Sherry - ein schlafender Riese?

Ralf Gundlach
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von Ralf Gundlach »

Alas hat geschrieben:Hallo!

Immer wieder lockt es mich mehr aus dem Sherry-Reich zu probieren. Dieses Mal ist trockener Amontillado an der Reihe:

Valdivia Amontillado seco Jerez

Bild
Valdivia_Amontilado.jpeg

Sanchez Romate Amontillado "N.P.U." Reserva Especial Sherry

Bild
Romate_NPU.jpeg
Insbesonders beim Romate ist es fast wie ein Wunder, was man aus Weintrauben machen kann.

Gruß

Alas
Von dem Romate"NPU" habe ich mir gerade zwei Pullen besorgt, ich bin sehr gespannt, hört sich ja nicht gerade nach dem schlechtesten Einstieg in die Welt der Sherrys an :)

Gruß

Ralf
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Alas
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von Alas »

Ralf Gundlach hat geschrieben:Von dem Romate"NPU" habe ich mir gerade zwei Pullen besorgt, ich bin sehr gespannt, hört sich ja nicht gerade nach dem schlechtesten Einstieg in die Welt der Sherrys an :)
Hey, da bin ich aber gespannt was du dazu sagst. Ist natürlich als Einstieg ne Nummer..
Ich hatte gerade noch einen Amontillado aus dieser Klasse. Die VKN kommt in den nächsten Tagen.

Gruß

Alas
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Ralf Gundlach
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von Ralf Gundlach »

Hallo Alas,

ich bin auch schon sehr gespannt, vielleicht entdecke ich ja eine neue Liebe :oops: ,als ich den ersten Port-Hochkaräter getrunken habe war ich auch total fasziniert, aber in Hinblick auf meinen Etat habe ich mir nur ganz selten eine kleine Pulle Vintage Port gekauft, da sieht die Sache beim Sherry etatmäßig ganz anders aus ;)
Danke für deine VKN und deren Inspiration

Gruß

Ralf
dr. ramino
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von dr. ramino »

Und weiter geht es mit den Pairing Ideen für Sherry: Heute gab es Sushi und Sashimi zum Sherry (oder auch umgekehrt). Ganz hervorragend passte ein Manzanilla Pasada Baron aus Sanlucar de Barrameda zum Fisch und zu den Nori- Algen.

http://drraminoskitchenalchemy.blogspot ... herry.html Wahrlich eine perfekte Kombination!
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Alas
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von Alas »

Hallo!

Endlich die Zeit für diese VKN:

Bild
Williams Humbert.jpeg
Ein Sherry, der auch Anfängern gut schmecken dürfte.

Gruß

Alas
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Ralf Gundlach
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von Ralf Gundlach »

So, gestern und heute habe ich ihn probiert, den Sanchez Romate Amontillado "N.P.U." Reserva Especial Sherry,
leider ist dass nicht Liebe auf den ersten Schluck, diese extrem salzigen Noten (schmeckt, als hätte man ihn direkt im Atlantik ausgebaut), verbunden mit Jod und Nüssen in dieser Konzentration ist zuviel für mich, wobei diese Konzentration schon spannend ist, man muss kein größer Kenner sein um zu wissen das dies ohne Zweifel qualitativ guter Stoff ist, gestern trank der Ostbelgier mit (zwischendurch haben wir ein Hammergericht mit Kalmaren, Weinbergschnecken, Jakobsmuscheln und Langustinen verdrückt, was war das lecker.. :D ), war leider auch nicht sein Fall, na ja, man kann halt nicht alles mögen, was gut ist, aber eine spannende Erfahrung war es allemal, ich habe noch niemals einen Wein getrunken, der so extreme Noten hatte

Gruß

Ralf
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Gerald
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von Gerald »

Ausgesprochen gut hat mir der bereits früher im Thread lobend erwähnte Fino "Inocente" gefallen:

Bild

Getrunken aus Riedel Vinum "Portwein", normale Weißweingläser (wie im Thread angesprochen) scheinen mir zumindest bei den aktuell hohen Temperaturen weniger ideal, da sich der Inhalt darin schneller erwärmt.

