Große Gewächse 2015

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octopussy
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von octopussy »

Sigbert hat geschrieben: Ausgangspunkt ist die Verklärung von Peter Jakob Kühn und seinen Weinen durch den Weinromantiker Markus Vahlefeld, die in der als Frage ausgedrückten Insinuation gipfelt, dass nicht der Winzer Weine macht, sondern dass die Weine ihn machen, „dass eine existentielle Symbiose zwischen Mensch hie und Natur dort stattfindet“. Und wie das neuerdings so ist bei den Vertretern des Primats der Natur, sind es auch hier laut Markus Vahlefeld sehr aktuelle Trends der Weinerzeugung, die zum Erfolg führen: Arbeit streng nach Demeter-Kriterien, Experimente mit Amphoren, „ultralange Maischestandzeiten“ und – wie könnte es anders sein – „minimalster Schwefeleinsatz“.

Das ist ein gutes und von Markus Vahlefeld sprachlich wie gedanklich präzise umrissenes Idealbild einer neuen, avantgardistischen Weinphilosophie. Man kann sich daran abarbeiten.

Mal abgesehen davon, dass alles, was Markus Vahlefeld hier aufführt, die These vom Primat der Natur wiederlegt, denn es ist der Winzer, der entscheidet, wie der Wein ausgebaut werden soll, frage ich mich, ob hier nicht etwas entscheidendes fehlt: nämlich die winzerliche Fürsorge, dem Wein eine gewisse Langlebigkeit angedeihen zu lassen. Das aber ist für mich ein wichtiges Kriterium, wenn es um die Berechtigung der GG‘s als Eliteklasse des deutschen Weins geht.

Langlebigkeit: Die großen Weinlegenden des Burgund oder des Bordelais wurden nicht auf Primeur-Verkostungen geschaffen, sondern erst nach oft vielen Jahrzehnten Reife. Leider gilt das inzwischen nicht mehr für die großen und sehr teuren weißen Crus des Burgund, die häufig schon nach kaum zehn Jahren oxidiert sind – je nach Standpunkt ein Lotteriespiel oder ein Verbrechen.

Und die Großen Gewächse? Da fehlt es vielleicht einfach noch an Erfahrungen. Mir geht es gar nicht um die Frage, ob hochreife Bombast-Gewächse, die Verkoster bei Primeur-Verkostungen jubeln ließen, auch nach 20 Jahren Flaschenreife beeindrucken – nur in Parenthese möchte ich erwähnen, dass mich die gereiften trockenen Rieslinge von Erzeugern mit jahrzehntelanger Erfahrung mit diesem Genre am meisten beeindrucken. Es sind sehr oft Weine, die wenig Alkohol aufweisen und in der Jugend sehr karg wirken können, wie zum Beispiel ein 20 Jahre alter trockener Kabinett von Maximin Grünhaus, aber das nur am Rande.

Es geht mir darum, dass ein „Weinmachen nach der Natur“, mit allem, was Markus Vahlefeld dazu aufgefahren hat, bei manchen Verkostern junger Weine eine Gänsehaut hervorrufen mag, dass aber diese Weine nicht so reifen wie „konventionell“ hergestellte und vielleicht sogar im Alter sehr enttäuschen können. Mir fehlt da die Erfahrung mit Kühn-Weinen.

Aber ich habe Anfang der Nuller Jahre eine ähnlich berauschende Erfahrung mit den Weinen von Clemens Busch gemacht. Sie rochen anders, schmeckten anders, waren anders. Dieses Weingut startete durch. Hoher Alkohol, viel Botrytis und Restzucker? Das störte weder mich noch viele andere Anhänger der Busch-Weine angesichts dieser unerhörten Aromatik und auch der neuen Wege bei der Wein-Produktion, die Clemens Busch sehr eindrucksvoll und überzeugend verkörpert.
Und heute? Alles hin, ab in den Ausguss damit! Und nur am Rande: So eindrucksvoll Buschs 2015er GG’s sind, nie würde ich sie kaufen, denn ihre Lager- und Entwicklungsfähigkeit würde ich anzweifeln

