out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekrise

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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thvins
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von thvins »

Als die Mauer fiel, war ich in einem Alter, wie Innauen am Beginn seiner ernsthaften BDX-Leidenschaft...

Für mich war damals natürlich alles neu und mußte erstmal ausprobiert werden... - Tütensuppen, Mc.Donalds, und na klar - anständige Weine wollte ich jetzt trinken - als damals schon frankophiler Mensch (mit 18 hab ich händeringend gesagt:"Hoffentlich werd ich schnell Rentner, um endlich nach Frankreich fahren zu können") mußten es natürlich französische Weine sein. Und in diesem verklärten Blickwinkel strahlte der Glanz von Bordeaux auf mich, aber eben nicht irgendwelcher Bordeaux, nein - die Spitzenchâteaus waren es, die Begehrlichkeiten weckten. Nun hatte ich das Glück, in den 90ern auch anständiges Geld zu verdienen und konnte Geld in einen Weinkeller investieren. Natürlich suchte ich damals auch bewußt Weine, die lange reifen sollten - das war schließlich noch die Lehrmeinung seinerzeit. Also mehr kaufen als man trinken kann, damit was liegen bleibt...

Liegen blieben oftmal die Bordeaux-Weine, hieß es ja, die brauchen Zeit, zudem hatte mir ein guter Freund (ich glaub zu meinem 30.) zwei Bildbände geschenkt: "Die Spitzenweine und Schlösser des Medoc" "... Sauternes / Graves". Die machten Appetit, ich setzte mir zum Lebensziel, einmal im Leben einen Wein (natürlich den Erstwein) eines jedes dieser Güter getrunken zu haben - die Preise empfand ich seinerzeit als teuer, aber erreichbar (es waren seinerzeit Preise zwischen 20 und 80 DM, später dann eher 30 bis 150 DM). Dann mit der regelmäßigen Lektüre des Guide Hachette begriff ich, dass ich jene klassifizierten Châteaux nicht alle probieren müsse, bestimmte Namen, wie Ferriere, Durfort-Vivens, Rauzan-Gassies und einige mehr strich ich von der Liste meiner Begehrlichkeiten, nach den anderen suchte ich zielgerichtet, um sie jung zu kaufen und im Keller zu vergessen. Das Image der weltbesten Weine weckte meine Neugier und meinen Sammeltrieb - aber nicht des finanziellen Gewinnes wegen sondern wegen des in Aussicht stehenden wohl höchsten Genusses.

Dass dieser dann nicht immer eintritt, das konnte ich ja erst Jahre später, zum Teil mehr als ein Jahrzehnt später feststellen. Sich von Tütensuppen und Mac Donalds zu verabschieden ging wesentlich schneller...

In der Zwischenzeit habe ich viele interessante Weine Frankreichs aller anderer Regionen getrunken, dazu kam Spanien, heute sicher meist auf Katalonien reduziert und zwischendrin immer mal wieder ein Bordeaux. Schau ich mir an, was mich in der Spitze begeistert hat, dann verlagert sich das Gewicht leider zu Ungunsten von Bordeaux, dann tauchen da ganz andere Sachen immer wieder verläßlich vorn auf (zugegeben, die waren lange bzw. sind es heute noch - deutlich mehr Mega-Out. Kein Schwein interessierte sich ewige Jahre für das Jura, wer redet denn schon vom Priorat...

Das Image der Spitze ist für mich mit meiner heutigen Trinkerfahrung anders besetzt, gewiß, auch immer wieder mal ist einer der Bordeaux dabei, der liefert wie zuletzt sogar ein 1996er Leoville Barton - und dann nehm ich noch immer gern jene Bildbände zur Hand und schaue mir jene Seite an, wo die Info zu dem Wein ist, den ich grad trinke. Mit über 50 nennt man das dann wohl Nostalgie.

Über die heutigen Preise der Bordeaux auf meinem Tisch denke ich nur höchst ungern nach (natürlich wünsche ich mir, dass der Weinfreund, dessen geschultes Adlerauge zielsicher den teuersten Bordeaux in meinem Trinkregal erkennt, auch durchaus was adäquates auf den Tisch stellt, um den gemeinsamen Spaß zu verdoppeln ...), die neuen Jahrgänge davon kann ich mir eh nicht mehr leisten, und wenn sogar der deutlich schlechtere Jahrgang (2007, 2011) deutlich teurer ist als mein damals mittelprächtiger z.B.96er würde ich mir die aus heutiger Erfahrung auch nicht mehr leisten wollen, selbst wenn ich es noch könnte.

