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Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Mo 27. Mai 2013, 16:23
von Desmirail
UlliB hat geschrieben:In den letzten Wochen noch zwei 2003er, ohne allzu viel zu notieren:
Grand Puy Lacoste (Pauillac 5eme GCC) etwas enttäuschend, ziemlich lose und weitmaschig geknüpft, es fehlt an Substanz und klarer Linie. Abgesehen von seinem formalen Rang und der damit verbundenen Erwartungshaltung aber sehr nett zu trinken, keine Alterserscheinungen, unkompliziert, gewissermaßen der perfekte Bordeaux für die Grillparty. 86 UP.
Ein ganz anderes Kaliber ist Branaire-Ducru (St. Julien 4eme GCC). Absolut königliche Cabernet-Aromatik, vielschichtig, subtil, sehr klassisch. Toller Wein am Beginn der vollen Trinkreife. 92 UP.
Nachdem ich in letzter Zeit doch einige 2003er im Glas hatte, kann ich die von Neil Martin und Julia Harding geäußerte Auffassung, dass sich der Jahrgang auf dem absteigenden Ast befindet und demnächst ausgetrunken werden muss, nicht nachvollziehen. Ganz leise kommt bei mir der Verdacht auf, dass die Weine auf der "ten years on"-Probe in London, an der beide teilgenommen haben, zumindest zum Teil unter schlechten Bedingungen gelagert wurden. Bislang hat bei mir kein 2003er aus dem eigenen Keller den Eindruck erweckt, dass der jetzt aber dringend weg muss.
Gruß
Ulli
Zu dem Themenkomplex 2003er und austrinken und so ist das hier auch sehr, sehr interessant!
http://www.decanter.com/news/wine-news/ ... esearchers
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Mo 27. Mai 2013, 17:16
von UlliB
Danke! Das ist insofern tatsächlich besonders interessant, als beim leidigen PremOx-Problem bei weißen Burgundern nicht immer alle Flaschen eines Weines gleichermaßen betroffen sind, sondern gelegentlich nur einzelne Flaschen oder auch Teilpartien. Offensichtlich sind die Weine ab einem bestimmten Zeitpunkt derart instabil, dass ansonsten irrelevante minimale Unterschiede, z.B. in der Permeabilität der Korken oder aber in den Lagerbedingungen, sich absolut fatal auswirken können. Damit ließen sich drastische Unterschiede in der Beurteilung (vermeintlich) ein und desselben Weins tatsächlich erklären.
Ansonsten erscheinen mir die Erklärungen für das "neue" Phänomen als durchaus plausibel, wobei man allerdings sagen muss, dass die mittlerweile seit Jahren laufende Ursachensuche im Burgund meines Wissens nach noch zu keiner abschließenden Ursachenfindung geführt hat. Lästig, wenn dieses Problem jetzt auch im Bordelais auftritt.
Gruß
Ulli
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Mo 27. Mai 2013, 18:11
von nougat
Vor 2 Wochen kam mir auf einer Probe der erste 2003er ins Glas, der tatsächlich ausgetrunken gehört:
de Fieuzal, rot. Ein Stinker vor dem Herrn. Hühnerstall, Erde, Jod, Rauch, Würze. Seifiges Tannin hält den Wein am Gaumen noch zusammen. Oldstyle Freunde kommen hier auf ihre Kosten
Am Anfang der Genussreife steht
Beau-Sejour-Becot: aromatisch auf der modernen Seite. Schicke Nase nach Pflaume und etwas Lakritz, eingefangen in feinster Holzwürze. Tief und subtil. Am mittelgewichtigen fleischigen Gaumen dann aber eine traumhafte Eleganz, die keinen Zweifel über die Herkunft aufkommen lässt. Langer saftiger Nachhall. Hier gelingt der Spagat aus Tradition und Moderne mühelos.
Bei
Troplong Mondot weiß man immer noch nicht, wohin die Reise geht. Sehr üppiger Wein in der Nase und am Gaumen. Die Frucht fleischig und offen, die Massen an Tanninen aber noch sehr widerspenstig. Zu
Sanctus habe ich nichts notiert. Weil man seitens der Organisation schon wusste, dass der Wein polarisieren wird, wurde er blind ausgeschenkt. Hat bei mir nichts genutzt, nach einiger Übwerwindung dran genippt und dann im Schüttkübel verklappt

Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Mo 27. Mai 2013, 18:31
von sorgenbrecher
im burgund gibt es u.a. ja auch den erklärungsansatz, dass die instabilität der weine vor allem mit der umstellung auf die extrem schonenden pressen und die schonende behandlung des mosts mit der folge äußerst geringen sauerstoffkontaktes zu tun haben könnte. einige winzer nennen dies zumindest als vermutete ursache im gespräch.
was dafür spricht ist aus meiner sicht, dass einige wenige winzer wie coche-dury, leflaive und drc, die alle nichts ggü. früheren zeiten verändert haben, keine prem-ox probleme hatten und haben....
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Mo 27. Mai 2013, 18:46
von UlliB
sorgenbrecher hat geschrieben:im burgund gibt es u.a. ja auch den erklärungsansatz, dass die instabilität der weine vor allem mit der umstellung auf die extrem schonenden pressen und die schonende behandlung des mosts mit der folge äußerst geringen sauerstoffkontaktes zu tun haben könnte. einige winzer nennen dies zumindest als vermutete ursache im gespräch.
