ich bin ja ein großer Fan von PJ Kühn, aber den Wein den ich bisher am wenigsten von ihm mochte, den hatte ich gestern im Glas. Auf jeden fall hat er mich total überascht und ich weiss ich immer noch nicht ganz sicher, wie ich ihn finde.
Interessant die Notizen von octopussy zum 2006er. Am meisten stört mich beim 2005er wohl der Alkohol (in Verbindung mit der schwachen Säure), was ein Jahrgangsproblem sein wird. Aber offenbar hat auch beim 2005er die Reife einiges verändert. Charlie hat den 2005er im Jahr 2008 ziemlich verrissen (82P), meine letzte Flasche vor ca 1 Jahr war auch nicht wirklichtoll, wenn auich durchaus trinkbar (zu Schweinebauch passte das fette Ding ganz gut). Aber jetzt nötigt mir der Wein durchaus Respekt ab. Spontistinker hatte er übrigens keinen, aber das kann sich 2006 vielleicht als größeres Problem erwiesen haben. Eine weitere Parallele zu octopussys Notizen ist, das die Frucht anfangs total versteckt war, aber später (bei mir am zweiten Tag) sich dann ganz wunderbar zeigte.
Absolut interessanter Wein jedenfalls.
Neulich auf einer kleinen Rheingautortour auch bei PJK vorbeigeschaut.
Basisriesling
2011 Tollkuehn Riesling, EUR 7.90
Naja. War ganz jung wohl ansprechender. Teuer!
VDP.Gutswein
2012 Jacobus, EUR 9.30
Och joh. Recht saftig, aber nothing to write home about. Teuer!
VDP.Ortswein
2012 Rheinschiefer - Hallgarten Riesling, 8.5 g/l RZ, EUR 12.80
Noch recht zurueckhaltend. Viel Schmelz; hoher RZ merklich, aber gut eingebaut. Ganz ordentlich (momentan 85).
2012 Quarzit - Oestrich Riesling, 12%, 5.1 g/l RZ, EUR 14.80
Bereits sehr expressive Nase, sehr typischer Rheingau von lehmreichen Lagen, dito am Gaumen. Recht voll. Trotz des geringen RZ erstaunlich weich. Vielleicht fehlt das letzte Quentchen Spannung, insofern kein Vergleich zum ebensoguten und viel strafferen 2010er, der mir - wie die gesamte Kollektion - eher entgegenkam. Gut bis sehr gut (86-87), aber dieses Jahr nicht (mehr?) der PLV-Knaller von anno dunnemals.
VDP.Erste Lage (hat nichts mit dem Ersten Gewaechs zu tun, denn das waere ja zu einfach).
2012 Klosterberg, EUR 15.80, eher 5 g/l RZ.
Auch hier wieder sehr expressive in Nase und am Gaumen. Gebaut und aromatisch wie ein typischer Rheingauer. Besser, fuelliger und auch substanzreicher als der Quarzit. Mein PLV-Liebling der Kollektion; leider ordentlich bepreist und wiederum etwas spannungsarm. Sehr gut (89-90) und sehr guter Rheingauer. - Der Klosterberg ist ein sandige Lage vom Ufer des Urmeeres, welches einst das Mainzer Becken bedeckte, mit exzellenter Wasserversorgung, weil Brunnenlage. 9000 Stoecke pro Hektar.
2012 Hendelberg, EUR 16.80, auch wieder mit 8 bis 9 g/l RZ
Wie schon der andere Wein vom Schiefer deutlich zurueckhaltender in Nase und am Gaumen als die Weine vom Lehm (erstaunliche Dichotomie, wirklich). Nicht so schiefergepraegt wie noch der 2010er. Im Mund sehr weich, was auch auch am hohen RZ liegt (alle Schieferweine werden deutlich untrockener ausgebaut). Nach dem wirklich guten 2010er auch hier wieder schaumgebremste Dramatik. Insgesamt wirkt der Wein moselanisch gebaut, aber minus der Finesse (oder zuviel Koerper oder zuwenig Saeure?), was freilich dazu fuehrt, dass das Konzept ein bisschen negiert wird. Dennoch knapp sehr guter Wein (88-89).
VDP.Grosse Lage.
Hieraus kommen Grosse Gewaechse. Laut Erklaerung von Frau Keuhn ist die Grosse Lage parzellenscharf definiert und gesetzlich festgelegt - frueher wuchsen hier Erste Gewaechse. Winzer, die nicht im VDP sind, aber Anteile an den Parzellen haben, machen also immer noch EGs statt GGs. (Ist ja auch logisch, ne. Denk doch mal nach.)