Das bisschen Geld, was mir im heute deutlich kargeren Leben im Vergleich zu den goldenen 90ern noch bleibt, gebe ich dann lieber für einen richtigen Spitzenwein aus, der mich dann auch von seinem Preis-Genuss-Verhältnis her flasht. Egal ob gleich oder auch erst in 15 Jahren. Und wenn der Keller irgendwann leerer wird und die eigene ökonomische Situation noch immer vom Kampf ums Überleben geprägt ist, dann muss es auch kein Spitzenwein mehr sein, sondern für das selbe Geld halt wieder ein paar Flaschen mehr Alltagsweine... Einziger Trost der bleibt, ist ja dann wohl der von Gerald angesprochene Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn im Alter...

Diese Alltagsweine habe ich ja auch nie vernachlässigt - und lieber Bernd - die kommen z.T. sogar aus Bordeaux. Nur musst du für diese mal hinfahren und sie vor Ort entdecken (oder auf Messen wie in Lille oder Strasbourg) - die besten derer führt nämlich tatsächlich kein oder kaum ein Händler in Deutschland. Diese Weine könnten zwar das Image des Gebietes hinsichtlich Preis und Genuss wieder heben, aber sie würden dem Händler das Geschäft mit seinen prestigeträchtigen Namen u. U. kaputtmachen.

Und wenn ein Händler dann doch ein oder zwei davon aufnimmt, macht er es gern mit ähnlichem Geschrei wie jene Spanienhändler, die weismachen wollen, sie hätten den einzig preiswerten Roten des Priorats entdeckt. Das gerade das Priorat inzwischen voll davon ist, weißt inzwischen sogar Du.

Und genau so verhält es sich mit dem Bordelais und Frankreichs Südwesten.

Auf meinen Touren auch durch das Medoc und die angrenzenden Gebiete habe ich jede Menge günstiger aber anständiger, ja teilweise überraschend guter Produzenten gefunden, meist nach der Lektüre des Guide Hachette.

Nur sind das halt Weine zum Trinken mit Spaß zum vernünftigen Preis, aber nicht die Image-bildenden Top 50 oder gar Top 10, nach denen der Freak lechzt. DAS sind dann fast immer noch die selben Namen wie vor 20 Jahren, als ich lechzte, nur Weinfreund Innauen und die noch Jüngeren werden sie sich kaum noch dergestalt hinlegen können, wie ich es vor 20 Jahren tat. Auch das ist ein Grund, warum die heutige Jugend sich oft abwendet oder eben abwenden muss mangels nötigem Spielgeld.

Auswege daraus? Ich wüßte derzeit keinen wirklichen.
Beste Grüße

Torsten

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octopussy
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von octopussy »

Gerald hat geschrieben:Wobei man sich auch die Frage stellen kann, ob das Schicksal von Bordeaux nicht auch mit dem derzeit kränkelnden System Parker zusammenhängt, das ja an den extremen Preiserhöhungen der letzen Zeit wohl nicht ganz unbeteiligt war.
Ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt, der aber - im Falle eines langsamen Rückzugs von Parker - für die Bordelaiser nur positiv ausgehen kann.

Die Parker-Punkte haben in den vergangenen Jahren zwar teilweise sicher verkaufsfördernd gewirkt, teilweise sogar stark verkaufsfördernd (siehe zuletzt 2008, 2009 und - mit Abstrichen 2010). Allerdings dürften sie auch dazu geführt haben, dass sich eine gewisse neu heranwachsende Generation von Weinafficionados nicht für Bordeaux interessiert. Den Einfluss von Kritikern wie Parker, Tanzer, Robinson, etc. kleinreden zu wollen, würde an der Realität vorbeigehen. Aber der "moderne" Weinaficionado - behaupte ich mal - gibt jedenfalls nur ungern zu, dass er sich von Kritikerpunkten beeinflussen lässt, eher schon von einer Cellartracker Durchschnittspunktzahl.

