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Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 16:59
von stollinger
vanvelsen hat geschrieben: Ich finde die Diskussion zum Thema sehr interessant und auch die durchaus provokative Aussage oben zu meiner (und Jeff Leve's) Verkostungs-Kompetenz.
Hallo Adrian,

als Provokation war es nicht gemeint. Vielleicht habe ich mich etwas unbedarft formuliert. Verkostern (professionellen und Amateuren) die Kompetenz abzusprechen, möchte ich mir nicht anmaßen, es wäre auch in keinem Sinne hilfreich.

Mir fällt es schwer, die Vielzahl an hohen Bepunktungen und die Nicht-Ausnutzung der Punkteskala (besonders dieses Jahr) für mich richtig einzuordnen. Das wollte ich ausdrücken.

Grüße, Josef

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 17:17
von vanvelsen
Ich
stollinger hat geschrieben:
vanvelsen hat geschrieben: Ich finde die Diskussion zum Thema sehr interessant und auch die durchaus provokative Aussage oben zu meiner (und Jeff Leve's) Verkostungs-Kompetenz.
Hallo Adrian,

als Provokation war es nicht gemeint. Vielleicht habe ich mich etwas unbedarft formuliert. Verkostern (professionellen und Amateuren) die Kompetenz abzusprechen, möchte ich mir nicht anmaßen, es wäre auch in keinem Sinne hilfreich.

Mir fällt es schwer, die Vielzahl an hohen Bepunktungen und die Nicht-Ausnutzung der Punkteskala (besonders dieses Jahr) für mich richtig einzuordnen. Das wollte ich ausdrücken.

Grüße, Josef
Hallo Josef

Ich meinte eher die Aussage von Olaf Nikolai.
Aber easy: Time will tell.

Grüsse

Adrian

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 18:17
von boromir
Auch ich versuche wo immer möglich den einen oder andere Akzent zu setzen. So wage ich zu behaupten, dass ich einer der ersten Verkoster war, der den heute so stark "gehypten" Carmes Haut-Brion sehr hoch bewertet hat. Als ich für den 2013er schrieb (man lese hier: https://vvwine.ch/2016/01/ch-carmes-hau ... realitaet/), dass Carmes im generell eher schlechten Jahr 2013 zum Besten gehörte, was ich verkostet habe, wollte das noch niemand wirlich glauben. 2013 (bääää), Carmes (rustikal, bäää) - und siehe da... wer heute zurückblickt..
Gabriel sah das auch so;
2013 Les Carmes Haut-Brion
59% Cabernet Franc, 22% Merlot, 19% Cabernet Sauvignon, 21 hl/ha, 13,4 Vol.-%.
Eine halbe Ernte mit nur 15.000 Flaschen. Extrem dunkles Purpur mit lila und violetten Reflexen. Dunkelbeeriges Bouquet, kalter Darjeelingtee, Tabaknoten und Korinthen. Im Gaumen genial, dunkles Malz, dunkle Edelhölzer, samtig fließende Tannine, viel Lakritze und Brombeermark im Finale.
Ist das wirklich ein so großer Wein aus einem so schwierigen Jahrgang? Gehört zu den allerbesten 2013ern und ist somit in seiner Preiskategorie schon fast eine Klasse für sich. Hat mich sehr beeindruckt! Drei Mal verkostet. Das letzte Mal als letzte Fassprobe.
19/20 2019–2042
und auch anderen Schweizer Verkostern z.Bsp Perrin oder Y.Beck gefiel er gut.

https://www.mybettanedesseauve.fr/2019/ ... -bordeaux/

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 20:39
von diogenes
vanvelsen hat geschrieben:
TOM hat geschrieben:
stollinger hat geschrieben:… alles andere als Normalverteilt ... in der Vergangenheit nicht besonders normalverteilt
Ich glaube nicht, dass die Punkte überhaupt Normalverteilt sein können. Wenn Du einen Jahrgang alleine bewerten könntest, ohne Rücksicht auf andere Jahrgänge und Bewertungen und jedesmal die volle Skala nutzen, dann wäre das vielleicht so. Da man aber gute Jahrgänge und schlechte Jahrgänge hat und den einzelnen Wein im einzelnen Jahrgang auch untereinander über Punkte vergleichbar machen will und da man die 100-Pukte-Skala hat bei der bei 100 nun mal Schluss ist, kann das (in meinen Augen!) keine Normalverteilung werden.

