Jura

Elsaß, Lothringen, Jura und Savoyen
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Jura

Beitrag von octopussy »

Nächste Station war Didier Grappe in St. Lothain, den ich wegen seines nicht oxidativen Savagnin, den ich ein Jahr zuvor probiert hatte, unbedingt mal besuchen musste. Torsten (thvins) war auch schon mal da.

St. Lothain liegt im Revermont, einem sehr dünn besiedelten Landstrich mit Lons-le-Saunier in der Mitte und Bourg-en-Bresse westlich des Revermont. Hier sagen sich Fuchs und Hase echt gute Nacht.

Didier Grappe studierte Weinbau in Beaune und gründete 2001 in St. Lothain sein Weingut, zunächst mit einer sehr kleinen Rebfläche, die er peu-à-peu auf heute ca. 4 ha vergrößern konnte. Die Weinberge sind teils gekauft mit älteren Reben, teils neu angepflanzt. Insgesamt ist der Rebbestand aber eher jung.

Wie auch andere Winzer im Jura sagte Didier, dass das, was er in Beaune gelernt habe, ihm eher beigebracht hat, was er nicht will, als das, was er will. Was er will, ist ein möglichst interventionsfreier Weg vom Weinberg in die Flasche. Er ist Ecocert-zertifiziert, die Weine werden nicht chaptalisiert, spontan vergoren, nicht gefiltert, nicht geschönt und - bei den meisten Weinen - nicht geschwefelt. Nur manche Weine werden ganz leicht bei der Abfüllung geschwefelt. Inklusive des natürlich vorkommenden SO2 haben eigentlich alle Weine < 20 mg/l freien SO2.

Natürlich rät Didier deshalb zu einer durchgängig kühlen Lagerung, sagt aber auch, dass er nach viel Rumexperimentieren der Ansicht ist, dass die Weine so wie sie abgefüllt werden auch ohne freien SO2 sehr stabil sind. Seine Voraussetzungen sind aber ganz weitgehend botrytisfreies Lesegut, eine volle Gärung bis zum letzten Rest vergärbarem Zucker und ein längeres Fasslager.

Didier füllt so gut wie keine Lagenweine ab, sondern beschränkt sich (für Jura-Verhältnisse) auf ein Basissortiment: Chardonnay floral, Savagnin floral, Savagnin ouillé, Vin Jaune, eine Rotweincuvée, ein Crémant, ein Vin de Paille und ein Macvin. Sehr gut gefallen hat mir wieder der Savagnin floral (2011), den ich aus 2010 aber noch besser fand. Richtiggehend umgehauen hat mich der 2008 Savagnin ouillé mit nur sehr dezent oxidativen Noten und einer sehr schönen Savagnin-Aromatik. Der 2005 Vin Jaune hat mich hingegen erst einmal wenig begeistert, hier waren mir die oxidativen Noten etwas zu stark. Vielleicht eine schwierige Phase, eine Flasche habe ich mal mitgenommen. Den Rotwein (der eh ausverkauft war) fand ich ziemlich mau, den Macvin hingegen ausgezeichnet.

Das Sortiment war für mich am Ende nicht ganz so überzeugend, wie ich gehofft hatte. Zwei wirklich ausgezeichnete Weine (der 2011 Savagnin floral und der 2008 Savagnin Ouillé) waren aber dabei. Und auch vom Macvin und vom Vin de Paille habe ich ein bisschen was mitgenommen.

Meine Notizen finden sich in der Verkostungsnotizendatenbank.
Beste Grüße, Stephan
Benutzeravatar
thvins
Administrator
Beiträge: 5109
Registriert: Mo 28. Jun 2010, 15:29
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Coswig /Anhalt, Sachsen-Anhalt
Kontaktdaten:

Re: Jura

Beitrag von thvins »

Hallo Stephan,

das Lesen deiner Beiträge macht so richtig Lust, gleich wieder mal ins Jura zu düsen.... Hach ja...

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nicht einmal einen Wein von Puffeney getrunken habe (und das als mehr als 20 Jahre lang bekennender Jurawein-Liebhaber) und so habe ich die alte Familie auch noch nie besucht. Dabei war ich schon so häufig in Montigny und bei etlichen der dort ansässigen Winzer, zum Teil auch mehrfach. Grade Lucien Aviet muss man besucht haben, er ist sicher eine ähnliche Instanz Aber auch Frederic Lornet und A & M. Tissot und auch Michl Gahier lohnen den Besuch - beim nächsten Mal muss ich auch Puffeney besuchen - die Notizen klingen sehr gut.