Mein Eindruck war und ist schon (aber bitte nicht auf mich einprügeln, die Diskussion hatten wir schon), dass nicht wenige Güter nicht nur danach geschaut haben, was sie für einen Wein erzeugen wollen, sondern auch, ob dieses Erzeugnis wohl dafür geeignet ist, Parker-Punkte abzugreifen. Denn machen wir uns nichts vor. Wer 2008 vor den Parker-Punkten mit dem Preis rauskam, hat zu tief gepokert, wer danach rauskam, hat die Parker-Punkte einkalkulieren können. Wer mit 87 PP "abgewatscht" wird, kann einen hohen Release-Preis vergessen, wer die magischen 100 PP oder jedenfalls irgendwas über 95 PP erhält, kann mit dem Preis schon etwas generöser umgehen.

Ich werfe einfach mal in den Raum, dass es - ohne Bestreiten der Qualitätssprünge in der Ära Parker seit 1982 - der stilistischen Vielfalt im Bordelais gut tun wird, wenn die Punkte eines Kritikers an Bedeutung verlieren. Und einen Ersatz-Parker wird es nicht geben.

Jetzt noch ein letzter Punkt: auch nicht gerade für ein modernes Image zuträglich ist im Bordelais die Dominanz der Star-Önologen. Ich habe überhaupt kein Problem mit Michel Rolland. Im Gegenteil, außer dem Aldi-Bordeaux :mrgreen: bin ich durchaus Fan einiger prominenter Rolland-Weine (z.B. Le Bon Pasteur, Troplong Mondot früher). Dieser teils sehr reife Stil, gepaart mit gekonntem Holzeinsatz, steht dem ein oder anderen Wein für meinen Geschmack durchaus gut. Eher schon bin ich gelangweilt von einigen Stéphane Derenoncourt Weinen, dessen Stil - finde ich - schwierig einzuschätzen ist und den ich auch nicht sehr gut kenne, den ich anhand der paar getrunkenen Weine aber ganz allgemein mit "rund in Tannin und Säure, harmonisch, negativ gesprochen glatt" beschreiben wollen würde (dazu können andere sicher Qualifizierteres beitragen).

Wie schon erwähnt scheinen aktuell für viele Weinkunden eher Winzer-Stories, Fotos mit Grünmann und Erde an den Fingern gefragt zu sein, als Önologen, die von Weingut zu Weingut fahren, Proben nehmen und Tipps geben. Im Burgund haben Önologen ja auch durchaus Einfluss, z.B. Sylvain Pataille oder früher Pascal Marchand. Nur passiert das dort still und leise, man hängt es nicht an die große Glocke. Vielleicht stünde das den Bordelaisern auch gut zu Gesicht. Anstatt dass man wie bei Hollywood-Blockbustern ("von den Produzenten von Independence Day") versucht, durch Namedropping positive Verbindungen zu Erfolgsstories herzustellen, könnte man wieder mehr Wert auf die eigene Identität legen, den Kellermeister in den Vordergrund rücken, Fotos aus dem Weinberg veröffentlichen, Fotos aus dem Keller, wo jemand mit Arbeitskleidung mit der Pipette Rotwein aus dem Fass holt.
Beste Grüße, Stephan
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Kle »

