Biodynamischer Weinbau

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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Gerald
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Gerald »

Aber einen Satz, dass man einfach mal der Erfahrung des Winzers vertrauen soll, den halte ich doch für sehr blauäugig.
Vor allem wenn man bedenkt, dass das Wissen der Bauern über den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln meist von den Herstellern dieser Produkte vermittelt wird - in deren Interesse es ganz bestimmt liegt, dass ihre Pestizide möglichst sparsam eingesetzt werden :o

Grüße,
Gerald
MichaelWagner
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von MichaelWagner »

und wie kommst Du dazu im Umkehrschluss dem Zertifizierer solch großes Vertrauen zu schenken?

Wenn wir beim Thema Bio bleiben, hatten wir da im Lebensmittelbereich in 10 Jahren mehr Skandale als in der Geschichte des Weinbaus...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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Gerald
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Gerald »

Sicher ist eine Zertifizierung bestimmt nicht das Wundermittel, man kann bestimmt über die Kriterien trefflich streiten. Aber es verhindert wenigstens, dass sich sonst jeder Winzer einfach selbst für "bio" erklärt - nach dem Motto "Lieber Kunde, vertrau mir doch, ich weiß ganz genau, was richtig und was falsch ist" ...

Grüße,
Gerald
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Markus Vahlefeld
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Natürlich übertreibe ich jetzt: aber meine Erfahrung sagt mir, dass ich keinem Winzer a priori trauen würde. Die meisten erzählen den Kunden das, was sie hören wollen. Der Begriff des Bauernschlauen kommt ja nicht von Ungefähr.

Natürlich kann auch jeder Bio-Winzer schummeln. Aber bei kleinen und überschaubaren Betrieben, wie es die meisten Privatweingüter in D sind, ist Schummeln allein schon deswegen schwierig, weil die Winzer untereinander so viel Klatsch und Tratsch verbreiten, dass ein bio-zertifizierter nicht-bio Wingert sofort auffallen und Inhalt des Klatsches würde.

Und dieses "ich könnte eigentlich bio draufschreiben" reicht mir persönlich nicht. Denn in schwierigen Jahren werden dann doch Botrytizide gespritzt, die ich - um ehrlich zu sein - für die größte Pest im Weinbau halte. Nicht nur, dass sie meist als letztes und fast nie ganz rückstandsfrei angewendet werden, sie jubeln dem Konsumenten auch die Lüge unter, dass die Trauben noch bei spätester Lese gesund sein können. Die meisten Nicht-Bios verfahren so und schicken dann im November noch bunte Bilder herum, die kerngesunde Trauben zeigen. Tollll!
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Charlie
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Charlie »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
Charlie hat geschrieben: Es müsste ein Experiment denkbar sein, mit dem man beweisen könnte, dass die Aussage nicht stimmt, wenn sie nicht stimmt. Wie könnte ein solches Experiment aussehen?
Hm... welches Experiment könnte denn widerlegen, dass 2 und 2 = 4 ist?
Hab mich wohl schlecht asugedrückt. Bei obiger Behauptung (2+2=4) kann man sich ein Experiment überlegen mit dem sicher erkennen würde, wenn das nicht stimmen würde. Experiment: nimm 2 Äpfel -> lege 2 dazu -> zähle alle Äpfel zusammen. Wenn hier nicht 4 rauskommt, ist die Behauptung falsch. Man macht solche (Gedanken)experimente um festzustellen, ob eine Behauptung überhaupt überprüfbar ist. Denn wenn sie nicht überprüfbar ist, braucht man sich erst gar keine Gedanken zu machen, ob die Behauptung stimmt. Solche Behauptungen gehören dann einer anderen Sphäre an. Können aber durchaus wahr oder falsch sein. Sie sind nur anders zu nehmen und zu verstehen als falsifizierbare Behauptungen. Bsp: "brauner Gürtel und schwarze Schuhe passen zusammen", oder "Gott liebt dich" oder eben "im Horn ist astralische Energie gespeichert".
MichaelWagner
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von MichaelWagner »

ist schon richtig, Gerald. Aber mittlerweile ist das Thema Bio im Lebensmittelbereich so verwässert/belastet, dass das Vertrauen auch hier schon weg ist. Die Lösung heisst dann Biodyn. Dann wird wieder rumzertifiziert und das Ergebnis in 10 Jahren ist das Gleiche. Problem bleibt dann an dem Winzer kleben, der die Investitionen in die Betriebsumstellung geschultert hat. Der Zertifizierer freut sich natürlich über die wachsende Verunsicherung & Umsätze.