Bei Didier Grappe war ich insgesamt bereits zwei oder vielleicht inzwischen sogar schon drei Mal, aber seinen ersten Vin Jaune - Jahrgang kenne ich noch nicht, mein letzter Besuch war 2011 im Sommer. Aber es ging mir auch so, ich war nicht immer von allen weinen gleichermaßen begeistert, fand aber immer etwas, was mich dann doch ansprach. Und die Preise waren bislang immer phänomenal günstig. Damals gab es gerade seine ersten zertifizierten und seine letzten noch unzertifizierten Weine und er war noch sehr enthusiastisch am rum-experimentieren. Einen 2008er Chardonnay und einen 2010er Insouciantes würde ich dieses Jahr trinken wollen, wenn sie sich ins Trinkregal legen...

Nun aber warte ich erst mal gespannt, was du noch berichtest aus dem wunderschönen Jura.
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
jetzt mit richtiger Startseite...
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Jura

Beitrag von octopussy »

thvins hat geschrieben: Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich in meinem bisherigen Leben noch nicht einmal einen Wein von Puffeney getrunken habe (und das als mehr als 20 Jahre lang bekennender Jurawein-Liebhaber) und so habe ich die alte Familie auch noch nie besucht. Dabei war ich schon so häufig in Montigny und bei etlichen der dort ansässigen Winzer, zum Teil auch mehrfach. Grade Lucien Aviet muss man besucht haben, er ist sicher eine ähnliche Instanz Aber auch Frederic Lornet und A & M. Tissot und auch Michl Gahier lohnen den Besuch - beim nächsten Mal muss ich auch Puffeney besuchen - die Notizen klingen sehr gut.
Hallo Torsten,

die Vielfalt exzellenter Winzer in so ziemlich jedem Dorf im Jura ist schon erstaunlich. Als ich nach Montigny hochfuhr, habe ich nur die ganzen Schilder für die von dir genannten Winzer gesehen: Aviet, Lornet, Gahier, Tissot. Leider war der Kofferraum schon ziemlich voll, aber Vorfreude (auf den nächsten Besuch dort) ist ja bekanntlich die schönste Freude.
Beste Grüße, Stephan
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Jura

Beitrag von octopussy »

Richtige Aufbruchstimmung herrscht im Jura seit ein paar Jahren im südlichen Zipfel des Weinbaugebiets, dem Sud-Revermont. Außer zwei Weinen von Jean-Francois "Fanfan" Ganevat, dem Zugpferd in der Gegend, war das allerdings bislang eher ein weißer Fleck auf meiner vinophilen Landkarte. Letztes Jahr, beim Besuch im L'Anversis "Bistrot de Montagne" in Lamoura an der Schweizer Grenze, empfahl uns Bernard Robbe, der Inhaber, die Gegend zu erkunden. Er ist mit den Winzern dort gut befreundet und ist großer Fan der Weine des Sud-Revermont.

Die Gegend liegt südlich von Lons-le-Saunier in einer wirklich ländlichen Gegend, die von grünen Wiesen, nur wenigen kleinen Dörfern und sanften Hügeln geprägt ist. Es ist nicht weit in die Bresse, wo die berühmten Hühner aufgezogen werden. Im Sud-Revermont hatte ich drei Termine vereinbart, mit der Domaine Labet, der Domaine Buronfosse und der Domaine Marnes Blanches. Letzteren Termin musste ich leider wegen Zeitmangels absagen.

