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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Fr 19. Sep 2014, 17:14
von UlliB
glycosid hat geschrieben: Um Gottes WIllen! Kein wirklicher Bordeaux-Liebhaber (mit "wirklich" ist dabei gemeint, dass er die Weine des Genusses wegen erwirbt...) kann sich das Umdrehen jenes "Negativzyklus" doch ernsthaft wünschen!
Doch. Ich zum Beispiel.

Was in der ganzen Geschichte nicht verkannt werden darf: den Ikonen, die die ganze Misere zumindest mitverursacht haben, geht die Krise so ziemlich am Ar*** vorbei. Selbst wenn der Preis von Lafite auf ein viertel fällt (wird vermutlich nicht passieren) und Lafite nur noch weniger als die Hälfte seiner Ernte am Markt platziert bekommt (wird vermutlich auch nicht passieren), reicht das immer noch, um sämtliche Betriebskosten zu decken und den Besitzern zusätzlich noch eine nette Rendite zu liefern. Die Top-20 oder -30 Erzeuger dürften so ziemlich jede Form der Krise aussitzen können. Probleme kriegen allenfalls die Leute, die in deren Weinen investiert sind.

Im untersten Preissegment (EVP deutlich unter 10 Euro) ist im Bordelais eh nicht mehr viel zu retten, die Erzeuger dieser Weine waren auch schon vor 2010 betriebswirtschaftlich betrachtet völlig unrentabel, und mittlerweile haben da auch schon Dutzende Betriebe das Handtuch schmeißen müssen.

Wo sich aber das Spiel entscheidet, und zwar schon bald, ist der gesamte Mittelbau im Preisbereich von vielleicht 15 bis 35 Euro. Hier haben viele Betriebe in den letzten 15 Jahren ganz massiv in Weinberg und Keller investiert, und anders als die Topbetriebe, die ihre Weine auch in ihre Läger packen können (die sie ja nicht ohne Grund in den letzten Jahren ganz massiv erweitert haben), müssen sie ihre Weine möglichst vollständig verkaufen, und das auch zu einem gewissen Mindestpreis, sonst kommt irgendwann der Mann mit dem Kuckuck (oder wie auch immer das französische Pendant heißt). Das Endergebnis hiervon wäre noch mehr Konzentration von Weinbergsbesitz in sehr wenigen kapitalstarken Händen, womit wir dann tatsächlich dort gelandet wären, wo manche Bordeaux heute schon vermuten. Mir zumindest würde das nicht gefallen.

Ohne mich hier in die politische Diskussion einmischen zu wollen: das Topsegment wird immer genügend zahlungskräftige Kunden finden, um nicht unterzugehen. Die Imagekrise könnte aber den Bordeaux-Mittelstand durchaus ruinieren.

Gruß
Ulli

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Fr 19. Sep 2014, 20:10
von slowcook
Hallo Ulli

In die (innerdeutsche) politische Diskussion mische ich mich wohl lieber auch nicht ein, obwohl, als geschichtsinteressierter Beobachter von aussen denkt man sich schon das Eine oder Andere... :shock:

Bei allem Respekt vor deinem betriebswirtschaftlichen und önologischen Sachverstand: Der Mittelbau oder Mittelstand im Bordeaux-Stammgebiet ist doch längst nicht mehr im Band zwischen 15-35 Euro zuhause! Unter dem von dir genannten "Top-Segment" von 20 bis 30 Erzeugern hat sich eine grosse Zahl von Gütern positioniert, die auf Grund ihres Rénommées, ihrer Klasse über Jahre oder ihrer gewaltigen Fortschritte problemlos 50 Euro+ im Jahresschnitt erwarten dürfen. Und genau diese Weine sind es ja auch, die, für mich jedenfalls, das Faszinierende an dieser Region ausmachen: Beispiellose Eleganz und Ausgewogenheit. Hier glaube ich überhaupt nicht an eine Imagekrise, aber 4 grottige Jahrgänge in Folge sind schon problematisch...

