es ist immer gefährlich, Proben zu organisieren mit persönlichen Lieblingsweinen, denn die persönlichen Lieblingsweine eines selbst können die Langeweiler oder Naserümpfer für andere sein. Auf der sicheren Seite ist man im Zweifel immer mit Proben rund um Riesling (eh klar

Die Sorte ist jedenfalls in Deutschland recht beliebt. Ca. 5.000 ha sind deutschlandweit mit Grauburgunder bestockt, damit ist der Grauburgunder an Nr. 4 der Rebsorten in Deutschland (nach Riesling, Müller-Thurgau und Silvaner). Seit 1995 hat sich die Rebfläche immerhin verdoppelt und die Tendenz ist weiter leicht ansteigend. Das mag erstaunen. Denn unter Wein-Freaks spielt die Sorte (so wie Weißburgunder auch) keine nennenswerte Rolle. Die Burgunder Großen Gewächse werden von den wenigsten Journalisten und Bloggern anlässlich der jährlichen Verkostungen probiert. Riesling und Spätburgunder sind eh wichtiger, nach meiner Wahrnehmung aber auch die Fränkischen Silvaner. Geht man aber in "stinknormale" Wirtschaften, dann steht fast immer ein Grauburgunder auf der Karte, manchmal sogar nicht neben einem Riesling, sondern anstelle eines Rieslings. Ich habe diverse solcher "Gastro-Grauburgunder" getrunken und kann sagen, dass ich sie gar nicht mag. Spritzig, nicht ganz trocken, blumig, so schmecken sie häufig.
Meine Zuneigung zu Grauburgundern stützt sich weniger auf solche "Gastro-Grauburgunder", auch nicht auf den nicht totzukriegenden Pino Gritschio aus dem Veneto, sondern auf vollreife Exemplare, die gerne auch etwas Holz sehen dürfen. Aromatisch hat der Grauburgunder für meinen Geschmack viel mehr zu bieten als z.B. der Weißburgunder oder der Auxerrois (allerdings nicht mehr als der Chardonnay). Die Aromatik kann manchmal ein bisschen aufdringlich oder kitschig wirken. Aber die Bandbreite der Aromen ist schon beeindruckend. Hinzu kommt, dass für mich z.B. Weißburgunder mit Restsüße gar nicht geht, Grauburgunder mit Restsüße hingegen schon. Auch kann die Rebsorte gut mit Botrytis umgehen.
Spannend finde ich dann noch den Elsass / Baden Vergleich. In Deutschland ist nicht (etikettiert) trockener Grauburgunder völlig out. Edelsüße Grauburgunder findet man nur noch selten, aber auch halbtrockene Grauburgunder sind weitgehend von der Bildfläche verschwunden (außer auf Weinfesten, in Besen, etc.). Stuart Pigott prägte den Begriff der "fetten Ruländerschnecken" aus Baden aus den 80ern, von denen man sich heute nahezu vollständig verabschiedet hat. Auch bei den Grauburgundern geht in Deutschland der Trend eher weg von Botrytis, sehr später Lese und Restsüße oberhalb des gesetzlich trockenen Bereichs.
Im Elsass sieht es ganz anders aus. Dort findet man trockene Pinot Gris hauptsächlich im Basissortiment der Winzer. Auf Grand Cru Niveau sind die allermeisten Pinot Gris restsüß, üblicherweise irgendwo zwischen 10 g/l und 50 g/l Restsüße. Und auch für edelsüße Vendanges Tardives und Selections des Grains Nobles wird der Pinot Gris gerne verwendet (im Gegensatz z.B. zum Pinot Blanc). Es ist einfacher, im Elsass trockenen Riesling Grand Cru zu finden als trockenen Pinot Gris Grand Cru. Insbesondere im voll durchgegorenen Bereich ist die Suche im Elsass nach trockenem Pinot Gris nicht einfach. Das mag auch daran liegen, dass die Sorte zu hohen Alkoholgradationen neigt und sehr viele Elsässer Winzer den Pinot Gris (und auch die anderen Weine) gerne zu sehr hoher Traubenreife treiben. Voll durchgegoren hätten viele Elsässer Pinot Gris wahrscheinlich deutlich über 15% Vol. Alkohol.
