Siegerweine im Forumstest

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Gerald
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von Gerald »

Noch eine Frage:

Müssen Weine mit absolut identischer Bezeichnung (nur unterschiedlicher AP-Nr.) aus derselben (homogenisierten) Charge stammen - also nur z.B. aus logistischen Gründen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgefüllt - oder nicht?

Anders gefragt: darf ein Winzer sein "bestes Fass" unter exakt derselben Bezeichnung (nur andere AP) wie den Rest der Charge abfüllen? Falls ja, dann wären Weinbewertungen in den Weinguides ohne Angabe der AP-Nr. doch wertlos, oder?

Ähnliches hat man nämlich zumindest in Ö schon manchmal gerüchteweise gehört - und selbst habe ich auch schon manchmal den Eindruck gehabt, wenn ich Weinbewertung/beschreibung im Weinguide mit dem Wein im Glas vergleiche ...

Grüße,
Gerald
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octopussy
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von octopussy »

Gerald hat geschrieben:Noch eine Frage:

Müssen Weine mit absolut identischer Bezeichnung (nur unterschiedlicher AP-Nr.) aus derselben (homogenisierten) Charge stammen - also nur z.B. aus logistischen Gründen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgefüllt - oder nicht?

Anders gefragt: darf ein Winzer sein "bestes Fass" unter exakt derselben Bezeichnung (nur andere AP) wie den Rest der Charge abfüllen? Falls ja, dann wären Weinbewertungen in den Weinguides ohne Angabe der AP-Nr. doch wertlos, oder?
Hallo Gerald,

das ist nicht nur zulässig, sondern auch für restsüße Mosel-, Saar- und Ruwer-Weine absolut gängige Praxis und dient genau der Abfüllung von "besten Fässern" (oder jedenfalls unterschiedlichen Fässern). Ein Beispiel: ich habe zwei Graacher Domprobst Riesling Auslesen aus 2004 von Willi Schaefer mit unterschiedlichen AP-Nr. Das eine ist ein "halber Eiswein" (AP-Nr. 14), der zur Hälfte aus im Dezember gelesenen angefrorenen Trauben stammt und zur anderen Hälfte aus bereits im November gelesenen Trauben. Das andere (AP-Nr. 8) ist eine ganz normale Auslese.

Teils füllen Weingüter z.B. parzellenweise mit unterschiedlichen AP-Nr. ab oder eine Botrytis-Auslese und eine botrytis-freie Auslese. Außerdem gehen häufig die besten Fässer in die Versteigerungen der "Ringe" (Großer Ring, usw.). Abgesehen von dem Versteigerungssticker ist der Unterschied zur "normalen" Spätlese oder Auslese dann nur über die AP-Nr. zu erkennen. Ohne Insiderkenntnisse ist es schwer, sich da zurechtzufinden. Über diese Insiderkenntnisse verfügen z.B. Jean Fisch und David Rayer von Mosel Fine Wines und kennzeichnen häufig (nicht immer), wie sich Weine aus derselben Lage und desselben Prädikats formal unterscheiden.

Der Gault Millau unterscheidet übrigens auch die Weine je nach AP-Nr. und kennzeichnet jeweils, um welche AP-Nr. es sich handelt, hat das jedenfalls früher gemacht.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von octopussy »

Beste Grüße, Stephan
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Gerald
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von Gerald »

Hallo Stephan,

danke für die Erklärungen. Weiß vielleicht jemand noch zufälligerweise, ob das in Österreich (da gibt es ja genauso eine Amtliche Prüfnumer) gleich gehandhabt wird? Falls ja, wären Weinbewertungen ohne Angabe der AP für den Konsumenten nutzlos.

