Additive Önologie

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
AH.
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Re: Additive Önologie

Beitrag von AH. »

Im übrigen ist auch der Gebrauch neuer Barriques ein klassischer Fall von additiver Önologie, an der sich nur anscheinend niemand stößt.

Hallo Gerald,

ich störe mich sehr wohl daran, denn es ist hauptsächlich eine Aromatisierung. Die Anreicherung lehne ich ebenfalls ab, natürlich auch önologisches Tannin und Gummi Arabicum. Umkehrosmose hat in einem hochwertigen Wein m.E. ebenfalls nichts verloren, auch nicht die Naßverbesserung, wenngleich es keine Aromatisierung ist.

Genauer gesagt stört mich all dieses nicht, sofern es nur deklariert werden muß. Mich stört es als liberaler Mensch auch nicht, Vanilleschoten oder Zimtstangen in den Wein hinzuzugeben - wenn es deklariert werden muß. Mit Deklaration spricht auch absolut nichts gegen SCC.

Saftabzug oder Kernaustrag bei der Rotweinbereitung gehen für mich auch ohne Deklaration in Ordnung.

Deklaration ist alles. Das geht nur mit einem guten Weingesetz, aber das Prädikatssystem, welches diesbezüglich noch am besten ist, wird versucht, zu verdrängen. QbA abwärts ist die Lizenz zum Optimieren (= Panschen).

Gruß

Andreas

P.S. Sulfit wird deklariert. Wenn ich Wein machen würde, würde er (ggf. unter Schutzgas) in Ampullen eingeschmolzen - ohne Sulfitzugabe. Naturwissenschaft und Naturwein sind absolut kein Widerspruch - im Gegenteil.
Zuletzt geändert von AH. am Fr 18. Feb 2011, 18:39, insgesamt 2-mal geändert.
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octopussy
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Re: Additive Önologie

Beitrag von octopussy »

Gerald hat geschrieben: Abgesehen davon hätte eine vollständige Angabe gar nicht Platz auf dem Etikett, man müsste einen Beipackzettel (wie bei Medikamenten) :) zu jeder Flasche Wein mitgeben.
Einen Beipackzettel fordere ich gar nicht. Mir reicht es, wenn ich entweder mit dem Winzer sprechen konnte oder mit dem Händler. Oft findet man ja auch viele Informationen über die Herstellung auf der Website eines Winzers oder Händlers. Ich bin da auch gar nicht apodiktisch. Für mich ist die Gesamtphilosophie eines Winzers entscheidend. Natürlich wird einem hie und da auch Blödsinn erzählt, aber dann ist es eben so. Mit Gesamtphilosophie meine ich: Wenn ein Winzer z.B. bestimmte Dinge explizit nicht macht und das auch kommuniziert und ich den Eindruck bekomme, dass er sich echt Mühe gibt mit seinem Wein, dann weiß ich wenigstens grob, wie er arbeitet.
Gerald hat geschrieben: das steht und fällt mit der Frage, was jetzt natürliche Maßnahmen sind. Sind Barriques eine natürliche Maßnahme? Zuckerzusatz? Kältebehandlung? Zusatz von Eiklar zur Klärung? Nach meiner persönlichen Einschätzung ist diese Frage nicht eindeutig zu entscheiden und eignet sich daher herrlich für Polemik.
Die Frage ist ja auch nicht eindeutig zu entscheiden, aber das heißt für mich nicht, dass man sie deswegen völlig ausblenden sollte. Wenn es zwischen Schwarz und Weiß noch hellgrau, dunkelgrau und mausgrau gibt, dann nehme ich doch lieber mausgrau als Schwarz. Und was ich mit meiner Aussage eigentlich meinte, war z.B. der Unterschied zwischen Pflügen und chemischen Pestiziden und Fungiziden, oder zwischen Spontanvergärung und Reinzucht- oder Aromahefen.

Auch hier bin ich nicht apodiktisch und trinke sicherlich zur Hälfte nicht spontan vergorene Weine, aber ich möchte einfach gerne jedenfalls grob wissen, was gemacht wird und dass sich der Winzer Gedanken darüber macht, wie er seinen Wein herstellt. Wenn ich z.B. bei einer Lage, die ich mag, die Wahl habe zwischen zwei Produzenten, die beide wissen was sie tun, und der eine vergärt spontan und der andere nicht, dann kaufe ich lieber beim Spontanvergärer, weil ich es persönlich unterstützen möchte, dass jemand so naturnah wie möglich arbeitet. Nur zur Klarstellung: das setzt natürlich voraus, dass mir dieser Wein auch schmeckt.

Ich trinke selbst auch viele Weine, bei denen sowohl im Weinberg als auch im Keller stark eingegriffen wurde. Aber mir persönlich ist es einfach wichtig, mir ein paar mehr Gedanken zu machen und etwas mehr zu wissen. Ich finde zudem, dass man die Debatte nicht damit abtun sollte, dass die Grenzen unklar sind und man sich deshalb eh keine feste Meinung bilden kann. Ich möchte einfach die Informationen haben, um mir meine eigene Meinung bilden zu können.
Beste Grüße, Stephan
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Gerald
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Re: Additive Önologie

Beitrag von Gerald »

Hallo Andreas,

wie gesagt ich würde auch gerne alle Verfahrensschritte bei der Produktion der gekauften Flasche genau kennen. Nur würde das eben - da auch physikalische Trennverfahren betroffen sind - weit über die normale Deklarationspflicht bei Lebensmitteln hinausgehen. Und das halte ich für politisch nicht realisierbar.