Grüße,
Gerald
weinaffe
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

das dürfte hier auch ganz gut hineinpassen:

Hallo zusammen,

letzten Freitag trafen sich wieder einige mutige Verkoster, die sich mit dem Nischenprodukt Sherry und seinen Spielarten und Stilistiken praxisbezogen auseinandergesetzt haben. Auf dem "sportlichen" Programm standen insgesamt 14 Sherries, die ein weites Spektrum an Stilarten abdeckten.
Ich mache ca. alle 3 Jahre eine große Sherry-Verkostung und komme doch immer wieder zum gleichen Ergebnis:

- leider trinke ich viel zu wenig Sherries, obgleich das angesichts der nachfolgenden grandiosen und teilweise hochkomplexen Weine eigentlich zwingend erforderlich wäre ;)
- es gibt, Champagner vielleicht ausgenommen, keinen besseren Aperitif
- Sherry gehört immer noch zu den am meisten unterschätzten Spitzenweinen weltweit
- in Anbetracht der Qualität und der teilweise extrem langen Ausbauzeiten sind Spitzen-Sherries immer noch vergleichsweise günstig und erschwinglich.

Doch nun zu den Weinen im einzelnen:

--- Fino "Tio Pepe" Palomino Muy Seco (Gonzales-Byass, Jerez) 15 Vol%
wo man auch ist, "Tio Pepe" ist schon da! Wahrscheinlich international der meist verkaufteste Fino ist er trotz der großen produzierten Flaschenmenge einer der verlässlichsten und wahrlich keiner der schlechten: etwas blasses Strohgelb, sehr reduktiv gehalten, sehr frische Nase mit Salz, Jod und hefigen Aspekten, die sich 1:1 am Gaumen wiederholen, in der Tat knalltrocken, extrem sauber, milde Säure, sehr stimmig bis in den mittellangen Abgang. Bei Kauf eines TIO Pepe macht man absolut nichts falsch, insbesondere wenn man Klarheit und Geschmeidigkeit ohne "anstrengende" Ecken und Kanten schätzt.

--- Manzanilla "Charito" (Emilio Hidalgo, Jerez) 15 Vol%
kräftiges Strohgelb, frische, feinhefige Nase, Hauch Apel und Quitte, nussig, deutlich salzig-jodig, kräftige Struktur mit etwas Gerbstoff, knochentrocken, durchaus langer Abgang. Im Vergleich zum Tio Pepe etwas rustikaler, aber mit mehr Grip und Länge. Ein klassischer, handwerklich produzierter Manzanilla mit Charakter. Wird fast verschenkt (knapp 8 EURO im Handel).

--- Fino Muy Secco (Gutierrez-Colosia, Puerto de Santa Maria) 15 Vol%
ein klassischer Fino aus El Puerto aus der direkt am Guadalete-Fluss gelegenen Kellerei, der den jodig-salzigen Charakter fast wie ein Manzanilla sehr schön zum Ausdruck bringt, kantiger, komromisslos trockener Typ mit kerniger Struktur, etwas Holz, gute Länge. Kein Charmeur, aber wie alle Weine dieser Kellerei absolute Charakterköpfe. Auch hier stimmt der Preis (ca. 9 EURO im Handel).

---Manzanilla "San Leon" Reserva de Familia (Bodegas Argüeso, Sanlucar de Barrameda) 15 Vol%
klassisch Manzanilla passada, der schon viele Aspekte eines Amontillado mit einbringt, aber noch die Frische des Manzanilla verinnerlicht hat, kräftiges Strohgelb, 7,5 Jahre durchschnittlich unter Florhefe gereift, sehr viel Hefe und Mineralität, Jod mit Meeresbrise, fast salziger Gaumenauftritt, nussig, viel Stoff, aber toll balancierende Säure. Langer Abgang. Top-Manzanilla passada, der früher nicht verkauft, sondern dem engsten Familienkreis vorbehalten war.

--- Fino "Ynocente" Macharnudo Single Vineyard (Valdespino, Jerez) 15 Vol%
Valdespino gehört mit Recht zu den hochgeachtesten Kellereien im Jerez-Gebiet, sehr traditionell, es werden nur eigene Trauben verarbeitet, alles wird im Holzfass ausgebaut, der "Macharnudo" ist eines der wenigen Grand Cru -Lagen im Sherry-Gebiet, von Charakter und Klasse eine Art "Latour unter den Fino-Sherries". Durchaus kräftiges stroh- bis fast goldgelb, staubtrocken mit enormen, vielschichtigen Körper, fast beissende Mineralität (Jod, Saline, Walnuss), deutliche Gerbstoffstruktur (in Eiche vergoren, nur zu 70 % entrapptes Traubengut), sehr langer, würziger Abgang. Hochklassiger, sehr eigenständiger Fino mit Charakter und Kraft. Fino geht vielleicht anders, aber in dieser Stilistik kaum besser. Super Preis/Leistung (knapp 20 EURO im Handel).