thvins hat geschrieben: Auch das ist ein Grund, warum die heutige Jugend sich oft abwendet oder eben abwenden muss mangels nötigem Spielgeld.
Preise sind ja relativ und viele Menschen bereit, für außergewöhnliche Erlebnisse Außergewöhnliches zu investieren. Eine sehr gute Theaterkarte kostet in Hamburg 35 bis 45 Euro. Es gibt Fans, die sparen ein Jahr, um ihre Lieblingssängerin zu sehen. Und wenn ich einen sehr sehr guten BDX getrunken habe, empfinde ich es als Sakrileg, baldigst eine ähnliche Flasche aufzumachen. Das schont die Nerven und das Portemonnaie.
Wie andere schon angesprochen haben, könnten BDX-Winzer Gefahr laufen, ihren wichtigsten Trumpf aus der Hand zu geben. Eric Dulong, einstiger Präsident des Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux soll ja gesagt haben, er wolle Bordeaux-Weine zum Getränk für die Massen machen, das wie ein Feierabendbier getrunken wird. Damit hat er sicher nicht die Grand Cru gemeint. Aber falls Absatzzahlen bröckeln, denken die "Winzer" in den Konzernzentralen vielleicht ähnlich wie die Verantwortlichen für gewisse Printmedien. Die stellten mit Schrecken fest, dass ihre Stammleser in der Mehrzahl älteren Generationen angehören. Also gab es panische Verjüngungskuren, die die Jungen nicht ansprachen und die Älteren in die Flucht trieben.
Die erste Ahnung einer solchen Milchmädchenrechnung im Bordelais hatte ich ausgerechnet nach Ankunft der 2005er , die mir so gefällig vollfruchtig und sofort konsumierbar erschienen, dass ich die Weine kaum wiedererkannte. Das Bild hat sich später geändert, aber sollte es keine Bordeaux-Weine mehr geben, die eine untergründige Zickigkeit und Eigenwilligkeit besitzen, die mit dem Genießer spielen, statt ihm zuzuarbeiten, warum sollte man dann nicht zum preisgünstigeren Überseewein greifen? Oder anders gesagt: Unabhängig von Geschmacksvorlieben der BDX-Freaks müssen sie an dem Getränk eine genialische Klasse lieben und der Öffentlichkeit glaubhaft machen, damit eine große Zahl von Wohlhabenden dazu bewegt wird, im Restaurant die Weine zu bestellen, sich in den Keller zu legen oder gar in Weinfonds zu investieren.
UlliB hat geschrieben: - was noch sonstwo in der Welt herumliegt und gar nicht in der Absicht gekauft wurde, es zu trinken, sondern damit zu spekulieren. Nach einer Aussage weiter oben muss das wohl Einiges sein - ich vermute aber, dass es sich hierbei fast ausschließlich um Weine aus dem Topsegment handelt. Ob ein schlagartiger Preisverfall in diesem Segment aber in einem Dominoeffekt auch die Batailleys und Belgraves der Bordeaux-Welt drastisch nach unten reißt, ist fraglich.
Wenn es so kommen sollte… Die Armen! Sie glaubten, BDX sei eines der wenigen langlebigen Güter mit stabil steigender Preisentwicklung. Sie haben dabei an alle beeinflussenden Faktoren gedacht, nur nicht daran, dass sie selbst auch ein Faktor sind und durch die massenhafte Einzahlung in einschlägige Fonds für ihr eigenes Desaster sorgen.

Gruß, Kle
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octopussy
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von octopussy »

Kle hat geschrieben: Wenn es so kommen sollte… Die Armen! Sie glaubten, BDX sei eines der wenigen langlebigen Güter mit stabil steigender Preisentwicklung. Sie haben dabei an alle beeinflussenden Faktoren gedacht, nur nicht daran, dass sie selbst auch ein Faktor sind und durch die massenhafte Einzahlung in einschlägige Fonds für ihr eigenes Desaster sorgen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Investoren den "Lemmingeffekt" außer acht gelassen haben...
Beste Grüße, Stephan
Kle
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Kle »

octopussy hat geschrieben:Jetzt noch ein letzter Punkt: auch nicht gerade für ein modernes Image zuträglich ist im Bordelais die Dominanz der Star-Önologen. Ich habe überhaupt kein Problem mit Michel Rolland. Im Gegenteil, außer dem Aldi-Bordeaux :mrgreen: bin ich durchaus Fan einiger prominenter Rolland-Weine (z.B. Le Bon Pasteur, Troplong Mondot früher). Dieser teils sehr reife Stil, gepaart mit gekonntem Holzeinsatz, steht dem ein oder anderen Wein für meinen Geschmack durchaus gut. Eher schon bin ich gelangweilt von einigen Stéphane Derenoncourt Weinen, dessen Stil - finde ich - schwierig einzuschätzen ist und den ich auch nicht sehr gut kenne, den ich anhand der paar getrunkenen Weine aber ganz allgemein mit "rund in Tannin und Säure, harmonisch, negativ gesprochen glatt" beschreiben wollen würde (dazu können andere sicher Qualifizierteres beitragen).
Stephan, die Rolland-Diskussion finde ich sehr interessant und ebenso, was seine "Gegner" wie Moueix und Barton erwidern z. B. bezüglich der Lagerfähigkeit von Weinen aus sehr reifem Lesegut. Persönlich komme ich erst allmählich in die Situation, gereiftere Bordeaux-Weine zu trinken und habe das Gefühl, dass sich noch einmal ein ganz neuer Wein-Himmel auftun könnte. Kürzlich probierte ich Haut-Marbuzet 1990, einen Vorreiter der Vollreif-Praxis und auch des extremen Holzeinsatzes. Parker gab dem Wein einst 91 Punkte. Dem im Vergleich stilistisch schmalbrüstigen Beychevelle 88 hingegen 84 Punkte, glaube ich. Beim Haut Marbuzet war ich schon glücklich, immer wieder eine hübsche Fruchtsüße im doch recht eingetrockneten Untergrund zu schmecken. Beychevelle hingegen war auf seine Weise souverän. Nicht körperreich oder üppig, jedoch wie ein dichtes Elixier. Natürlich andere Jahrgänge, Anbaugebiete etc. Trotzdem bin ich gespannt auf ähnliche Vergleiche.

