Nachdem ich in den letzten Monaten einige 2003er im Glas hatte, gab es letztes Wochenende Gelegenheit zu einer etwas systematischeren Verkostung.
Die Kandidaten:
Pontet-Canet Pauillac 5e GCC,
Pichon Baron Pauillac 2e GCC,
Cos d’Estournel St.Estephe 2e GCC,
Montrose St.Estephe 2e GCC,
Lafite Rothschild Pauillac 1er GCC. Die Weine kamen undekantiert mit ca. 17 Grad ins Glas und wurden zusammen mit zwei Weinfreunden über rund zwei Stunden verfolgt (Tag 1), dabei verblieb rund die Hälfte des Inhalts in den Flaschen, die wieder kühl gestellt wurden. Einen Teil davon habe ich am nächsten Abend (Tag 2) und den Rest am vierten Tag verkostet (Tag 4).
Pontet-Canet 2003 13% Vol.
Tag 1 - Absolut jugendliche Farbe, dunkel bis an den Rand. Unerwartet schlank und straff, gar etwas kühl, Cassis, sehr klassisch Pauillac. Aus dem Gesamtpaket spitzt die Säure etwas hervor und ist nicht sehr gut eingebunden. Hätte ich blind niemals für einen 2003er gehalten.
Tag 2 - Keine wesentliche Veränderung. Die Säure wirkt jetzt ein wenig besser eingebunden. Bleibt schlank.
Tag 4 - Keinerlei Ermüdungserscheinungen. Jetzt sehr harmonischer, feiner Wein, schön, aber schlank; frisch. 2003? Blind wohl eher 2004 oder 2001, aber das Etikett ist eindeutig: 2003. Sehr fein, aber definitiv kein Blockbuster. Keine Eile.
Pichon Baron 2003 13,5% Vol.
Tag 1 - In der Farbe deutlich reifer als der Pontet Canet; granatroter Rand. In der Nase wesentlich voluminöser, aber auch hier reifer; warmes Unterholz, Backpflaume, ein Hauch Rumtopf. Satter, voluminöser Gaumen, vielleicht ein wenig träge, aber stets als Bdx zu erkennen. Schon mehr das, was man von einem Hitzejahr wie 2003 erwartet.
Tag 2 - Der Rumtopf verstärkt sich, erste zarte Oxidationsnoten.
Tag 4 - Der Wein zerfällt. Die Frucht ist verschwunden, statt dessen Herbstlaub und altes Möbel; deutliche Oxidationsnoten.
Bei einer Einzelflasche ist es immer eine Frage, inwieweit diese repräsentativ ist – wenn sie das aber war (Korken und Füllstand waren jedenfalls erstklassig), würde ich empfehlen, den Wein aus Normalflaschen in den nächsten zwei bis drei Jahren auszutrinken; da geht nichts mehr.
Cos d’Estournel 2003 13,5% Vol.
Tag 1 - Als Jungwein war der CdE 2003 geradezu unglaublich verführerisch, vielleicht nicht wirklich Bdx-typisch, aber mit perfekten Rundungen genau an den richtigen Stellen, zum kistenweise wegsaufen. Etwas davon ist immer noch da; der Wein ist seinen dichten, aber weichen Tanninen und seiner üppigen Frucht immer noch ein Charmeur, hat aber mittlerweile einiges von seinem Babyspeck abgeworfen und im Gegenzug an Definition gewonnen. Immer noch ein
crowd pleaser, aber einer auf höchstem Niveau.
Tag 2 - Noch etwas präziser. Keine Ermüdungserscheinungen.
Tag 4 - Noch weniger Fett, dafür noch mehr Bordeaux. Große Klasse, und nach über einem Jahrzehnt Funkstille auf den Gut auch unzweifelhaft ein wirklich großer Cos, obwohl der Wein außer dem Etikett mit den Cos-Legenden der 80er nicht mehr allzu viel gemeinsam hat. Keine Eile.
Montrose 2003 13% Vol.
Tag 1 - Wurde bereits
en primeur als einer des Superstars des Jahrgangs gehandelt, und das völlig zu Recht. Immer noch sehr dunkel, fast schwarz. Extrem präzise, dichte, dunkle Frucht, tief strukturiert, frische Säure; versammelt, aber noch nicht völlig verbunden.
Tag 2 - Praktisch unverändert.
Tag 4 - Steht wie ein Fels. Zur Frucht gesellen sich jetzt noch ein paar faszinierende florale Obertöne; wirkt bei aller Dichte schon beinahe subtil. Ganz großer Wein. Noch etwas zuwarten dürfte sich lohnen.
Lafite Rothschild 2003 12,5% Vol.
Tag 1 - Deutlich heller als der Montrose, etwas gereifte Farbe. Bekam im April 2006 einhundert Parker-Punkte: wo bitte kommen die denn her? Da ist zunächst einmal: Holz. Viel Holz, süß und balsamisch. Dahinter durchaus feine Frucht, kann im Gaumen im Hinblick auf die Struktur nicht mit dem Montrose mithalten, in Bezug auf die Dichte auch nicht mit dem Cos. Der Wein kämpft mit dem Holz und verliert. Was soll das?
Tag 2 - Etwas ausgewogener, aber das Holz nervt immer noch.
Tag 4 - Oh. Ooooch…

Das Holz ist verschwunden, weiß der Geier, wohin, und hat einem wirklich sublimen Wein Platz gemacht. Ein Garten aus 1001er Nacht – orientalische Gewürze, Blüten, warme Erde, ein zarter Hauch Bitterschokolade; alleine das Riechen braucht Minuten. Kann im Hinblick auf seine Struktur dem Montrose nicht annähernd das Wasser reichen; aber was Komplexität und Vielschichtigkeit betrifft, ist er allen anderen Weinen der Verkostung weit überlegen. Uff. Hat Parker
das so früh sehen können? Falls ja, ziehe ich in Ehrfurcht den Hut. Wer den Wein im Keller hat: trotz des absurden Preises
nicht an die Chinesen verkaufen, sondern selber trinken, nach vieeel Zeit in der Karaffe – oder besser noch ein paar Jahre warten.
Gruß
Ulli