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Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 11:22
von weinfex
nougat hat geschrieben:
Ch. Ducru-Beaucaillou, La Croix de Beaucaillou 17 Seit 2005 kein Zweitwein mehr sondern von einem Gut im Zentrum der Appellation
Hallo nougat,
zur Erklärung:
Croix de Beaucaillou kommt von Weinbergen, welche früher in den
Ducru flossen, also eigentlich einer "2eme Lage", welche exakt
nördlich dem Chateau selbst, bis zu Ch. Leoville Barton liegt...
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 11:27
von octopussy
Nochmal ein paar allgemeine Gedanken zu Bordeaux, der Subskription, China, den USA, usw. (letztlich nichts Neues). Ich finde es nicht gut, wenn hier über die vermeintliche Kulturlosigkeit von Chinesen mit Cola-Clichées hergezogen wird. Ich kenne weder Land noch Leute auch nur annähernd, und die meisten anderen hier wahrscheinlich auch nicht (wobei ich darauf hoffen würde, dass mal jemand aus China berichtet, welchen Stellenwert Wein dort in welchen Schichten hat und was gerne wozu getrunken wird). Deswegen halte ich es nicht für richtig, sich ein Urteil anzumaßen, das man selbst nicht überprüft hat. Letztlich kann es einem aber auch egal sein, warum Chinesen gerne Bordeaux kaufen und trinken. Fakt ist anscheinend, dass sie es gerne tun. Meine Vermutung ist, dass sie es aus dem gleichen Grund tun, aus dem Deutsche, Amerikaner und andere Weinfreunde gerne Bordeaux trinken:
1. er schmeckt (das ist das wichtigste!).
2. es gibt so große Mengen davon, dass es sich nicht nur um Insiderweine handelt.
3. er hält lange, so dass man v.a. auch großes Potenzial kauft.
4. das 1855er Klassifikations-System erlaubt eine Abstufung, jedenfalls nach "Premier Cru" und nach sonstigen "Cru Classés" bzw. nach "Grand Cru" und "Grand Cru Classé" bei St. Emillion, die das vermeintliche Prestige hervorhebt.
5. für wohl kaum eine Weinbauregion weltweit vergeben so viele Journalisten Punkte wie für Bordeaux-Weine. Auch dies lässt eine einfache Einordnung zu, z.B. nach >90 Punkte, > 95 Punkte, die magischen 100 Punkte, usw.
6. es gibt das schöne Subskriptions-Spielchen, bei dem man nach den Kritikereinschätzungen Weine im unfertigen Zustand kauft in der großen Hoffnung, dass diese Weine zwei Jahre später nicht mehr gut verfügbar sind oder nur viel teurer.
7. die Punkte 2. und 3. erlauben es, sich Sammlungen zuzulegen, Vertikalen und Horizontalen zusammenzustellen und - wie es hier im Bordeaux Thread ja auch geschieht - über einzelne Weine zu reden. Ist Wein xy schon trinkreif? Wie verhält sich Jahrgang a zu Jahrgang b? Ist Wein x seine 95 Parker-Punkte wert, usw. Das geht nur, wenn der Wein für eine ausreichende Anzahl von Leuten verfügbar ist.
8. die Punkte 4. und 5. erlauben einen Vergleich auf der Basis von Einschätzungen und Klassifizierungen Dritter, der z.B. bei Loire-Weinen oder anderen viel schwerer möglich ist.
Mich persönlich ärgert es eigentlich gar nicht, dass Bordeaux-Weine der höheren Klassen immer teurer werden. Erstens kriegt man für 10 bis 20 Euro weiterhin gute Bordeaux-Weine, die ihr Geld wert sind (nur braucht man die nun wirklich nicht subskribieren!). Zweitens gibt es an Rotweinen nun wirklich genügend Alternativen innerhalb und außerhalb Europas. Man muss nur geschmacklich offen sein und ein bisschen suchen.
Was ich nicht gut finde, ist, wenn so getan wird, als sei es das gottgegebene Recht der westlichen Welt, die Bordeaux Crus zu Preisen aus der Vergangenheit zu bekommen und zu trinken.
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 11:46
von harti
Hallo zusammen,
je mehr Bewertungen auf den Markt kommen, desto kunterbunter wird das Bild:
http://bleguern.fr/blg/primeur/
Was ich mich frage, ob die Unterschiedlichkeit der Bewertungen auch mit den teilweise mangelhaften Verkostungsbedingungen zu tun hat.