--- Manzanilla "La Bota No 42 (Equipo Navazos, Sanlucar de Barrameda) 15 Vol%
Unter dem Namen "Equipo Navazos" firmiert eine Gruppe von Sherry-Afficionados, die ursprünglich nur zum Eigengebrauch in ausgesuchten Bodegas und bei Almacenistas die besten und ältesten Fässer kauften und sich diese ungeschönt und unfiltriert haben abfüllen lassen. Aus diesem Hobby ist aufgrund der Nachfrage ein kleines Geschäftsmodell geworden. Geblieben ist weiterhin die Begeisterung dieser Sherry-Bekloppten für authentische und charaktervolle Sherries der absoluten Spitzenklasse. Alle Abfüllungen sind durchnumeriert (hier Nummer 42) und ausnahmslos empfehlenswert so wie diese:
leicht trübes Hellgold, typischer Manzanilla passada, der schon eine leichte oxidative Reifung begonnen hat, sehr komplex in der Nase, Hefebrot, Quitte, Holzwürze, Nüsse, etwas Kakao, sehr kraftvoll auf der Zunge, hefig-jodig, glyzerinreich, angenehmer Hauch Gerbstoff, komromisslos trocken, sehr lang. Toller Sherry, der die Frische, Leichtigkeit und Feinheit eines Manzanilla mit der Komplexität und Würze eines Amontillado mustergültig verbindet.

---Amontillado Rare Seco "Escuadrilla" (Lustau, Jerez) 18,5 Vol%
Lustau ist sehr exportorientiert und daher im deutschen Weinhandel ganz gut vertreten... und bringt auch ordentliche Qualität auf die Flasche, so wie dieser Amontillado: sehr typ. Bernsteinfarbe mit grünem Schimmer, sehr feine Rancio-Noten mit Walnuss und Mandeln, Holzfasseinfluss spürbar, durchaus elegante und tiefe Nase, am Gaumen etwas schlanker, feine Würze (nussig, Bitterschokolade und ein Hauch Kaffee), gute Länge, wobei die Nase einen Tick mehr verspricht, als der Gaumen halten kann. Aber das ist Jammern auf einem sehr hohen Niveau ;) Trotzdem ein vorbildlicher Amontillado, bei dem die Eleganz im Vordergrund steht und nicht der Alkohol.

---Amontillado "Principe" Seco aged 12 Years (Bodegas Barbadillo, Sanlucar de Barrameda) 19,5 Vol%
mittleres Bernstein mit Olivgrünschattierungen, sehr feine und Tiefe Nase, Nuss, Kakao, Schokolade, Trockenfrüchte, sehr komplex und fein, Alkohol kaum spürbar, sehr langer, würziger Abgang. Toller Amontillado, der preislich mit dem Vorgänger auf einer Linie steht, aber einen Tacken mehr Klasse einbringt. Für knapp 26 EURO im hiesigen Handel ein hervorragender Gegenwert.

Als nächstes kommen zwei Olorosos:

---Oloroso "Don Jose" Reserva Especial (Bodegas Sanchez-Romate, Jerez) 18 Vol%
der Unterschied zu den anfangs unter Flor gereiften Amontillados wird schon an der Farbe deutlich: kräftiges leicht durchscheindes Kaffebraun, etwas breiter in der Anlage, weniger Säure, aber sehr würzig in der Nase (Walnuss, Mandeln, Früchtebrot), nicht zu oxidativ,Bitterschokolade, kompakter Körper, sehr harmonisch, ebenmäßiger, feiner Abgang. Ein gutklassiger, feiner Oloroso, der eher an der unteren Grenze des Verbleibs in der Solera liegen dürfte und daher auch ausgesprochen preiswert ist (ca. 19 EURO im Handel).

