Da ist also ein Winzer, der ein „Naturprodukt“ ganz „handwerklich“ herstellt.
Da fängt das erste Mißverständnis an, Wein ist kein Naturprodukt sondern ein Kulturprodukt. Ohne den Einfluß des Menschen geht gar nichts.
Und dann erfahren wir (meist nur auf Nachfrage), dass er bei einem ganz entscheidendem Faktor so ganz und gar nicht „ehrlich“, „traditionell“ und „handwerklich“ arbeitet, dass er vielleicht den Großteil des Geschmacks durch zugekaufte (Aroma-)Hefen in die Flasche kommt.
Auch diese Aussage halte ich für sehr gewagt, ich kenne keinen großartigen Wein, wo der "Großteil des Geschmacks" durch "zugekaufte" Aromenhefen zustande kam.
Winzer erzählen auch sonst nicht viel darüber welche Herbizide und Fungizide sie ausbringen etc. Das Problem ist doch dass der größte Teil der Konsumenten lieber gar nicht wissen will, wie Lebensmittel in der mechanisierten und chemisierten Landwirtschaft erzeugt werden.
Gerade auch in Deutschland gibt es eine herrliche Schizophrenie zwischen Anspruch und Handeln beim Verbraucher. Jeder wünscht sich den kleinen, handwerklich arbeitenden Landwirt, einen Hof auf dem vom Schaf bis zur Ziege, Hunde, Katzen und anderes Getier lustig umherspringen. Aber bezahlen wollen das kaum welche. Diese romantisierende Anspruchshaltung verleitet leider immer wieder Erzeuger, auch beim Wein dazu genau dieses Bild zu unterstützen.
Man schaue sich mal die Etiketten der billigsten Weine im Supermarkt an, immer noch gern genommen der Winzer mit der blauen Kellerschürze und einer Kerze in der Hand, wie er am Holzfass steht und einen Wein in einen Krug abfüllt. Ein Bild das mit der Realität nichts zu tun hat, aber trotzdem gewollt ist.
Wen ich mir auch hier einige Argumente so anschaue, dann sehe ich auch eine hohe Korrelation zwischen Spontangärung und der Rebsorte Riesling. Bei den meisten anderen Rebsorten wird das gar nicht so kategorisch gefordert. Hat das vielleicht auch etwas damit zu tun, dass der Riesling ungern wirklich trocken auf die Flasche gebracht wird?
Sprich mit Spontangärung ist der Restzucker einfach "natürlicher" zu erklären als mit Reinzuchthefen, denn bei der Spontangärung "weiß doch jeder" dass die Gärung schon mal restsüß stehen bleiben kann.
Auch interessant, dass insbesondere von den Freunden der restsüßen Rieslinge das hohe Lied auf die "Natürlichkeit" der Hefen gesungen wird, aber dass der gleiche Wein bevor er natürlich zum Gärstopp kommt, durch Kühlung oder Schwefel gestoppt wird und so doch viel mehr in ein "unnatürliches", süßes Geschmacksbild gepresst wird, das ist kein Problem.
So ganz verstehe ich diese Diskrepanz nicht.