Na ja, bezüglich PremOx habe ich bisher so ziemlich jeden auch nur irgendwie möglichen Erklärungsversuch gehört, da wird jedes einzelne Element der gesamten An- und Ausbaukette sowie die Korken und mitunter sogar die Flaschen verdächtigt.
was dafür spricht ist aus meiner sicht, dass einige wenige winzer wie coche-dury, leflaive und drc, die alle nichts ggü. früheren zeiten verändert haben, keine prem-ox probleme hatten und haben....
Wenn man gar nichts verändert und dann auch nichts passiert, kann immer noch
jeder Schritt, den andere verändert haben, für das Problem verantwortlich sein. Einfach eine beliebige (nicht veränderte!) Maßnahme wie die Pressung rauszugreifen, ist nicht logisch zwingend. Pressung und Mostbehandlung können es bei den Roten wegen der doch einigermaßen ruppigen Maischegärung übrigens kaum sein.
Vermutlich ist die Ursache multifaktoriell und deshalb auch nicht einfach zu greifen.
Gruß
Ulli
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Sa 1. Jun 2013, 21:52
von UlliB
Hier mal ein 2003er, der der Erwartung an einen Wein aus einem Hitzejahrgang schon sehr entgegenkommt:
Duhart-Milon-Rothschild 2003 (Pauillac 4e GCC) 13%Vol. Etwas mattes Dunkelrot. In der Nase fette, hochreife Frucht, Brombeeren an der Grenze zur Überreife, auch etwas Walderdbeere, leicht kompottig. Wie alle neueren Duharts deutlich neuholzgeprägt, vanillig-süß, tabakig. Im Gaumen dicht, die Naseneindrücke setzen sich fort, sehr milde Säure, wirkt ziemlich fett, süß und träge. In den durchaus langen Abgang krachen dann die immer noch robusten Tannine hinein.
Hat mit seiner süßen, hochreifen, neuholzgeprägten und - mit Verlaub - etwas nuttigen Art paradoxerweise wesentlich mehr Affinität zu Mouton als zu Lafite. Ein ziemlich massives, träges Geschoss, technisch einwandfrei, aber stilistisch absolut nicht mein Fall. Da könnte ich ja gleich Chateauneuf trinken (das wäre vermutlich auch noch billiger)
Ne, da gebe ich jetzt keine Punkte: zu hohe Differenz zwischen der technischen Note und meinen persönlichen Bordeaux-Präferenzen. Wer hochvoltige Weine mit wenig Säure liebt, könnte hieran durchaus großen Gefallen finden. Ich nicht.
Gruß
Ulli
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: So 2. Jun 2013, 19:41
von Frankie Wilberforce
Für heute Abend schon bereit gestellt den
Chateau Rollan de By, CB, Medoc, 2003.
Passend zum dry-aged US-Rib-Eye-Steak, mediterrane Kartoffel und Gemüse.
Eigentlich wollte ich einen anderen 2000er dazu geniessen, und zwar einen
Chateau Belle-Vue, CB, Ht. Medoc, 2000 aber ich fand in meinem übervollen Weinkeller, die Flasche einfach nicht...
Deswegen subskripiere ich auch keinen Wein mehr aus Bordeaux..

Re: Bordeaux 2003
Verfasst: So 2. Jun 2013, 19:53
von innauen
Hallo,
noch ein Beitrag zur vorzeitigen Reife von rechtsufrigen Bordeaux. Vorgestern und gestern im Glas Clos les Lunelles 2003. Bestätigt am ersten Tag alle Vorurteile über spritige, rosinige, leicht verbrannte Weine aus diesem Jahr. Ich finde das dennoch nicht wirklich schlecht. Na klar ist da kein typischer Bordeaux am Werk. Der Wein kann gut aus Südfrankreich kommen. Aber ein Monster ist es nicht, zumal wenn der Frucht-Alkohol-Übermut durch etwas Kühlung gebändigt wird. Die böse Überraschung dann am nächsten Tag. Über Nacht ist der Wein kollabiert. Spritige Säure, unangenehme bittere Frucht, brandig - summa summarum: Ungenießbar.
Fazit: Weine dieser Machart sollten früh getrunken werden. Ich hoffe die beiden Flaschen vom 2005er, die ich noch habe, sind besser.
Grüße,
wolf
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Di 4. Jun 2013, 00:52
von Trapattoni
Moin zusammen,
langsam wird die 03er-Debatte aber echt öde oder?
Ich habe soeben mal wieder Saint Pierre mit großem Vergnügen bei diesmal "nur" 93 Punkten ausgetrunken. Wenn man weiß, was wo in 03 funzt, ist es doch auch aufgrund hiesiger Beiträge nun doch wirklich überhaupt kein Problem mehr, wenigstens die richtige Appelation zu finden...
Aber - je mehr die einen verhökern, desto länger können andere genießen
Nicht mehr ganz nüchterne und damit auch nicht mehr so ganz objektive Grüße
Dieter
Re: Bordeaux 2003
Verfasst: Di 4. Jun 2013, 13:15
von port_ellen
ich habe letztens begonnen, ein paar subskribierte 2003er anzutrinken, als erstes les grands chenes und phelan segur.
direkt nach dem öffnen waren beide auf der höhe, der phelan etwas intensiver in den tanninen und der substanz, der grands chenes etwas aromatischer (merlot und barrique). beide waren am ersten tag am schönsten, sind aber dann etwas "dünner" geworden (eindruck), vor allem in der mitte und nach hinten.
schon möglich, dass das auf jahrgangsbedingt wenig säure und damit länge zurückgeht.
beide waren durchaus ein genuss, aber bei beiden würde ich nicht mehr viel entwicklung erwarten.
als nächstes habe ich rollan de by, moulin haut laroque, charmail und potensac bereit gelegt.
gruss, m