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Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: So 25. Mär 2012, 11:37
von octopussy
Alas hat geschrieben:
Nun habe ich eine Weile überlegt ob ich hier teilnehmen soll oder nicht. Schließlich wohne ich derzeit in einem Land, in dem die mitteleuropäischen Vorstellungen von Riesling kaum existent sind.
Hallo Alas,
danke für den großen Einsatz

Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: So 25. Mär 2012, 14:50
von Gerald
Außerhalb der Landesgrenzen (teilweise sogar innerhalb) assoziiert man mit österreichischen Rieslingen fast immer nur solche aus der Wachau, ab und zu noch von den angrenzenden Regionen Kamptal und Kremstal. Dabei wird er so gut wie in jedem Weinbaugebiet auch angebaut, wenn auch manchmal (z.B. in den burgenländischen Rotweinhochburgen) bloß als Rarität.
Einen Riesling aus dem Weinviertel hatte ich gestern/vorgestern im Glas:
Sicher nicht mit den großen Rieslingen aus der Wachau oder auch vom Heiligenstein zu vergleichen, aber in seiner Art (und für den Preis) doch sehr empfehlenswert. Die Lage "Aichleiten" ist nicht mit der viel berühmteren Achleiten bei Weißenkirchen/Wachau zu verwechseln, obwohl die Namensherkunft natürlich dieselbe ist (Ach/Aich = Eiche, Leiten = Hang). Die meisten Lagen im Weinviertel - mal von den ganz westlich gelegenen abgesehen - sind überwiegend vom Löss geprägt, so auch diese. Laut Weingut liegt darunter aber kalkiger Sandstein und Mergel.
Die "typischen" Weinviertler Rieslinge sind meiner Ansicht nach eher schmeichelnd und rund am Gaumen, weniger straff als die Wachauer "Kollegen". Dazu entwickeln sie oft eine recht interessante Würze, so wie der hier beschriebene oder auch manchmal mit Anklängen, die an einen schottischen Whisky erinnern können.
Und noch eine interessante Beobachtung, die ich aber schon mit Weißweinen aus verschiedenen Regionen hatte: die leichten Reifenoten gehen an der Luft zurück, nach einem Tag offen in der Flasche wirkt der Wein jünger/frischer als gleich nach dem Öffnen. Eine Erklärung dafür - falls es überhaupt eine gibt - habe ich leider noch nicht gefunden ...
Grüße,
Gerald
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: So 25. Mär 2012, 22:53
von octopussy
Gerald hat geschrieben:
Und noch eine interessante Beobachtung, die ich aber schon mit Weißweinen aus verschiedenen Regionen hatte: die leichten Reifenoten gehen an der Luft zurück, nach einem Tag offen in der Flasche wirkt der Wein jünger/frischer als gleich nach dem Öffnen. Eine Erklärung dafür - falls es überhaupt eine gibt - habe ich leider noch nicht gefunden ...
Hallo Gerald,
das hatte ich auch schon öfter, weiß aber auch nicht, woran es liegt.
Meine Themenwochen-Weine von Anfang der Woche machen nach 6 Tagen offen teilweise nur noch begrenzt Spaß. Der letzte Rest
Karl Schaefer 2006 Pechstein GG wies doch deutliche Oxidationsnoten auf und landete im Ausguss (war eh nur noch ein Pfütze). Insofern gewinnt der
Sylvie Spielmann 2006 Riesling Engelgarten den Standhaftigkeitspreis. Heute riecht er zart nach Aprikose, etwas nach Nüssen, weiter nach Petrol und schmeckt schön vielschichtig mit feiner Säure, klarer Frucht und einem tänzelnden Abgang. Sylvie Spielmann gibt ihre Rieslinge übrigens erst nach Jahren der Fass- und Flaschenreife in den Verkauf. Der 2006er Engelgarten und der 2004er Grand Cru Kanzlerberg waren erst vor kurzem in den Verkauf gekommen, als ich vor etwas mehr als einem Jahr dort war. Die Weine sind deutlich auf Langlebigkeit ausgelegt. Das spürt man.
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Mo 26. Mär 2012, 20:37
von joern_ribu
Sodele,
da ich die nächsten Abende nicht zuhause bin, beschließen Madame und ich die Themenwoche mit einem 2009er Kirchenstück Kabinett trocken von Künstler. Bereits gestern geöffnet präsentiert er sich auch heute noch mehr als ansprechend. Im Glas ein sattes gelb, in der Nase dann nicht mehr ganz so verschlossen wie gestern, geht er am Gaumen auch heute Abend gleich zum Angriff über: prägnante Säure und intensive Mineralik machen den Wein aus. Fruchtnoten sind nur verhalten zu spüren, kommen gegenüber dem trefflichen Säure-/Mineralikspiel nicht durch, aber der Wein ist sehr animierend in seiner Art, hat ordentlich Zug mit schönem Trinkfluß. Der Abgang ist ordentlich, nicht sehr lang, aber für einen Kabi in der Preisklasse (knapp unter 10 Euro ab Hof) voll ok. Das gilt auch für den Wein insgesamt. Kein Langstreckenläufer, aber auch noch lange keiner, der das Ende seiner Strecke schon sehen würde. Die restlichen drei Flaschen im Keller werde ich noch gar nicht alle dieses Jahr aufmachen müssen, da bleibt sicher auch noch eine für's nächste Jahr.
