Hallo,
also dann fasse ich mal das bisher Gesagte kurz zusammen:
1.) Der MR ist schlicht zu klein. Mit nicht einmal 500 Hektar ist es völlig unmöglich, den renommierteren Regionen konkurrieren zu wollen.
2.) Der MR ist ein infrastrukturell verlorenes Tal und schwer erreichbar.
3.) Der MR zieht einen Tourismus an, der mit Weinqualität und gehobenem "Genusstourismus" wenig zu tun hat. Es fehlt an Top-Gastronomie. Man hat sich damit viel zu lange begnügt, und jetzt ist der Zug erstmal abgefahren.
4.) Es gibt beim MR keine schnelle assoziative Zuordnung in punkto Stilistik wie bei Mosel oder Rheingau. Die Weine sind oft nicht schlecht, aber auch nicht besonders profiliert. Es fehlt der Mut zum Risiko zu einem kompromisslosen Stil.
5.) Selbst die besten Lagen des MR gehören nicht zu den absoluten Spitzenlagen Deutschlands.
6.) Versuche wie die Einführung von "Charta-Weinen" sind eher fragwürdig und ihr Erfolg zweifelhaft.
Und jetzt gebe ich noch meinen Senf dazu
:
Zu 1.) Für mich auch einer der Hauptgründe für die Situation des MR. Daran wird sich aber nichts Substanzielles ändern. Man ist ja froh, dass die Rebflächen nicht weiter zurückgehen. Partiell gibt es ja sogar Rekultivierungen. Man wird aber ein sehr kleines Anbaugebiet bleiben. Es muss also aus dem, was da ist, mehr rausgeholt werden.
Zu 2.) Dieser Punkt leuchtet mir nicht ganz ein. Schwer erreichbar. Wie man‘s nimmt. Züge aus den Richtungen Rhein/Main und Köln fahren soweit ich weiß stündlich, man muss allerdings, so war es noch im letzten Sommer, in Bingen bzw. Koblenz umsteigen. Das kann aber doch nicht das Problem sein. Das Problem liegt vielleicht eher daran, dass man als Frankfurter den Rheingau vor der Haustür hat, die Kölner kommen schneller an die Ahr, auch die Mosel ist nicht weit. Wobei wir bei Punkt 3.) wären.
Zu 3.) Sehe ich auch als Problem. Die Jahrzehnte lange Funktion als Abfüllort für Kegeltruppen und das daraus resultierende Gastronomie- und Wein-Niveau hat ihre Spuren hinterlassen. Ganz wird man sich von dieser Zielgruppe nicht abwenden wollen, sie bringt ja auch wichtiges Geld. Gleichzeitig müsste eine Qualitätsoffensive in punkto Gastronomie gestartet werden. Zwei, drei Spitzenrestaurants, die auch überregional Besucher anlocken, würden viel bringen. Veranstaltungen wie die „Mittelrhein-Momente“ sind eigentlich eine gute Sache, aber reichen nicht aus (?) oder werden zu wenig wahrgenommen. Die Mosel hat ja übrigens auch diesen „Senioren-Tourismus“, ist das dort ein Problem?
Zu 4.) Ein wichtiger und interessanter Punkt. Die Weinqualität und Stilistik. Zur Weinqualität in der Spitze: Vielleicht müssten die TOP-Winzer der Region noch einen Tacken mehr aus ihren Lagen rauskitzeln, noch ein bisschen mehr in Richtung Top-Qualität nachjustieren, damit nicht nur sehr gute, sondern regelmäßig großartige Weine entstehen. Dass der Müller oder Ratzenberger auch mal ein 95-Punkte GG raushaut und nicht nur die üblichen 89-91 Punkte. Oder geben das die Lagen dann doch nicht her (Punkt 5)?
Eine Festlegung in der Stilistik ist meiner Meinung nicht nötig, es sind die halbtrockenen/feinherben und trockenen Rieslinge, die hier relevant sind und auch gepflegt werden. Die Frage ist eher, ob und wie diese Stilistik kommuniziert werden soll.
Was den „Mut zum Risiko“ und einen „kompromisslosen Stil“ angeht: der eine oder andere Winzer, der einen solchen Weg einschlagen würde, wäre sicherlich wünschenswert. Aber da sind wir wieder bei der Größe/Menge. Da es eh nur eine Hand voll Spitzenwinzer gibt, kann man nicht erwarten, dass da jetzt viele „Nonkonformisten“ darunter sind. Man hat ja auch Stammkunden, die zu bedienen sind. Den kompromisslosen und mutigen Stil gouttieren ja in erster Linie die Nerds. Der „normale“ interessierte Weintrinker schätzt seinen Jost so wie er ist und kauft seit Jahren zufrieden dort ein. Diese Kunden sind für solche Weingüter wahrscheinlich wichtiger, als der Weinfreak, der mangelnden Mut beklagt. In Ansätzen erfüllt allerdings meiner Meinung nach Florian Weingart die Funktion des Nonkonformisten.
Insgesamt scheint mir auch der „Leidensdruck“ der MR-Spitzenwinzer nicht besonders groß zu sein. Rein ökonomisch scheinen diese Betriebe, soweit ich das beurteilen kann, gesund zu sein.
In der Breite sehe ich das problematischer. Zum größten Teil handelt es sich da um Neben- und Teilerwerbswinzer, die sich größere Investitionen in Qualitätssteigerungen nicht leisten können oder scheuen. Solange die ihr Zeug loswerden, gibt es für sie auch wenig Handlungsbedarf.
Zu 5.) Die MR-Top-Lagen sind, denke ich, sehr gute Lagen, ob’s zur absoluten Spitze reicht, mögen andere beurteilen. Denke aber, dass die Lagen nicht das Hauptproblem der Region sind.
Zu 6.) Was diese Charta angeht, bin ich auch skeptisch. Das Wesentliche dazu wurde im erwähnten Thread gesagt.
Ich denke, dass es vor allem die Punkte 3 und 4 sind, die angegangen werden müssten, um den MR sichtbarer zu machen. Wie genau da zu verfahren wäre und was mehr oder weniger Beachtung verdient, das wäre eine weitere lange Diskussion, die man ja vielleicht ein andermal führen könnte. Ich denke jedenfalls, dass man da, um Ergebnisse zu erzielen, wirklich klotzen und nicht kleckern müsste.
Beste Grüße
Gaston