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Re:

Verfasst: Mi 16. Mär 2011, 17:29
von Charlie
Don Miguel hat geschrieben: Die reinen Beschreibungen lassen mich sehr häufig auch ratlos zurück, da die sprachlichen Wertungen so uneinheitlich sind, es fehlt jegliche Kalibrierung.
Stimmt, sollte aber nicht so sein, denn schliesslich gibt es dazu Ausbildungen. Ist es beim Wein nie zu einer standardisierten Fachsprache gekommen? Ist sie verschwunden? Kann man sie Weinliebhabern nicht zumuten? Beherrschen die Punktegeber sie nicht?

Re:

Verfasst: Mi 16. Mär 2011, 17:40
von octopussy
Don Miguel hat geschrieben:Man muss Punkte (Sterne, Gläser etc.) einfach nur unter einschränkenden Vorbehalten richtig einschätzen und einordnen, dann sind sie für mich auch durchaus hilfreich in einer riesigen Weinwelt, von der ich nur einen winzigen Bruchteil selbst jemals trinken kann.
Das ist wohl wahr. Vielleicht habe ich mich auch etwas zu apodiktisch ausgedrückt. Punkte sind ja auch hilfreich, um einen Wein grob einordnen zu können. Drüber diskutieren macht auch Spaß :). Aber sie lassen finde ich oft vergessen, was in einem Wein noch so alles wichtig sein kann, z.B. das Weingut, die Historie des Guts/der Lage, usw. Ich kann es aber auch verstehen, wenn für einen nur der Inhalt ohne Hintergrund zählt.
Don Miguel hat geschrieben:Punkte ohne Text sind wertlos? Nicht unbedingt: „Aalto 2004, 94 P“, das sagt mir bei diesem Wein, den ich kenne, schon einiges, vor allem wenn ich den Verkoster einschätzen kann! Es kommt ja auch darauf an, wofür ich diese Information verwende. Eine Zwölferkiste würde ich mir deshalb nicht kaufen, aber eine Flasche aus dem Bestand würde ich dann durchaus trinken.
Aber würde es dir nicht genauso helfen, wenn du läsest: "Aalto 2004, jetzt super"?
Don Miguel hat geschrieben:Und überspitzt :!: halte ich dagegen: Reine Textbeschreibungen ohne Punkte sind wertlos! Die reinen Beschreibungen lassen mich sehr häufig auch ratlos zurück, da die sprachlichen Wertungen so uneinheitlich sind, es fehlt jegliche Kalibrierung.
Für sehr objektive Weinbeschreibungen wie "soundsolche Farbe. Diese und jene Früchte. Kreidig im Abgang" stimme ich Dir zu. Deshalb lese ich immer gerne zusätzlich noch so etwas wie "gerade spitze" oder "Ein Meisterwerk" oder "Totlangweilig". Wie hier im Thread http://www.dasweinforum.de/viewtopic.php?f=33&t=338 zu lesen, scheinen sich aber viele nicht zu trauen, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.

Verfasst: Mi 16. Mär 2011, 18:05
von Don Miguel
octopussy hat geschrieben:Aber sie lassen finde ich oft vergessen, was in einem Wein noch so alles wichtig sein kann, z.B. das Weingut, die Historie des Guts/der Lage, usw. Ich kann es aber auch verstehen, wenn für einen nur der Inhalt ohne Hintergrund zählt.

Da bin absolut bei dir, möchte aber genau deshalb auf meinen Beitrag am Ende der 1. Seite verweisen, es kommt halt (auch) darauf an, was mit einer Punktebewertung bezweckt werden soll.
Aber würde es dir nicht genauso helfen, wenn du läsest: "Aalto 2004, jetzt super"?
Wäre mir zu vage, weil es keine einheitliche Verwendung für "super" gibt; was kommt vor und nach super? "Groß" wäre da schon deutlicher.

Gäbe es die die Charlie erwähnte verbindliche Nomenklatur, dann würde sich einiges anders darstellen! Bei dem vorhandenen terminologischen Wirrwarr können wir darauf aber wohl noch lange warten :evil: .
Deshalb lese ich immer gerne zusätzlich noch so etwas wie "gerade spitze" oder "Ein Meisterwerk" oder "Totlangweilig". Wie hier im Thread http://www.dasweinforum.de/viewtopic.php?f=33&t=338 zu lesen, scheinen sich aber viele nicht zu trauen, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.
Das ist Geschmackssache. So viel Emotionalität ist nicht bei jeder Verkostung gegeben. Aber ich lese so persönliche Aussagen auch sehr gern!

