ist, unterteile ich ihn hier im Forum. Wer an den Bildern interessiert ist, möge hier klicken: https://blogger.huffingtonpost.com/tmp/11823936_p.html
RHEINGAU
In den letzten Jahren hat der Rheingau vielfältige Anstrengungen unternommen, um qualitativ wieder an die anderen renommierten Weinanbaugebiete aufzuschließen. Und die Entwicklung war vielversprechend. Die Grossen Gewächse nahmen von der Zahl her etwas ab, was auf ein kritischeres Auswahlverfahren schließen ließ, und die Weine wurden eigenständiger, mutiger und weniger einem geschmacklichen Vorgabenbild an- und eingepasst. Nach Jahren des Dornröschenschlafs kam der schöne Rheingau langsam in Bewegung. Und einer der Protagonisten dieser Veränderungen war und ist zweifelsohne Dirk Würtz.
Dirk Würtz ist inzwischen Betriebsleiter beim prestigeträchtigen Weingut Balthasar Ress aus Hattenheim. Aber das ist nicht seine einzige Aufgabe, der er sich verschrieben hat. Er ist Blogger, Autor, Fernsehgesicht, Einpeitscher, Motivator, Stimmungsmacher und überhaupt ein HansDampf in allen Gassen, die zwischen Hochheim und Rüdesheim den Rheingau durchziehen. Und das ist ein Glück für diese Region. Dem Weingut Ress ist anzurechnen, diesen etwas überbordenden Menschen überhaupt in den Rheingau geholt und ihm eine Spielwiese zur Verfügung gestellt zu haben. Das war mutig. Und vielen anderen ist ebenfalls anzurechnen, die Anstrengungen, die Dirk Würtz verbreitet, auszuhalten und zu fördern. Da fällt einem sofort der VDP-Rheingau-Vorsitzende und Ausnahmewinzer Wilhelm Weil ein, der mit Würtz ein kongeniales Qualitätsteam bildet.
Mit dem Jahrgang 2015 sind die Rheingau-Winzer jedoch nicht so recht zu Rande gekommen. Die schwereren Böden, der Trockenstress und der anschließende Feuchtigkeits- und Fäulnisdruck hat mit dem Jahrgang 2015 nicht die stärksten Weine hervorgebracht. Viele wirken wieder so, wie der Rheingau ehedem war: zusammengefrickelt, hingeschönt, oftmals überreif und alkoholisch mit dann doch prägnanter Säure und auch grünen Aromen, was dann alles zusammen zu einem „Chinarestaurant süß-sauer"-Gesamteindruck führt. Selbst einige der führenden Rheingauwinzer scheinen den idealen Lesezeitpunkt verpasst zu haben. Das ist bedauerlich und diesem dann doch komplizierten Jahrgang geschuldet.
Im Umkehrschluss soll das keinesfalls bedeuten, dass alle Weine aus dem Rheingau nur Mittelmaß wären. Aber mit 60 angestellten Grossen Gewächsen waren die dem Anspruch genügenden Weine zu rar gesät. Dass aber auch in 2015 wirklich Großartiges hätte entstehen können, zeigen dann die Weine vom Weingut Balthasar Ress unter Leitung von eben diesem besagten Dirk Würtz. Zwei Grosse Gewächse nur, aus den Hattenheimer Lagen Nussbrunnen und Wisselbrunnen. Aber die hatten es in sich.
Um die Weine einzuordnen, eine Einschätzung vorweg: wer klassischen Riesling sucht, also eine feine Frucht gepaart mit steinigen und tabakigen Aromen, wird mit den Grossen Gewächsen von Ress nicht glücklich werden. Warum? Weil beide Weine überhaupt keine Lust haben, auch nur ein Quentchen Frucht zu zeigen. Der erste Naseneindruck ist extrem fordernd, es riecht ein wenig nach Brühe und Kanalisation. Das klingt nicht angenehm, fällt aber bei derartigen Proben im Zusammenspiel mit den vielen auf Frucht getrimmten Weinen dann auch besonders auf. Nun ist Auffallen noch kein Garant für Qualität. Was diese Weine so spannend und so besonders macht, ist ihre Lässigkeit, ohne dabei nachlässig zu wirken. Sie verschmähen zu gefallen. Das ist mutig. Aber auch Mut ist noch kein Garant für Qualität. Das Entscheidende ist schließlich, was sich im Mund ereignet. Denn würde hier das Ereignis ausbleiben, hätten die Weine verloren.