2011 Doosberg, EUR 28, 13.5%
Das alte Lied: Fuelle, Substanz, Laenge, alles da, und zweifelsohne ist das ein guter Doosberg, aber mir fehlt die Spannung des Vorjahres. Dennoch ein sehr guter Wein (90-91).
2011 Sankt Nikolaus, EUR 26
Langsam werde ich mir unheimlich. 2010 war der Nikolaus fuer mich erstmals am Doosberg vorbeigezogen, und 2011 ist es gerade wieder so. Wahrscheinlich liegt es diese Jahr daran, dass der Nikolaus bei interessanterer Aromatik mehr Saft hat als der Doosberg - wenn auch bei weitem nicht auf dem Niveau von 2010. Sehr guter Wein (91-92).
Unikate (aka VDP.Markenwein?)
2011 Landgeflecht (kommt aus dem Doosberg), EUR 19
Nach dem Nikolaus probiert; entsprechend faellt der Wein etwas ab. Wirkt (wie immer) etwas robuster und rustikaler, weil eben recht fuellig. Recht saftig, was dem Wein sehr gut steht. Leider habe ich es verschlumpft, ihn direkt gegen den Klosterberg rueckzuverkosten, das waere bestimmt sehr lehrreich gewesen. Ob sich die Preisdifferenz lohnt? Auch ein sehr guter Wein (89-90).
2011 Schlehdorn, EUR 75
Wahnsinnig tiefe und komplexe Nase, offen wie ein Scheunentor. Natuerlich bleibt der Wein ein Riesling, aber um meine verkosterische Kompetenz zu untermauern, zwinge ich mich zu Assoziationen mit Dagueneau - nicht zuletzt und diesem ewig gleichen, ewig daemlichen Vergleich mit Anne Leflaive etwas entgegenzusetzen. Am Gaumen tolle Aromatik, aber extrem weich und mit noch sehr unterentwickelten Komplexitaet. Schoener Laenge mit viel Eleganz. Zu jung. Mir sein Geld nie wert.
VDP.Fruchtsuess
2012 Lenchen Kabinett, EUR 11.40
Die Weichheit des Jahrgangs tut dem Wein nicht gut. Ganz ordentlich, sans plus.
2012 Lenchen Beerenauslese, EUR 66 (halbe Flasche)
Bei aller Rheingauer Fuelle noch gute Strukturierung durch die Saeure. Sehr gute, typische Aromatik. Suess, lang, etwas wuerzig, vielleicht etwas ereignislos. Sehr gut, aber irgendwie emotional unpackend.
Kleine Fazit:
2012 scheint ein eher weiches Jahr zu sein - kein Vergleich zum Saft und zur Kraft und Herrlichkeit von 2010. Reifere, eventuell geringere, ganz sicher aber viel sanfter wirkende Saeure als damals. Wer "2010 reloaded" erwartet, wird also enttaeuscht sein - es geht eher in Richtung 2009.
Aber noch ein kleines Bemol: Neben diese strukturellen Glattheit kommen mir die Weine auch aromatisch sehr brav vor. Fast moechte man meinen, mit der Rueckkehr zur orthodoxen Mostvorklaerung (das war 2009 nach den drei Extremjahren 2006, 2007 und 2008 der grosse Wechsel in der Vinifikation) sei das Pendel wieder in die andere Richtung ausgeschlagen. Auf Englisch wuerde man sagen: "They've come full circle." Mal sehen, wie es bei PJK weitergeht...
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Hatte vor kurzer Zeit den Einstiegsriesling "Jacobus" im Glas und finde für das Geld ist dieser Wein mehr als ordentlich. Kann da Ollie seine Ausführung nicht ganz verstehen wenn er meint der Wein sei teuer?
Der Wein fließt mit einer hellgoldenen, intensiven Farbe ins Glas und dreht dort mit einer mittleren Viskosität seine Runden. Bei der ersten Bemühung des Riechorgans fällt sofort auf, dass dieser Wein sich wenig fruchtdominiert ausprägt, sondern die Würze überwiegt. Kräutertee, etwas Kamille, danach ein frisch angeschnittener grüner Apfel und ganz leichte Ananas Nuancen.
Am Gaumen weiterhin wenig fruchtig, mehr mineralische und herbe Tendenzen. Der Wein ist, trotz seines geringen Alkohols, ein etwas breiteres Modell seiner Zunft. Die Säure ist feingeschliffen, weniger rassig. Im Finish zeigt sich der Jacobus ziemlich lang. Für das Geld ziemlich diffizil. Der "Jacobus" ist für mich ein absoluter Top-Wein in diesem Preis-Segment.