Gruß
Don

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

Verfasst: Mi 16. Mär 2011, 18:56
von DerFranki
Ich schaue auf die Punkte und kaufe, wenn ich keine anderen Info habe, auch nach Punkten.

Die Punkte des Gault Millau geben (erschreckend) oft meinen Geschmack wieder. :o


Die oft kritisierten Punktevergaben von „Machwerken“ wie halt dem Gault Millau oder dem Eichelmann treffen es für mich sehr oft besser, als die Versuche derer, die diese Ratgeber verdammen.

Bei vielen Weinbewertungen in Internetforen oder Blogs habe ich das Gefühl, sie fallen so aus, wie sie ausfallen, weil sie es genau so sollen. :o
Es werden sehr hartnäckig Winzer gepusht oder gebasht, weil es halt immer schon so war.

Ich selber traue mir keine punktgenaue Bewertung von Weinen zu und stelle fest, dass viele, die es tun, es auch nicht besser können. ;)


Unterm Strich finde ich die Bewertungen sind ein nettes Feature für mich. Ich lese sie gerne und rege mich auch gerne über sie auf.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

Verfasst: Mi 16. Mär 2011, 19:05
von susa
DerFranki hat geschrieben:.....

Unterm Strich finde ich die Bewertungen sind ein nettes Feature für mich. Ich lese sie gerne und rege mich auch gerne über sie auf.
Ich glaube, besser kann man es nicht ausdrücken.

lieben Gruß
susa

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

Verfasst: Mi 16. Mär 2011, 19:29
von octopussy
DerFranki hat geschrieben: Die oft kritisierten Punktevergaben von „Machwerken“ wie halt dem Gault Millau oder dem Eichelmann treffen es für mich sehr oft besser, als die Versuche derer, die diese Ratgeber verdammen.
Das sehe ich mit Abstrichen auch so in Bezug auf den Gault Millau. Zu Eichelmann kann ich nicht wirklich etwas sagen. Aber beim Gault Millau finde ich es ehrlich gesagt aussagekräftiger, wenn die Weine eines Gutes durch die Bank weg gute Punkte erhalten, als einzelne Punkte. Ob nun Wein x 85 Punkte und Wein y 87 Punkte bekommt, ist letztlich egal. Rein von den Punkten interessant sind vielleicht die ganz hohen (>93) und ganz niedrigen Punktzahlen (<80).
DerFranki hat geschrieben: Bei vielen Weinbewertungen in Internetforen oder Blogs habe ich das Gefühl, sie fallen so aus, wie sie ausfallen, weil sie es genau so sollen. :o
Es werden sehr hartnäckig Winzer gepusht oder gebasht, weil es halt immer schon so war.
Anderes Thema, aber ein interessantes.

Bei den amerikanischen Weinjournalisten finde ich häufig sehr lustig, aber auch wirklich aussagekräftig, die Bewertungen von Gary Vaynerchuk. Wenn man sich die Muße nimmt und ein Video von ihm schaut, dann kann man m.E. wirklich gut nachvollziehen, wie seine Endbewertung (à la "I'd give it a 90") zustande gekommen ist.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

Verfasst: Do 17. Mär 2011, 01:10
von Charlie
DerFranki hat geschrieben: Die oft kritisierten Punktevergaben von „Machwerken“ wie halt dem Gault Millau oder dem Eichelmann treffen es für mich sehr oft besser, als die Versuche derer, die diese Ratgeber verdammen.
Liegt daran, dass man normalerweise nicht über die Übereinstimmungen schreibt. Zu langweilig. Sagst du doch selbst. Auch m.E. übrigens triffts der GM verdammt oft, obs mir gefällt oder nicht.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

Verfasst: Do 17. Mär 2011, 07:43
von susa
Was ich bei den Parkerbewertungen sehr oft finde, ist, dass ich die Beschreibungen absolut nachvollziehen kann, wenn ich den Wein selber probiere, ber die Punkte überhaupt nicht zur Beschreibung passen.

lieben Gruß
susa

Re: Re:

Verfasst: Sa 19. Mär 2011, 13:03
von Mr. Nebbiolo
octopussy hat geschrieben:Für sehr objektive Weinbeschreibungen wie "soundsolche Farbe. Diese und jene Früchte. Kreidig im Abgang" stimme ich Dir zu. Deshalb lese ich immer gerne zusätzlich noch so etwas wie "gerade spitze" oder "Ein Meisterwerk" oder "Totlangweilig". Wie hier im Thread http://www.dasweinforum.de/viewtopic.php?f=33&t=338 zu lesen, scheinen sich aber viele nicht zu trauen, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.
Hallo Octopussy,

das sehe ich absolut gegenteilig zu dir ;)

Wenn jemand schreibt, der Wein schmeckt nach Kirsche, dann kann ich mir darunter was vorstellen, unter "totlangweilig" kann ich mir auch was vorstellen, aber es hilft mit 0,0 wenn ich den Verkoster nicht kenne.