Die Domaine Labet in Rotalier ist mittlerweile von den Eltern (Alain und Josie) auf die Kinder (Julien, Charline und Romain übergegangen. Julien hatte zwischenzeitlich drei Hektar unter seine eigene Fittiche bekommen, um damit seine eigenen Vorstellungen (Umstellung auf Biodynamie, Arbeit ohne Schwefel) verwirklichen zu können. Offenbar gab es Knatsch mit dem Vater. Mittlerweile ist die Domaine aber nicht mehr in "Domaine Labet" und "Julien Labet" getrennt, sondern alle Weine werden wieder unter dem einheitlichen Namen "Domaine Labet" verkauft. Einen kurzen Abriss über die Geschichte der Domaine gibt es auf Wink Lorch's Blog zu lesen: http://jurawine.co.uk/2013/02/21/domain ... ilyaffair/

Die Domaine hat heute ca. 15 ha Reben rund um Rotalier, teils in denselben Lagen wie ihre Nachbarn. Es stehen zahllose Weine auf der Liste. Ich meine, es waren gut über 20, von denen aber einige auch schon ausverkauft waren. Es gibt Pinot Noir, Poulsard, Trousseau, Chardonnay ouillé, Chardonnay non-ouillé, Savagnin ouillé, Savagnin non-ouillé und einen Vin Jaune, Crémant sowie einen Vin de Paille. Da sich einige Weinberge noch in der Umstellung auf zertifizierten AB-Anbau befinden, gibt es auch separate Abfüllungen einiger Weine als Bio-Weine.

[album]2248[/album][album]2249[/album]

Prinzipiell lässt sich die Betriebsphilosophie wie folgt zusammenfassen: die Weine werden allesamt spontan vergoren, liegen sehr lange auf der Feinhefe (meist 18-24 Monate) in überwiegend gebrauchten Piéces und werden beim Abfüllen entweder gar nicht oder nur schwach geschwefelt. Die Stabilität der Weine (hoffentlich) kommt über das lange Feinhefelager. Es gibt ein paar Cuvées und ziemlich viele Einzellagenweine. Die Spezialität der Domaine liegt in den nicht-oxidativen Chardonnays, die unter dem Namen "Fleur de Marne" verkauft werden. Die verschiedenen Lagen sind durch unterschiedliche Böden geprägt: es gibt ein paar eher kalkhaltige Böden (teils etwas rötlich), die juratypischen Mergel (Marnes) Böden, v.a. mit blauem Mergel aus dem Lias und Trias-Zeitalter. In den Weinbergen stehen überwiegend Sélection Massale Reben , teils aber auch Klone.

U.a. hat die Domaine in den folgenden Weinbergen Reben stehen:

En Chalasse: Marnes Bleues du Lias. Savagnin: eine Parzelle mit ca. 25 Jahre alte Reben, eine Parzelle mit ca. 10 Jahre alten Reben, 50% Sélection Massale, 50% Klone. Chardonnay: 65, 55 und 30 Jahre alte Reben, 100% Selection Massale.

Les Varrons: rötlich-orange Kalkmergelböden. ca. 80, 70, 65 und 45 Jahre alte Chardonnay-Reben, 100% Sélection Massale

La Reine: Orange-gelbliche Kalkmergelböden, ca. 115 (!!) und 95 Jahre alte Chardonnay-Reben, 100% Sélection Massale

En Billat: Blauer Lehmboden mit Schieferanteilen. Ca. 115 (!!) und 75 Jahre alte Chardonnay-Reben, 100% Sélection Massale.

La Bardette: Marnes Bleues du Lias, Kalkunterlage mit Meeresfossilien. Über 65 Jahre alte Chardonnay-Reben. 100% Sélection Massale.

Le Montceau: Marnes Noirs, Kalkunterlage. Über 65 Jahre alte Chardonnay-Reben. 100% Sélection Massale.

La Beaumette: Marnes Bleues. Über 50 Jahre alte Chardonnay-Reben. 100% Sélection Massale.

Probiert habe ich mit Charline Labet. Der einfache Chardonnay "Fleurs" war schon sehr gut, begeistert haben mich die beiden "Fleurs de..." Weine aus Chardonnay uns Savagnin (Lagencuvées): zwei sehr straffe, mineralische Weine. Der Chardonnay war quasi völlig fruchtfrei und hatte fast ausschließlich salzig-, steinig-, kräutrige Aromen. Etwas anstrengend, aber sehr faszinierend.

Dann haben wir die Einzellagen-Chardonnays durchprobiert, einer besser als der andere, aber alle auch sehr verschieden. Charlines Erklärungen hinsichtlich der Böden und deren Auswirkungen auf die Weine haben mich sicher etwas beeinflusst, waren aber auch wirklich in den Weinen erkennbar (der eine etwas üppiger, der andere etwas karger, usw.).