stollinger hat geschrieben: Abgesehen davon, finde ich Informationen (gerade auch von dir) über die Assemblage, den Alkoholgehalt, die Fermentation, den Ausbau, die Struktur, die Tanninqualtät, die Säure, die Extraktion, etc. sehr interessant, hilfreich und bin dankbar dafür!
Grüße, Josef
Und genau da stimme ich dir 100% zu! Auch von mir ein Danke an Adrian.

Und selbst bei einem Weinhändler wie Lobenberg finde ich die (textlichen!) Bewertungen sehr nützlich und hilfreich. Wir alle wissen, dass neben den neutralen Verkostungselementen dort auch die Lieblingswinzer als Parameter mit in die Bewertung eingehen. Und trotzdem! Seine textlichen Kommentare geben einen wertvollen Baustein ab, um sich seine eigene Meinung zu bilden. Die Punkte spielen für mich eine untergeordnete Rolle.
Gleiches gilt für die Bewertungen von Lindauer und (bedingt) die von Leve. Auch sie können dazu beitragen, sich ein Bild zu machen.

Und ehrlich gesagt finde ich die Bordeaux-Welt damit zurzeit viel spannender als zu Parkers-Zeiten, als alle nur auf die Punkte von Parker und Gabriel schauten...
Ich finde die Diskussion zum Thema sehr interessant und auch die durchaus provokative Aussage oben zu meiner (und Jeff Leve's) Verkostungs-Kompetenz. Natürlich: bei 500-1000 Weinen in 1-2 Wochen wird der eine oder andere Verkoster mal "daneben liegen" - in meinen Augen ist das aber durchaus entschuldbar und ich schliesse nicht aus, dass auch ich den einen oder anderen Wein zu hoch/zu tief bewertet habe. Ich kann an dieser Stelle aber festhalten, dass meine persönlichen Punkte-Bewertungen durchaus replizierbar sind, und zwar mit oder ohne Etikette. Ich habe das x-fach mit meinen Mitverkosterm im Team getestet. So liegen wir bei Weinbewertungen "blind" max. 2 Punkte (auf der 100er-Skala) auseinander - was wiederum die oben genannte These stützt, dass 3 Punkte Unterschied (nach Oben) mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch einen "besseren" Wein machen. Dies wiederum heisst nicht, dass man den Wein selber mögen muss. Die Aussagen zur Stilistik sind i.m.A. wichtiger und man findet diese dann im Text/der VKN... Genau darum neme ich mir für diese VKN's auch Zeit - ohne jegliche finanzielle Abhängigkeit wohlverstandenk, denn vvWine ist zu 100% unabhängig.

Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für Jeff Leve brechen. Ich treffe ihn regelmässig an den Proben und wir wechseln ab und an auch mal ein Wort. Seine Bewertungen kann ich grossmehrheitlich gut nachvollziehen (von den oben genannten Ausreissern in jede Richtung einmal abgesehen) und hier von Punkte-Inflation zu sprechen finde ich im 2018er-Kontext etwas gewagt. Es steht für mich ausser Frage, dass Suckling die Skala nicht im Griff hat (oder kann irgend jemand hier im Forum die Suckling-Punkte ernst nehmen??? - mir fällt das zugegebenermassen seht, sehr schwer). Jeff Leve dagegen verkostet i.m.A. sehr gut und er wagt sich auch mal gegen Oben oder Unten einen Akzent zu setzen, was ich sehr schätze. So hat Jeff z.B. Ch. Rauzan-Ségla mit 97-99 bewertet, was mir sehr, sehr hoch erscheint im Kontext meiner vergebenen 94-97 Punkte. Es zeigt aber so oder so auf, dass Rauzan ein Wein ist, der zu den besten Margaux-Weinen im 2018 gehört, egal ob er dann bei 94, 95, 96, 97 oder auch 99 Punkten landen wird ich würde im Durchschnitt mal auf 95.7 tippen).