--- Oloroso 1/14 (Bodegas El Maestro Sierra, Jerez) 22 Vol%
ein paar Facts: Durchschnittsreifung in der Solera (gesamt 14 Fässer) mehr als 50 Jahre, abgefüllt wurden hier 101 Flaschen- Machen Frauen bessere Sherries als Männer ? Wenn man die Weine von El Maestro Sierra probiert, würde das wohl mit einem eindeutigen "ja" beantworten. In der machobetonten Sherry-Welt ist dieser Betrieb die ganz große Ausnahme: 2 Frauen als Inhaber und auch fast alle Angestellten sind weiblich. Ein kleiner, extrem handwerklich arbeitender Betrieb, in dem man den Weinen ausreichend Zeit zum Reifen gibt.
Dieser Olororso ist ein absolutes Meisterstück und kratzt an der Perfektion: sehr stimmiges Karamellbraun, wow, was für eine komplexe und vor allem intensive Nase (intensiv Walnuss, Mandeln, Trockenfrüchte, Altholz, Kakao, Espresso), hier könnte man stundenlang schnuppern und immer wieder neue Nuancen entdecken, der Gaumen kommt auch nicht zu kurz, knalltrocken, nichts anbiederndes, der Alkohol bleibt trotz 22 Umdrehungen im Hintergrund (die Serviertemperatur 11-13 Grad erwies sich als perfekt), sehr kraftvoll, unheimliche Würze, wieder viel Walnuss (mit etwas Haut),regelrechte Gewürzorgie mit noblem Holz vermischt, am Ende baut sich ein unwahrscheinlich würziger Abgang auf, der minutenlang anhält und in Wellen wiederkehrt. Man bekommt diesen -wunderbaren- Geschmack gar nicht mehr aus dem Mund. Die ganz große Klasse und nahe an der Perfektion. Ca. 95 EURO im hiesigen Handel, trotzdem ein riesiges Schnäppchen und wirklich jeden Cent wert. Für die meisten Teilnehmer der Wein des Abends.

Und nun zu den beiden Palo Cortados, wobei der erste Wein natürlich noch ganz im Schatten des überragenden Vorgängers stand:

--- Palo Cortado "Bertola" 12 years (Bodegas Diez-Merito, Jerez) 18 Vol%
mahagonifarben mit dem üblichen Grünschimmer, sehr elegant in der Nase, auch wenn er mit 12 Jahren Solera-Reifung eher für die kürzer gereiften Palo Cortados steht, ist das ein wirklich guter Wein und durchaus typisch für diese Stufe, würzige Nase mit viel Frische, die durch die biologische Reifung unter Flor verblieben ist, paart sich mit komplexer Oxidation (Kakao, Mandel, Walnuss, Schokolade), nicht zu kräftig gespritet, gute frischespendende Säure, bleibt gut am Gaumen haften. Wer einen guten und typischen Palo Cortado probieren möchte, aber nicht zu viel Geld ausgeben will, ist mit dem "Bertola" bestens bedient. Für knapp 18 EURO ein mehr als guter Gegenwert.

--- Palo Cortado VORS 30 years (Bodegas Tradicion, Jerez) 19,5 Vol%
Im Gegensatz zu dem Namen dieser Bodega ist dieser Premium-Betrieb neuen Ursprungs. Der Baumagnat Joaquin Rivero hat 1998 eine halb verfallene Bodega in bester Lage in Jerez gekauft, diese aufwendig renoviert und viele alte Soleras von bekannten Häusern und Almacenistas kaufen können. Der Anspruch dieses Hauses ist klar definiert: nur das Beste vom Besten ist gut genug. Es werden daher nur 4 lange gereifte Sherry-Typen produziert, die ausnahmslos empfehlenswert sind. So wie dieser deutlich über den vorgeschriebenen durchschnittlich 30 Jahren liegender Palo Cortado: farblich dunkles Karamell mit Oliventouch, explosiv würzige Nase aus 1001er Nacht (Walnuss, Kakao, Mandel, etwas Weihrauch, Piment, Gewürzbrot), sehr komplex, aber auch gleichzeitig viel Frische ausstrahlend, staubtrocken auf der Zunge, Alkohol fast nicht spürbar, enormer Zug, sehr dicht, komplexe Würze, ebenmässiger, extrem langer Abgang. Ganz großer Palo Cortado der absoluten Spitzenklasse, der auf unnachahmliche Weise diese Frische des ursprünglichen Fino-Materials mit komplexer oxidativer Reife des Oloroso-Typs paart. Qualitativ auf Augenhöhe mit dem vielleicht noch einen Tick beeindruckerenden Oloroso von Maestro Sierra. Großartiger Stoff, der wirklich jeden Cent mehr als wert ist. Ca. 85 EURO im hiesigen Handel.