Auch die oxidativen Weine fand ich hervorragend, v.a. den 2006 Vin Jaune. Auch auf der Domaine Labet wird nur ein dezent oxidativer Stil für die oxidativen Weine gepflegt. Das oxidative wirkte auf mich eher strukturgebend als aromatisch dominant. Das hat mir ausgezeichnet gefallen.

Kurzum hat mich die Domaine völlig begeistert. Hier werden exzellente Weine mit hohem Wiedererkennungswert erzeugt, aus überwiegend altem Rebmaterial und mit viel Liebe zum Detail. Und das zu sehr verbraucherfreundlichen Preisen. Die allermeisten Weine kosten um die 10-15 Euro die Flasche. In Deutschland gibt es die Weine bislang nicht, laut Charline hat die Domaine aber jetzt einen Händler in Deutschland, der aus meiner Sicht auch für einen exzellenten Geschmack steht. Sobald die Weine erhältlich sind, gebe ich hier im Thread Bescheid, um wen es sich handelt.

Meine Notizen finden sich in der VKN-Datenbank (suche: Labet).
Beste Grüße, Stephan
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Jura

Beitrag von octopussy »

Next Stop: Rotalier, La Combe. Während das Dorf Rotalier schon einigermaßen einsam am Hang liegt, ist der Ortsteil "La Combe" noch abgelegner in einer Art Seitental. Zwei Winzer sitzen hier: Jean-Francois Ganevat und Peggy & Jean Pascal Buronfosse.

Letztere habe ich auf dem Jura-Trip auch besucht. Ich hatte vorher den aus einer kundigen Quelle den Tipp erhalten, da mal hinzufahren. Peggy & Jean-Pascal sind Quereinsteiger, Jean-Pascal kommt immerhin aus der Landwirtschaft, allerdings mehr mit Schwerpunkt Mais. Beide wollten im Sud-Revermont eine gemischte Farm mit Tieren, Gemüse und etwas Weinbau führen. Mit den Jahren fokussierte es sich aber nahezu exklusiv auf den Weinbau.

Die Domaine hat heute ca. 4,5 ha Reben, größtenteils auf gepachteten Flächen. Wie bei den Nachbarn auch herrschen blaue Juramergelböden mit marinen Fossilien sowie orange-rötliche Kalkmergelböden vor. U.a. hat die Domaine Reben in den Lagen Les Varrons und l'Hôpital stehen. Angebaut werden Chardonnay, Savagnin, Poulsard und Pinot Noir, der bei den Buronfosses allerdings ein Klon ist, der im Jura als "Savagnin Noir" bezeichnet wird. Trousseau wird 2015 neu angepflanzt. Das Rebmaterial ist teils alt (> 60 Jahre alt) und teils noch eher jung (6-8 Jahre alt).

Die Domaine arbeitet bio und erzeugt ihre Weine auf möglichst non-interventionistische Art und Weise. Die Weine werden spontan vergoren, nicht chaptalisiert und werden überwiegend in gebrauchten Barriques ausgebaut, es findet keine Batonnage statt, das Feinhefelager beträgt meist 18-24 Monate, die Weine werden nicht geschönt, nur leicht filtriert und entweder gar nicht oder nur schwach beim Abfüllen geschwefelt. Wie auch bei den Nachbarn legen die Buronfosses sehr viel Wert darauf, dass die Weine ihre Herkunft wiederspiegeln. Unter anderem deshalb gibt es eine ganze Menge verschiedene Abfüllungen. Nicht gelungen ist bislang allerdings ein Vin Jaune, der Hefeflor mag noch nicht so richtig zustandekommen.

[album]2250[/album]

Das Tasting war letztlich eines der witzigsten der ganzen Reise. Jean Pascal Buronfosse kam ein bisschen zu spät, dann setzten wir uns in eine Art eiskalte Garage, wo auch ein paar Fässer rumstanden und saßen da die nächsten drei Stunden. In der zweiten Hälfte kam noch die Praktikantin dazu, Peggy Buronfosse sagte nur kurz hallo. Probiert haben wir alle nicht-oxidativen Chardonnays und Savagnins sowie die beiden Roten. Die beiden Roten haben mir letztlich sehr gut gefallen, eigentlich hätte ich davon mal was kaufen sollen. So einen herrlich floralen Poulsard kann man eigentlich gut mal trinken. Naja, am Ende habe ich nur Savagnins und Chardonnays mitgenommen.