Fonroque dagegen, bewertet Jeff mit 89 - für mich in keiner Weise nachvollziehbar. Ich durfte den Wein 5x verkosten und stets mit konsistenten 94-95 Punkten. Gut möglich, dass es Jeff hier etwas an Kuschligkeit fehlt, aber hier lege ich meine Hand ins Feuer: Fonroque 2018 ist zusammen mit dem 2016er ein "sleeper of the Vintage" - hier war Jeff wohl etwas "abgelenkt".

Auch ich versuche wo immer möglich den einen oder andere Akzent zu setzen. So wage ich zu behaupten, dass ich einer der ersten Verkoster war, der den heute so stark "gehypten" Carmes Haut-Brion sehr hoch bewertet hat. Als ich für den 2013er schrieb (man lese hier: https://vvwine.ch/2016/01/ch-carmes-hau ... realitaet/), dass Carmes im generell eher schlechten Jahr 2013 zum Besten gehörte, was ich verkostet habe, wollte das noch niemand wirlich glauben. 2013 (bääää), Carmes (rustikal, bäää) - und siehe da... wer heute zurückblickt, dürfte erkannt haben, dass hier so richtig die Post abgeht. Spätestens seit dem 2015er und dem grandiosen 2016er haben es auch die "etablierten Verkoster" erkannt und Carmes plötzlich nicht mehr mit 89-91 sondern mit 95+ bewertet (es hat immerhin 3-4 Jahre gedauert, bis man sich aus dem Schneckenhaus wagte).

Und ja: die Bordeaux-Welt wird spannender, keine Frage. 2018 wird, da bin ich mir sehr sicher, den einen odern anderen Kritiker hier im Forum früher oder später positiv überraschen. Ich freue mich jedenfalls auf die Weine in ca. 10-25 Jahren und schlürfe zwischenzeitlich den einen oder anderen 82er mit Genuss.

Weinfreundliche Grüsse

Adrian
Danke Adrian, für deine Verkostungsnotizen und diesen Post.

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 21:23
von vanvelsen
diogenes hat geschrieben: Danke Adrian, für deine Vekostungsnotizen und diesen Post.
Sehr gerne! Carpe Vinum. Off topic: gerade Phélan Ségur 2000 im Glas und sowas von Freude daran. On topic: Ich kann jedem hier im Forum den 18er Phélan Ségur empfehlen!

Grüsse

Adrian

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 22:07
von diogenes
vanvelsen hat geschrieben:

Auch ich versuche wo immer möglich den einen oder andere Akzent zu setzen. So wage ich zu behaupten, dass ich einer der ersten Verkoster war, der den heute so stark "gehypten" Carmes Haut-Brion sehr hoch bewertet hat. Als ich für den 2013er schrieb (man lese hier: https://vvwine.ch/2016/01/ch-carmes-hau ... realitaet/), dass Carmes im generell eher schlechten Jahr 2013 zum Besten gehörte, was ich verkostet habe, wollte das noch niemand wirlich glauben. 2013 (bääää), Carmes (rustikal, bäää) - und siehe da... wer heute zurückblickt, dürfte erkannt haben, dass hier so richtig die Post abgeht. Spätestens seit dem 2015er und dem grandiosen 2016er haben es auch die "etablierten Verkoster" erkannt und Carmes plötzlich nicht mehr mit 89-91 sondern mit 95+ bewertet (es hat immerhin 3-4 Jahre gedauert, bis man sich aus dem Schneckenhaus wagte).

Und ja: die Bordeaux-Welt wird spannender, keine Frage. 2018 wird, da bin ich mir sehr sicher, den einen odern anderen Kritiker hier im Forum früher oder später positiv überraschen. Ich freue mich jedenfalls auf die Weine in ca. 10-25 Jahren und schlürfe zwischenzeitlich den einen oder anderen 82er mit Genuss.

Weinfreundliche Grüsse

Adrian
Jeff Leve hat dem 2016er und dem 2018er Les Carmes Haut Brion jeweils 99 Punkte gegeben.
Welchen von beiden würdest du vorziehen?

P.S.: Viel Spass noch mit dem Phélan Ségur.

