Bordeaux 2001

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
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harti
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von harti »

Hallo Christoph,

nun will ich endlich mein Versprechen einlösen und etwas detaillierter über die 2001er-Verkostung berichten, die wir Anfang Juni mit Dir als Gast in unserem Bdx-Kreis durchgeführt haben.

Verkostet wurden zwölf Weine, die wir teils en primeur, teils zwei, drei Jahre nach der Arrivage vom Fachhandel bezogen und seit Auslieferung unter besten Bedingungen (bei ca. 13 °C) gelagert haben.

Da unser Kreis in punkto Verkostungspraxis sehr heterogen zusammengesetzt ist, wurden unsere Favoriten nicht über eine Durchschnittsbewertung ermittelt, sondern in einem mehrstufigen Verfahren, das dem des Coup de Cru Bourgeois ähnelt, herausgefiltert. Hierbei werden die Weine in 4 Vorrunden, 2 Halbfinals und 3 Finalrunden (Verlierer, Mittelklasse, Siegerweine) miteinander verglichen und durch einfache Abstimmung klassifiziert. Der größte Vorteil dieses Verfahrens ist, dass (fast) alle Weine zweimal probiert und in den Final-Flights Weine mit vergleichbarem Qualitätsniveau beurteilt werden.

Soweit zum Prozedere, nun zu den Weinen entsprechend der Klassifikation in den Finalrunden.

„Trostrunde“ (in der Vorrunde ausgesonderte Weine) in der Reihenfolge der Platzierung:

Rauzan Ségla:
dunkelbeerig, Mocca,leicht laktisch, verschließt sich mit zunehmender Belüftung; schlank am Gaumen, recht saftig mit Kirsche-Anklängen, etwas flach am Ende; kann in dieser Phase nicht wirklich überzeugen. Da ich ihn schon deutlich besser erlebt habe, wird da in Zukunft sicherlich noch mehr kommen (meine Bewertung 89 P.)

Potensac:
dunkelbeerig, schöne Adstringenz, noch leicht trocknend, hat Tiefe und Länge, sehr schöner Wein (91 P.)

Duhart Milon:
streng, noch auf der Holz-Seite; rund, ausgewogene Struktur, toller Geschmack, klassischer Pauillac (90 P.)

La Louvière:
extrem reduktiv = Gummi; wenig Frucht, eher flach, macht in dieser Phase gar keinen Spaß (86 P.); den Rest in der Karaffe habe ich zwei Tage später getrunken, hier präsentierte sich der Wein deutlich charmanter und zugänglicher und würde von mir ca. 89 P. erhalten

„Mittelklasse“ (in den Halbfinals ausgesonderte Weine), ebenfalls wieder in der Reihenfolge des Gruppenrankings:

Pichon Comtesse:
Pflaume, Vanille, Süße, dabei auch eine strenge Note; elegant, schöne Frucht, noch jugendlich, aber mit tollen Anlagen, komplex (93 P.)

Lagrange, St. Julien:
anfänglich etwas Kuhstall, dunkle Beeren, recht komplexes Nasenbild; viel Saft, schöne Dichte, noch leicht trocknend, beste Anlagen (93+)

Poujeaux:
hellrote Beeren, Kirsche, recht streng; am Gaumen sehr verhalten, wirkt verschlossen, muss sich finden (90 P.?)

Montrose:
dunkle Beeren, aber sehr verhalten; guter Saft, viel Tannin, leicht adstringierend, vollfruchtig, macht Spaß (90 P.); den Wein hatte ich zum ersten Mal und war mit hohen Erwartungen in die Probe gegangen, insofern eine enttäuschende Performance, hier heißt es abwarten und derweil Tee trinken (oder aber die Weine der Siegerrunde ;) )

Siegerrunde

Reignac:
für mich nicht völlig überraschend, der Siegerwein des Abends, hatte Reignac bei den Grand Jury Europeen-Proben doch mehrfach hochklassifizierte Gewächse, einschließlich 1er cru, hinter sich gelassen; dunkle Beeren und Mocca finden sich im intensivem Bukett; am Gaumen ist er recht massiv, noch mit viel Tannin, aber gleichwohl ausgewogener Struktur, ein modern gehaltener Wein, aber was soll’s, er schmeckt (93 P.)