2012 Quarzit - Oestrich Riesling, 12%, 5.1 g/l RZ, EUR 14.80
Bereits sehr expressive Nase, sehr typischer Rheingau von lehmreichen Lagen, dito am Gaumen. Recht voll. Trotz des geringen RZ erstaunlich weich. Vielleicht fehlt das letzte Quentchen Spannung, insofern kein Vergleich zum ebensoguten und viel strafferen 2010er, der mir - wie die gesamte Kollektion - eher entgegenkam. Gut bis sehr gut (86-87), aber dieses Jahr nicht (mehr?) der PLV-Knaller von anno dunnemals.
Am Sonntag auf der Rheingauer Weinwoche zeigte sich der Wein ganz anders, von wenig Säure keine Spur, breit? Nö! Ganz sicher nicht eher schlank, kühl, rassig, mir in dem Moment fast zu rassig, ich hätte mir etwas mehr Schmelz und Körper bei einem Rheingauer erwartet. Kühn-Weine zeigen sich ja oft sehr unterschiedlich im Laufe eines Jahres. Vielleicht auch unterschiedliche Erwartungen an den Wein.
Leute, haben meine Notizen echt so einen Hofschuster-Ton, dass ihr euch so an ihnen abarbeitet?
Freut mich wirklich, dass ihr die Weine anders/besser seht als ich! Selbst wenn vier Monate eine lange Zeit fuer junge Weine sind, so fand ich persoenlich halt im gleichen Stadium andere Jahrgaenge von Jacobus und (vor allem) Quarzit durchaus interessanter als den 2012er. Im September werde ich wohl nachverkosten gehen, dann werd ich mich gerne eine besseren belehren.
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Für den Jahrgang hat er sich m.E. verblüffend gehalten. War und ist wohl nur was für Freaks. Habe anschliessend nur noch den 2004er, 2005er und 2006er probiert, wobei mir der 2005er am besten gefiel. Wie die aktuellen Jahrgänge ausfallen, entzieht sich meiner Kenntnis. Nehme jedoch an, nicht mehr so extrem.
Ich verstehe euch nicht. Wie kann man den Weinen eines Winzer, der alle paar Jahre seinen Stil tiefgreifend ändert, über all diese Jahre treu sein. Ich habe schon kaum trinkbare (weil oxidiert, Uhu, edelfaul, grün, adstringierend, bitter) und große (keine Ironie) Weine von ihm getrunken. Aber wie kann einem beides schmecken? Ist es die Freude daran, eine "Entwicklung" mitzuverfolgen?
Charlie hat geschrieben:Ist es die Freude daran, eine "Entwicklung" mitzuverfolgen?
Vielleicht, ja. Schlimm wäre es doch nicht. Eine Entwicklung kann allemal spannender sein als die Leier des ewig Gleichen jedes jahr aufs Neue. Und wenn man Peter Kühn kennt und er einem sympathisch ist, dann nimmt man an seiner Entwicklung doch gerne teil, auch wenn die Ergebnisse manchmal unvorhersehbar sind.
Konkret zum 2003er Nikolaus: ich hatte den Wein vor ca. einem halben Jahr und fand ich auch wirklich sehr gelungen. Immer noch. Und was ich aus 2010 von Kühn probiert habe, war ebenfalls mehr als nur "interessant". Ich habe nach einer Periode zwischen 2004 bis 2007 (da haben mich die Weine wenig angesprochen) wieder zu den Kühn-Weinen zurückgefunden.
bei mir ist es genau umgekehrt, ich hatte meine ersten erlebnisse mit den kühn-weinen in seiner "extremen" phase und ich fand sie weitestgehend grauenvoll (warum beschweren sich eigentlich viele leute über riesling im kleinen holzfass aber nicht über die damaligen experimente von kühn ?) und meide den erzeuger seitdem konsequent. es gibt soviele andere grandiose weine, da muss ich bei ihm nicht weiter auf die suche gehen.
sorgenbrecher hat geschrieben:(warum beschweren sich eigentlich viele leute über riesling im kleinen holzfass aber nicht über die damaligen experimente von kühn ?)
Mein Kenntnisstand ist, dass Kühn nie mit kleinem Holz gearbeitet hat und schon gar nicht mit neuem Toasting. Die Tanninigkeit der Kühnschen Weine in seiner "extremen" Phase rühren mW nach von der langen Maischestandzeit und den daraus resultierenden Phenolen. Darüber wurde sich aber wortreich beschwert