Oder das Weingut Heymann-Löwenstein, ebenfalls ein Vorreiter der Bio-Dyn-Bewegung in Deutschland. Die Weine der Nuller Jahre sind zwar nicht überwiegend hin wie die von Busch, aber mit ihrer hohen Reife, dem Restzucker und deren Botrytis eine echte Herausforderung für Genuss-Trinker. Ob sie sich je harmonisieren? Reinhard Löwenstein hat die richtige Konsequenz gezogen und liest seit dem Jahrgang 2012 die Botrytis wieder konsequent aus, macht seine Weine schlanker und trockener wie zu seinen Anfangszeiten. Und ich hoffe, er schwefelt sie gut. Auch wenn ich weiß, dass lange Maischestandzeiten konservierend wirken, ist mir der Schwefel als Konservierungsmittel verlässlicher. Aber eben auch, weil ich ein bestimmtes Geschmacksbild bei gereiftem Riesling bevorzuge – oxidative Noten (Sherry, matschiger Apfel, Brotkruste u.ä.) mag ich nicht, finde sie sogar fehlerhaft.

So gerne ich einen jungen Spitzenwein von z.B. Peter Jakob Kühn oder Clemens Busch probieren und vielleicht auch trinken würde, so sicher würden sie nie (mehr) den Weg in meinen Weinkeller finden.
Zu Kühn habe ich eine andere Meinung. Zwar habe ich ein paar wenige Flaschen vor 2003 von Kühn getrunken, aber so richtig beschäftigt habe ich mit den Weinen eigentlich erst seit dem 2003er Jahrgang. Und das zunächst ganz überwiegend auch nicht mit Flaschen aus meinem eigenen Keller, sondern nur im Rahmen von Oles und Michaels Ten-Years-After Verkostungen. Über die Jahre gab es ja zahlreiche Veränderungen im Hause Kühn. Was da genau vinifikationstechnisch alles ausprobiert wurde, wissen andere sicher besser, jedenfalls haben die Weine schon immer polarisiert. Ich fand sie teilweise ziemlich fürchterlich mit teils fiesen Klebstoffnoten, fauliger Botrytis, Apfelmost. Es waren aber auch sehr viele sehr gute Weine dabei und den Winzerstil kann man relativ schnell auch über die stilistischen Änderungen hinweg erfassen. Ich mag diesen Stil mittlerweile meistens sehr gerne.

Ob der Stil Rheingautypisch ist oder das Terroir wiederspiegelt, das möchte ich allerdings vehement in Frage stellen. Insofern finde ich Markus Vahlefelds Text zum Kühn St. Nikolaus zwar interessant zu lesen, man braucht aber viel Fantasie (oder eine Flasche Kühn), um diese angebliche Symbiose nachzuempfinden. Das, was Markus V. bei einem Kühn St. Nikolaus sieht, nämlich die Transzendenz eines Terroirs durch den Menschen hinweg, erkenne ich im Rheingau bei so einigen Winzern von früher (Eltz, Groenesteyn, Langwerth von Simmern und andere), aber nicht bei Kühn. Der Kühn'sche Doosberg oder St. Nikolaus könnte auch von der Nahe oder aus Rheinhessen kommen, die Aromen von Tee, Kräutern und Erde täuschen m.E. Herkunft eher vor als dass sie das Versprechen der geografischen Erkennbarkeit einlösen. Ich finde die Weine trotzdem großartig, aber mehr so wie Markus V. sie in der Überschrift bezeichnet (Solitär), weniger als die non-plus-ultra Terroirweine.