La Gaffelière:
wieviel Schlechtes kann man über dieses Wein teilweise doch lesen (Neal Martin zückt einmal sogar 78 P.), hier kann ich nur raten – selber ein Urteil bilden; die Nase ist eher hellbeerig angelegt, sie wirkt frisch und fruchtig, wenngleich noch nicht voll entwickelt, ist sie schon recht komplex; am Gaumen mit voller Frucht, Tiefe, Länge und auch etwas Eleganz, ein Superwein (93 P.)

La Tour Carnet:
die Nase ist eher unscheinbar, dafür passiert umso mehr am Gaumen; der Wein steht voll im Saft, wirkt durch die Säure sehr lebendig und entwickelt nach hinten heraus ordentlich Dampf, das Tannin ist eher dezent, so dass man hier nicht mehr mit dem Trinken warten muss (92 P.)

La Conseillante:
die Nase ist einfach fantastisch, es findet sich die typische Würze der Weine aus dieser Ecke, auch Himbeere, dazu Karamell vom nicht sparsam dosierten Holz; am Gaumen ebenfalls sehr würzig und vielschichtig, leider gesellt sich zu diesem recht reifen Eindruck ein adstringierendes, sogar leicht bitteres Tannin, was bei mir etwas Unsicherheit über das Entwicklungspotenzial entstehen lässt (92 P.)

Mein persönliches Fazit: 2001 IST ein toller Jahrgang. Den großen Weinen sollte man aber noch Zeit geben.

Grüße

Hartmut
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dylan
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von dylan »

Für unserer heutigen Doppelkopf-Runde habe ich einen Lagrange aufgezogen, die 93+ von Harti hatten mich neugierig gemacht. Auch in unserer Runde gab es unisono Anerkennung. Ein für den Jahrgang sehr dichter Wein, der nach einer Stunde Belüftung so richtig aufdreht. Einzig der etwas holzbetonte Abgang stört minmal. Kann vieleicht einmal die Klasse der 96er Ausgabe erreichen (92P).

Grüsse

dylan
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sociando
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von sociando »

hallo,

die tage wieder im glas gehabt:

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vg, martin
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Weinbertl
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von Weinbertl »

gestern einen 2001er Chateau du Vieux-Guinot, St.Emilion im Glas gehabt:

Auge: mittlere Farbdichte, zum Rand hin ziegelrote Reflexe mit Wasser durchsetzt.
Nase: Angereifte Nase mit Heidelbeeren und ein wenig Strauchholz. Geruchsbild wirkt etwas unentwickelt. Ein touch Barrique ist auch dabei.

Gaumen: blaue, dickliche Frucht. Flauschiger, samtiger Gaumen. Tannin so gut wie abgebaut, dieses präsentiert sich am Abgang aber noch leicht bitter. Leichter Neue-Welt-touch. Gewinnt ein wenig an Harmonie, der Schmelz wird etwas feiner. Abgang von eher kurzer Länge.

Fazit: Geschmeidig zu trinken, aber doch etwas zu glattgebügelt. Dem Wein fehlt ein wenig Charakter und eine klare Struktur. Ich denke, der Wein hätte bereits vor 3 oder 4 Jahren getrunken werden sollen. 15 P.

Gruß
Robert
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Weinbertl
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von Weinbertl »

gestern im Glas:

Chateau Charmail 2001, Haut-Medoc

Auge: mittlere Farbtiefe, zum Rand hin mit ersten Reifeanzeichen, leichter Wasserrand

Nase: zu Beginn gleich stark parfümierter Barrique-Duft mit Vanille - verfliegt jedoch recht rasch wieder. Danach rustikale, leicht verholzte rote Frucht. Danach blaufruchtiger und etwas süßer im Duft. Nach 2 Stunden im Dekanter dann deutlich aufdrehend: Gewinnt an Noblesse und ist jetzt deutlich als Bordeaux erkennbar. Das Barrique erscheint besser integriert und vornehmer. Zum Schluss dann dunkle Aromen von Kaffee und Tabak.