Ein Beispiel: Wir probieren Tempranillo Weine aus der Rioja, wobei ich den alten, kargen Stil a la La Rioja Alta 904 bevorzuge. Wenn jemand den "neuen" fruchtigen Stil mag, wird er die Weine, die ich mag als totlangweilig sehen, bzw. sogar als tot :o .

Wenn ich den Verkoster jetzt kenne, kein Problem, aber wenn ich ihn nicht kenne, was soll ich dann damit. Er meint mit "totlanweilig" einen schlechten Wein, der ihm nicht schmeckt und für mich wäre der Wein spitze.

Wenn jemand bei einem Burgunder schreibt "dunkles, fast schwarzes Rubinrot" dann habe ich die Farbe vor Augen und weiß, dass der Burgunder dann für mich eher untypisch ist und er mir wahrscheinlich nicht schmeckt. Wenn er schreibt "gerade spitze" hilft mir das gar nichts, wenn ich seinen Geschmack nicht kenne.

Ein Begriff wie "super" hilft mir auch nur dann, wenn ich weiß, was davor oder danach kommt (wie Don schon geschrieben hat).

Ein Beispiel: Ein Verkoster schreibt, der Wein sei "voluminös".

Was heißt das jetzt ? Für mich würde das erst mal heißen, der Wein ist dicht und schwer, eben mit viel Volumen.

Bei dem Verkoster kommt aber vor voluminös erst "knapp voluminös" und danach "kräfig voluminös" , "stark voluminös" und "gigantisch voluminös" (Achtung, nur Beispiele ;) )

Was bitte hilft mir jetzt voluminös wenn ich das Schema des Verkosters nicht kenne ? Genau so ist für mich super ;)

Es hat also für mich wenig damit zu tun, ob man sich traut, sich aus dem Fenster zu lehnen. Klar kann ich hochpoetische Dichtkunst für die Weinbeschreibung einsetzen, dann weiß ich, dass der Verfasser ein großer Weinfreund ist, aber einen Vergleich zwischen den Weinen habe ich dann nicht.

Ich sehe es hier so wie Don Miguel, eine VKN ohne Punkte hilft mir noch weniger, als die Punkte alleine (außer ich kenne den Verkoster, bzw. sein Schema, bzw. habe schon sehr viele seiner verkosteten Weine probiert und sehe es meistens genau so).

Punkte und Beschreibung ist sicher das optimalste, aber hilfreich und vergleichbar ist es nur, wenn ich den Verkoster oder seine Vorgehensweise kenne.

Re: Sinn und Unsinn der Punkte

Verfasst: So 20. Mär 2011, 20:12
von octopussy
Hallo Klaus,

überzeugend argumentiert :). Genau aus den von Dir genannten Gründen schreibe ich auch eine Punktzahl neben den Wein, wenn ich ihn bei der VKN-Datenbank oder Cellartracker beschreibe. Und aus den Gründen finde ich es auch sinnvoll, wenn andere das tun, und erst recht, wenn es die professionellen Weinjournalisten tun.

Aber letztlich läuft es ja doch darauf hinaus, ob man den Verkoster und seinen/ihren Weingeschmack kennt bzw. einzuschätzen weiß oder nicht. Wenn nämlich jemand, dessen Weingeschmack man nicht kennt, objektiv nach "Farbe, Geruch, Geschmack" beschreibt und dann hohe oder niedrige Punkte vergibt, kann das ja auch irreführen, gerade wenn der Wein nicht in einen vergleichenden Kontext mit verschiedenen Stilen in der Region/Appelation gestellt wird/gestellt werden kann.

Für mich bleibt deshalb eine Weineinschätzung ohne Punkte aussagekräftiger als reine Punkte ohne Beschreibung. Beides zusammen hilft natürlich ungemein :P.