Seite 3 von 8
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Do 15. Aug 2013, 20:56
von Gerald
Ist schon klar, die Sache mit den Geruchsassoziationen spielt da sicher eine wichtige Rolle. Mir zumindest geht es meistens so, dass im Aroma eines Weines keinen bekannten Geruch exakt wiederfinde und daher versuche, möglichst ähnliche Aromen für die Beschreibung heranzuziehen. Welche Aromen mir dann tatsächlich einfallen, hängt sicherlich von der momentanen Situation ab. Wenn ich bei einem Südfranzosen an die Landschaft denke, werden mir wahrscheinlich Aromen in den Sinn kommen, die ich auch mit der Gegend verbinde, also z.B. mediterrane Kräuter, Feigen, vielleicht Oliven etc.
Oder wenn ich beim Wachauer Weinfrühling an blühenden Apfelbäumen vorbeigegangen bin, fällt mir natürlich zuerst Apfelblüte ein.
Aber sogar in einer neutralen Verkostungssituation ist man beeinflusst, vielleicht von den Gewürzen, die ich in letzter Zeit im Essen gehabt habe ...
Grüße,
Gerald
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Do 15. Aug 2013, 21:37
von Bernd Schulz
Wenn ich bei einem Südfranzosen an die Landschaft denke, werden mir wahrscheinlich Aromen in den Sinn kommen, die ich auch mit der Gegend verbinde, also z.B. mediterrane Kräuter, Feigen, vielleicht Oliven etc.
Oder wenn ich beim Wachauer Weinfrühling an blühenden Apfelbäumen vorbeigegangen bin, fällt mir natürlich zuerst Apfelblüte ein.
Dass es sich nur um solche Assoziationseffekte handelt, wage ich zu bezweifeln. Denn die mediterranen Kräuter oder Oliven rieche/schmecke ich unter Umständen auch in einer Blindverkostung, wenn ich noch gar nicht weiß, dass es sich um einen Südfranzosen handelt. Manches beim Verkosten beruht auf Psychologie, aber nicht alles....
Andererseits glaube ich auch nicht, dass sich Kräuteraromen direkt auf die Trauben übertragen. Das widerspricht nicht nur der Naturwissenschaft, sondern auch der Alltagserfahrung (das Beispiel von der herausgehängten Wäsche, die dann irgendwann nach Lavendel, Flieder oder sonstwas riecht, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen).
Bekannt für ihre Kräuternoten sind ja auch Rieslinge von der Ruwer. Aber die Zitronenmelisse und Kresse dürfte in den wenigsten Fällen direkt neben den Trauben wachsen, und auch die ebenfalls charakteristischen Stachelbeeren fehlen im Wingert

. Mit direkter Übertragung hat die entsprechende Aromatik also nichts zu tun. Aber sie ist trotzdem häufig vorhanden und beruht nicht darauf, dass man sich einbildet, etwas wahrzunehmen, was man gerne wahrnehmen möchte.
Viele Grüße
Bernd
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Do 15. Aug 2013, 21:59
von susa
Könnte nicht auch eine Übertragung via Wurzelwerk-Erdreich stattfinden. Man findet doch bei vielen Pflanzen die typischen Aromen nicht nur in den Früchten sondern auch in den Wurzeln.
Mir ist es auch schon so ähnlich gegangen wie Bernd. Einer meiner Lieblingsprovenzalen, den ich als einen der wenigen auch blind relativ zuverlässig herausschmecke hat ein sehr typisches Aroma nach schwarzen Oliven. Übrigens rebsortenunabhängig bei allen roten, sowohl der in der klassischen Cuvèe des Hauses (Grenache, Cinsault, Carignan, Mourvèdre) als auch beim reinrebigen Syrah. Und erst nach etwa 10 Jahren hab ich das Gut mal besucht und gesehen, dass viele Olivenbäume in den und um die Weinfelder stehen. Das hatte ich vorher nicht gewusst, es konnte mich also nicht beeinflusst haben.
lg
s
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Do 15. Aug 2013, 22:58
von wiesengenuss
...also es geht ja nicht "nur" um Assoziationseffekte, sondern um Informationsabspeicherung im Gehirn. Beim Sehsinn, der evolutionsbiologisch später entwickelt wurde geht die Zuordnung rot, gelb, grün ja ganz leicht - während das Gehirn noch trainiert werden muss, nicht um Gerüche abzuspeichern, sondern um sie in WORTE zu fassen. Da der Riechsinn zunächst mal mit dem Kleinhirn, also der Instinktzone (Assoziationen!) verbunden ist.
