Hallo Jochen,
Jochen R. hat geschrieben:Dennoch: es geht auch anders, wie z. B. die Notiz von Hans-Rudolf
zu Haut Bergey oder meine weiter oben zeigen.
Ich vermute, dass es ein sehr heterogener Jahrgang ist. Den Jahrgangsbericht der Uni-Bordeaux kann man sich hier ansehen:
[Link]. Ein regenreiches Frühjahr gefolgt vom Juli mit den wärmsten Tages- und Nachtemperaturen seit 50 Jahren. Das verfügbare Wasser und die Wärme haben zu einem sehr ausgeprägten vegetativen Wachstum (neben Mehltau) und einem starkem Fruchtwachstum geführt. Im August 2018, nach der Veraison, dem Einsetzen der Samenreife und der Färbung der Beeren, war nicht flächendeckend ausreichend Trockenstress vorhanden, um das vegetative Wachstum zu bremsen und damit auch die Zuckeranreicherung. Dieser so wichtige moderate Trockenstress, um das vegetative Wachstum zu bremsen und die phenolische Reife mit der physiologischen Reife in Einklang zu bringen (in 2016 im August gab es z.B. ausgedehnten Trockenstress), war nur in sehr gut drainagiertem Terroir vorhanden. An anderer Stelle hat man einfach Trauben mit einem sehr hohen Zuckeranteil, aber noch grünen, unreifen Tanninen.
Der Hitzestress für die Reben hingegen war sehr hoch (die durchschnittliche Temperatur im August lag 8°C über dem langjährigen Durchschnitt), teilweise kam es ja zu einem stressbedingtem Reifestillstand und dieser hat die Disbalance zwischen phenolischer und physiologischer Reife noch verstärkt. Je nach Terroir und individuellem Rebstock mal mehr, mal weniger ausgeprägt.
Ich habe bei Lanessan noch nie von Handlese gelesen, ich vermute, da wird nicht groß selektiert, ist ja schließlich auch kein besonders teurer Wein. Wenn dann das Terroir auch nicht sehr bevorteilt ist, kommt es halt zu einem ausgeprägt inhomogenen, unschönen Resultat.
Das wird ja in Teilen auch durchaus in den Texten der Kritiker angedeutet (Hervorhebung von mir):
LPB:
The 2018 Lanessan is deep garnet-purple colored with black cherries. cassis. mulberries and baked plums on the nose with herbs. earth and tea hints. Medium to full-bodied. it is a little chewy and herbal with the oak poking through on the finish. 89–91+
Yves Beck:
Purpurviolett. Komplexes Bouquet, von guter Intensität. Angenehme Noten von Frische kombiniert mit schwarzen Johannisbeeren. Am Gaumen ist der Wein angenehm im Auftakt und spiegelt die olfaktorischen Eigenschaften wider. Die Tannine sind noch eckig, aber das vorliegende Material bestätigt, dass es Potenzial gibt. 88-89/100 Punkte
Gerstl: Wirkt schon sehr grün im Duft. 15/20
Was mich aber, neben den für mein Gefühl viel zu hohen Punkten, doch etwas irritiert, ist, dass ich in den Bewertungen, nicht nur zum Lanessan, sondern zu allen 2018ern, mich nicht an die Erwähnung von alkoholischen Gerüchen und Geschmack erinnern kann. Ich verkoste gerade den Boutisse 2018, da ist das auch ganz deutlich zu riechen und zu schmecken, insgesamt ist der Wein aber besser als der Lanessan.
Diese alkoholischen Noten entstehen ja bei der Gärung, die haben also nichts mit dem Ausbau gemein, bzw. werden höchstens weniger. Die müssen also in den En-Primeur Proben auch vorhanden gewesen sein, wenn die nicht manipuliert wurden. Ich finde es also schon ziemlich dreist, dass sämliche Verkoster das so unter den Teppich kehren, ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihnen nicht aufgefallen ist.
Ich meckere ja gerne rum, habe wahrscheinlich schon die nervige Angewohnheit alles besser wissen zu wollen und anderen die vermeintlichen Fehler unter die Nase zu reiben. Ich habe manchmal schon etwas schlechtes Gewissen, dass ich vielleicht mit meiner Nörgelei jemanden den Spass an seinem Wein nehme, weil ich halt auf den Schwächen rumreite. Am besten, man empfindet meine Perspektive einfach als das andere Extrem zu den Lobhudeleien von Händlern und auch vielen Verkostern, wenn man denn sich überhaupt was von dem annimmt, was ich so schreibe.
Ich bin sicher, dass es auch in 2018 sehr gelungene Bordeaux geben wird, gerade bei den Chateau die stark selektieren können und ein begünstigtes, gut drainagiertes Terroir haben. Es wird aber auch ganz viel Schei* geben, um den man einen großen Bogen machen sollte.
Grüße, Josef