Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Von A wie Aldi bis Z wie Zielpunkt
Bernd Schulz
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von Bernd Schulz »

Hallo Ulli,
Praktisch alles, was da in großen Quantitäten für den Massenmarkt hergestellt wird, ist belanglos bis einfach nur mies.
Das mag so sein - wobei sich dann trotzdem die Frage stellt, warum der Rolland von diversen Weinjournalisten so hochgeschrieben wird. Nach der Lektüre von Mario Scheuermanns oder Jens Priewes Zeilen erwartet der geneigte Leser dann eben doch eine etwas andere Qualität als die, die man dann tatsächlich im Glas vorfindet.
das hier ist Bordeaux, und da wird es bei Preisen unter 10 Euro für die Flasche leider ganz schwierig
Nein, nicht unbedingt. Im Bordelais gibt es viele unbekannte Winzer, die nur sehr mäßige Preise für ihre Produkte erzielen können, und unter diesen Erzeugern findet man etliche, die keinen ganz schlechten Wein machen. Folgerichtig hat fast jeder Fachhändler einen ordentlichen, den Rolland jedenfalls locker schlagenden BDX für weniger als 10 Euro im Programm. Als Exempel möge dieser bei Pinard de Picard erhältliche Bordeaux Superieur dienen:

http://www.pinard-de-picard.de/katalog/ ... 06500.html

Angesichts solcher Produkte ist es ein absoluter Witz, zu behaupten, in der 7,99-Euroklasse gäbe es kaum Besseres als den Rolland (oder mit 87 Punkten um sich zu werfen). Es gibt genug Besseres - und zwar auch in punkto BDX. Allerdings nicht unbedingt im EDEKA (wobei ich den für REWE produzierten Cour du Roy für 4,59 auch tendenziell besser finde als den Rolland :mrgreen:).

Viele Grüße

Bernd
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octopussy
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von octopussy »

UlliB hat geschrieben:das hier ist Bordeaux, und da wird es bei Preisen unter 10 Euro für die Flasche leider ganz schwierig - im Regelfall ist da die Qualität ziemlich mau und das PLV demzufolge lausig. Wenn man sich sehr gut auskennt und beim Kauf selektiv vorgeht, kann man auch in diesem Preissegment etwas gutes finden, aber nur dann. Praktisch alles, was da in großen Quantitäten für den Massenmarkt hergestellt wird, ist belanglos bis einfach nur mies. Ganz besonders gilt das, wenn der Jahrgang an sich problematisch ist (qualitative Jahrgangsschwankungen sind in Bordeaux trotz anders lautender Gerüchte ganz enorm groß).
Hallo Ulli,

recht geben möchte ich dir darin, dass viele für den Massenmarkt hergestellte Bordeaux lausig sind und über ein lausiges PGV verfügen. So habe ich zum Beispiel vor Jahren verschiedene Médoc oder Haut-Médoc Cru Bourgeois aus dem Lidl und Aldi probiert (Preis meist um die 5 oder 6 Euro) und war nie sonderlich überzeugt. Das Problem ist m.E. weniger, dass es gute Bordeaux unter 10 Euro nicht gibt, sondern vielmehr, dass es an entsprechendem Feedback über die Qualität fehlt. Der mediale Fokus richtet sich so stark auf die Weine, die in der Subskriptionswoche und später bei den Arrivage-Proben probiert werden, dass "der Rest" verständlicherweise nicht auch noch getestet und beschrieben werden kann.

Ich war schon lange nicht mehr vor Ort, aber die letzten Male war ich doch erstaunt, was es in der Preisklasse unter 10 Euro so alles grundsolides bis gutes aus den Randappelationen wie Bordeaux AOP, Côte de Bourg, Côte de Blaye, usw. gibt. Das sind keine Wunderweine, keine Frage. Aber ich kann nicht erkennen, dass das PGV bei Bordeaux in der Preisklasse unter 10 Euro nennenswert schlechter wäre als das von Weinen aus dem Midi oder von der südlichen Rhône. Hier zwei Beispiele für m.E. ausgezeichnete Bordeaux in der kleinen Preisklasse (beide vor ein paar Jahren gekauft bei Andromeda Weine):

Aus dem Hause Magrez:

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Aus dem Hause Delbos:

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Beste Grüße, Stephan
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thvins
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von thvins »

Ulli, das Problem ist nicht, in Bordeaux nichts Vernünftiges für unter 10 € zu finden - gut, man muss von den bekannten 200, 300 Namen wegrücken und sich die Mühe machen, etwas zu entdecken und das dann auch einzukaufen...