Nun denn, so viel zur Einleitung. Zusammenfassend kann man sagen, dass viele Grauburgunder bei den Gästen gut ankamen. Einige Weine wurden sehr kontrovers beurteilt, auf einige andere Weine konnten sich letztlich alle einigen (im positiven wie im negativen Sinne).
Klammer 1: Badener Grauburgunder vom Vulkanboden
Zuerst hatten wir zwei Badener Grauburgunder vom Kaiserstuhl, die auf Vulkanverwitterungsböden gewachsen sind. Das ist eine echte Badener Spezialität, die im Elsass so höchstens ausnahmsweise zu finden ist. Die leicht rauchige Note, die in den Kaiserstühler Grauburgundern manchmal zu finden ist, hatten aber nach meinem Empfinden beide Weine nicht.
Weingut Bercher - 2008 Burkheimer Feuerberg Grauburgunder Großes Gewächs
Reinhold & Cornelia Schneider - 2008 Ruländer Auslese Trocken *** RR
Den Schneider Ruländer hatte ich lieber mal dekantiert, da er zunächst noch sehr holzig roch. Unter diesen beiden Weinen konnte sich der Bercher relativ deutlich durchsetzen. Der war letztlich wirklich schön balanciert, jahrgangsbedingt vergleichsweise schlank und straff und mit frischer Säure ausgestattet. Wenn man dem Wein etwas Böses wollte, könnte man ihn unauffällig nennen. Aber insgesamt war der Bercher schon sehr gut gelungen.
Der Schneider wurde recht kontrovers am Tisch diskutiert. Manche mochten ihn gerne, manche überhaupt nicht. Er war in jedem Fall ziemlich krass, hatte eine richtig laute Säure, durchaus noch einiges an unverdautem Holz, einen eher voluminösen Körper, der aber wegen der hohen Säure nicht so auffiel. Nach guten 4 Stunden in der Karaffe hatte er sich kaum verändert. Das ist mal ein echtes Monument. Ob sich der Wein jemals in Richtung von mehr Ausgewogenheit entwickeln wird, ist schwer zu sagen. Aber ein bisschen mehr Flaschenreife würde ihm schon gut tun.
Klammer 2: Grauburgunder/Pinot Gris vom Kalkmergel
So wie eigentlich alle anderen Pinot Sorten auch (außer dem Gamay) fühlt sich der Grauburgunder auf kalkigen Böden grundsätzlich wohl. In dieser zweiten Klammer hatten wir jetzt den ersten Baden / Elsass Vergleich mit den folgenden beiden Weinen:
Weingut Ziereisen - 2008 Grauburgunder Jaspis Alte Reben
Domaine Zind-Humbrecht - 2008 Pinot Gris Heimbourg
Auch der Ziereisen wurde am Tisch ziemlich kontrovers diskutiert. Zuerst fanden ihn eigentlich alle bis auf einen oder zwei am Tisch ziemlich gut. Die Kritik hängte sich etwas an der risikoreichen Stilistik auf. Denn der Wein wirkte schon etwas oxidativ. Hinzu kam eine wirklich dezidiert unfruchtige Art, die auf ihre Weise schon sehr spannend war, aber auch minimal anstrengend. Mit zunehmender Zeit wurde die Kritik an dem Wein in der Runde etwas lauter, da er sich im Glas gar nicht gut entwickelte, schwammiger wurde, bitterer. Noch vor ca. drei Jahren zählte ich mich zu den großen Fans des Weinguts Ziereisen. Jetzt bin ich doch etwas ernüchtert darüber, wie sich viele Weine entwickeln. Da ist für mich noch Luft nach oben.
Viel besser war der Zind-Humbrecht, letztlich der erste Wein, der zu nahezu einstimmiger Begeisterung führte. Auch dieser Wein war eher unfruchtig mit Tee-, Kandis- und Tabakaromen, aber einer viel größeren Harmonie als der Ziereisen. Diesen Pinot Gris Heimbourg fand ich schon letzten Sommer richtig gut, und auch jetzt konnte er begeistern. Eine Flasche habe ich davon glücklicherweise noch.