Aber es ereignet sich eben Ungeheuerliches. Vor allem das Weingut Balthasar Ress Riesling Grosses Gewächs 2015 Wisselbrunnen packt einen sofort im Mund mit einer Fülle und Reife, mit Präzision und Pikanz, die schlichtweg ein Erlebnis sind. Der ganze Mund beginnt zu vibrieren, kitzelt bis zu den Ohransätzen und der Geschmackseindruck verschwindet dann minutenlang nicht nach dem Herunterschlucken. Mit jedem Grad mehr Temperatur im Glas öffnet sich der Wein und lässt alles vergessen, was Rheingau, was Riesling, was 2015 ist. Denn ein großer Wein bildet nie das Typische ab, sondern immer das Herausragende. So kann eben gerade das Untypische ein verlässlicher Indikator für Größe sein.
Dieser Wein fordert, der Wein packt, er hat phenolische Noten, die gewöhnungsbedürftig sind und er verweigert sich dem Gefallen und dem Schmeicheln. Nach Dutzenden von Weinen, die ihre Berechtigung darin suchen, eben nichts anderes zu machen, als gefallen zu wollen, ist dieser Wein eine Erleichterung. Eine Freude. Eine Schmähung. Er nimmt sein Gegenüber ernst und offenbart sich ohne Schnörkel und ohne das falsche Schielen auf Applaus. Unweigerlich kommt eine der Elegien von Rilke in den Sinn, dass jeder Engel schrecklich ist, weil er gelassen verschmäht, uns zu gefallen (oder so ähnlich).
RHEINGAU
In den letzten Jahren hat der Rheingau vielfältige Anstrengungen unternommen, um qualitativ wieder an die anderen renommierten Weinanbaugebiete aufzuschließen. Und die Entwicklung war vielversprechend. Die Grossen Gewächse nahmen von der Zahl her etwas ab, was auf ein kritischeres Auswahlverfahren schließen ließ, und die Weine wurden eigenständiger, mutiger und weniger einem geschmacklichen Vorgabenbild an- und eingepasst. Nach Jahren des Dornröschenschlafs kam der schöne Rheingau langsam in Bewegung. Und einer der Protagonisten dieser Veränderungen war und ist zweifelsohne Dirk Würtz.
Dirk Würtz ist inzwischen Betriebsleiter beim prestigeträchtigen Weingut Balthasar Ress aus Hattenheim. Aber das ist nicht seine einzige Aufgabe, der er sich verschrieben hat. Er ist Blogger, Autor, Fernsehgesicht, Einpeitscher, Motivator, Stimmungsmacher und überhaupt ein HansDampf in allen Gassen, die zwischen Hochheim und Rüdesheim den Rheingau durchziehen. Und das ist ein Glück für diese Region. Dem Weingut Ress ist anzurechnen, diesen etwas überbordenden Menschen überhaupt in den Rheingau geholt und ihm eine Spielwiese zur Verfügung gestellt zu haben. Das war mutig. Und vielen anderen ist ebenfalls anzurechnen, die Anstrengungen, die Dirk Würtz verbreitet, auszuhalten und zu fördern. Da fällt einem sofort der VDP-Rheingau-Vorsitzende und Ausnahmewinzer Wilhelm Weil ein, der mit Würtz ein kongeniales Qualitätsteam bildet.
