Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

Hallo, jetzt bin ich umgezogen.

Ich habe doch mal kurz nachgeschlagen, weil mir dieses Wort nicht mehr einfiel: "Allelopathie" ist das Zauberwort. Damit halten sich in der Macchia und in der Garrigue die Kräuter Konkurrenz vom Leib. Hier werden bei Streß vermehrt Duftmoleküle ausgesendet. Streß entsteht beispielsweise bei Trockenheit. Deshalb riecht es im Sommer ja auch soo schön.... Das bedeutet, es findet eine Übertragung auf dem Luftwege statt, von Kraut zu Kraut mit der Ansage: "Bleib mir bloß fern" oder von Kraut in Richtung Wein, der jedoch das Aroma liebevoll aufnimmt.... ;-)

Kaya Ute Mangold
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Hallo Kaya,

wenn das so wäre, müsste der Wein ja durch die Kräuter dazwischen geschädigt werden, so wie bei den Paradebeispielen (abgefallenes Laub von Nussbäumen bzw. den von Markus angesprochenen Eukalyptusbäumen, die ja für den Rückgang der Eichen in Galicia verantwortlich sind). Aber dass einfache Terpene von Kräutern eine solche Wirkung haben sollten - noch dazu in minimalen Konzentrationen in der Luft - das scheint mir eher unplausibel. Besonders da Terpene ja normale Aromakomponenten im Wein sind und keine speziell zur Abwehr von pflanzlichen Konkurrenten produzierte Substanzen wie z.B. Juglon.

http://de.wikipedia.org/wiki/Juglon

Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie der Transport funktionieren soll. Wenn zwischen den Rebzeilen - sagen wir - Thymian wächst und geringe Mengen des darin enthaltenen ätherischen Öls verdunsten, warum sollte das gerade auf den Trauben hängen bleiben und noch dazu aufgenommen werden? Die Traube hat eine relativ geringe Oberfläche, daher ist die Adsorption auch entsprechend gering (anders als z.B. bei Aktivkohle, wo ein Gramm die Oberfläche eines Fußballfeldes hat).

Grüße,
Gerald
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sorgenbrecher
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von sorgenbrecher »

daniel hat aus meiner sicht die wesentlichen fragen schon auf den punkt gebracht:

gibt es denn in weinen, deren reben eben nicht neben kräutern wachsen, niemals kräuter-assoziationen beim geschmack ? sind also die kräuter in den weingärten ursächlich für die geschmacksassoziation ? meines erachtens ist dem keinesfalls so, es finden sich dieselben aromenprofile eben teilweise auch in weinen, die weit und breit ohne kräuter in der nähe gewachsen sind.

zum anderen käme ja auch niemand auf die idee den geschmack von citrus, apfel, brombeere, kirsche, etc. auf die (nicht vorhandenen) plantagen von zitronen- oder apfelbäumen, brombeersträuchern oder kirschbäumen zurückzuführen...
Gruß, Marko.
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

gibt es denn in weinen, deren reben eben nicht neben kräutern wachsen, niemals kräuter-assoziationen beim geschmack ?
Gutes Argument. Bei manchen Lagen sind meiner Ansicht nach bestimmte Kräuternoten recht typisch, auch wenn diese Kräuter dort nicht wachsen. Zum Beispiel die Achleiten (Wachau), wo ich ab und zu (nicht jeder Jahrgang) Noten von Kerbel oder Karottengrün zu erkennen glaube. Bei der Wanderung durch die Weinberge habe ich aber noch nie so etwas dort zwischen den Reben gesehen ;)

Grüße,
Gerald
wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

so bin wieder zurück...

Also ich habe ja in facebook schon gesagt, dass bewährte chemische Verbindungen von der Natur mehrfach hergestellt werden. So finden sich z.B. Zitrus, Apfel, Maracuja etc. im Wein wieder. Und nicht, weil dort ein Maracuja Baum ;-) wächst, sondern weil es einfach dieselben Moleküle sind. Eucalyptus ist auch so ein "bewährter" Aromenstoff - im Wein - und den erhält er nicht über die in der Nähe wachsenden Eucalyptusbäume.
Tja, da stehe ich wieder und frage mich, warum ich bei sehr bekannten Sommeliers, Weinjournalisten und anderen Weinexperten immer wieder lese, die "Düfte der Kräuter sind in der Außenhaut der Beeren abgespeichert" (Tino Seiwert) pder bei Bernd Kreis über La Clape: "Die Aromen des Meeres übertragen sich ebenso wie die Düfte der Kräuter auf die Trauben und gelangen dadurch in den Wein".
Seit Jahren mache ich mir dazu schon meine eigenen Gedanken, frage und lese Studien dazu....und komm nicht weiter!

"Die Wissenschaft hat festgestellt..." ja nix bisher. Oder weiß jemand von euch mehr??

Aber ich lehne diese These aus Erfahrungswerten trinkfester Schnüffelexperten nicht ab. Denn sie haben ein olfaktorisches Gedächtnis und einen Computer im Hirn, in dem sie diese Aromenbibliothek abgespeichert haben. Und die Erfahrung zeigt einfach, dass Languedoc Weine die Düfte der umgebenden Kräuter, Thymian, Rosmarin, meinetwegen auch Lavendel enthalten. Warum ist das so?
wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

....und noch was, die Frage war irgendwo am Anfang.