Für mich ist das Thema "Aromen in der Außenhaut" abspeichern auch noch nicht gegessen. Wenn man bedenkt wie klein Moleküle sind, im Vergleich zu der Beerenhaut, die durchaus über viele Poren und Strukuren verfügt (ähnlich wie Aktivkohle). Ich habe gerade ein Weinglas mit Wein aus dem Kühlschrank geholt - und siehe da, Kühlschrankgerüche, im Wein. Wie geht das? Gerüche sind klar über die Luft übertragbar und setzen sich dann auch an festen Gegenständen ab. Jeder Weinfreak weiß ja, dass Gläser, die in einem Holzschrank abgelagert wurden, der Horror sind. Doch wie geht das? Ein Glas hat eine noch weniger sagen wir mal aktive oder adsorbierende Oberfläche als eine Beere oder eben Aktivkohle.
Wo waren wir stehen geblieben
Ja, eine Übertragung via Wurzelwerk funktioniert ja auch, ähnlich wie bei der Allelopathie via Luft. Da werden Stoffe ausgesendet, um Konkurrenten fern zu halten. Beispiel Walnussbaum. Puh, aber was macht der Olivenbaum? Da muss ich doch mal nach'googlen', susa.
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Do 15. Aug 2013, 23:26
von MichaelWagner
Bitte! Haltet! Dieses! Forum! Facebook! Frei! Denn! Das! Ist! Einfach! Wahnsinnig! GRAUSAM!
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Fr 16. Aug 2013, 07:06
von Markus Vahlefeld
MichaelWagner hat geschrieben:Bitte! Haltet! Dieses! Forum! Facebook! Frei! Denn! Das! Ist! Einfach! Wahnsinnig! GRAUSAM!
He, Michael, beruhig Dich! Ich finde, die Diskussion nimmt doch gerade Fahrt auf in die richtige Richtung. Oder hast Du Dein Post im falschen Thread gesetzt?

Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Fr 16. Aug 2013, 07:21
von Markus Vahlefeld
Ich bin BTW auch nicht der Überzeugung, dass ALLES Psychologie ist bei den Weinaromen. Es gibt schon ECHTE Ausprägungen der verschiedenen Weine, die jeder Mensch mit einer intakten Sensorik wahrnehmen kann. Ja, auch blind und aus einem schwarzen Glas.
Die entscheidende Frage ist natürlich: WIE kommen diese Aromen in den Wein? Wenn ich Gerald richtig verstehe, sieht er wissenschaftlich keine Möglichkeit dafür, dass andere Aromen als die traubeneigenen jemals sich in den Wein übertragen können. Wobei die Unerklärbarkeit natürlich kein Beweis für die Nicht-Existenz ist. Denn - mal ein prominentes Beispiel - die gleichen Reben von Rotem Schiefer und von Kalkstein (derselbe Pflanzzeitraum, derselbe Klon, dieselbe Wirtschaftsweise) ergeben komplett andere Weine. Was mich dabei umtreibt, ist die Tatsache, dass die Beeren vom Stock gar nicht soooo unterschiedlich schmecken. Erst im Wein tritt der Unterschied wirklich zu Tage.
Wie aber, bester Gerald, kommen da die verschiedenen Aromen in den Wein? Und sollte der Boden den Unterschied machen, wie kann man das dann wissenschaftlich erklären?