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 22:41
von vanvelsen
diogenes hat geschrieben:
vanvelsen hat geschrieben:

Auch ich versuche wo immer möglich den einen oder andere Akzent zu setzen. So wage ich zu behaupten, dass ich einer der ersten Verkoster war, der den heute so stark "gehypten" Carmes Haut-Brion sehr hoch bewertet hat. Als ich für den 2013er schrieb (man lese hier: https://vvwine.ch/2016/01/ch-carmes-hau ... realitaet/), dass Carmes im generell eher schlechten Jahr 2013 zum Besten gehörte, was ich verkostet habe, wollte das noch niemand wirlich glauben. 2013 (bääää), Carmes (rustikal, bäää) - und siehe da... wer heute zurückblickt, dürfte erkannt haben, dass hier so richtig die Post abgeht. Spätestens seit dem 2015er und dem grandiosen 2016er haben es auch die "etablierten Verkoster" erkannt und Carmes plötzlich nicht mehr mit 89-91 sondern mit 95+ bewertet (es hat immerhin 3-4 Jahre gedauert, bis man sich aus dem Schneckenhaus wagte).

Und ja: die Bordeaux-Welt wird spannender, keine Frage. 2018 wird, da bin ich mir sehr sicher, den einen odern anderen Kritiker hier im Forum früher oder später positiv überraschen. Ich freue mich jedenfalls auf die Weine in ca. 10-25 Jahren und schlürfe zwischenzeitlich den einen oder anderen 82er mit Genuss.

Weinfreundliche Grüsse

Adrian
Jeff Leve hat dem 2016er und dem 2018er Les Carmes Haut Brion jeweils 99 Punkte gegeben.
Welchen von beiden würdest du vorziehen?

P.S.: Viel Spass noch mit dem Phélan Ségur.
Ich sah den 16er bei 98, den 18er bei 97-99... also praktisch identisch. Davon ausgehend, dass man Carmes 2018 günstigster kriegen wird, als man den 16er heute kaufen kann kann, würd ich 18 nehmen. Ein Weinmonument. Aber Achtung: 18 ist der kräftigste Carmes. 16er war sicherlich etwas "klassischer" - wenn du den noch findest, zuschlagen ;-)

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Mi 24. Apr 2019, 23:06
von diogenes
vanvelsen hat geschrieben:
vanvelsen hat geschrieben:


Ich sah den 16er bei 98, den 18er bei 97-99... also praktisch identisch. Davon ausgehend, dass man Carmes 2018 günstigster kriegen wird, als man den 16er heute kaufen kann kann, würd ich 18 nehmen. Ein Weinmonument. Aber Achtung: 18 ist der kräftigste Carmes. 16er war sicherlich etwas "klassischer" - wenn du den noch findest, zuschlagen ;-)
Danke, d. h., egal ob 16 oder 18, auf jeden Fall zuschlagen.

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Do 25. Apr 2019, 08:27
von vanvelsen
diogenes hat geschrieben:
vanvelsen hat geschrieben:
vanvelsen hat geschrieben:


Ich sah den 16er bei 98, den 18er bei 97-99... also praktisch identisch. Davon ausgehend, dass man Carmes 2018 günstigster kriegen wird, als man den 16er heute kaufen kann kann, würd ich 18 nehmen. Ein Weinmonument. Aber Achtung: 18 ist der kräftigste Carmes. 16er war sicherlich etwas "klassischer" - wenn du den noch findest, zuschlagen ;-)
Danke, d. h., egal ob 16 oder 18, auf jeden Fall zuschlagen.
Aus meiner Sicht, ja. Beide sind top top gelungen und ich würde es fast als schmerzhafte Lücke bezeichnen, diese Weine nicht im Keller zu haben...

Re: Bordeaux 2018

Verfasst: Do 25. Apr 2019, 08:27
von vanvelsen
Meine Verkostungs-Notizen zu den Weinen aus Sauternes & Barsac zeigen, dass 2018 kein einfaches Jahr für die Süssweine war. Bei vielen Weinen dominierte die Süsse etwas gar fest das Gesamtbild, es fehlte teils an Eleganz. Dennoch gibt es auch im 2018 schöne Süssweine zu entdecken, welche aromatisch wie immer äusserst komplex daherkommen...

https://vvwine.ch/2019/04/bordeaux-prim ... es-barsac/

Grüsse,

Adrian