Die Weine sind stilistisch relativ ähnlich wie bei den Nachbarn Labet und Ganevat: völlig trocken, kaum Holzeinfluss, sehr straff, eher steinig-kräutrig als auf die Frucht setzend, sehr klar. Interessant finde ich übrigens in dem Zusammenhang Folgendes: in den deutschen Weinblogs wird laufend irgendwas über "Orange Wines" und "Vins Naturels" geschrieben und allzuoft "Vin Naturel" als Synonym für unsaubere trübe Weine mit restlicher Gärkohlensäure, starker Reduktion oder anderen Fehltönen verwendet. Tatsächlich wird in Frankreich aber über "naturel" jedenfalls bei vielen Winzern nur noch marginal Aufhebens gemacht. Für Leute wie die Buronfosses, die Labets oder Didier Grappe ist es eine Entscheidung, die Weine nicht oder nur schwach zu schwefeln, nie zu chaptalisieren, keine Reinzuchthefen zu verwenden, keine Enzyme, nur schwach oder gar nicht zu filtern, usw.

Diese Entscheidung treffen sie aber nicht im luftleeren Raum und als Dogma, sondern deshalb, weil die Weine auch so stabil und ohne objektiv feststellbare Weinfehler in die Flasche gefüllt werden können. Als Beispiel servierte mir Jean-Pascal Buronfosse einen Chardonnay, den er (ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden) nach dem üblichen Fasslager abfüllte, der Wein in der Flasche aber eine zweite Gärung durchlief. Die Weine wurden vor dem Verkauf also ins Labor gegeben, es wurde kein vergärbarer Restzucker festgestellt. Gleichwohl baute sich in den Flaschen mächtig Gärkohlensäure auf. Die Buronfosses wollten den Wein eigentlich schon wegschütten, weil sie ihn nicht für verkaufsfähig hielten. Einige Händler und Besitzer von Weinbars (wohl v.a. in Paris) fanden den Wein aber wegen des leichten Mousseux besonders köstlich und bestellten größere Mengen. So landete der Wein dann doch noch auf dem Markt, die beiden Buronfosses sind aber alles andere als begeistert von dem Wein. Diese Anekdote bringe ich nur kurz, um zu zeigen, dass "naturel" und qualitätsbewusst sich nicht ausschließen müssen.

Das Tasting war in jedem Fall sehr aufschlussreich und spannend, und die Weine haben mir sehr gut gefallen, wenn ich auch am Ende eines langen Tages nicht mehr so aufnahmefähig war. Deshalb sind auch meine Notizen in der VKN-Datenbank mit Vorsicht zu genießen.
Beste Grüße, Stephan
Benutzeravatar
thvins
Administrator
Beiträge: 5109
Registriert: Mo 28. Jun 2010, 15:29
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Coswig /Anhalt, Sachsen-Anhalt
Kontaktdaten:

Re: Jura

Beitrag von thvins »

Ich brauche mal was Süßes. Muss nichts sein, wo man gleich die ganze Flasche austrinkt. Muss nicht mal wirklich Wein sein, kann aber durchaus entfernt was damit zu tun haben...

M o m e n t: Da gammelt doch noch so ein oller Macvin im Trinkregal rum... Das ist es, wonach der Sinn mir steht...

Erst mal gucken, was ich da ans Tageslicht befördert habe:

Ligier Père et Fils; Macvin du Jura AOC aus Arbois; Version Guide Hachette 2003. Auf dem Etikett steht unter den 18° der Verweis LM 99 - vielleicht ein Verweis, dass der von 1999er Trauben stammt?

Ich muss erstmal lange überlegen, wie ich an den Wein gekommen bin - besucht habe ich den Winzer nicht, ist auch keiner, der arg im Fokus steht... Mein Kellerbuch verrät mir, dass ich von dem schon einen Trousseau getrunken und noch einen Savagnin liegen habe... - jetzt fällt es mir wieder ein, jene abenteuerliche Reise nach Belgien im November - ein kleiner Wein-Salon im Nebengebäude eines Schlosses, nur französische Winzer, von denen mich einer damals eingeladen hatte... Nachdem ich Strasbourg schon kannte (und Lille noch nicht) war ich ein wenig enttäuscht über die paar Winzer - aber andererseits konnte man so auch bei allen verkosten... - und ich durfte sogar auf dem Gelände zelten. Ein Gästezimmer oder Hotel hätte es eh weit und breit nicht gegeben... - hinterher bin ich dann noch nach Namur zum Klettern gefahren... - war eine schöne Tour damals, abenteuerlich... - lang ist es her und jetzt holt dieser Macvin die Erinnerungen wieder hoch.