Mit dem Jahrgang 2015 sind die Rheingau-Winzer jedoch nicht so recht zu Rande gekommen. Die schwereren Böden, der Trockenstress und der anschließende Feuchtigkeits- und Fäulnisdruck hat mit dem Jahrgang 2015 nicht die stärksten Weine hervorgebracht. Viele wirken wieder so, wie der Rheingau ehedem war: zusammengefrickelt, hingeschönt, oftmals überreif und alkoholisch mit dann doch prägnanter Säure und auch grünen Aromen, was dann alles zusammen zu einem „Chinarestaurant süß-sauer"-Gesamteindruck führt. Selbst einige der führenden Rheingauwinzer scheinen den idealen Lesezeitpunkt verpasst zu haben. Das ist bedauerlich und diesem dann doch komplizierten Jahrgang geschuldet.
Im Umkehrschluss soll das keinesfalls bedeuten, dass alle Weine aus dem Rheingau nur Mittelmaß wären. Aber mit 60 angestellten Grossen Gewächsen waren die dem Anspruch genügenden Weine zu rar gesät. Dass aber auch in 2015 wirklich Großartiges hätte entstehen können, zeigen dann die Weine vom Weingut Balthasar Ress unter Leitung von eben diesem besagten Dirk Würtz. Zwei Grosse Gewächse nur, aus den Hattenheimer Lagen Nussbrunnen und Wisselbrunnen. Aber die hatten es in sich.
Um die Weine einzuordnen, eine Einschätzung vorweg: wer klassischen Riesling sucht, also eine feine Frucht gepaart mit steinigen und tabakigen Aromen, wird mit den Grossen Gewächsen von Ress nicht glücklich werden. Warum? Weil beide Weine überhaupt keine Lust haben, auch nur ein Quentchen Frucht zu zeigen. Der erste Naseneindruck ist extrem fordernd, es riecht ein wenig nach Brühe und Kanalisation. Das klingt nicht angenehm, fällt aber bei derartigen Proben im Zusammenspiel mit den vielen auf Frucht getrimmten Weinen dann auch besonders auf. Nun ist Auffallen noch kein Garant für Qualität. Was diese Weine so spannend und so besonders macht, ist ihre Lässigkeit, ohne dabei nachlässig zu wirken. Sie verschmähen zu gefallen. Das ist mutig. Aber auch Mut ist noch kein Garant für Qualität. Das Entscheidende ist schließlich, was sich im Mund ereignet. Denn würde hier das Ereignis ausbleiben, hätten die Weine verloren.
Aber es ereignet sich eben Ungeheuerliches. Vor allem das Weingut Balthasar Ress Riesling Grosses Gewächs 2015 Wisselbrunnen packt einen sofort im Mund mit einer Fülle und Reife, mit Präzision und Pikanz, die schlichtweg ein Erlebnis sind. Der ganze Mund beginnt zu vibrieren, kitzelt bis zu den Ohransätzen und der Geschmackseindruck verschwindet dann minutenlang nicht nach dem Herunterschlucken. Mit jedem Grad mehr Temperatur im Glas öffnet sich der Wein und lässt alles vergessen, was Rheingau, was Riesling, was 2015 ist. Denn ein großer Wein bildet nie das Typische ab, sondern immer das Herausragende. So kann eben gerade das Untypische ein verlässlicher Indikator für Größe sein.
Dieser Wein fordert, der Wein packt, er hat phenolische Noten, die gewöhnungsbedürftig sind und er verweigert sich dem Gefallen und dem Schmeicheln. Nach Dutzenden von Weinen, die ihre Berechtigung darin suchen, eben nichts anderes zu machen, als gefallen zu wollen, ist dieser Wein eine Erleichterung. Eine Freude. Eine Schmähung. Er nimmt sein Gegenüber ernst und offenbart sich ohne Schnörkel und ohne das falsche Schielen auf Applaus. Unweigerlich kommt eine der Elegien von Rilke in den Sinn, dass jeder Engel schrecklich ist, weil er gelassen verschmäht, uns zu gefallen (oder so ähnlich).