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Mo 26. Mär 2012, 23:24
von Alas
Hallo!
Gestern hatte ich leider keine Zeit zu schreiben, aber jetzt.
Auch wenn Tel Aviv recht jung ist, hat es ein klein wenig von der Struktur der orientalischen Städte: An manchen Stellen eine Konzentration von Gewerbe einer Art in einer Straße. So gibt es in der Levinsky-Straße einen Gewürzladen nach dem nächsten, nicht weit davon eine Stoff-Straße und in der Haaliya-Straße immerhin 5 Weingeschäfte in Reihe. Die mittleren drei bieten mir keinen Anreiz, aber der letzte hat eine schön unordentliche Spirituosen-Abteilung in der sich Flaschen mit vergilbten Etiketten finden oder von Firmen, die es nicht mehr gibt. Und der erste Laden hat ganz hinten ähnliches in puncto Wein. Das muß ich noch untersuchen.
Zunächst jedoch finde ich aus Israel einen Teperberg Riesling Silver Late Harvest 2010 und von Leon Beyer einen Riesling Reserve 2009.
Das Menü habe ich gewechselt. Es gibt Tandoori-Huhn mit Naan und grünem Salat mit Radieschen und Zitronen-Dressing gewürzt mit Eberraute.
Der Leon Beyer zeigt sich im Glas als glitzerndes helles Gelb und am ersten Tag an der Nase eine weite Graslandschaft. Als Geschmack ergibt sich eine Mischung aus sehr reifen Äpfeln und Birnen Wie zu erwarten ist der Wein nicht so spritzig wie von Pierre Sparr. Süße und Säure sind ausgeglichen. Der Abgang ist nicht sonderlich lang.
Am zweiten Tag wird der Duft fülliger nach Waldboden und in der Säure kommt reife Grapefruit hinzu. Der Wein ist nicht sonderlich bewegend.
Am Freitag dachte ich mir: Nun habe ich aus dem Elsaß einen Fabrikriesling und zwei Einstiegsweine. Das ist mir zu wenig.
Irgendwo hatte ich mal etwas von Zind-Humbrecht gelesen. Dafür kommt nur Wein-Depot im Norden von Tel Aviv oder Wine-Route in der Nähe der Cinematheque in Frage. Ich peile den letzteren Laden an. Dort war ich schon ein paar mal. Man pflegt einen etwas hochnäsigen Stil, der mir nicht so gefällt. Allerdings hat das auch einen (Hinter-) Untergrund: Oben scheint der Laden ganz normal, aber sie haben einen Weinkeller, wie ich ihn noch nie gesehen. Dort stehen zum Verkauf tausende der besten und teuersten Weine bereit, die die Welt zu bieten hat. Im letzten Jahr bin ich dort hineingeraten, aber das ist ne andere Story.
Als ich den den Laden betrete ist er gut gefüllt, alle Verkäufer beschäftigt. Klar, es ist Freitag, was das Gleiche wie Samstag in der christlichen Hemisphäre ist. In Israel darf man nicht abwarten bis 'man dran ist', wie in Deutschland. Dann wird man nie bedient. Man muß sich an den nächsten Verkäufer wenden und einfach kurz fragend dazwischen platzen. Der von mir angepeilte ist mit einer Frau und drei Flaschen Rotwein beschäftigt. Ich gehe entschieden auf ihn zu und sage mit der Bestimmtheit einer elsäßischen Zwiebel in französischen Akzent 'IndUmBrecht'.
Er läßt die Frau stehen und deutet mir zu folgen. Jetzt kann der Vorgang nur noch durch ein Telefongespräch vom Handy unterbrochen werden, denn das hat die allerhöchste Priorität.
Im hinteren Teil kommen wir vor einer Flasche Zind-Humbrecht Riesling Gueberschwihr 2007 zum stehen. Es ist die letzte. Davor frisch eingetroffen, und halb ausgepackt, eine Lieferung Wein von Hugel. Ich bleibe bei ZH, nehme noch eine Flasche Muscadet und fahre erfreut nach Hause.
Die Flasche wird heute geöffnet und übermorgen wohl werde ich berichten.
Diese Initiative hier gefällt mir ganz gut, komme ich doch so dazu mal eine Rebsorte in Folge zu trinken. Die israelischen Weine werden am Schluß verkostet.
Einen guten Tag und Schluck...
Alas
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Di 27. Mär 2012, 15:56
von Oh Dae-Su
Hallo Alas,
sehr schöner und informativer Bericht. Vielen Dank dafür. Weineinkauf in Israel kann ja richtig spannend sein