Wie gelangen die Aromen in die Beeren? Gegenfrage: Wie gelangen die Aromen des Weins von der Nase ins Gehirn? Das ist ja schon fast esotherisch, wenn man da an reine Informationsübertragung denkt.

Ok Pflanzen haben kein Gehirn, aber sie reagieren auf die Ausscheidungen ihrer Konkurrenten Bsp. Macchia, Bsp. Walnuß Juglon.

Blumige These, vielleicht reagieren die Pflanzen so auf diese Ausscheidungen, die ätherischen Öle in der Luft oder den Wurzelausscheidungen der Walnuß, indem sie ähnliche Substanzen produzieren?
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Markus Vahlefeld
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Markus Vahlefeld »

@Kaya
Empirisch bin ich ganz bei Dir. Der olle Gerald will halt immer alles wissenschaftlch bewiesen haben und neigt - wenn nicht - der These zu, dass der Rest Einbildung ist.

Also, dass jemand wie der Tino hübsche Weinlyrik schreibt und dann derartige "Mythen" den Textfluss vereinfachen, ist als Argument der Skeptikseite durchaus nicht von der Hand zu weisen. Und wenn wir in der Provence sind und die Garrigue riechen, schmecken wir sie natürlich auch im Wein. Es ist mehr so das Phänomen "Ferienwein" - der dann komischerweise ganz anders schmeckt, wenn wir wieder im olfaktorischen Niemandsland der Heimat sind.

Und natürlich versucht jeder Winzer, seinem Wein eine "Story" zu verpassen in der Hoffnung, sie möge zum Mythos werden. Nach einer kurzen Recherche zu Heitz Cellars und den Eukalyptusbäumen bin ich leider auch zu dem Schluss gekommen, dass der Einfluss der Eukalyptusbäume einer Aussage von Heitz Sen. zuzuschreiben ist und diese dann von der Presse willfährig kolportiert wurde.

Trotzdem: DASS der Martha's Vineyard nach Eukalyptus schmeckt, habe selbst ich, der ich diese Geschichte nicht kannte, BLIND GESCHMECKT. Und der Eukalyptuston ist wirklich fulminant und völlig einzigartig (ja, andere Cabernets haben den auch, aber nicht soooo ausgeprägt).

Drehen wir den Spieß doch um: Gerald, erklär doch mal, wie der Eukalyptus in den Cabernet kommt und warum er beim Martha's DERART stark ist.

Oder versagt da die Wissenschaft ebenfalls?
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

@Kaya:

Na ja, Terpene sind ja - wie du bestimmt weißt - "Vielfache" vom Grundbaustein Isopren und sind ja auch Grundlagen für Steroide etc., kommen also in fast allen Lebenwesen vor. Daher ist es auch kein Wunder, dass ähnliche Substanzen in Kräutern wie auch in der Weinrebe auftreten. Das heißt aber nicht, dass sie von der einen Pflanze zur anderen wandern.

Maracuya-Aroma ist allerdings kein Terpen (und Maracuyas wachsen auch nicht auf Bäumen, sondern sind die Früchte von Passiflora edulis, einer Schlingpflanze) ;)
"Düfte der Kräuter sind in der Außenhaut der Beeren abgespeichert" (Tino Seiwert)
Nun, der gute Mann aus dem Saarland ist ja allgemein für seine blumigen Weinbeschreibungen bekannt. Als wissenschaftliche Aussage würde ich - und wohl die meisten hier im Forum - seine Statements aber nicht werten :D

Grüße,
Gerald
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Gerald, erklär doch mal, wie der Eukalyptus in den Cabernet kommt und warum er beim Martha's DERART stark ist.
Keine Ahnung. Es muss aber gar nicht sein, dass es sich um dieselben Substanzen im Eukalyptus und im Cabernet handelt, sie können grundverschieden sein, aber nur zufälligerweise ähnlich riechen.

Übrigens hast du vorher im Zusammenhang mit dem Martha's Vineyard einmal von Eukalyptus, einmal von Minze gesprochen - das sind für mich zumindest ganz unterschiedliche Aromen.

Grüße,
Gerald
wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

Grins....
natürlich wächst Maracuja nicht auf Bäumen.

Und die Storyteller haben durchaus ihre Wirkung, nicht nur auf ihre Käufer, sondern auch auf uns, die wir hier diskutieren.

It's all in the Brain. Die Lösung liegt im Gehirn! ... oder wie ich neulich in meinem Blog geschrieben habe "Das Weinlatein, die Kritiker und der Rosé". Es sind die Assoziationen. Die Weinnase riecht einen flüchtigen Aromastoff (Terpen), den er später Eucalyptus nennt. Von der Nase gelangt diese dubiose Riechinformation erstmal ans Gehirn. Da das Gehirn nur über eine kleine oder bei manchen sehr große Aromabibliothek hat, wird diese Information dann dort abgespeichert wo's passt. Also auf dem Speicherplatz Eucalyptus. Von der Nase zum Mund. Die Weinnase kann dem Stoff einen Namen geben und spricht Eucalyptus aus. Und dann noch ein paar Geschichten dazu, schon ist die Story perfekt. Dem Trinknachbar ist das zwar alles suspekt, weil er in seinem Gehirn etwas ganz anderes abgespeichert hat, nämlich "gigantischer Stoff" oder so. Aber, da er die Weinnase für kompetenter als sich selbst hält, glaubt er ihm und speichert in Zukunft diesen Duft ebenfalls so ab.
Das war jetzt die blumig biologische Erklärung...

Womit wir bei der Weinsprache wären.
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