Welcher Verkoster bekommt überhaupt die Möglichkeit, optimal vorbereitete Muster unter weitgehend neutralen Bedingungen zu probieren, und wer muss über Land reisen und bei den Massenveranstaltungen teilnehmen, bei denen die Fassmuster teilweise schon oxidiert sind (was sich in kräuterigen Noten im Bukett und teilweise auch über flüchtige Säure ausdrückt). Können die Weine mehrfach probiert werden und wieviel Zeit ist für ein einzelnes Muster vorhanden?
Grüße
Hartmut
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 11:50
von Green
octopussy hat geschrieben:...Ich finde es nicht gut, wenn hier über die vermeintliche Kulturlosigkeit von Chinesen mit Cola-Clichées hergezogen wird...
SIC!
Das mußte mal gesagt werden !!!
Ich kenne China ein wenig (hauptsächlich durch meinen Bruder (Prof. für Chinesisch in den USA)). Chinesen trinken eigentlich wenig Wein, das tun die Amis aber auch. Er ist nicht tief verwurzelt in der (Eß-) Kultur, bei uns in Schleswig Holstein aber auch nicht. Die Chinesen die Wein trinken tun das schon mit Genuß und "lernen es" (vermutlich so wie ich seit 15 Jahren). Das China-Bashing finde ich ebenfalls unsäglich !!! Und meine These ist letztendlich, dass die Preise weniger wg. Chinas Nachfrage sondern viel stärker wg. unserer eigenen Preisunsensibilität so gestiegen sind (der Ökonom spricht von unelastischer Nachfrage), die Chateaus haben einfach irgendwann gemerkt, dass Sie "viel zu billig" (an uns) verkaufen.
Kolportierte (Märchen??) Geschichten von colamischenden Chinesen (siehe R. Gabriel) empfinde ich als eine solche bodenlose Arroganz und Dummheit, das ich mich schon "fremdschäme" wenn ich das lese.
(Ich habe Herrn Gabriel dazu angeschrieben, er entschuldigte sich für seine späte Antwort damit, "er hätte ein sehr interessante Petrus Probe besucht..." und keine Zeit gehabt. So eine Brieferöffnung sagt dann schon alles zum Thema Demut und Bescheidenheit...)
Ich denke, man sollte eher vorbehaltlos und ohne Kritik das zutiefst demokratische und faire Marktprinzip schätzen, dass der der den höchsten Preis zahlt, das (knappe) Gut erhält (selbst wenn er es mit Cola mischt, das ist dann nämlich völlig unerheblich). Ein Freund einer sozialistischen Zuteilungsökonomie sind wir alle sicher nicht, das hatten wir schon mal in Deutschland und da gab es eigentlich eher wenig interessanten Wein.
Gruß, Green
PS Und wenn jemand Lafite mit Cola mischen will, soll er doch, wenn er ihn bezahlt hat, ich glaube, nein hoffe sogar, jeder macht ein paar Dinge, über die andere den Kopf schütteln und erfreut sich daran. Das nennt man in Summe dann Freiheit und Vielfalt!
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 12:00
von innauen
harti hat geschrieben:Hallo zusammen,
Welcher Verkoster bekommt überhaupt die Möglichkeit, optimal vorbereitete Muster unter weitgehend neutralen Bedingungen zu probieren, und wer muss über Land reisen und bei den Massenveranstaltungen teilnehmen, bei denen die Fassmuster teilweise schon oxidiert sind (was sich in kräuterigen Noten im Bukett und teilweise auch über flüchtige Säure ausdrückt). Können die Weine mehrfach probiert werden und wieviel Zeit ist für ein einzelnes Muster vorhanden?
Hartmut
Einen Verkoster gibt es schon
Diese Privilegien machen die Konsitenz seiner Bewertungen in der Breite auch für mich aus (Irrtümer und sieben Sünden lassen wir mal weg)
Grüße,
wolf
@Green: Vollkommen d´accord. Die Cola-Märchen haben die reichen Russen abgelöst, die vorher schon die Cola-mischenden texanischen Millionäre abgelöst hatten. Das aufbereitete Klischee gibt es sogar bei der
ARD zu sehen. Aus BDX gab es noch nie so viel guten Wein wie heute, denn Wein verkauft sich weniger als Prestige- als als Qualitätsware und die qualitative Spitze der Cru Bourgeois war noch nie so nah dran an der Oberliga der Cru Classé.
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 12:16
von nougat
weinfex hat geschrieben:nougat hat geschrieben:
Ch. Ducru-Beaucaillou, La Croix de Beaucaillou 17 Seit 2005 kein Zweitwein mehr sondern von einem Gut im Zentrum der Appellation
Hallo nougat,
zur Erklärung:
Croix de Beaucaillou kommt von Weinbergen, welche früher in den
Ducru flossen, also eigentlich einer "2eme Lage", welche exakt
nördlich dem Chateau selbst, bis zu Ch. Leoville Barton liegt...