und weiter geht es mit den abschließenden "Süssen" (Moscatel und very old Pedro Ximenez):

---Moscatel "Emilin" Muy Dulce Solera Familiar (Lustau, Jerez) 17 Vol%
jetzt kommt eine ganz andere Sherry-Welt: produziert aus auf Matten getrockneten Muskat Alexandria, der überwiegend aus der Moscatel-Hochburg Chipiona mit seinen sandigen Böden stammt. Sehr sortentypische Muskatellernase, sehr sauberes "Strohwein-Material", da keinerlei flüchtige Säure (leider häufig bei diesem Sherry-Typ),Mokka, Feigenbrot, Pflaumen, Toffee und Mandeln, nicht komplex, aber sehr saftig und typisch, dank stimmiger Säure sind die ca. 200 Gramm Restzucker gut verpackt, absolut nicht pappig, fruchtig-würziger, mittellanger Abgang. Ein guter Begleiter vieler Desserts, der so manche Auslese oder Beerenauslese gut ersetzen kann. Stimmiger Preis (ca. 22 EURO für die ganze Flasche):

Und zum Abschluss noch ein süsses "Geschoss mit knapp 400 Gramm Restzucker, das für jeden Diabetiker tödlich wirken kann ;) . Ich war auf das Schlimmste gefasst, wurde aber angenehm überrascht:

--- Very Old Pedro Ximenez (Bodegas Ximenez-Spinola, Jerez) 15 Vol%
Dieses kultig angehauchte Weingut backt in jeglicher Hinsicht eigene Brötchen: hier beschäftigt man sich ausschließlich mit dem eher stiefmütterlich behandelten P. X, nimmt grundsätzlich an keinem Weinwettbewerb teil und hat seine eigenen Qualitätsanforderungen: dieser Zuckerbolide ist erstaunlicherweise durchaus- wenn auch nur in kleinen Schlückchen - ein Genuss. Kräftiges Kaffeebraun mit deutlich sichtbarem Glyzerin (Kirchenfenster),in der Nase Sultaninen, getrocknete Feigen, Melasse, Blütenhonig und Dunkelschoko, sehr süss auf der Zunge, aber gut austariert durch eine saftige Säure, die sogar einen Hauch Trinkfluss aufkommen lässt, angenehmer, leichter Holzton, sehr langer konzentrierter Abgang. So ziemlich das Beste, was man aus getrockneten Trauben in dieser Region produziert. Beeindruckend, muss man mal getrunken haben, ist aber nicht so ganz my cup of tea. Ca. 63 EURO im Handel.

Wieder eine sehr gelungene Probe, die hoffentlich den einen oder anderen in die geheimnisvolle Welt dieser Naturweine locken kann. Der Sherry hätte es verdient....

LG
Bodo
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UlliB
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von UlliB »

Lange nichts mehr los in diesem Thread...

Dieser Wein ist eigentlich kein Sherry, aber etwas sehr ähnliches: Navazos Niepoort 2020 (Equipo Navazos / Niepoort) 12%Vol. Ohne Herkunftsangabe, lediglich "Vino blanco". 100% Palomino Fino, einige Monate im gebrauchten Holz unter Flor ausgebaut. Helles Gold. Die Nase so wie ein Fino-Sherry, herbe Hefenote, ganz zarte Oxidation, nur wenig Frucht: etwas Limette; völlig trocken, feine Säure, knackig; trotz nur 12% ordentlich Kraft und Substanz, zartbitter, lang nachklingend. Eine Art alkoholarmer Fino, und kann auch so wie ein Fino oder Manzanilla verwendet werden: gut gekühlt zu Tapas, gegrilltem Fisch oder ähnlichem. Interessante Sherry-Alternative, und der niedrigere Alkoholgehalt ist bei der momentanen Affenhitze willkommen.

Gruß
Ulli
weinaffe
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Re: Sherry - ein schlafender Riese?