Neben den Unterschieden zwischen Weinbewertung/beschreibung in den Weinguides und eigenen Verkostungen - was man ja evtl. auf verschiedene Verkostungszeitpunkte und andere Verkoster zurückführen kann - ist es mir auch schon ein paar Mal passiert, dass ich einen Wein bei einer Veranstaltung (z.B. Wachauer Weinfrühling) probiert habe und am gleichen oder nächsten Tag ein paar Flaschen davon eingekauft habe. Dieser hat aber dann sehr wenig Ähnlichkeit mit meinen Notizen im Weingut gehabt. Zufall, unterschiedliche Tagesverfassung meinerseits oder doch mehr dahinter?

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von MichaelWagner »

Mal ganz flach gesprochen ist die AP-Nr der einzige "Ausweis" für einen Wein. Alle anderen Angaben sind eher "Schmuck".
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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weingeist
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von weingeist »

MichaelWagner hat geschrieben:Mal ganz flach gesprochen ist die AP-Nr der einzige "Ausweis" für einen Wein. Alle anderen Angaben sind eher "Schmuck".
Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Dann wäre das ja geklärt, danke.
No ja, wenn ich mir da die Erklärung oben von Stephan durchlese, aber auch rückblickend die Statements des Kellermeisters, kenne ich mich jetzt überhaupt nicht mehr aus. Für mich grenzt das bereits etwas - sehr überzogen formuliert - an eine gesetzlich konforme Kundenverar....veräppelung. Wenn es denn so gemacht wird.

Ich habe von einem Wein ein sehr gutes Faß, das fülle ich für Verkostungen und Guides ab, der Preis wird nach diesem Faß festgelegt, und die Kunden dürfen dann für die Abfüllung aus einem anderen Faß, wo ich als WInzer weiß, dass hier die Qualität vielleicht etwas schlechter ist (braucht ja nur die Gärtemperatur kurz mal aus dem Ruder gelaufen sein), den gleichen Preis berappen.

@Gerald - ob das mit der AP-Nummer bei uns auch so gehandhabt wird, darüber mache ich mich einmal schlau. Würde mich auch interessieren. Vielleicht kriegst Du aber auch von der Domäne eine Auskunft (die müssten ob der Menge ja auch immer wieder verschiedene Füllungen vom gleichen Wein machen).
Gerald hat geschrieben:Ähnliches hat man nämlich zumindest in Ö schon manchmal gerüchteweise gehört - und selbst habe ich auch schon manchmal den Eindruck gehabt, wenn ich Weinbewertung/beschreibung im Weinguide mit dem Wein im Glas vergleiche ...Grüße, Gerald
Nicht nur gerüchteweise, ich denke, einige Herrschaften der Vinaria können Dir das genau erklären (welches Weingut, welcher Wein, wie es dazu gekommen ist, das man den selben Wein zuerst für den Guide und ein paar Wochen später - anonym - in einem Restaurant zum Essen bestellt hat....). Ich weiß nur nicht, wie man damals "auseinander" gegangen ist, also wie man diesen Ball so flach gehalten hat. ;)
Liebe Grüße
weingeist
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Gerald
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von Gerald »

Ich weiß nur nicht, wie man damals "auseinander" gegangen ist, also wie man diesen Ball so flach gehalten hat. ;)
na ja, ich glaube, das ist weder für das Weingut noch für den Weinguide günstig, wenn das zu sehr publik wird. Für das Weingut ohnehin nicht (ist wie du so schön schreibst "Kundenver..."). Aber - zumindest wenn diese Praxis legal ist - auch nicht für den Weinguide, denn damit zeigt sich ja schön, dass die Bewertungen/Weinbeschreibungen im Guide genau nichts wert sind, wenn sie einen anderen Wein betreffen als der Kunde vermeintlich kauft. :o

Grüße,
Gerald
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octopussy
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von octopussy »

weingeist hat geschrieben: No ja, wenn ich mir da die Erklärung oben von Stephan durchlese, aber auch rückblickend die Statements des Kellermeisters, kenne ich mich jetzt überhaupt nicht mehr aus. Für mich grenzt das bereits etwas - sehr überzogen formuliert - an eine gesetzlich konforme Kundenverar....veräppelung. Wenn es denn so gemacht wird.