.
Ooch, ich hätte so ne Straße mit 3, 4, 5 .... oder 100 Weingeschäften nebeneinander gerne in meiner Nähe

. Naürlich wenn die jeweiligen Sortimente unterschiedlich sind

. Oh je, dass wäre eine sehr gefährliche Straße für mich

.
Auf den Vitkin Riesling bin ich mal gespannt. Soll ja die Nummer 1 bezüglich Riesling sein (glaube mich zumindest so zu erinnern).
Bei der nächsten Themenwoche sollte ich auch mal mitmachen.
Gruss
Chris
PS: Wenn ich mich richtig erinnere brauchen die Leon Beyer Rieslinge eine halbe Ewigkeit sich zu entwickeln. Vielleicht eine Erklärung warum der Wein ein wenig "unbewegend" war!?!
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Mi 28. Mär 2012, 21:09
von Alas
Hallo Stephan! Hallo Chris! Hallo Allerseits!
Ich schreibe ab jetzt alles was mit Israel zu tun hat in den selbigen Thread, um hier beim Thema zu bleiben. Überraschend habe ich nun doch noch zwei Flaschen aus Deutschland gefunden, von denen ich berichten werde, leider keinen Riesling aus Österreich. Zunächst jedoch zum
Zind-Humbrecht Riesling Gueberschwihr 2007
Schon beim Eingießen wird klar, daß dieser Riesling deutlich anders ist. Im Glas zeigt er sich goldgelb und in der Nase entwickelt sich ein kräftiger Duft nach Pfirsich/Aprikose gemischt mit der typischen Riesling-Note. Goldener Herbst, sagt Frau O.
Im Mund setzt sich der Eindruck zusammen mit einer Zitrussäure fort, auch ein wenig Süße. Ein langer fruchtig-spritziger Abgang folgt.
Am zweiten Tag ist er an der Nase etwas schwächer, aber im Mund zeigt sich noch mehr Charakter mit etwas Kürbis.
Zum Tandoori-Huhn ist er besten geeignet. Unmittelbar nach der Mahlzeit wird ein komplexer Eindruck geboten.
Woran mag es liegen, daß dieser Riesling so deutlich anders ist, an der biodynamischen Herstellung, oder gibt es verschiedene Rieslingsorten?
So long
Alas
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Mi 28. Mär 2012, 21:55
von Bernd Schulz
Woran mag es liegen, daß dieser Riesling so deutlich anders ist, an der biodynamischen Herstellung, oder gibt es verschiedene Rieslingsorten?
Verschiedene "Rieslingsorten" gibt es nicht, aber es gibt verschiedene Klone, die auch für gewisse Geschmacksunterschiede verantwortlich sein können. Die Hauptursachen für das "Andersartige" dürften allerdings eher in der Vinifikation liegen. Hier hat der Winzer unzählige Möglichkeiten, das spätere Geschmacksbild nachhaltig zu beeinflussen, so z.b.:
Restzucker/Gärstopp - gerade im Elsass häufig anzutreffen, spielt eine große Rolle im Hinblick auf den sensorischen Gesamteindruck
Biologischer Säureabbau
Maischestandzeit
Dauer des Gärprozesses
Temperatur während des Gärprozesses
Zeitpunkt der Abfüllung
Beschaffenheit des Ausbaubehälters (Holz, Edelstahl, Plaste)
Verwendung von weniger neutralen Reinzuchthefen (spielt allerdings beim biodynamischen Weinbau keine Rolle).
Zusatz von Enzymen (spielt beim biodynamischen Weinbau ebenso keine Rolle)
Das sind nur die gröberen Schrauben, an denen der Winzer drehen kann, um einen bestimmten Rieslingtyp zu erzeugen.
Beste Grüße
Bernd
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Mi 28. Mär 2012, 22:37
von Alas
Hallo Bernd!
Danke für die Auskunft. Mir ist bisher ein derartiger Riesling noch nicht begegnet und ich finde es eine angenehme Erfahrung.
Gibt es in Deutschland oder Österreich auch solche Rieslinge?
MlG
Alas
Re: Die Weinforum Themenwoche
Verfasst: Mi 28. Mär 2012, 23:07
von Bernd Schulz
Gibt es in Deutschland oder Österreich auch solche Rieslinge?
Naja - der Hinweis auf Vergleichbares birgt immer große Gefahren in sich....
Die Rieslinge von Heymann-Löwenstein gehen aber zumindestens punktuell in eine ähnliche Richtung. Auch jung schon goldgelb in der Farbe, geschmacklich konzentriert/komplex, bei vollem Körper dezent restsüß.
Beste Grüße
Bernd