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Fr 16. Aug 2013, 07:53
von C9dP
Denn - mal ein prominentes Beispiel - die gleichen Reben von Rotem Schiefer und von Kalkstein (derselbe Pflanzzeitraum, derselbe Klon, dieselbe Wirtschaftsweise) ergeben komplett andere Weine. Was mich dabei umtreibt, ist die Tatsache, dass die Beeren vom Stock gar nicht soooo unterschiedlich schmecken. Erst im Wein tritt der Unterschied wirklich zu Tage.
Unterschiedlicher Ausbau, unterschiedliche Hefen, unterschiedlich lange Lagerung vor Abfüllung, unterschiedliches Mikroklima im Weinberg, unterschiedliche Mineralien, die die Weine über den Boden aufnehmen, unterschiedliche Gärtemperatur...
Der einzige Weg, bei dem ich mir vorstellen könnte, dass bestimmte Pflanzenaromen auf den Wein übertragen werden, ist die Übertragung von bestimmten Bestandteilen während der Blütephase der entsprechenden Pflanzen auf die Beeren und eine entsprechende Aufnahme der Bestandteile in die Beerenhäute. Dies dürfte aber nur bei Pflanzen klappen, die später blühen als der Wein und zudem sehr intensive Blüten hat. Alles andere hört sich ziemlich fragwürdig an.
Irgendwo wurde hier Cassis als "rotes" Aroma in Weißweinen genannt. Ich kann mich täuschen, aber bei mir ist es in den meisten Weißen nicht Cassis sondern schlicht Johannisbeere und zwar die weiße, die ich herausschmecke und nur sehr selten wirklich in Cassisaroma.
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Fr 16. Aug 2013, 08:27
von Gerald
Wie aber, bester Gerald, kommen da die verschiedenen Aromen in den Wein? Und sollte der Boden den Unterschied machen, wie kann man das dann wissenschaftlich erklären?
je nach Mineralstoffzusammensetzung des Bodens (zumindest der löslichen Bestandteile, also was vom Weinstock über die Wurzeln aufgenommen wird) werden ja auch die biochemischen Vorgänge in der Pflanze beeinflusst, also auch die Produktion der unterschiedlichen Aromastoffe in der Traube. Wie das für jede einzelne Substanz exakt funktioniert, weiß ich nicht (vermutlich ist das im Detail überhaupt noch nicht erforscht), der Einfluss selbst ist aber seit vielen Jahren bekannt.
Mein Urgroßvater hat ja noch selbst einen (kleinen) Weinberg bewirtschaftet und ich habe einmal eine alte Broschüre im Haus gefunden, wo für Kalidünger geworben wurde, damit der Wein mehr Aromatik erhält.
Dass Boden, Klima etc. einen Einfluss auf den Wein hat, ist ja meines Wissens völlig unbestritten. Aber dass Kräuteraromen von anderen Pflanzen in den Weinstock bzw. die Traube "immigrieren", das scheint mir ziemlich unrealistisch und eine romantische Vorstellung - wenn nicht "Winzerlatein" - zu sein.
Grüße,
Gerald
Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?
Verfasst: Fr 16. Aug 2013, 08:44
von UlliB
Gerald hat geschrieben: (vermutlich ist das im Detail überhaupt noch nicht erforscht),
Richtig. Ein Problem: die Leute, die das erforschen könnten, haben im Moment etwas besseres (sprich: wesentlich lukrativeres) zu tun, als sich mit der Aromenbildung im Wein zu beschäftigen.
Markus Vahlefeld hat geschrieben: Was mich dabei umtreibt, ist die Tatsache, dass die Beeren vom Stock gar nicht soooo unterschiedlich schmecken. Erst im Wein tritt der Unterschied wirklich zu Tage.
Dieser Teil ist allerdings erklärbar. In den Trauben liegen viele Aromastoffe, die im fertigen Wein zu finden sind, nicht als solche vor, sondern als
Präkursoren - das sind chemische Vorstufen, die selber weitgehend geruch- und geschmacklos sind, aber während der Einmaischung, Gärung oder auch erst während der Lagerung in die eigentlichen Aroamastofe umgewandelt werden, z.B. glykosidisch gebundene Stoffe.
Gruß
Ulli