Re: Burgenland (ohne Unterregion)
Verfasst: Sa 27. Okt 2018, 20:44

Da ich mehr Weißwein als Rotwein trinke, kenne ich beides nicht extrem gut, aber ich mag die Sorte und habe ab und an den einen oder anderen ihrer Vertreter im Glas. Tendenziell sagen mir die Österreicher auch mehr zu, aber ich habe durchaus schon den einen oder anderen schönen Lemberger aus Württemberg kennengelernt - Schnaitmann oder Beurer sind Erzeugernamen, die mir da spontan einfallen.Gaston hat geschrieben:In Deutschland spielt der Blaufränkisch, wenn ich das richtig sehe, lediglich in Württemberg als Lemberger eine gewisse Rolle. Das wenige was ich davon mal probiert hatte, sprach mich aber lange nicht so an wie die österreichischen, genauer gesagt burgenländischen Vertreter der Sorte, die ja bereits im Basisweinbereich oft Freude machen. Und ich meine auch, dass die (württembergische) Lemberger-Stilistik - wenn man denn von so etwas überhaupt sprechen kann - eine deutlich andere als die der burgenländischen BFs ist. Oder spekuliere ich hier wild drauflos? Wer kennt beides gut - BF aus A und Lemberger aus D - und kann dazu etwas sagen?
Das stimmt aus meiner Sicht zumindest teilweise. Tatsächlich sind die österreichischen Klone im Mittel kleinbeeriger und dickschaliger als die normalerweise in D verwendeten. Aber wie groß bzw. klein und dick- bzw. dünnschalig die Trauben dann tatsächlich werden, hängt auch zu einem nicht geringen Teil vom Boden, Rebenalter und der Art der Kultivierung etc. ab. Tendenziell bringen die A-Klone aber schon andere Ergebnisse als die aus D. Dennoch sind z.B. die BF's von Roth in Wiesenbronn trotz österreichischer, bereits vor langer Zeit "eingeschmuggelter" Rebstöcke für mich eher "deutsch", die Lemberger von Schnaitmann dagegen haben wir blind mal unisono nach A verortet. Die stilistischen Unterschiede alleine auf die Klone zu schieben, mag statistisch gesehen vielleicht sogar aufgehen, aber ich persönlich trinke eigentlich nie einen statistisch gemittelten Wein, deshalb bleibt für mich immer nur die Einzelfallbetrachtung...Bernd Schulz hat geschrieben:Irgendwer hat mir mal erklärt, der stilistische Hauptunterschied zwischen den österreichischen Blaufränkischen und den deutschen Lembergern rühre von den jeweils angepflanzten Klonen her. Diese wären in Württemberg eben andere als im Burgenland. Ob das so wirklich stimmt, weiß ich leider nicht. Über kompetente Äußerungen zu diesem Thema würde ich mich ebenfalls freuen!
Damit kann ich nicht dienen, aber mein persönlicher Eindruck ist, dass die Unterschiede zumindest deutlich geringer ausfallen als bei deutschem Spätburgunder und burgundischem Pinot Noir. Würde ich bei diesen schon gewisse Pauschalisierungen vertreten, die auf viele Weine zutreffen, könnte ich das beim Blaufränkisch/Lemberger nicht einmal ansatzweise. Für mich überwiegen eher Gemeinsamkeiten, die primär der Rebsorte geschuldet sein dürften und auch bei deutlich unterschiedlichem Gesamtcharakter immer irgendwie vorhanden sind (z.B. diese pfeffrig-metallische Aromatik). Dennoch scheint mir in Württemberg ein gewisser Trend feststellbar zu sein, vermehrt den Begriff Blaufränkisch zu verwenden (so auch bei Aldinger, den man als Top-Produzenten neben den oben genannten unbedingt noch erwähnen sollte (auch vom Weingut des Grafen Neippberg können exzellente Vertreter kommen)), was doch schon interpretationsbedürftig ist. Auf jeden Fall gehört für mich die Rebsorte zu den unterschätztesten überhaupt. Gerade als Essensbegleiter deftigerer, einfacher Gerichte oder auch einfach zum Vesper kommt für mich - wenn es denn rot sein soll, wenig an Lemberger heran, weil er wunderbar mineralisch und straff ausfallen kann.Bernd Schulz hat geschrieben:Über kompetente Äußerungen zu diesem Thema würde ich mich ebenfalls freuen!
Das ist sicher richtig, der Grund dürfte darin liegen, daß der Name "Blaufränkisch" marketingtechnisch einfach ein deutlich besseres "Standing" hat als der etwas tümelnde "Lemberger". Genau aus dem Grund nennt zum Beispiel Seeger (in diesem Fall aus Baden) seine Weine aus dieser Sorte mittlerweile auch "Blaufränkisch" und nicht mehr "Lemberger" wie früher; so wurde es mir jedenfalls letztes Jahr auf dem Weingut erklärt. Ist in etwa vergleichbar mit den Namensgebungen beim Spätburgunder; die -nach Meinung des Winzers- besseren und / oder burgundischeren Weine werden häufig mit dem wohlklingenderen "Pinot Noir" betitelt...Michl hat geschrieben:Dennoch scheint mir in Württemberg ein gewisser Trend feststellbar zu sein, vermehrt den Begriff Blaufränkisch zu verwenden
In der offiziellen Sortenliste des (deutschen) Bundessortenamtes heißt die Sorte übrigens weder "Blaufränkisch" noch "Lemberger", sondern "Blauer Limberger"...Blaufränkisch hat geschrieben:Was die Namen betrifft, so meine ich irgendwo gelesen zu haben, man hätte sich bei einer ampelographischen Konferenz im 19. Jahrhundert auf Blaufränkisch als alleinigen Sortennamen geeinigt, was allerdings in den Lemberger-Regionen nie in die Praxis umgesetzt wurde.
Dass in Österreich auch deutsche Blaufränkisch-Klone Verwendung finden, war mir nicht klar - danke für die Information, Bernhard!Blaufränkisch hat geschrieben:Überbewerten würde ich die Klonenfrage aber auch nicht, nicht zuletzt, weil in Österreich einiges an deutschen Klonen, insbesondere Elite Weinsberg in Ertrag steht. Und trotzdem "österreichisch" schmeckt.
Puh, ich fürchte auf die Gefahr hin, dem Vorwurf der abgehobenen Arroganz ausgesetzt zu sein, dass die deutschen Weinbaubetriebe, die beim Rotwein mit Maischeerhitzung, Restsüßeverleihung und reduktivem Stahltankausbau arbeiten, für 99 Prozent der User unseres Forums überhaupt keinen Gegenstand des Interesses darstellen. Über die entsprechenden Erzeuger reden wir dreisterweise erst mal gar nichtBlaufränkisch hat geschrieben:Andererseits ist ein nicht zu unterschätzender Grund für den Unterschied wohl die Verarbeitung, die Idee des Weinmachens. Die ist, abgesehen von der obersten Spitze, in Deutschland wohl noch deutlicher von Ideen wie Maischeerhitzung statt -Gärung, Restsüßeverleihung beim Rotwein, höheren Erträgen, reduktivem Stahltankausbau statt Fässern etc. geprägt.