Mein letzter Guide Hachette ist zwar der 2010er, aber der ist voll von Weinen des Bordelais in der PK 5 bis 8 €, z.T. drunter. Viele davon mit einem oder 2 Sternen - ich wage mal zu behaupten, dass die zumeist besser sind als der Rolland - Wein. Sie haben vielleicht nicht den wohlklingenden Namen Rolland hinter sich, aber die Qualität und das PGV stimmen. Und nur das ist entscheidend. Dahinter stehen vielfach Winzerfamilien, die nicht vom Bordeauxboom profitieren konnten, für die es im Gegenteil schwer ist, ihre Weine an den Mann zu bringen. Und von dieser Schere -> Boom und Krise berichteten auch schon jene renommierten deutschen Weinjournalisten...

Derartige Weine lassen sich in französischen Supermärkten auch problemlos finden, oft sogar mit dem Guide Hachette, der vielfach zum Benutzen im Regal liegt - oder auch durch jene Halsmanschetten mit dem Hinweis darauf...

Nur solange in Deutschland da auf die große Retortenfabrik, die gut versteckt im Elsässer Wald liegt, gesetzt wird, statt einen vernünftigen Einkäufer zu beauftragen, vor Ort die Perlen zu picken und diese Weine zu kaufen, auch wenn dann vielleicht nicht ein Wein für alle Filialen machbar ist, sondern man regional oder wie auch immer splitten müsste, solange wird es bei der mauen Qualität bei deutschen Supermarktbordeaux´s bleiben.

Ich erinnere mich noch an die ersten Jahre nach der Wende - sehr schnell lernte ich, die Etiketten zu lesen und alles auszusortieren, wo "mis en bouteille á Petersbach" draufstand. Und das stand bei den meisten Pullen, egal welchen Supermarktes drauf. Nach den ersten schmerzhaften Erfahrungen mit Petersbach-Flaschen hab ich das Zeug lange vor der Internet - Zeit gescheut wie der Teufel das Weihwasser.

Und weil es vielen so ging, hat man irgendwann nicht mehr Petersbach geschrieben, sondern dessen Postleitzahl. Und mal ehrlich, wer behält diese schon im Kopf? Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen, die Crux aber ist geblieben...

Aber wieso sollte man sich auch im deutschen LEH grundlegend ändern, da das Marketing mit Rolland und bezahlten Bloggern bestens funktioniert, wird man da auch in ´zig Jahren noch derart weiter machen. Wir paar Hanseln in einem Weinforum, die hier debattieren, sind doch völlig zu vernachlässigen. :o :shock: Wir haben doch nur wegen dieser gemeinsamen Flasche Idee mal einen Wein aus dem LEH gekauft - und es zumeist zwar bereut, aber wir sind doch eh nicht LEH-Stamm-Weinkunden... 8-) :ugeek: ;)
Beste Grüße

Torsten

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sociando
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von sociando »

thvins hat geschrieben:Wir paar Hanseln in einem Weinforum, die hier debattieren, sind doch völlig zu vernachlässigen. :o :shock:
wirklich? wenn man in deutschland "rolland bordeaux edeka" googelt, kommt dieser thread hier an vierter stelle, nach zweimal edeka und dem cptn.

...darf man sich jetzt also hingerissen fühlen und festhalten: der wein ist im forum hier grunsätzlich gefloppt?? oder um mit der bibel zu sprechen: "gewogen und für zu leicht befunden" (zu leicht im geschmack - nicht im gewicht der flasche ;-) )?
es lebe die freiheit! es lebe der wein!
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von austria_traveller »

sociando hat geschrieben:wirklich? wenn man in deutschland "rolland bordeaux edeka" googelt, kommt dieser thread hier an vierter stelle, nach zweimal edeka und dem cptn.
Das mag ja alles sein, aber die meisten Menschen müssen einen Wein nicht googeln, bevor sie ihn kaufen. ;)
Beste Grüße
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von susa »

Und die Googleergebnisse richten sich nach dem persönlichen Surfverhalten des Googlers und sagen nichts über ein objektives Ranking. Wenn ich am Familientablet google, kommen wir erst an 8. Stelle, noch hinter Scheuermann.
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von priewe »