Ligier war dort der einzige Jura - Winzer auf dem Salon und ich mochte das damals ja schon lange. Freundliche Winzer, sehr unaufgeregt und einfach ihr Handwerk verstehend wie so viele dort...

Und so kommt jetzt der Macvin ins Glas, nachdem ich die Flasche schon etwa 10 Jahre im Keller liegen hatte..

Natürlich merkt man die Tresternoten von Marc de Jura, natürlich ist das eher ein Likör als ein Wein und so sollte man ihn auch trinken. Glas- nicht Flaschenweise. Aber er ist so komplex in seinen Noten in der Nase wie auch am Gaumen, dass er süchtig macht - auf einen weiteren Schluck. Auch wenn man wegen der horrenden Süße gut Wasser zum Durstlöschen dazu braucht und gegen das Verkleben des Gaumens... Aber was für ein Genusstraum - beginnend mit der intensivgoldenen Farbe mit ihrem verführerischen Funkeln. Dann die Nase zwischen Marc und Vin de Paille, jede Menge Rosinen, Trockenfrüchte, auch Anklänge an Met, am Gaumen zunächst der noble Gebrannte und dann kommen wieder all die Trockenfrüchte, dazu Tannennadeln (erinnert etwas an den Tannennadellikör aus dem Hochjura). Im Abgang noch etwas Nussiges dazu. Langer und üppiger Nachhall.

Für Freaks, die mit diesem speziellen Getränk etwas anfangen können, ist es schon eine Empfehlung. Ich kaufe mir morgen ein Malagaeis und außerdem Salatherzen, um einen Salat mit Trockenaprikosen, Rosinen, Walnüssen und Comté - Käse dazu zu machen... Dann schmeckt das sicher nochmals besser...

Vorerst ziehe ich ein Exzellent und dazu kommen für die, die eine Zahl brauchen 94+ nach meinem Bewertungsschema. Außerdem der Vorsatz, wenn ich mal wieder in Arbois bin, die Domaine doch mal vor Ort zu besuchen...
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
jetzt mit richtiger Startseite...
Benutzeravatar
thvins
Administrator
Beiträge: 5109
Registriert: Mo 28. Jun 2010, 15:29
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Coswig /Anhalt, Sachsen-Anhalt
Kontaktdaten:

Re: Jura

Beitrag von thvins »

Bernd Schulz hat geschrieben:Hallo Torsten,

wenn ich ehrlich bin, habe ich in meinem Leben nicht mehr als 5 oder 6 Jura-Weine getrunken. :oops:

Deutlich besser als der d´Arlay gefiel mir aber seinerzeit ein Cotes du Jura, den ich mal von Gebietskennern geschenkt bekommen habe:

Bild

Der hatte, wenn ich mich richtig erinnere, nicht diese Aromatik von grünen Nüssen und leicht angeschlagenen Äpfeln...

Viele Grüße

Bernd
Hallo Bernd,

endlich war nun dieser Wein erstmals im Glas bei mir. Zum Essen deutlich besser - gegen Ende kam die Säure ein wenig zu stark raus und zugleich wurden Nase und Gaumen flacher. Allerdings hatte ich schon deutlich die typischen grünen Walnüsse, daneben auch Morchel und dann doch auch etwas mürbe und säuerliche Äpfel. Weniger rustikal als andere Weine dieser Spezies - ein typischer Côtes du Jura Tradition mit seinen oxydativen Noten, aber zugleich bemerkt man die Eleganz der Weine aus Château-Chalon. Langer, eher sanfter Nachhall.

Bestens zu einem Auflauf aus Kartoffelbrei, Zwiebeln, Erbsen, Creme Fraiche und Comté mit gebratenen Scheiben von der Saucisse de Morteau.