Noch etwas zur Langlebigkeit der Großen Gewächse: bei Abenden mit älteren Flaschen ist eines immer wieder erkennbar. Diejenigen, die halbwegs verlässlich trockene Rieslinge erzeugen, die sich über 10-15 Jahre verbessern und dann nochmal 10-15 Jahre auf Top-Niveau verweilen, sind eigentlich immer die Gleichen: Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Koehler-Ruprecht, Dr. Bürklin-Wolf, Robert Weil, Breuer, Künstler (obwohl ich die Weine nicht besonders mag), auch Knipser (im durchaus speziellen Stil), Keller und Wittmann. Interessanterweise sind das alles solche Winzer, die nicht unbedingt für Schlagzeilen gut sind (Maischestandzeit, Super-Reserve, Amphoren, etc.), sondern einfach verlässlich Top-Qualität abliefern.
Beste Grüße, Stephan
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innauen
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von innauen »

octopussy hat geschrieben:
Noch etwas zur Langlebigkeit der Großen Gewächse: bei Abenden mit älteren Flaschen ist eines immer wieder erkennbar. Diejenigen, die halbwegs verlässlich trockene Rieslinge erzeugen, die sich über 10-15 Jahre verbessern und dann nochmal 10-15 Jahre auf Top-Niveau verweilen, sind eigentlich immer die Gleichen: Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Koehler-Ruprecht, Dr. Bürklin-Wolf, Robert Weil, Breuer, Künstler (obwohl ich die Weine nicht besonders mag), auch Knipser (im durchaus speziellen Stil), Keller und Wittmann. Interessanterweise sind das alles solche Winzer, die nicht unbedingt für Schlagzeilen gut sind (Maischestandzeit, Super-Reserve, Amphoren, etc.), sondern einfach verlässlich Top-Qualität abliefern.
Kann ich nur unterschreiben und entspricht exakt meiner Erfahrung. Molitor (noch kein VDP und daher kein GG) und manche Jahrgänge von Heymann-Löwenstein kann man noch hinzufügen. Kühling-Gilott wird man da auch irgendwann einreihen können. Aber sehr viel länger wird meine Liste auch nicht.

Grüße,

Wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
amateur des vins
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von amateur des vins »

Wie seht ihr Schäfer-Fröhlich in diesem Kontext?
Besten Gruß, Karsten
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octopussy
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von octopussy »

amateur des vins hat geschrieben:Wie seht ihr Schäfer-Fröhlich in diesem Kontext?
Ich persönlich sehr positiv. M.E. sind die Großen Gewächse aber erst seit ca. Jahrgang 2007 auf Top-Niveau, deshalb ist es noch schwer, die langfristige Reifeperspektive einzuschätzen. Hinzu kommt, dass für meinen persönlichen Geschmack der Schwefel-Sponti-Stinker auch bei einigen älteren Flaschen (z.B. Bockenauer Felseneck 2005) noch so präsent ist, dass man sich fragen darf, ob er jemals dezenter wird.
Beste Grüße, Stephan
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Markus Vahlefeld
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von Markus Vahlefeld »

octopussy hat geschrieben:Das, was Markus V. bei einem Kühn St. Nikolaus sieht, nämlich die Transzendenz eines Terroirs durch den Menschen hinweg, erkenne ich im Rheingau bei so einigen Winzern von früher (Eltz, Groenesteyn, Langwerth von Simmern und andere), aber nicht bei Kühn. Der Kühn'sche Doosberg oder St. Nikolaus könnte auch von der Nahe oder aus Rheinhessen kommen, die Aromen von Tee, Kräutern und Erde täuschen m.E. Herkunft eher vor als dass sie das Versprechen der geografischen Erkennbarkeit einlösen. Ich finde die Weine trotzdem großartig, aber mehr so wie Markus V. sie in der Überschrift bezeichnet (Solitär), weniger als die non-plus-ultra Terroirweine.
Hallo octopussy, hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Zum einen benutze ich den Begriff Terroir fast nie, um einen Wein zu beschreiben. Daher würde ich Kühnsche Weine auch nicht Terroirweine nennen. Zum anderen: mit der Symbiose meinte ich vielmehr, dass der Mensch Peter Jakob Kühn in den letzten Jahren mindestens eine so große Entwicklung wie seine Weine durchgemacht hat. Bei niemandem sonst in der Winzerszene (natürlich kenne ich auch nicht alle Winzer) habe ich den Eindruck, dass das Sprechen über Wein so vorsichtig und respektvoll geschieht wie bei Peter Jakob Kühn. Er lässt dem jeweiligen Jahr und der Entwicklung der Traube in seinem Reden so viel Raum, dass er selbst in den Hintergrund tritt. Das kann ja kluges Marketing sein, auf das ich hereinfalle. Es kann aber auch eine Entwicklung des Menschen sein und eine Zurücknahme der Person, die, so habe ich es geschrieben, seinen Willen abgeschirrt hat und dem Wein seinen Lauf lässt.

