weinfex hat geschrieben:
Warum war diese Kampagne "genial"?
Hallo weinfex,
danke für deine Gedanken, die ich für plausibel halte und die noch einmal die bereits geäußerte Vermutung von Preisabsprachen unterstreichen.
Auch wenn sich bei diesem globalen Markt und der unsicheren Einschätzung der tatsächlichen chinesischen Nachfrage vieles auf Vermutungen beschränkt, so habe ich weiterhin erhebliche Zweifel an einer überwältigenden Nachfrage nach den teureren Cru Classés vom linken Ufer und den teureren Weinen aus Pessac und vom rechten Ufer durch
Endkunden.
Meine Vermutung auf der Basis der hier mehrfach geäußerten Meinungen ist zum einen ein deutlich niedrigeres Angebot, um die Preise zu treiben. Zum anderen vermute ich (auch auf der Basis des hier schon gesagten), dass immer noch viel mit Bordeaux gezockt wird, selbst bei diesen Preisen. Die aufsteigende Liv-Ex Kurve, so verrückte Zahlen wie die Preissteigerung bei Lafite 2008, beim Carruades, usw. scheinen manchen die $-Zeichen in die Augen zu treiben.
Es würde mich nicht wundern, wenn bei der ganzen Liquidität, die weltweit einen Hafen sucht, utopischen Rechnungen Glauben geschenkt wird, die schon beim Internet-Boom aufgemacht wurden. Beispiele sind die Extrapolation von erwarteter Nachfrage und "Wertsteigerung" auf der Basis von über einen kurzen vergangenen Zeitraum erzielten Steigerungen oder der Glaube an einen unbegrenzt aufnahmefähigen Markt, der auf Bevölkerungszahlen, potenzieller Kaufkraft und ähnlichen Parametern fußt. Zur Lektüre empfehle ich diesbezüglich das Buch dot.con von John Cassidy, erschienen 2002 bei Penguin.
Mit einem hübsch vorgetragenen Pitch können mit den vorgenannten Utopien aber sicherlich beträchtliche Summen eingesammelt werden. Dieses Geld muss natürlich investiert werden. Ob trotz klimatisierten Lagerhäusern nahe bei den potenziellen Kunden und einer Börse wie Liv-Ex der profitable Exit an den Endkunden gelingen wird, lässt sich nicht klar einschätzen. Ich glaube nicht daran, aber ich kann mich irren. Ungünstig erscheint mir das Investitionsklima jedenfalls angesichts der Tatsache, dass man anscheinend noch keinen Artikel, Blog-Post, Forumsbeitrag oder sonstiges gesehen hat, der die aktuellen Marktgeschehnisse auch nur halbwegs verlässlich einschätzen kann. Und wenn man einen Markt nicht versteht, ist jede Investition ein Vabanque-Spiel.
Dazu höre ich ein passendes Lied, nämlich "Größenwahn" von Andreas Dorau von seinem perfide bösen aktuellen Album "Todesmelodien".