Ich habe von einem Wein ein sehr gutes Faß, das fülle ich für Verkostungen und Guides ab, der Preis wird nach diesem Faß festgelegt, und die Kunden dürfen dann für die Abfüllung aus einem anderen Faß, wo ich als WInzer weiß, dass hier die Qualität vielleicht etwas schlechter ist (braucht ja nur die Gärtemperatur kurz mal aus dem Ruder gelaufen sein), den gleichen Preis berappen.
Hallo weingeist,

bezüglich der Praxis an der Mosel, Saar und Ruwer kann man definitiv nicht von Kundenverarsche sprechen. Im Gegenteil, es herrscht bei den Weingütern vollständige Transparenz. Manche Händler machen sich nicht die Mühe, die AP-Nr. zu kennzeichnen, aber die guten machen das. Hinzu kommt, dass die Preise für einzelne AP-Nummern teils deutlich auseinander gehen. Es gibt immer einen Standard-Kabinett, eine Standard-Spätlese und eine Standard-Auslese. Bei der ist die AP-Nr. auch nicht so wichtig. Diese Standard-Weine werden meist auch ohne Ausweis der AP-Nr. verkauft. Und wenn man nicht nach einer Spezial-AP-Nr. fragt, kriegt man ab Weingut oder beim Händler auch den Standard-Wein. Meistens haben diese Weine auch jedes Jahr dieselbe AP-Nr.

Hier mal ein Beispiel:

Willi Schaefer - 2013 Graacher Domprobst Riesling Auslese #11 (45 Euro): http://www.weinart.de/deutschland/mosel ... 1-2013.htm

Willi Schaefer - 2013 Graacher Domprobst Riesling Auslese #14 (59 Euro): http://www.weinart.de/deutschland/mosel ... 4-2013.htm

Dazu gibt es dann noch eine #01 (Versteigerungs-Auslese). Fast 14 Euro Preisunterschied sollten beim Kunden Fragen aufwerfen. Ganz genau weiß ich es nicht, aber aus den MFW Notizen geht hervor, dass die #11 aus der Parzelle "Kähl" stammt und weitgehend botrytisfrei ist, während die #14 eine Botrytis-Auslese, in etwa auf dem Level einer Beerenauslese oder einer Goldkapsel-Auslese ist.

Ich gebe zu, dass man als Kunde davon verwirrt sein kann, aber das Ganze hat schon System und ist wirklich und ernsthaft keine Kundenverarsche, sondern ein Mittel für die Weingüter, ihr Sortiment bis ins letzte Detail ausdifferenzieren zu können.
Beste Grüße, Stephan
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Gerald
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von Gerald »

Hallo Stephan,

wenn das mit der Nummer 11, 14 etc. bei der Preisliste des Weinguts sowie den Händlern auch angegeben ist, dann ist das natürlich völlig in Ordnung und transparent.

Nur wenn das nicht der Fall ist - also für den Konsumenten der Anschein entsteht, dass es nur "einen" Wein gibt, aber tatsächlich qualitativ unterschiedliche Abfüllungen kursieren (das "gute Fass" für die Verkostungen, der Rest für den normalen Verkauf), dann wäre das eine üble Sache. Auch wenn es möglicherweise legal ist (das Weingut kann ja nichts dafür, wenn die Weinguides die AP-Nr. nicht angeben) ...

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Siegerweine im Forumstest

Beitrag von MichaelWagner »

Nunja, ich dachte eigentlich Wettbewerbsfüllungen seien ein offenes Geheimnis, möchte aber anmerken, dass es aus organisatorischen Gründen schon sein kann (bspw mangelnder Platz fürs flaschenlager) dass ein Wein in verschiedene Füllungen/ AP-Nr aufgeteilt wird. Allerdings sollte es dann ein Wein sein...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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