Nun neigen Weinbauern - wie alle Bauern - dazu, recht willensstarke Personen zu sein. Peter Jakob Kühn würde ich dazuzählen. Diesen Willen in den Hintergrund treten zu lassen und einem anderen Willen Raum zu geben, finde ich, wenn ich es wahrnehme, faszinierend. Wenn diese Faszination dann noch in einem Wein schmeckbar ist oder dieser Wein zumindest faszinierend schmeckt, muss ich darüber schreiben. Dass ich dann eher stammelnd schreibe, liegt einfach daran, dass ich für derartige Erlebnisse keine wohlbekannten Worte im Repertoir habe. Alles also auch missverständlich wirken kann.

Zurück zum Ausgangspunkt: sind die Kühnschen Weine typisch für den Rheingau oder könnten sie überall wachsen? Hm, tja… sind weiße Chateauneuf du Pape typische Weine oder könnten sie auch überall wachsen? Ich weiß es wirklich nicht. Das Typische ist so schwierig auszumachen, weil das Typische genau der Umschlagspunkt ist, an dem Quantität und Mehrheit in Qualität umschlagen. Damit meine ich: wenn alle Winzer ihre Weine auf eine ähnliche Art ausbauen, entsteht ein typisches Geschmacksbild. Wenn einer dann aus der Reihe tanzt, muss es untypisch werden. Dass aber allein die Mehrheit dann die Qualität und das Typische bestimmt, will mir nicht einleuchten.

Aber eins weiß ich (und da widersprechen wir uns ja nicht): der 2014 St. Nikolaus hat mich völlig fasziniert.
amateur des vins
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von amateur des vins »

octopussy hat geschrieben:
amateur des vins hat geschrieben:Wie seht ihr Schäfer-Fröhlich in diesem Kontext?
Ich persönlich sehr positiv. M.E. sind die Großen Gewächse aber erst seit ca. Jahrgang 2007 auf Top-Niveau, deshalb ist es noch schwer, die langfristige Reifeperspektive einzuschätzen.
2007 plus zweimal 10-15 Jahre ist ja noch 'ne Weile hin!
octopussy hat geschrieben:Hinzu kommt, dass für meinen persönlichen Geschmack der Schwefel-Sponti-Stinker auch bei einigen älteren Flaschen (z.B. Bockenauer Felseneck 2005) noch so präsent ist, dass man sich fragen darf, ob er jemals dezenter wird.
Ich scheine relativ unempfindlich ggü. Schwefel zu sein. Das ruft ja geradezu danach, in Bälde eine Flasche aufzuziehen. Allerdings wäre das (erneuter) Babymord: Habe erst mit 2012 angefangen...
Besten Gruß, Karsten
m_arcon
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von m_arcon »

octopussy hat geschrieben: Noch etwas zur Langlebigkeit der Großen Gewächse: bei Abenden mit älteren Flaschen ist eines immer wieder erkennbar. Diejenigen, die halbwegs verlässlich trockene Rieslinge erzeugen, die sich über 10-15 Jahre verbessern und dann nochmal 10-15 Jahre auf Top-Niveau verweilen, sind eigentlich immer die Gleichen: Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Koehler-Ruprecht, Dr. Bürklin-Wolf, Robert Weil, Breuer, Künstler (obwohl ich die Weine nicht besonders mag), auch Knipser (im durchaus speziellen Stil), Keller und Wittmann. Interessanterweise sind das alles solche Winzer, die nicht unbedingt für Schlagzeilen gut sind (Maischestandzeit, Super-Reserve, Amphoren, etc.), sondern einfach verlässlich Top-Qualität abliefern.
Das würde ich sofort so unterschreiben. Ging mir mit vielen dieser Weine ebenfalls so. Ich würde noch Kühling-Gillot dazu nehmen, wobei mir da die Erfahrung mit gereifteren Varianten noch fehlt. Das was ich jung probiert habe, war allerdings top und wird sicher mit Reife noch zulegen.