Den Kommentar von Olli verstehe ich nicht. Wenn ich schreibe, mehr Wein für 7,99 Euro gibt es nicht in Bordeaux, ist das doch eine conclusion, oder? Und für Geld schreibe ich nicht auf weinkenner.de. Das nur nebenbei (für Edeka-Geld schon gar nicht). Also nur Blabla, dieser Kommentar. Und wenn Bernd Schulz von einer "journalistschen Bankrotterklärung" schreibt, dann hängt er sich ziemlich weit aus dem Fenster. Würde aus seinem offenbar grossen Wissensfundus gern mal einen Bordeaux dieser Preiskategorie genannt bekommen, der besser oder gleich gut ist. Die Zweifel wegen des Preises, die thvins ausdrückt, kann ich dagegen nachvollziehen. Die habe ich auch. Und UlliB kann ich nur beipflichten. Dass sich offenbar mehrere Leute, die den Wein probiert haben, nicht trauen sich klar gegen ihn auszusprechen, ist vielleicht ein kleines Indiz dafür dafür, dass dieser Rolland-Bdx nicht so schlecht ist, wie die einige Teilnehmer hier tun. Mir scheint, im Forum tummelt sich eine oder andere Mini-Parker, für den schon der Name Michel Rolland ein rotes Tuch ist.
Im Übrigen geht es, wenn man beruflich über Wein schreibt, nicht darum, ob einem der Wein persönlich schmeckt oder nicht. Das interessiert die Leser/User in der Regel nicht. Die wollen wissen, ob ein Wein gut ist bzw. wie gut er ist. Bei mir landete zum Beispiel der grösste Teil des Flascheninhalts im Ausguss. Trotzdem kann man ja zugeben, dass dieser Edeka-Wein seine Qualitäten hat. Finde ich.
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Gerald
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von Gerald »

Für mich als unbeteiligten Beobachter (der Wein war ja in Österreich nicht erhältlich) fällt vor allem der recht deutliche Unterschied in der Bewertung zwischen zwei Gruppen auf: diejenigen, die den Wein zugeschickt bekommen haben (Weinjournalisten und einige Blogger) und diejenigen, die ihn als "normale" Konsumenten in einer Filiale erstanden haben.

Wobei natürlich auch die erste Gruppe nicht behauptet hat, dass es sich um einen Top-Bordeaux handelt, aber dass er seine 7,99 mehr als wert ist, was die zweite Gruppe bestreitet.

Woher kommen diese Unterschiede? Erklärungsmodelle dafür gibt es mehrere (z.B. unterschiedliche Chargen, was in F ja laut Ulli erlaubt ist - oder dass ein Profi es sich mit Rolland nicht verscherzen kann etc.). Das Thema selbst ist aber sehr interessant und wäre sicher eine tolle Basis für eine Recherche - falls jemand den Mut hätte, das "heiße Eisen" überhaupt anzufassen. Denn die aktuelle Diskussion über die FX Pichler-Weine ist ja irgendwie auch nach demselben Schema gelaufen ...

Grüße,
Gerald
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Birte
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von Birte »

priewe hat geschrieben:Im Übrigen geht es, wenn man beruflich über Wein schreibt, nicht darum, ob einem der Wein persönlich schmeckt oder nicht. Das interessiert die Leser/User in der Regel nicht. Die wollen wissen, ob ein Wein gut ist bzw. wie gut er ist. Bei mir landete zum Beispiel der grösste Teil des Flascheninhalts im Ausguss. Trotzdem kann man ja zugeben, dass dieser Edeka-Wein seine Qualitäten hat. Finde ich.

Aha, was für den eigenen Gaumen nicht taugt, ist für das gemeine "Trinkschwein" immer noch gut genug. ;) Oder wird ein allgemein gültiges Bewertungsschema zugrunde gelegt? Stelle ich mir sehr schwierig vor, den eigenen Gaumen so raus zu halten.
Bei mir landete zum Beispiel der grösste Teil des Flascheninhalts im Ausguss.
Den Satz unter einem Ihrer Artikel, da möchte ich aber mal sehen, was los ist.
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UlliB
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Re: Michel Rolland bei Edeka. Na, wer traut sich?

Beitrag von UlliB »

Birte hat geschrieben:
Bei mir landete zum Beispiel der grösste Teil des Flascheninhalts im Ausguss.
Den Satz unter einem Ihrer Artikel, da möchte ich aber mal sehen, was los ist.
Ich denke, das gilt ehrlicherweise für fast alles, was professionelle Verkoster im Laufe der Zeit verkosten. Wenn die alles austrinken würden, was sie ins Glas bekommen, wären sie vermutlich nach einem halben Jahr tot.
Birte hat geschrieben: Aha, was für den eigenen Gaumen nicht taugt, ist für das gemeine "Trinkschwein" immer noch gut genug. ;)
Birte,

soweit ich mich erinnere, warst Du hier vor kurzem noch ein glühender Verfechter der Inklusion, d.h. der verbal moderaten Behandlung von Profis. Entspricht dieser Beitrag so etwa dem Stil, den Du Dir dafür vorstellst? :shock:

Gruß
Ulli
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