Gruß, Kle
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UlliB
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von UlliB »

octopussy hat geschrieben: den Kellermeister in den Vordergrund rücken, Fotos aus dem Weinberg veröffentlichen, Fotos aus dem Keller, wo jemand mit Arbeitskleidung mit der Pipette Rotwein aus dem Fass holt.
Hm, Fotos aus dem Keller. Das bringt mich eher auf die Idee, dass die Chateaux zur Verbesserung ihres Images den ihren Besuchern großzügig gewährten Zugang zu ihren Kellern wohl besser wieder versperren sollten.

Beispiel Pichon-Baron. Seit der Besichtigung vor einigen Jahren trägt der Betrieb bei uns zu Hause den von meiner Frau geprägten Namen "Atombunker". Ok, über Architektur lässt sich sicherlich streiten. Was man aber da in der Betriebsstätte (ich zögere hier bewusst mit dem Begriff "Keller") zu sehen bekommt, fasziniert zwar den Verfahrenstechniker, dürfte aber beim Laien eher den Eindruck einer Raffinerie oder einer modernen chemischen Prozessanlage hinterlassen, in der die Weinbereitung von der ausgefeilten Prozessleittechnik und nicht von irgendwelchen Menschen vorgenommen wird. Dass so etwas den immer wieder gegen Bordeaux erhobenen Vorwurf einer übertechnisierten und manipulativen Weinbereitung forciert, sollte eigentlich klar sein.

Und solche Beriebe kann man im Médoc mittlerweile im Dutzend besichtigen. Sicher, das sind Delikatessen für Technikfreaks, die den exakten Temperaturverlauf bei der Gärführung der Ernte vor zwei Jahren noch einmal am Bildschirm minutiös nachverfolgen wollen, aber für die heute weit verbreiteten Anhänger einer "nichtmanipulativen" Weinbereitung (was immer das sein soll) stellen sie wohl eher Frankensteins Kabinett dar.

Gruß
Ulli
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Créot »

Weil es grade passt:

http://www.decanter.com/news/wine-news/ ... ns-of-life

ansonsten wäre es schön, wenn Burgund und das Piemont megaout wären...

Grüße
Stefan
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von Bernd Schulz »

Und solche Beriebe kann man im Médoc mittlerweile im Dutzend besichtigen. Sicher, das sind Delikatessen für Technikfreaks, die den exakten Temperaturverlauf bei der Gärführung der Ernte vor zwei Jahren noch einmal am Bildschirm minutiös nachverfolgen wollen, aber für die heute weit verbreiteten Anhänger einer "nichtmanipulativen" Weinbereitung (was immer das sein soll) stellen sie wohl eher Frankensteins Kabinett dar.
Eine "nichtmanipulative" Weinbereitung gibt es natürlich nicht - der Wein vinifiziert sich nun mal nicht von alleine. Aber es gibt schon sehr unterschiedliche Grade der Manipulation, und viele Weinfreunde entwickeln nach einer intensiveren Auseinandersetzung mit unserem Lieblingsgetränk eine Vorliebe für verhältnismäßig geringfügig manipulierte Weine. Du auch, Ulli, wenn ich deinen jüngsten Beitrag im Nachbarthread über Bio-Rotwein richtig deute! :mrgreen:

Und insofern sind die "Atombunker"-Verhältnisse, die du sehr anschaulich schilderst, für das Image einer Region kontraproduktiv. Immer mehr einigermaßen informierte Konsumenten möchten das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie für ihr gutes Geld ein individuelles (sprich ein kellertechnisch nicht völlig beliebig zurechtgestyltes) Produkt erhalten.