Wenn jetzt die Zugabe von Gummi arabicum (oder meinetwegen der von dir genannten Zimtstangen) deklariert werden muss, Mostkonzentration, Kaltvergärung oder auch Alkoholabreicherung aber nicht, dann bringt das meiner Meinung nach nicht wirklich etwas.

Grüße,
Gerald
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Re: Additive Önologie

Beitrag von Gerald »

Hallo Stephan,
Mir reicht es, wenn ich entweder mit dem Winzer sprechen konnte oder mit dem Händler
leider - so zumindest meine Erfahrung - haben viele Winzer ein gutes Gespür dafür, was man hören möchte und richten ihre Erklärungen danach aus. Zumindest beim Thema alternative Verschlüsse habe ich den Eindruck schon öfters gewonnen. Ob dir der Winzer z.B. freiwillig über den Zusatz von Gummi arabicum erzählen würde, darf zumindest bezweifelt werden.

Ansonsten bin ich auch deiner Meinung, dass man möglichst viel über den Wein wissen sollte. Nur wird das am Etikett schon aus praktischen Gründen nicht möglich sein. Schön wäre z.B. eine (freiwillige ?) Kennzeichnung auf der Winzer-Website oder auch irgendwo zentral, wo für jeden Wein eine Liste vorliegt, welche der zugelassenen Verfahren eingesetzt wurden und welche nicht.

Grüße,
Gerald
AH.
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Re: Additive Önologie

Beitrag von AH. »

Wenn jetzt die Zugabe von Gummi arabicum (oder meinetwegen der von dir genannten Zimtstangen) deklariert werden muss, Mostkonzentration, Kaltvergärung oder auch Alkoholabreicherung

Hallo Gerald,

Kaltvergärung (als Parameter der Prozeßführung, wobei ein Optimum nicht definierbar ist) ist kein Zusatzstoff, eine Deklaration erscheint mir daher unnötig. Die anderen von Dir aufgezählten Schlagwörter sollten m.E. deklariert werden - oder verboten.

Gruß

Andreas

P.S. Ich würde echt gerne mal einen Naturwein unter sauberen, definierten Bedingungen herstellen ;) Hoch technisch in der Prozeßführung und absolut rein von den "Zutaten" her.
Zuletzt geändert von AH. am Fr 18. Feb 2011, 18:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Gerald
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Re: Additive Önologie

Beitrag von Gerald »

Hallo Andreas,
Kaltvergärung (als Parameter der Prozeßführung, wobei ein Optimum nicht definierbar ist) ist kein Zusatzstoff, eine Deklaration erscheint mir daher unnötig.
die SCC oder Mostkonzentration ist aber auch kein Zusatzstoff. Vielleicht meinst du, dass Trennverfahren wie die genannten deklariert werden sollen?

Grüße,
Gerald
AH.
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Re: Additive Önologie

Beitrag von AH. »

Hallo Gerald,

natürlich sollten sie deklariert werden, wie alles, was über die "trivialen" Parameter der Prozeßführung hinausgeht. Die Grenze zwischen SCC und Saftabzug oder Kernaustrag ist natürlich etwas schwer zu ziehen, m.E. aber schon erkennbar. Ansonsten sollten auch letztere deklariert werden.

Gruß

Andreas
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Re: Additive Önologie

Beitrag von Gerald »

Auch die Sache mit der Spontanvergärung könnte für die Deklaration komplizierter als gedacht werden: da ja - wenn man den diversen Ausführungen Glauben schenken darf - die beider Spontanvergärung dominierenden Hefen ja meistens nicht die vom Weinberg sind, sondern vom Keller - wie deklariert man das dann, wenn z.B. der Winzer bis vor 3 Jahren mit RZ-Hefen vergoren hat (im Extremfalls sogar mit speziell aromafreisetzenden Stämmen) und erst danach auf Spontangärung umgestellt hat? Denn die dominierenden Stämme wären dann wahrscheinlich immer noch die Aromahefen von damals ...

Grüße,
Gerald
AH.
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Re: Additive Önologie

Beitrag von AH. »

Hallo Gerald,

Spontanvergärung wäre für mich nichts deklarationspflichtiges, das Ergebnis wird von einer Vergärung mit RZ-Hefen schwer zu unterscheiden sein, sofern der verfahrenstechnisch sinnvolle Weg mit einem Ansatz beschritten wird. Und der "Sponti-Stinker" (aka Schwefelwasserstoffböckser) stammt nicht von der Spontangärung, sondern von einem Hefelager unter zu reduktiven Bedingungen.

Gruß

Andreas
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Re: Additive Önologie

Beitrag von Charlie »

AH. hat geschrieben: Wenn ich Wein machen würde, würde er (ggf. unter Schutzgas) in Ampullen eingeschmolzen - ohne Sulfitzugabe. Naturwissenschaft und Naturwein sind absolut kein Widerspruch - im Gegenteil.
Das würde gleich mehrere Probleme lösen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass man das gar nicht will. Wetten, gleich fragt jemand wie man die aufkriegt.
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