Hallo Nougat,
Ich sehe auch keinen Grund warum ausgerechnet ein deutscher Winzer seine deutsche Kundschaft nicht verprellen sollte, wenn nicht einmal die eher patriotisch gesinnten Franzosen sich um ihre Landsleute scheren.
Das sehe ich ein bisschen anders als Du.
Der Personenkreis der deutschen Weinliebhaber der sich für hochpreisige Weine interessiert ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Deutschland recht klein. Vor ein paar Jahren habe ich mir mal ein paar Statistiken zu diesem Thema zusammengesucht. Das Ergebnis war recht erschreckend:
Vinum 2005:
Der Pro- Kopf- Verbrauch liegt in D bei ca. 20 Liter/Jahr.
Der deutsche Wein hat daran lediglich einen Anteil von 45 %.
Super- und Verbrauchermärkte oder Discounter verkaufen zusammen 75% aller Weine.
Allein Aldi ist mit ca. 25% dabei.
GfK Marktforschung 2005:
Für knapp 62 % der Deutschen ist der Preis wichtiger als die Qualität
FAZ 13/3/2005
Deutschland ist der größte Weinimportmarkt der Welt.
Und was trinkt der Deutsche am liebsten? Zu allererst mal billig!
25% der Weine kosteten weniger als einen Euro
38% der Weine kosteten zwischen einem und 2 Euro
Knapp 35 % kosteten zwischen zwei und 5 Euro
Lediglich 2,7 % der im Jahr 2004 gekauften Weine kosteten über 5 Euro
Handelsblatt2006:
Der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein bei Aldi sank von EUR 1,80 auf 1,69 EUR
Die Zahlen sind zwar nicht mehr ganz aktuell aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in den letzten Jahren nicht allzu viel geändert hat.
Ich denke aus diesen Zahlen kann man klar ersehen, dass die Käuferschicht die sich für Weine im Preisbereich über 5 EUR interessiert nicht sonderlich groß ist. Wenn man dann noch mit einbezieht, dass in den letzten Jahren sowohl die die Anzahl der „Spitzenerzeuger“ als auch die Anzahl der „ambitionierten Newcomer“ deutlich gewachsen ist und dass sich auch bei den Winzergenossenschaften und Betrieben aus dem „guten Mittelfeld“ das Qualitäts- und Preisniveau deutlich erhöht hat, sieht man dass sich das Angebot an Weinen über 5 EUR deutlich erhöht hat. Ob die Nachfrage im gleichen Maße gestiegen ist, wage ich zu beweifeln.
Und warum soll das ein Fehler sein? Welche Konsequenzen hätte dies?
Der Verlust der deutschen Privatkunden hätte schwerwiegende Konsequenzen:
Im Gegensatz zu vielen Weingütern in Frankreich, Spanien und Italien die oftmals den Großteil ihrer Weine über den Handel absetzen und häufig keinen allzu großen Wert auf den Verkauf ab Weingut legen sind für die meisten deutschen Winzer die Privatkunden die wichtigsten Kunden denn:
1)Am Privatkunden verdient der Winzer am meisten, da er ihm im Gegensatz zu Weinhändlern, Gastronomen und anderen Großabnehmern keine Rabatte gewähren muss.
2)Das Einkaufsvolumen der Händler kann von Jahr zu Jahr (vor allem im Export) stark schwanken. Viele Privatkunden sind treue Abnehmer und bleiben „ihrem“ Weingut meist auch in „schwierigen Zeiten“ treu.
3)Bei der begrenzten Produktion der qualitätsorientierten Winzer ist es (ganz besonders in einem mengenmäßig so kleinen Jahr wie 2010) wirtschaftlich sinnvoll so viel wie möglich an Privatkunden zu verkaufen.
Dazu kommt noch, dass nur ein Weingut dass vernünftige Privatkundenpreise durchsetzen kann, auch in der Lage sein wird dem Handel attraktive Rabatte anbieten zu können (mit 10 oder 20% auf den Privatkundenpreis kann ein Weinhändler nicht kalkulieren)!
Ich denke der Markt ist viel pragmatischer und auch beim Weinhandel sind wie in anderen Bereichen langjährige Geschäftsbeziehungen an sich nichts mehr wert. Kennt wohl jeder aus seiner beruflichen Praxis.Enthusiasmus spielt sich, wie bei anderen Hobbies auch, abnseits der modischen Strömungen ab. So sind alle glücklich. Den Spitzenwinzer scherts finanziell nicht, wenn er auf die Freaks verzichten muss, der Freak findet genug Alternativen wenn er die Hauptstraße der großen Etiketten verlässt.
Letztlich ist der Weinkauf Vertrauensache. Wird dieses Vertrauensverhältnis durch eine aus den Fugen geratene Preispolitik zerstört ( vgl. die Forums-Diskussion über die Preisentwicklung beim Jahrgang 2010) ist es kaum noch zu kitten. Auch wenn sich der Winzer bei sinkender (Auslands-) Nachfrage dazu entschließen sollte die Preise zu senken, wird der Großteil der Kunden verloren sein!
Im Gegensatz zu Dir glaube ich auch, dass es den Winzer sehr wohl scheren sollte die „Weinfreaks“ zu verlieren denn wenn man sich die Zahlen oben anschaut könnte man sehr wohl auf den Gedanken kommen, dass es sich bei der prozentual recht geringen Zahl an Weinfreunden die bereit sind mehr als EUR 5,- für eine Flasche Wein auszugeben um eben diese „Weinfreaks“ handelt. Falls Du unter „Weinfreak“ nur diejenigen verstehst die grosse Gewächse kaufen, so kann ich dir aus meiner Erfahrung heraus versichern, dass das die große Ausnahme ist. Die meisten Kunden kaufen eine „Mischung“ aus Alltagsweinen, hochwertigen Kabinetten, Spätlesen und Grossen Gewächsen. Mit anderen Worten: vergrätzt man durch zu hohe Preise für die GG´s diesen Kundenkreis, hat das auch einen direkten Einfluss auf den Verkauf der Weine aus klassifizierten Lagen und auf die Gutsweine.
Gruß
Peter