Eine steile These ist ja in erster Linie eine gute Diskussionsgrundlage. Besonders interessant an der Vorlage finde ich auch den vergleichenden Blick der Winzer und wohl auch Konsumenten ins Ausland. Ob es zu einer Vermischung der Klassifikationen kommt, das wage ich nicht zu beurteilen. Das stilistische Nacheifern, das scheint mir jedoch durchaus zuzutreffen. Die Vermutung liegt nahe, dass der dt. Rotwein deutlich mehr in Konkurrenz zu ausländischen Weinen steht als deutscher Weisswein. Viele Weinkonsumenten greifen dabei ohne grosse Recherche zu Weinen aus der Neuen Welt bzw. Weinen aus den mediterranen Ländern, also Personen, die weniger Zeit und weniger Geld für Wein aufwenden als die meisten hier im Forum (so das Ergebnis einer soziologischen Studie zum Weinkonsum bzw. verschiedenen Weinkonsumenten). Ein wuchtiger Spätburgunder scheint mir hier durchaus gut anzukommen und eine Art Tor zur Deutschen Rotweinwelt darzustellen. Ich habe es oft erlebt, dass ein Knipser oder Kuhn gerade wegen dieser Kraft und Fülle und wegen des Barriqueeinsatzes als positive Überraschung - was, der kommt aus Deutschland?! - wahrgenommen wurde und überhaupt erst das Interesse für deutschen Rotwein geweckt hat. Und: was wuchtig ist, das darf auch etwas Kosten. Zudem scheinen sich diese Weine ja auch gut zu verkaufen, sonst hätten viele Winzer sicher nicht die Preise so stetig erhöhen können bzw. die Preise für die Flagschiffe sogar deutlich reduzieren müssen. Ich wage daher die Behauptung, dass auf dem Markt da draussen (und nicht hier im Forum) der dt. Spätburgunder weniger mit dem frz. Burgunder konkuriert, sondern häufig mit Weinen aus wärmeren Anbaugebieten, die beim Gros der Rotweintrinker hoch im Kurs stehen. Die Rebsorte spielt dabei vielleicht gar keine so grosse Rolle. Das würde dann heissen, dass der dt. Rotwein, der ja meist als socher erkennbar bleibt, versucht ein Spanier zu sein, was ihm freilich weder gelingt, noch gelingen kann oder gelingen muss. Aber Urlaubsstimmung kommt schon auf, so erkläre ich mir zumindest den ökonomischen Erfolg von Winzern wie Markus Schneider, dessen Weine m.W. oft auf 14 % aufgezuckert werden, weil sie dann gut ankommen, gerade auch in der Gastronomie. "Internationaler Stil" heisst es dann oft, was als (Ver-)Kaufsargument gemeint ist. Die Diskussionen hier im Forum zu diesem Thema wären dann nichts anderes als ein Minderheitendiskurs.Einzelflaschenfreund hat geschrieben:Ich finde, langsam aber sicher wird es Zeit für eine steile These.
Das ist aber alles nur eine vage Vermutung, die ich nicht empirisch belegen kann.
So ist das leider auch mit meiner zweiten Vermutung: Die fetten Jahre sind vorbei - was für mich eine gute Nachricht wäre. Wenn mich nicht alles täuscht, dann finden sich in den letzten zwei, drei Jahren etwas weniger Spätburgunder mit 14 oder sogar noch mehr Vol/% auf den Preislisten dt. Weingüter. Ob das dann an den Jahrgängen liegt oder bereits ein Trend ist, das bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist das Interesse an deutschem Rotwein in den letzten Jahren wohl gewachsen und dann müssten die Winzer und Weine doch nicht mehr gar so laut sein, um vom Kunden wahrgenommen zu werden. Wenn das dazu führen würde, dass die Weine auch etwas gelassener werden und nicht gar so bemüht gross oder etwas anderes sein wollen, ich würde mich freuen.
Viele Grüsse
Klaus