octopussy hat geschrieben:
amateur des vins hat geschrieben:Wie seht ihr Schäfer-Fröhlich in diesem Kontext?
Ich persönlich sehr positiv. M.E. sind die Großen Gewächse aber erst seit ca. Jahrgang 2007 auf Top-Niveau, deshalb ist es noch schwer, die langfristige Reifeperspektive einzuschätzen. Hinzu kommt, dass für meinen persönlichen Geschmack der Schwefel-Sponti-Stinker auch bei einigen älteren Flaschen (z.B. Bockenauer Felseneck 2005) noch so präsent ist, dass man sich fragen darf, ob er jemals dezenter wird.
Halte ich für einen DER Aufsteiger des letzten Jahrzehnts. Sein kompromissloser Stil gefällt mir unheimlich gut. Dabei sind die Weine von Jahr zu Jahr präziser geworden.


Grüße
Marc
Ollie
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von Ollie »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Zurück zum Ausgangspunkt: sind die Kühnschen Weine typisch für den Rheingau oder könnten sie überall wachsen? Hm, tja… sind weiße Chateauneuf du Pape typische Weine oder könnten sie auch überall wachsen? Ich weiß es wirklich nicht.
Ich glaube nicht, dass das ein sinnvoller Vergleich ist, denn die Kuehnschen Weine (und hier reden wir von: GGs, Landgeflecht, Amphore und Schlehdorn) sind deutlich von der Vinifikation gepraegt; so sehr, dass die Lagencharaketistika, die ja sowieso sehr wenig augespraegt sind, verschwimmen. Insofern schmeckt man hier die Hand des Kellermeisters, nicht die des Weinbergs. Man sieht ja, wie oft PJK seinen Stil geaendert hat, aber nicht seine Weinberge.

Bei weissen CNDP ist der Rebsortenmix nicht immer gleich, was also zu den Lagenunterschieden (die in Blends eh verwaschen) einen weiteren Freiheitsgrad bringt; dennoch werden die meisten Weine auf ziemlich konservative (und gleiche) Weise erzeugt.

Dafuer schmecken PJKs Weine aus den Ersten Lagen deutlich nach Rheingau. Und sehr gut sind sie manchmal auch.

Cheers,
Ollie

PS: Am Freitag hatten wir neben eine ordentlich gereiften 2005er Landgeflecht ("R") einen 2010ern Doosberg. Na, sagen wir's mal so: der 2005er ist immer noch Geschmackssache (und nicht rheingautypisch), der 2010er schon sehr, sehr weit gereift. Wir waren deutlich in den 90ern. Jahrgangs-, nicht punktemaessig. :roll:
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.

"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
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octopussy
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von octopussy »

Markus Vahlefeld hat geschrieben: Hallo octopussy, hier liegt wohl ein Missverständnis vor. Zum einen benutze ich den Begriff Terroir fast nie, um einen Wein zu beschreiben. Daher würde ich Kühnsche Weine auch nicht Terroirweine nennen. Zum anderen: mit der Symbiose meinte ich vielmehr, dass der Mensch Peter Jakob Kühn in den letzten Jahren mindestens eine so große Entwicklung wie seine Weine durchgemacht hat. Bei niemandem sonst in der Winzerszene (natürlich kenne ich auch nicht alle Winzer) habe ich den Eindruck, dass das Sprechen über Wein so vorsichtig und respektvoll geschieht wie bei Peter Jakob Kühn. Er lässt dem jeweiligen Jahr und der Entwicklung der Traube in seinem Reden so viel Raum, dass er selbst in den Hintergrund tritt. Das kann ja kluges Marketing sein, auf das ich hereinfalle. Es kann aber auch eine Entwicklung des Menschen sein und eine Zurücknahme der Person, die, so habe ich es geschrieben, seinen Willen abgeschirrt hat und dem Wein seinen Lauf lässt.

...