Klammer 3: Gereifter Elsässer Pinot Gris
Dann ging es weiter mit zwei gereiften Elsässer Pinot Gris von zwei traditionellen und angesehenen Domaines:
Domaine Weinbach - 1995 Tokay Pinot Gris Cuvée St. Cathérine
Domaine Albert Mann - 2001 Pinot Gris Grand Cru Hengst
Von den trockenen bis fast trockenen Grauburgundern schien mir der Weinbach am besten anzukommen. Auch für mich war das der Wein des Abends (außer dem Süßwein), auf den Punkt gereift, komplex, harmonisch, dicht in der Aromatik, dabei aber auch perfekt gourmand, also gar nicht flashy, laut oder marktschreierisch, sondern in sich ruhend und mit einem gewissen Stil ausgestattet. Keine Bäuerin, sondern eine Dame wie Cathérine Faller.
Der Pinot Gris Hengst ist so ziemlich mein Lieblings-Pinot Gris, aber der 2001er Hengst (den ich an dem Abend das erste Mal trank) hat mich nicht so begeistert wie andere Jahrgänge. Der war einfach ein bisschen zu reif in der Stilistik mit mächtig viel Botrytis, getrockneter Frucht, öliger Textur und ziemlich viel Restsüße. Ein Wein, für den man Essen braucht und von dem man eher nur ein Glas als eine ganze Flasche trinkt. Interessant trifft es vielleicht am ehesten.
Klammer 4: Experimentalwein
Als Solisten hatten wir dann noch den Julien Meyer - 1997 Pinot Gris Zellberg sous voile. Julien Meyer ist der Darling der vin naturel Szene aus dem Elsass und letztlich in jedem der entsprechenden Restaurants und Bars in Paris, Berlin, London und Kopenhagen vertreten. Dieser Pinot Gris wurde erzeugt wie ein Vin Jaune, nur mit etwas kürzerem Hefelager (vier Jahre). Nun ja, zu einem 24 Monate gereiften Comté ging er passabel, spannend war der Wein auch. Aber Spaß machte er eigentlich nicht. Und welche Rebsorte da nun verarbeitet wurde, konnte man auch nicht erkennen. Die 12-Ton-Musik unter den Grauburgundern.
Klammer 5: Edelsüßer Grauburgunder / Pinot Gris
Nach einem kurzen Intermezzo mit zwei Rotweinen hatten wir zum Schluss dann noch zwei Süßweine, und zwar die folgenden beiden:
Bruno Sorg - 1988 Tokay Pinot Gris SGN
Müller-Catoir - 1989 Haardter Herrenletten Grauburgunder Beerenauslese
Der Bruno Sorg war etwas enttäuschend. Wie gut oder schlecht Sorg damals war, weiß ich nicht. Heute erzeugt das Weingut wirklich gute Weine. Dieser 1988 SGN fehlte einfach die Finesse, um in dem Moment wirklich zu überzeugen. Zwei halbe Flaschen habe ich davon noch, aber große Hoffnungen lege ich in die letztlich nicht.
Umso besser und für mich der Wein des Abends war der Müller-Catoir aus den Zeiten von Hans-Günter Schwarz. Die 1989er BA war einfach genial, die eine von zwei halben Flaschen vielleicht einen Tick besser als die andere, aber beide Flaschen einfach himmlisch. Komplex, in schöner Harmonie, süß, aber nicht zu süß, mit hinreißendem Süße-Säure-Spiel ausgestattet, einfach herrlich. Schade, dass die Zeiten von H.G. Schwarz schon etwas länger vorbei sind.
Das war es dann. Insgesamt war es nicht nur ein sehr netter Abend, sondern auch einer mit erstaunlich guten Weinen. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich Grauburgunder / Pinot Gris in der Stilistik wie bei der Probe getrunken für gute Probenweine halte, aber für nur mittelmäßige Trinkweine. Viele sind eben doch etwas sehr reif in der Aromatik, haben ziemlich viel Stoff, auch eine Menge Alkohol. Wenn man davon zu zwei eine ganze Pulle trinkt, wäre mir das evtl. häufiger zu viel. So haben sich in den letzten Jahren auch meine Grauburgunder-Einkäufe eher reduziert und meine Chardonnay-Einkäufe erhöht. Aber hin und wieder brauche ich so einen vollreifen Grauburgunder auch.