Gruss
Werner

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Fr 19. Sep 2014, 20:41
von glycosid
UlliB hat geschrieben:
glycosid hat geschrieben: Um Gottes WIllen! Kein wirklicher Bordeaux-Liebhaber (mit "wirklich" ist dabei gemeint, dass er die Weine des Genusses wegen erwirbt...) kann sich das Umdrehen jenes "Negativzyklus" doch ernsthaft wünschen!
Doch. Ich zum Beispiel.

Was in der ganzen Geschichte nicht verkannt werden darf: den Ikonen, die die ganze Misere zumindest mitverursacht haben, geht die Krise so ziemlich am Ar*** vorbei.
Mir gehen dieselben ebenfalls am A*** vorbei. Und dass sich das, was sich bei diesen Renommee-Abfüllungen hinsichtlich der Volatilität des "IN" & "OUT" bzw. des Wertanlagezirkus' und damit der Preise abspielt, gewissermaßen 1:1 auf die "normalpreisigen" Weine (also diejenigen, bei denen der zu zahlende Preis in einem halbwegs vernünftigen Verhältnis zum Inhalt der Flasche und dem Aufwand steht, mit dem diese produziert wurde) auswirkt, halte ich für ausgeprochen unrealistisch. Zumindest ist es meine über lange Jahre gemachte Erfahrung, dass bei den "bezahlbaren" (ist natürlich zugegebenermaßen ein je nach Geldbeutel ziemlich relatives Attribut...) Weinen preislich hiervon stets nur wenig zu bemerken ist.
UlliB hat geschrieben:Im untersten Preissegment (EVP deutlich unter 10 Euro) ist im Bordelais eh nicht mehr viel zu retten, die Erzeuger dieser Weine waren auch schon vor 2010 betriebswirtschaftlich betrachtet völlig unrentabel, und mittlerweile haben da auch schon Dutzende Betriebe das Handtuch schmeißen müssen.

Wo sich aber das Spiel entscheidet, und zwar schon bald, ist der gesamte Mittelbau im Preisbereich von vielleicht 15 bis 35 Euro. Hier haben viele Betriebe in den letzten 15 Jahren ganz massiv in Weinberg und Keller investiert, und anders als die Topbetriebe, die ihre Weine auch in ihre Läger packen können (die sie ja nicht ohne Grund in den letzten Jahren ganz massiv erweitert haben), müssen sie ihre Weine möglichst vollständig verkaufen, und das auch zu einem gewissen Mindestpreis, sonst kommt irgendwann der Mann mit dem Kuckuck (oder wie auch immer das französische Pendant heißt). Das Endergebnis hiervon wäre noch mehr Konzentration von Weinbergsbesitz in sehr wenigen kapitalstarken Händen, womit wir dann tatsächlich dort gelandet wären, wo manche Bordeaux heute schon vermuten. Mir zumindest würde das nicht gefallen.
Der Ansicht, dass die Winzer Angst vor'm Kuckuck-Mann haben müssten, wenn sie nicht jedes Jahr möglichst die ganze Ernte verkaufen können, würde ich zustimmen, wenn es sich um Weine im Preisbereich deutlich unter 10 € handelt. Dass aber das "IN-OUT"-Spektakel der besagten "Top-Crus" dort auch nur irgendwelche bemerkbaren Auswirkungen hätte, wage ich auf's Stärkste zu bezweifeln! Da läuft das normale (Super-) Marktgeschehen ab. Und wenn jemand dieser Erzeuger Pleite machen sollte, dann sind die zum eventuellen Verkauf anstehenden Rebflächen gewisslich nicht die, um die sich Latour reißen wird, wenn sich überhaupt jemand darum reißt...

Wenn wir in den Preisbereich um 10 € kommen, dann sind die Jahrgangs- und Modepreisschwankungen meiner Meinung nach ebenfalls noch recht überschaubar (falls sie überhaupt bemerkbar sind). Dass man aber für 10 € pro Flasche bereits hervorragende Weine produzieren kann, belegen doch nicht zuletzt die hier so oft zum Zeugen aufgerufenen Bordeaux-Konkurrenten aus aller Herren Länder.