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

diese Sherry-Probe passt hier natürlich super rein:

alle paar Jahre gibt es wieder ein Update in Sachen Sherry, zu dem sich letzten Freitag wieder einige "Wagemutige" zusammengefunden haben. Sherry ist und bleibt wohl leider ein Nischenprodukt, so dass viele Bodegas sich in ihrem Portfolio auch immer mehr mit unaufgespriteten, "normalen" Weißweinen beschäftigen müssen, um den Cash-flow aufrecht zu erhalten.
Das vorweggenommene Resümee kann ich 1:1 von den vorherigen Sherry-Proben übernehmen:

- man trinkt leider viel zu wenig Sherries, obwohl gerade die Finos und Manzanillas unübertroffene Aperitiv-Weine sind.
- die trockenen Weine sind ungemein vielschichtig und spannend
- Sherry gehört immer noch zu den stark unterschätzten Spitzenweinen weltweit
- in Anbetracht der Qualität und den teilweise extremen Ausbauzeiten sind Sherries immer noch sehr preiswert.

Die 13 Weine wurden wie immer "blind" verkostet, wobei nach jedem Sherry aufgelöst wurde. Die Probe ist nach Sherry-Stilen aufgebaut und umfasst alle wichtigen Kathegorien, wobei ich auf Moscatel im Soleo-Verfahren sowie auf die qualitativ meist unbefriedigenden Cream-Sherries verzichtet habe.

Doch nun zu den Weinen im einzelnen:

1. Kathegorie: Fino
hier gab es 2 Finos und einen finoähnlichen Wein, der sich von Gestzes wegen nicht Sherry nennen darf:

"Tio Pepe" Palomino fino muy seco (Gonzales-Byass, Jerez)
Der "Onkel Josef"-Sherry ist als Marke bereits vor knapp 150 Jahren eingetragen worden und ist wohl einer der meistverkauftesten Finos überhaupt. Trotz der riesigen Produktion ist der "Tio Pepe" ein Musterbeispiel für einen richtig trockenen Fino mit salin-hefiger Anmutung und wirklich untadeliger Qualität. Wer sich in die Welt der trockenen Finos eintrinken will, findet mit diesem Wein den idealen Einstieg. Ca. 10 EURO im hiesigen Handel.

Der nächste Wein ist offiziell kein Fino und kein Sherry, da er nicht alkoholverstärkt und auch nicht im Solera-System ausgebaut wurde. Der Klimawandel macht es in Andalusien möglich, auch ohne Fortifizierung künftig Weine im Fino-Stil zu produzieren. Soweit die Finos oder Manzanillas auf "natürliche" Art die bisher vorgeschriebenen 15 Vol% erreichen, ist künftig eine Anreicherung mit hochprozentigem Alkohol nicht mehr erforderlich. Eine entsprechende Änderung hat schon das spanische Parlament passiert und muss noch von den EU-Gremien bestätigt werden. In den nächsten Jahren werden daher solche Weine verstärkt im Handel auftauchen; es wird interessant sein, wie diese Weine in das Sherry-System eingegliedert werden.
Doch zurück zu diesem "Fake"-Fino :lol:

Caberrubia "Carascal" Saca VII Vino blanco (Luis Perez, Jerez)
Dieser unverstärkte Wein hat laut Etikett nur 14,5 Vol%, so dass er auch unter den künftigen Regelungen wohl kein Fino werden wird. Vielleicht gibt es auch unter dem Herkunftsdach der Sherry-DO künftig eine eigene Bezeichnung für diesen Typ. Es handelt sich hier um einen Verschnitt einzelner Jahrgänge, die jeweils separat in Fässern gelagert werden und dann in Champagner-Manier miteinander verschnitten werden. Der Hauptanteil dieses Weines ist Jahrgang 2017, mit Anteilen der Jahrgänge 2018 und 2019 sowie kleine Anteile von "Altweinen". Auch hier werden die Fässer nicht spundvoll gehalten, damit sich die Florschicht auf den Wein legen kann und eine biologische Reifung möglich wird. Der Wein ist farblich einen minimalen Tick farbkräftiger als der Vorgänger-Fino, etwas weniger hefegeprägt, etwas mehr Volumen und Kraft, gute Länge, ein hochwertiger Vertreter dieser neuen Stilistik. Kostet auch knapp 30 EURO im Handel.