Für mich ein sehr guter Wein an der Obergrenze nahe zum Exzellenten Wein, aber wohl auch noch ein wenig zu jung. 92+/100 Th.
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
jetzt mit richtiger Startseite...
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Jura

Beitrag von octopussy »

thvins hat geschrieben: Zum Essen deutlich besser - gegen Ende kam die Säure ein wenig zu stark raus und zugleich wurden Nase und Gaumen flacher. Allerdings hatte ich schon deutlich die typischen grünen Walnüsse, daneben auch Morchel und dann doch auch etwas mürbe und säuerliche Äpfel. Weniger rustikal als andere Weine dieser Spezies - ein typischer Côtes du Jura Tradition mit seinen oxydativen Noten, aber zugleich bemerkt man die Eleganz der Weine aus Château-Chalon. Langer, eher sanfter Nachhall.

Bestens zu einem Auflauf aus Kartoffelbrei, Zwiebeln, Erbsen, Creme Fraiche und Comté mit gebratenen Scheiben von der Saucisse de Morteau.

Für mich ein sehr guter Wein an der Obergrenze nahe zum Exzellenten Wein, aber wohl auch noch ein wenig zu jung. 92+/100 Th.
Den 2006er hatte ich noch nicht, aber der 2007er war vor einer Weile ganz anders - ohne mürbe Apfelaromen, dafür eher "dunkel" in der Aromatik (greift vielleicht die Morcheln auf ;)). Das tolle an diesen Weinen finde ich ja neben ihrer Eigenschaft als gute Essensbegleiter, dass sie - Einbildung oder nicht - die lokale Küche aromatisch schon aufzugreifen scheinen: Morcheln, Wal- und Haselnüsse, Äpfel. Das finde ich wirklich sympathisch.
Beste Grüße, Stephan
Benutzeravatar
thvins
Administrator
Beiträge: 5109
Registriert: Mo 28. Jun 2010, 15:29
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Coswig /Anhalt, Sachsen-Anhalt
Kontaktdaten:

Re: Jura

Beitrag von thvins »

Ja Stephan, für mich ist es auch immer wieder eine der genialsten Sachen, die regionale Jura-Küche, die ich sehr mag und diese Weinen - die ich ebenso mag, miteinander zu kombinieren. Da beides recht speziell ist, passt es wohl um so besser zusammen...

Gerade, wenn es hier mal wieder Morbier oder Comté im Angebot gibt, bin ich immer gern versucht, küchentechnisch etwas damit anzustellen. Andere Zutaten (und aber auch die ganzen Rezeptideen - da liegen ja überall im Jura so schöne Blättchen zum Sammeln aus...) muss man sich eben immer reichlich aus Frankreich mitbringen, am Besten aus der Region selbst, wie eben auch die Weine, deren Auswahl ja bereits im übrigen Frankreich arg beschränkt ist.

Ich habe leider feststellen müssen, das ich eigentlich schon wieder zu wenig Juraweine im Keller habe - z.B. steht für dieses Jahr nicht ein einziger Vin Jaune auf der Liste der zu trinkenden Weine. Armes 2014...


Im Übrigen fand ich es sehr bemerkenswert, dass bei dem Côtes du Jura von Macle auch jene Art von Eleganz zum Tragen kam, die man bemerkt, wenn man einen Château Chalon Vin Jaune neben Vin Jaunes aus anderen Ecken des Jura trinkt...
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
jetzt mit richtiger Startseite...
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Jura

Beitrag von octopussy »

Letztes Wochenende habe ich auf dem Markt bei meinem bevorzugten Käsehändler einen Vacherin de Haut Doubs von einem MOF (Meilleur Ouvrier de France) ergattern können. Es war ein Prachtexemplar: reif bis sehr reif, schon ein wenig scharf im Geschmack (in Richtung Epoisses), sahnig und cremig, herb und salzig. Wir haben ihn aus dem Ofen mit Kartoffeln gegessen und dazu einen 2001 Arbois Tradition der Domaine Rolet getrunken. Das das gut gepasst hat, muss ich eigentlich kaum erwähnen. Hier hat es aber besonders gut gepasst, die Salzigkeit des Käses und die Salzigkeit des Weins haben sich toll ergänzt und nicht verstärkt, sondern eher miteinander harmonisiert. Große Klasse.


Bild
Beste Grüße, Stephan
Antworten

Zurück zu „Ostfrankreich“