Gaumen: zu Beginn überextrahierte Konzentration. Nur zögerlich schmelzige rote Frucht. Die Adstringenz ist für einen 11 Jahre alten CB nicht von schlechten Eltern. Zunächst noch am mittleren Gaumen etwas rustikal und undefinierbar und auch leicht alkoholisch. Nach und nach gewinnt auch die Mitte an Schmelz und Volumen. CS nun erkennbar. Wird harmonischer und geschmeidiger. Der zunächst trockene und eindimensionale Abgang wird nun runder und anhaltender. Abgang von mittlerer Länge.

Fazit: der Wein braucht momentan gut 1,5-2 Stunden Luft. Danach legt er seine etwas holprige, bourgeoise Art ab und zeigt die vertauten Charmail-Qualitäten. Ich würde ihn noch 4-5 Jahre liegen lassen, groß wird er wohl nie werden, aber charaktervoll.
16,5 Punkte

Gruß
Robert
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Weinbertl
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von Weinbertl »

2001 Chateau Brillette, Moulis-en-Medoc

Auge: mittlere Farbtiefe, am Rande leichte Reifeanzeichen.

Nase: 2 Stunden lang sehr verhaltene Nase, fast zugenagelt. Danach etwas Würze. Leider alles ziemlich ausdruckschwach.

Gaumen: herb, grün, leicht vordergründige Säure. Blut, Eisen. Hart (wie seinerzeit viele junge 94er).Zähnebeschlagend. Nach 2,5 Stunden etwas mehr Schmelz. Ganz leichte Fruchtsüße luggt hier und da mal durch. Abgang nicht besonders trinkanimierend, dafür aber recht lang anhaltend :D

Fazit: bin mir bei dem Wein nicht sicher, ob der nicht doch noch einmal kommt :?:
Fakt ist, mir bereitet er aufgrund seiner herben und fruchtlosen Art momentan keine rechte Freude, obwohl ich ihm keine Charakterlosigkeit vorwerfen kann. Naja mal sehen, vll. entwickelt er sich noch positiv. Derzeit: 15,5 P.

Gruß
Robert
Grüße
Robert
Trinkfreude
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von Trinkfreude »

Hallo zusammen,

gestern abend zum Essen mit Gästen: Calon Segur 2001 und Troplong Mondot 2001. Beide hatte ich 6h vorher entkorkt, um sicherzugehen, dass die Flaschen nicht fehlerhaft sind, aufgrund früherer Erfahrungen dann den CS offengelassen, den TM erstmal wieder verstöpselt und 1h vor dem Trinken wieder aufgemacht. (Hat sich im großen und ganzen bewährt.)

Beide sehr erfreulich und IMO auf Augenhöhe irgendwo bei 92 Pkt - der CS mit wunderschöner reiner Frucht und bereits sehr schön integriert, mit erfrischender, aber "weicher" Säure und schmelzendem Tannin, der TM viel eleganter als früher (anderer Lebensabschnitt), wirkt nicht mehr so konzentriert. Beim TM kann ich zwei Anmerkungen aus Neal Martins aktuellster VKN voll unterschreiben: "on the tipping point of primal into secondary aromas" und "a leafy Cabernet Franc component starting to deliver". Vor allem letzteres hat mich überrascht, das hatte ich beim letzten Mal noch nicht so wahrgenommen. Hat an hedonistischem Charakter etwas verloren, aber dafür an Komplexität deutlich zugelegt.