Was nun Flaschenpreise bis 35 € angeht, so sind die Auswirkungen der Jahrgangs- und Modeschwankungen hier sicherlich etwas deutlicher zu spüren als in den preiswerteren Segmenten, doch übersteigen solche (ja schon ganz ordentlichen) Preise die zur Herstellung dieser Weine erforderlichen Selbstkosten (inkl. Investitionsfinanzierung!) mitunter bereits beträchtlich. Dass hier über kurz oder lang der "Kuckuck" drohte, wenn das Depot nicht jedesmal bis auf die letzte Flasche abverkauft wird und nicht jedes Jahr das vorhergehende im Verkaufserlös pro Flasche toppen kann, halte ich nicht für ein wirklichkeitsnahes Szenario.

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Fr 19. Sep 2014, 21:12
von UlliB
slowcook hat geschrieben: aber 4 grottige Jahrgänge in Folge sind schon problematisch...
Nun, ob 2011 und 2012 wirklich "grottig" sind, darüber gehen die Meinungen wohl sehr auseinander. Ich kann dazu noch nichts sagen; ein paar 11er harren noch der Verkostung.

Ansonsten: wieso 4 Jahrgänge :?: Hast Du für 2014 eine Glaskugel? Wahrscheinlich hängt davon noch einiges am Stock. Und 2010 wirst du ja wohl kaum meinen 8-)

Gruß
Ulli

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Fr 19. Sep 2014, 21:26
von UlliB
glycosid hat geschrieben: Was nun Flaschenpreise bis 35 € angeht, so sind die Auswirkungen der Jahrgangs- und Modeschwankungen hier sicherlich etwas deutlicher zu spüren als in den preiswerteren Segmenten, [...]
Die Preisschwankungen sind das eine. Die sehr viel interessantere Frage ist aber, was zu diesen Preisen denn tatsächlich verkauft wird. Und da werden Weine in dieser Kategorie im Abschwung einfach mitverhaftet, d.h. der bereits mit der Subskription 2010 einsetzende Absatzeinbruch, der dann 2011 und 2012 voll erfasst hat, hat eben nicht nur das Topsortiment erfasst, sondern auch diesen Bereich. Frag den Händler Deines Vertrauens, der wird's Dir vielleicht sagen, was er aus diesen Jahren noch verkauft hat.
[...] doch übersteigen solche (ja schon ganz ordentlichen) Preise die zur Herstellung dieser Weine erforderlichen Selbstkosten (inkl. Investitionsfinanzierung!) mitunter bereits beträchtlich.
Das Wörtchen "mitunter" ist hier das entscheidende. Weißt Du, was ein neuer Keller incl. Ausrüstung für die Verarbeitung von 20 oder mehr Hektar Rebfläche kostet, die viele dieser Betriebe haben? Oder ein paar zugekaufte Flächen, wenn dieser Zukauf noch in der Boomphase erfolgt ist? - Wenn da erhebliche Teile fremdfinanziert worden sind, reichen auch 35 Euro EVP (die beim Weingut nach Abzug der Steuern und üblicher Handelsmargen knapp über 20 Euro Nettoverkaufspreis sind) nicht unbedingt hin, wenn nur eine Teilmenge der Ernte verkauft wird.