Zurück zum Ausgangspunkt: sind die Kühnschen Weine typisch für den Rheingau oder könnten sie überall wachsen? Hm, tja… sind weiße Chateauneuf du Pape typische Weine oder könnten sie auch überall wachsen? Ich weiß es wirklich nicht. Das Typische ist so schwierig auszumachen, weil das Typische genau der Umschlagspunkt ist, an dem Quantität und Mehrheit in Qualität umschlagen. Damit meine ich: wenn alle Winzer ihre Weine auf eine ähnliche Art ausbauen, entsteht ein typisches Geschmacksbild. Wenn einer dann aus der Reihe tanzt, muss es untypisch werden. Dass aber allein die Mehrheit dann die Qualität und das Typische bestimmt, will mir nicht einleuchten.
Hallo Markus,

danke für die Klarstellung, hab's jetzt auch verstanden. Zu deinem letzten Absatz: das ist tatsächlich eine extrem interessante Frage, die unter Umständen nie endgültig beantwortet werden kann, da es ständig Änderungen im Geschmack der Allgemeinheit gibt, neue Trends, Avantgarde-Erscheinungen, etc. Sprich: alles ist ständig im Fluss. Da Konstanzen über mehrere Jahrhunderte auszumachen, ist alleine schon deshalb so gut wie unmöglich, weil sich auch die technischen Möglichkeiten ändern. Und natürlich, weil Wein ein verderbliches Produkt ist, was Vergleiche über mehrere Jahrhunderte hinweg nahezu unmöglich macht.

Ich denke auch, dass eine Minderheit oder sogar ein Einzelner durchaus für Typizität stehen und eine solche begründen kann. Es gibt durchaus ein paar Beispiele dafür (wenn mir da auch viele widersprechen werden): Nicolas Joly für die Chenin Blancs rund um Anjou, Josko Gravner für Weißweine aus dem Friaul (ok, das ist SEHR streitbar), Emidio Pepe für Trebbiano und Montepulciano d'Abruzzo, Pierre Overnoy für nicht-oxidative Weine im Jura. Die Minderheit wird ja manchmal über die Jahre auch zur Mehrheit und etabliert ein Geschmacksbild, das von vielen als typisch empfunden wird.

Bei Kühn kann ich das in Ansätzen nachempfinden (die "Rheingau-Apotheke" und die für mich typische Erdigkeit der Rheingauer Rieslinge ist auch bei Doosberg und St. Nikolaus von Kühn durchaus häufig zu entdecken). Aber, ohne das jetzt wirklich sauber begründen zu können, denke ich bei den Kühn'schen Lagenrieslingen trotzdem nicht immer unmittelbar an den Rheingau und erkenne sie in Proben zwar sehr häufig blind, aber das immer nur auf Basis des Winzerstils. Das wiederum belegt sowieso auch nichts.
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Markus Vahlefeld
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Re: Große Gewächse 2015

Beitrag von Markus Vahlefeld »

octopussy hat geschrieben: Ich denke auch, dass eine Minderheit oder sogar ein Einzelner durchaus für Typizität stehen und eine solche begründen kann. Es gibt durchaus ein paar Beispiele dafür (wenn mir da auch viele widersprechen werden): Nicolas Joly für die Chenin Blancs rund um Anjou, Josko Gravner für Weißweine aus dem Friaul (ok, das ist SEHR streitbar),
In der Tat ist das eine spannende Frage und vllt. ist der Thread "GG 2015" auch nicht geeignet dafür, sie zu behandeln. Aber gerade die beiden o.g. Beispiele an Winzern sind ja sozusagen die "Kühns" der jeweiligen Region. Und weil (ich kann da nur für mich sprechen) ich so wenige Weine aus diesen Regionen kenne, Gravner und Joly aber ordentlich exportiert werden (von wegen Avantgarde und so), denke ich dann: aha, so schmeckt also der typische Wein aus dem Anjou. Mein Verdacht ist aber: das sind ähnliche Solitäre wie die Kühnschen Weine. Vielleicht sogar die "besten" Weine der Region, aber nichtsdestotrotz untypisch.

Alles sehr schwierig :lol:
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