Fino Tradicion (Bodegas Tradicion, Jerez)
der Anspruch dieses kleinen, aber feinen Hauses ist ganz einfach: nur das Beste vom Besten. So handelt es sich bei diesem unfiltrierten Wein mit durchschnittlich 12 Jahren im Solera-System um einen "Understatement-Fino", der sowohl unter der Florschicht als auch nach deren Absterben oxidativ weitergereift ist. Solche Weine werden auch gerne als Fino passada bezeichnet und sind schon von der Stilistik her mehr Amontillado als Fino.
Sehr komplex in der Nase, Mandeln etwas Kakao und Kaffee, etwas Jod,ein sehr hochwertiger Fino, der sowohl hefige Frische als auch komplexe Würze auf den Gaumen bringt. Top-Produkt mit entsprechendem Preis (ca. 35 EURO im Handel).

Als nächste Kathegorie wurde derManzanilla mit 2 Vertretern präsentiert:

"Solear" Manzanilla Sanlucar de Barrameda (Barbadillo, Sanlucar de Barrameda)
Manzanilla ist im Prinzip nichts anderes als ein Fino-Typ, der aber nur in Sanlucar de Barrameda produziert werden darf. Sanlucar hat aufgrund der Nähe zum Meer ein besonderes Klima, das zu einer intensiven Florschicht in den Fässern führt. Dadurch wird der hefig-salzige Eindruck noch einmal verstärkt und diesen Herkunftsweinen sagt man eine elegante und leichtere Fino-Stilistik nach.
Der Solear von Barbadillo ist wohl der Sherry, der fast überall in der Gastronomie zu finden und sehr beliebt ist. Die Qualität ist auch wirklich untadelig: sehr frische, hefige Nase mit etwas Apfel und Quitte, am Gaumen salzig-jodig, absolut trocken und nicht zu schwer. Ein sehr typischer und eleganter Vertreter (ca. 11 EURO im Handel).

Manzanilla secco Sanlucar de Barrameda (Gutierrez-Colosia, El Puerto de Santa Maria)
ein Hauch dunkler, deutlich jodig-salziger Charakter, etwas kantiger, kompromisslos trockener Typ mit kerniger Struktur. Kein Ausbund an Finesse, aber ein charaktervoller Vertreter mit Ecken und Kanten aus diesem traditionsreichen Haus. Ca.10 EURO im Handel.

Jetzt kommt die Amontillado-Kathegorie, somit Weine, die zunächst unter der Florschicht und dann mehr oder weniger lange oxidativ weitergereift sind:

Amontillado secco "12 anos" (El Maestro Sierra, Jerez)
typische Bernsteinfarbe mit olivgrünem Schimmer, Rancio-Noten mit deutlich Walnuss und Mandeln, sehr kraftvoller, intensiver Körper, die 17 Vol% sind gut verpackt, raffinierte Würze (Nuss, dunkle Schokolade und ein Hauch Espresso), langer Nachgeschmack. Vorzeige-Amontillado aus dieser kleinen, aber feinen Bodega, die ausschließlich in Handarbeit hochwertige und lange gelagerte Sherries produziert. Völlig gerechtfertigte ca. 36 EURO/Handel.

Rare Amontillado "Escuadrilla" Seco (Lustau, Jerez)
Lustau ist ein exportorientierter Sherry-Produzent, dessen Weine man auch häufiger im gut sortierten Weinhandel finden kann. Dieser typische Amontillado dürfte noch ein paar Jahre länger im Solera-System gereift sein als der Vorgänger: bernsteinfarben mit grünen Einsprengseln, sehr kraftvoll, aber mit gewisser Eleganz,dezent oxidative Nase mit Kakao, Mandeln und Kaffee, gut dosierter Alkohol (18,5 Vol%),glyzerinreich, komplex und würzig mit dem für dieses Haus typischen (Alt-)Holzflair, langer Nachhall. Sehr gelungener Amontillado zu einem sehr fairen Preis (ca. 27 EURO).

Amontillado Tradicion "VORS 30 years" (Bodegas Tradicion, Jerez)
Dieser Amontillado ist die pure Untertreibung: durchschnittlich 45 Jahre im Solera-System gereift, entspricht dieser grandiose Vertreter eher einem hochklassigen Palo Cortado. Wow, die Nase haut einen schon fast um: extrem konzentriert, extrem komplex, Kraft und trotzdem soviel Frische,viel Würze (Kaffee,Kakao, Schoko) und Früchtebrot, viel Glyzerin, trotz 21 Vol% hält er gnadenlos die Spur zwischen Power und Finesse, ganz großer Sherry in jeglicher Beziehung mit ellenlangem Abgang, dem man noch minutenlang hinterherschmecken kann. Für die meisten, mich inklusive, war das der Sherry des Abends, der ganz nahe an der Perfektion kratzt. Das hat seinen sehr berechtigten Preis: ca. 95 EURO im hiesigen Handel.