Gruß
Ulli

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Sa 20. Sep 2014, 14:19
von Kle
UlliB hat geschrieben:
Wo sich aber das Spiel entscheidet, und zwar schon bald, ist der gesamte Mittelbau im Preisbereich von vielleicht 15 bis 35 Euro. Hier haben viele Betriebe in den letzten 15 Jahren ganz massiv in Weinberg und Keller investiert, und anders als die Topbetriebe, die ihre Weine auch in ihre Läger packen können (die sie ja nicht ohne Grund in den letzten Jahren ganz massiv erweitert haben), müssen sie ihre Weine möglichst vollständig verkaufen, und das auch zu einem gewissen Mindestpreis, sonst kommt irgendwann der Mann mit dem Kuckuck (oder wie auch immer das französische Pendant heißt). Das Endergebnis hiervon wäre noch mehr Konzentration von Weinbergsbesitz in sehr wenigen kapitalstarken Händen, womit wir dann tatsächlich dort gelandet wären, wo manche Bordeaux heute schon vermuten. Mir zumindest würde das nicht gefallen.
Aber das Image-Problem scheint doch zum Großteil durch überzogene Preise der Spitzengüter (über 50 Euro pro Flasche) ausgelöst. Viele der kleinen müssen vielleicht aufgeben, weil sie nur wegen der Cru Classé, deren Ruf auf die Etiketten ihrer „vin de bordeaux“ abfärbte, noch existieren. Falls Mittelschichtler im internationalen Vergleich ein akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen, sollte es doch für sie weitergehen.
Wer sich den Nimbus Bordeaux hat zu teuer bezahlen lassen, wird bei dessen Wertverlust natürlich umdenken müssen – was wünschenswert ist.
Ich kann mir jedenfalls nicht recht vorstellen, dass reine Image-Turbulenzen zur Ignoranz von Qualität führen. Die Frage ist, in welchem Maße sie vorhanden ist. Da fehlt mir der Überblick.

Gruß, Kle

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Sa 20. Sep 2014, 16:29
von sorgenbrecher
ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wir hier mit unserer generalabrechnung mit bordeaux nicht auch schon ein wenig spät dran sind und es um die nachfrage vielleicht so schlecht nicht steht. gerade verfolge ich, da auch ich einige gebote platziert habe, online die auktionsergebnisse der aktuellen auktion von Munich Wine Company und es fällt auf, dass es durchaus eine sehr ordentliche nachfrage nach bordeaux gibt. das sind nicht mehr die völlig überzogenen höchstpreise von vor einigen jahren, aber durchaus faire und attraktive preise, zu denen die meisten lots abgesetzt werden können und auf entsprechende nachfrage treffen. wenn man das auktionsgeschehen verfolgt, dann sah das vor ein paar monaten auch schon einmal anders aus.

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Sa 20. Sep 2014, 17:18
von Weinbertl
auch auf ebay ist das Bordelais immer noch die nachgefragteste Weinregion, zumindest was Rotwein betrifft. Die Preise haben in den letzten paar Jahren auch wieder deutlich angezogen, von dem Lafite+Carruades-Irrsinn mal abgesehen. Burgund und Piemont legt zwar zu, steht aber nach wie vor in keiner Relation zum Bordelais.

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Sa 20. Sep 2014, 17:26
von sorgenbrecher
piemont ist abseits der ikonenweine fast tot, burgund ist sehr heterogen, hier werden für die namhaften erzeuger inzwischen absolute phantasiepreise gezahlt, teilweise auf auktionen höhere preise, als bei ein wenig suche im europaweiten handel, andere domaines sind dagegen teilweise (gemessen an den ohnehin hohen marktpreisen) relativ fair bepreist zu bekommen.

Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Verfasst: Sa 20. Sep 2014, 19:47
von UlliB
sorgenbrecher hat geschrieben:ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wir hier mit unserer generalabrechnung mit bordeaux nicht auch schon ein wenig spät dran sind und es um die nachfrage vielleicht so schlecht nicht steht.
Unter Börsianern gibt es eine Regel: wenn die Tagesschau über irgendeinen Trend berichtet (sei es bei Währungsrelationen, sei es bei Rohstoffpreisen, sei es bei Börsenkursen), ist genau zu diesem Zeitpunkt der Trend bereits vorbei, und man muss spätestens dann entsprechend handeln. Vielleicht sind wir in den "neuen Medien" auch nicht schneller. Schaun wir mal...

Gruß
Ulli