Mir persönlich bietet eine Zertifizierung egal welcher Art und in welchem Lebensmittelbereich keine zusätzliche Sicherheit. Ich kümmere mich lieber selbst darum, dass meine Lebensmittel vernünftig zusatnde kommen.

Was spricht dagegen mal schauen zu gehen was der Winzer so treibt. Gerade die professionelle Schicht hier im Forum ist doch ohnehin oft genug auf Weingütern unterwegs. Man muss ja nicht den gesamten Aufenthalt im Verkostungsraum zubringen. Den Einsatz von Herbiziden erkennt jeder Laie und wie bspw. gedüngt wurde hat man auch schnell raus.

was die Winzer angeht hat sich das Bild deutlich gewandelt. Die Betriebe die auf Flaschenweinvermarktung setzen und eine entsprechende Qualität liefern müssen sind längst mit gut ausgebildeten Personal besetzt, dass sich nicht von irgendeinem Chemiekonzern Unsinn verkaufen lässt - allein schon aus Kostengründen wird sehr viel mehr auf "Weglassen" geachtet.

@Markus: das ist schon richtig, damit muss die derzeitige Winzergeneration wohl leben. Heisst aber nicht, dass sie so arbeitet. Was den Klatsch angeht: ist nicht mein Stil. Und Botrytizide habe ich meinen Lebtag noch nicht gespritzt. Ich freue mich über Botrytis. Fällt mir noch ein: in schwierigen Jahren bekommen auch die Bios immer Sondergenehmigungen...

Ist, meine Sicht der Dinge

PS: brauner Gürtel und schwarze Schuhe passen zusammen? Kommt auf die Frisur an :lol:
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Alas
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Alas »

Hallo!
MichaelWagner hat geschrieben:Wenn wir beim Thema Bio bleiben, hatten wir da im Lebensmittelbereich in 10 Jahren mehr Skandale als in der Geschichte des Weinbaus...
Im konventionellen Weinbau ist der Skandal ein Normalzustand.
Welcher Kunde weiß schon, dass auf den 0.8 Prozent der deutschen landwirtschaftlichen Fläche, die der Weinbau ausmacht, 13,2 % der Pestizide verteilt werden? (2008)

Gruß

Alas
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MichaelWagner
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von MichaelWagner »

Bei aller Liebe - wo kommen denn diese zahlen her. An der Mosel bspw werden seit Jahrzehnten werden NullKommaNull Pestizide mehr angewandt. Man nutzt Pheromonfallen die in die Stöcke gehangen werden und gut ist. Null Umweltbelastung.

Würde mich mal interessieren wer solche Zahlen veröffentlicht???

gruß, M.
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C9dP
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von C9dP »

Helfen die Fallen denn auch gegen Pilzbefall??? Oder gibt es den an der Mosel nicht?
Viele Grüße

Aloys
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Gerald
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Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Gerald »

Hallo Michael,
An der Mosel bspw werden seit Jahrzehnten werden NullKommaNull Pestizide mehr angewandt. Man nutzt Pheromonfallen die in die Stöcke gehangen werden und gut ist
ich fürchte, du hast Pestizide mit Insektiziden verwechselt. Pestizide sind der Überbegriff für alle (synthetischen) Pflanzenschutzmittel:

http://de.wikipedia.org/wiki/Pestizid

Und von solchen wird garantiert an der Mosel mehr als genug verwendet.

Ich kann mir die Zahlen von Alas schon gut vorstellen. Der Weinbau ist meines Wissens die Kultur mit dem zweithöchsten Pestizidverbrauch pro Hektar (nach Getreide).

Grüße,
Gerald
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