Als nächstes die Kathegorie Palo Cortado mit 2 Vertretern:

Palo Cortado "Peninsula" secco (Lustau, Jerez)
Beim Palo Cortado erfolgt die Reifung zunächst unter der Florhefe, um aber schon relativ frühzeitig in die oxidative Reifung umzuschwenken. Der Lustau-Vertreter ist jetzt optisch und geschmacklich nicht so weit vom Lustau-Amontillado entfernt. Bernstein mit Spuren von Mahagoni, würzige Nase (Walnuss, Kakao, Mandel, Weihrauch, Piment),für diese Bodega typische Altholznote, kräftiger Körper (19 Vol%), sehr ausgewogen, gute Länge. Ein wirklich empfehlenswerter Vertreter, der für diese gesuchte Kathegorie zu einem sehr günstigen Kurs vermarktet wird (ca. 29 EURO im Handel).

"Antique" Palo Cortado (Bodegas Rey Fernando de Castilla, Jerez)
eines der Spitzenprodukte dieses kleinen Hauses, das im durchsichtigen 0,5-Liter-Fläschchen vermarktet wird. Helles Kaffeebraun mit dezenten Grüntönen, extrem komplex und würzig (noble Hölzer, Schokolade, Kaffee, Rancionote), trotz der innewohnenden Kraft (20 Vol%) hat der Wein auch Finesse und noch eine gewisse Frische (ca. 30 Jahre im Solera-System), sehr langer Abgang. Toller Palo Cortado (43 EURO, 0,5-Liter).

Weiter geht es mit dem Oloroso, der von Anfang an ohne Florschicht oxidativ gereift ist. Folgende 2 Vertreter:

Oloroso 15 Anos (El Marstro Sierra, Jerez)
jetzt geht es farblich immer mehr zu Mahagoni und Kastanie,in der Nase balsamische Noten mit Walnüssen,eingebundener Alkohol (19 Vol%), altes Holz, feine Rancionote, komplex und sehr intensiv, langer Abgang. Hochwertiger Einstieg in die mittellang gereiften Olorosos.Preislich fast ein Schnäppchen (ca. 23 EURO/Handel).

Oloroso Tradicion "VORS 30 years" (Bodegas Tradicion, Jerez)
Mittleres Kastanienbraun, enorme Konzentration, sehr würzig (edles Holz, dunkle Schokolade, Früchtebrot), glyzerinreich, sehr dicht und lang, enorme Rancionote, trotz der langen Dauer im Solera-System (durchschnittlich 45 Jahre) enorm frisch, ein Konzentrat mit unheimlicher Länge, die ganz große Klasse ! Die 21,5 Umdrehungen sind erstaunlich gut verpackt, der Wein sollte aber nicht zu warm serviert werden. Berechtigte 70 EURO im Handel.

Zum Abschluss noch einen interessanten Aussenseiter, der zu 100% aus der Rebsorte Pedro Ximenez (P.X.) produziert wurde. Er stammt von dem einzigen Haus in Jerez, das sich ausschließlich mit dieser Rebsorte beschäftigt. Wenn man Ximenez-Spinola heißt, ist das ja auch naheliegend ;)
Der folgende "Medium" Vertreter in halbtrockener Stilistik ist eine komplexe Mischung: zu 90 % besteht der Wein aus einer 1964 begonnenen Solera mit trockenem Oloroso-P.X., die restlichen 10% steuert eine bereits 1918 angelegte Solera mit sonnengetrocknetem, süssen P.X. bei.
So gefällt mir Sherry mit leichter Süsse: tolle Würze, kandierte Früchte, feines Holz, elegant, sehr frisch , angenehmer Alkohol (17 Vol%), langer, ausgewogener Abgang. Ein ungewöhnlicher und hochklassiger "Medium"-Vertreter, der mir viel besser gefällt als die "Zuckerboliden", die ausschließlich aus sonnengetrockneten Trauben produziert werden.

Endfazit: Manchmal muss es eben Sherry sein ! Bei der Vielfalt an Stilen ist tatsächlich für fast alle Geschmäcker etwas geboten, ausgenommen natürlich die auf Primärfrucht fixierten Weintrinker.

LG
Bodo
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