Vor zwanzig, dreißig Jahren war das vermutlich noch anders. Aber der vermehrte Einsatz moderner und modernster Kellertechnik hat inzwischen eine immer mehr an Bedeutung gewinnende Gegenbewegung in Gang gesetzt. Dieser Gegenbewegung tragen andere Regionen in Frankreich mittlerweile deutlich Rechnung, während man an der Gironde ganz offenkudig im einmal eingeschlagenen Techno -Trott weitermarschiert. Vielfach gibt es wahrscheinlich auch noch genug Kunden, die sich nicht für die Produktionsmethoden (und deren Folgen) interessieren. Aber ihre Zahl dürfte langsam sinken.

Wenn ich ehrlich bin, ist der Faktor der Individualität neben bzw. in Kombination mit dem des Preises auch für mich ein Grund dafür, dass ich vergleichsweise wenig BDX kaufe. Die von mir bevorzugten Erzeuger an der Rhone, im Languedoc oder im Roussillon sind vergleichsweise klein und vermarkten sich dementsprechend individuell (bzw. werden von der Händlern so vermarktet). Und damit gewinnen sie auch sofort eine andere Attraktivität.
Diese Alltagsweine habe ich ja auch nie vernachlässigt - und lieber Bernd - die kommen z.T. sogar aus Bordeaux. Nur musst du für diese mal hinfahren und sie vor Ort entdecken (oder auf Messen wie in Lille oder Strasbourg) - die besten derer führt nämlich tatsächlich kein oder kaum ein Händler in Deutschland.
Lieber Torsten, sei mir bitte nicht böse - aber ich wusste, dass das Argument mit dem selber Hinfahren jetzt wieder kommen würde. Ich kann aber aus zeitlichen Gründen weder nach Bordeaux noch nach Straßburg noch nach Lille fahren, und darüber hinaus habe ich - schon der nicht vorhandenen Französischkenntnisse halber - auch wenig bis keine Lust dazu (um es ehrlich zu sagen). Deshalb sind die schönen Alltagsweine für mich nur dann relevant, wenn ich sie auch im deutschen Fachhandel - gerne auch nach einiger Suche - erhalten kann. Das, was es nur anderswo zu kaufen gibt, juckt mich nicht - die schönen Rhone- und Midi-Alltagsweine bekomme ich ja nun mal auch hierzulande (ebenso wie - dir sei Dank! :D - die ebenso spannenden wie bezahlbaren Prioratos).

Herzliche Grüße

Bernd
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thvins
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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von thvins »

Hallo Bernd,

mit dem Selber Hinfahren, das ist natürlich schon ein Aufwand, aber es erstaunt eben immer wieder, was man dann plötzlich auch in den "Hochpreisgegenden" so alles entdecken kann. Bordeaux, Burgund und die Champagne haben das Image des teuren Luxusproduktes und dem werden Händler natürlich dann gerecht, wenn sie den Kunden haufenweise die teuren Ikonen hinstellen. Ist man aber mal vor Ort gewesen, dann staunt man immer wieder, welche Alternativen es dann gibt, Weine, die sicher nicht zu den Weltbesten gehören, aber mit einem grandiosen PGV. Und zwangssläufig kommt dann die Frage, warum diese im Handel in Deutschland nicht oder selten zu finden sind.

Beaujolais, (südliche) Rhône, Languedoc / Roussillon, das sind Gegenden mit Massenweincharakter, die halt deutlich billiger im Schnitt sind. Da sind Leuchttürme im Rebenmeer eben über Qualität (oft nur zum moderat höheren Preis) zu finden. Das sind dann tolle Felder auch für gute Weinhändler in Deutschland - die präsentieren ihren Kunden die wahren Schnäppchen - und das ganz ohne Rabattprozente... :mrgreen: Der Kunde kauft dann auch gern die Spitzencuvées dieser Winzer, die preislich dann schon auch in die Nobelgebiete passen würden.
Motto: "Wenn der Kleine schon so gut ist, muss die Spitzncuvée umwerfend sein".