Gilt das heute noch? Sorry, ich habe den Kommentar verkürzt weitergegeben. Seit 2005 käme der Wein vom Zentrum der App. mit weniger Mündungseinflüssen
Since 2005 it is no longer a second wine but from a plot in the centre of the appellation with less estuarine influence
@octopussy
Deine kulturelle Einlassung unterstreiche ich. Probleme habe ich nur mit den Alternativen zu BDX. Es gibt so viele Weine abseits von BDX die ich sehr mag, manchmal sogar lieber, nur - die sind mir alle(!) zu teuer. Die Preise in anderen Regionen stehen nur nicht so im Fokus der Kritik wie beinahe alljährlich in BDX.
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 12:48
von weinfex
Hallo Nougat,
ich kann Dir nur das von Ducru auf dem Chateau gemachte
Statement wiedergeben, was die "Mündungseinflüsse" angeht
bin ich eher ratlos...

Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 12:51
von harti
Hallo zusammen,
das Thema "Zuverlässigkeit" der Primeur-Verkostungen/-Verkoster lässt mich nicht loß

. Ich habe mir für die Jahre 2008 und 2009 angesehen, wie hoch die Übereinstimmungen zwischen den einzelnen Verkostern gewesen ist, gemessen am Korrelationskoeffizient. Ein Verkoster fällt dabei als vollkommen gegen die Spur bewertend auf (Roger Lévy). Niedrige Übereinstimmungen (Korrelationskoeffizienten von im Gesamtdurchschnitt um 0,5) erreicht sonst u.a., wen wundert's, Jancis Robinson, besonders hohe Werte (über 0,65) erreichen Jacques Perrin und die Grand Jury.
Grüße
Hartmut
P.S. Robert Parker liegt bei dieser Auswertung im Mittelfeld.
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 13:29
von Latour
Green hat geschrieben:Kolportierte (Märchen??) Geschichten von colamischenden Chinesen (siehe R. Gabriel) empfinde ich als eine solche bodenlose Arroganz und Dummheit, das ich mich schon "fremdschäme" wenn ich das lese.
Das gibt es in China genau so wie bei uns und nennt sich "Cola Rot"
Als Märchen kann man dagegen bezeichnen, dass dafür Lafite etc. verwendet würde. Vor einigen Jahren hatte ich mal einen Chinesen, gefragt, ob diese kolportierten Storys stimmen würden und er meinte, er hätte es zwar auch schon gehört, aber nie verifizieren können. Er verwies auf "Cola Rot". Teure Weine seien eine Prestigefrage. Besonders wichtigen Gästen würden man einen Premier oder Vergleichbares vorsetzen und die meisten wüssten zumindest, dass es sich dabei um sehr teure Weine handelt.
[OT OFF]
Meine persönliche Subsliste 2010 wird sehr kurz. Falls Lynch Bages auf ähnlichem Niveau wie 2009 rauskommt, werde ich davon was nehmen, ansonsten noch ein paar CB. Das wird es dann gewesen sein.
Was die Preise anbelangt, so genügt es bspw. Latour heute ca. 1/15 der Menge abzusetzen, die das Gut vom 94er verkaufte, um die gleichen Einnahmen zu erzielen. Anfang der 90er nagte Latour bestimmt nicht am Hungertuch. Das Angebot wird eindeutig künstlich verknappt.
Das gilt auch für Ducru und Figeac. "Limitiert" - einfach nur lächerlich! Ohne mich!
Zahlreiche Grüße
Artur
Re: BORDEAUX 2010 - erste Berichte von "Front"
Verfasst: Di 19. Apr 2011, 13:37
von Green
Latour hat geschrieben:Green hat geschrieben:Kolportierte (Märchen??) Geschichten von colamischenden Chinesen (siehe R. Gabriel) empfinde ich als eine solche bodenlose Arroganz und Dummheit, das ich mich schon "fremdschäme" wenn ich das lese.
Das gibt es in China genau so wie bei uns und nennt sich "Cola Rot"
Mein Studium in Karlsruhe. Ich erinnere mich jetzt: Corola !!! Ich hatte es völlig verdrängt ! Jetzt muß ich wieder zum Therapeuten...
Hat schon mal jemand einen Black Velvet probiert (erfunden 1861)? Sorry off topic, verschiebe die Frage in den Champagner Thread!