Dagegen steht bei den Gebieten, denen das Image des Teuren anhaftet hat eher: "wenn der Teure nicht überzeugt, dann kann der Billigere gar nichts mehr sein" - und die Kunden verlangen nicht ausreihend danach. Im Bordelais gibt es dann die Sonderstellung der "Ersatzweine" - wer früher 50 DM für ein klassifiziertes Château ausgegeben hat, muss heute für den Wein selben Châteaus eben deutlich mehr als 25 oder 30 € zahlen. Da die Meisten aber nicht deutlich mehr (eher unterm Strich weniger) verdienen, suchen sie nach Alternativen zu 25 oder 30 €. Das wird dann eine gefeierte "Neuentdeckung", auch wenn der schon seit Generationen produziert, getreu nach dem Motto: "Kennt niemand, ist aber genau so gut wie der klassifizierte zum selben Preis von damals."

Wolf hatte bei seinem Besuch einen solchen mitgebracht - Château Seguin (nie vorher was über diesen Wein gehört, nur der Name war mir geläufig) 2010, eine 15° Granate ("das ist das Neue Bordeaux"). Blind hätte ich nie auf Bordeaux getippt und auch beim Preisschätzen war ich deutlich zu zögerlich. Das war dann wohl einer der Alternativweine für die junge Generation, die sich Palmer nicht mehr leisten können, weil der keine 50 DM mehr kostet sonder 150+ €. Ich tat mich schwer, nicht mit dem Wein an sich, aber mit dem Wein als einem Wein, mit dem man zum Bordeaux - Fan werden soll (solches fiel mir mit dem 50 DM Palmer & Co.mitunter leichter)...

Ich hätte am Liebsten einen 9 € Wein aus Südwestfrankreich, aber Bordeaux-Cuvée (Côtes de Duras) dagegen gestellt, auch um über den Klassischen Bordeaux-Stil zu diskutieren, aber wir hatten an dem Abend so viel anderes Programm...

Vielleicht will der Kunde (Ausnahmen bestätigen die Regel) eben gar nicht das richtig preiswerte Bordelais (ebenso wie das richtig preiswerte Priorat übrigens - nach welchem auch kaum jemand verlangt. Noch kann ich das bieten, aber ich denke so ernsthaft wie noch nie zuvor über einen Ausweg nach... - nach den Weinen fragt gegenwärtig einfach niemand), vielleicht will der Bordeauxkunde eben doch den Palmer und Co., der aber für die Alten wie auch die Jungen Normalos nicht mehr zahlbar ist...

Vielleicht ist genau das das Dilemma, diese Spirale des Bohrers, die sich in den letzten 25 Jahren immer tiefer eingebohrt hat und jetzt feststeckt - man kriegt den Bohrer nicht einfach wieder rausgedreht, eher droht die Gefahr, dass er abbricht...
Beste Grüße

Torsten

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Re: out, megaout, Bordeaux. Ein Weinbaugebiet in der Imagekr

Beitrag von UlliB »

thvins hat geschrieben:Vielleicht will der Kunde (Ausnahmen bestätigen die Regel) eben gar nicht das richtig preiswerte Bordelais
Zumindest nicht der Kunde, der mit dem Anspruch auftritt, dass für ihn das beste gerade gut genug ist. Wie Du selber ein Stück weiter oben schreibst:
Nur sind das halt Weine zum Trinken mit Spaß zum vernünftigen Preis, aber nicht die Image-bildenden Top 50 oder gar Top 10, nach denen der Freak lechzt. DAS sind dann fast immer noch die selben Namen wie vor 20 Jahren, [...]
Eben. Und genau diese Weine, die tatsächlich fast jeder ernsthaft interessierte Weinfreund einmal im Glas haben möchte, sind heute preislich dem Zugriff weitgehend entzogen. Und so strahlt das Image des "Superteuren" von hier aus auf das ganze Gebiet aus.

Fragt sich nur, wie es das Burgund geschafft hat, dieses Problem bislang zu "bypassen". Denn hier sind die Ikonen ja noch viel teurer als im Bordelais.

Gruß
Ulli
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