Beides keine Weine zum Niederknien, aber schöner Bdx wie er sein soll und wie er mich immer wieder erfreut - besonders wenn ich dann in meiner Kellerliste die Sub-Preise von damals sehe :D

Viele Grüße
Jürgen
Moulis
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von Moulis »

Den CS gibt es aber auch jetzt noch sehr günstig.
Ich habe zw. 30 - 35 € bezahlt.
Sehe ich auch derzeit sehr gut.
duhart09
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von duhart09 »

Hallo allerseits,

nach etwa zwölf Jahren Bordeaux-Trink-Erfahrung und - tja, drei, vier oder fünf (?) Jahren passiven Verfolgens des Forums (und seines Quasi-Vorgängers taw) melde ich mich mit meinem Halbwissen (aber eigenem Geschmack) nun auch zu Worte. Erstmal Euch Allen vielen Dank für viele interessante und appetitanregende Beiträge in den letzten Jahren! Aber nun will ich nicht gleich OT werden, also los geht's:

Gestern abend zum rundum gelungenen Lammfilet meiner besseren Hälfte getrunken
aus der Halben: d'Armailhac 2003
Pop and pour ins Glas - erster Eidnruck: typisch 2003! Heiß, kräftig, viel Frucht. Ein Spaßwein! In der Nase aber auch Pferdestall, im Gaumen pure Trinkfreude. Gegen den parallel getrunkenen 2001 Pontet Canet (ebenfalls aus der Halben) ein ziemliches Kontrastprogramm, weil dann doch allmählich abbauend. Fazit: jetzt schön, 18 Punkte.

Und wie war nun der
Pontet Canet 2001 aus der Halben?:
Zunächst gemessen an den PC-Boliden derletzten Jahre - wohl auch der Jahrgangstypizität geschuldet - etwas eleganter/filigraner wirkend, klares, Cabernet-Paprika-dominiertes Pauillac-Profil, schon reifer schmeckend und weich. Im Glas mit etwas Luft über die Zeit dann aber deutlich zulegend, gewinnt Konzentration und Tiefe. Oder war das Lammfilet Schuld? Ebenfalls solide 18 Punkte von mir.

Tolle Idee (obgleich von mir selbst), mit meiner nicht so viel vertragenden Frau ein kleines Tasting in Form von zwei Halben zum Essen zu veranstalten anstatt "nur" eine Flasche zu öffnen. Überhaupt, es leben die Demis!

Uli
Uli
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UlliB
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Re: Bordeaux 2001

Beitrag von UlliB »

Léoville Poyferré 2001 (St. Julien 2eme GCC) 13%Vol.

Ich habe an diesen Wein eine ziemlich unangenehme Erinnerung: im Frühjahr 2006 war der in einem Maße zu, wie man es auch als Bordeaux-Vieltrinker glücklicherweise nur selten erlebt. Auch nach stundenlanger Belüftung ließen sich dem Wein nur äußerst zarte Anklänge von öffentlicher Schwimmhalle entlocken (richtig: Chlor), ansonsten: nichts. Gar nichts. Der Wein wanderte nach drei Tagen als völlig hoffnungsloser Fall in die Spüle.

Nun, die Phase ist jetzt glücklicherweise vorbei. Für 2001 sehr dunkle, immer noch jugendliche Farbe. In der Nase zunächst ein Hauch Bitterschokolade, die ich bei Poyferré immer wieder bemerke und mich ein wenig an manche Neuweltweine erinnert. Das war's dann aber auch mit Neuwelt, der Rest ist zu 100% Bordeaux, linkes Ufer. Kühle, straffe Nase, vor allem gerade eben reife Brombeere, dann auch etwas Zedernholz, sehr transparent und klar. Der Naseneindruck setzt sich nahtlos im Gaumen fort: klar und straff, mit jahrgangstypisch mittlerer Dichte, lebendige Säure, die für Frische und ordentlich Trinkfluss sorgt (ich frage mich, was Parker im Glas hatte, wenn er von "low acidity" redet), schöner, wiederum frischer Abgang. Kein Ausbund an Struktur oder Tiefgang, was bei 2001 auch nicht unbedingt zu erwarten ist, kein Gramm Fett in diesem Wein, aber einfach saugut zu trinken. Am Anfang der Trinkreife; wird vermutlich noch lange halten. Sehr schön; 91 UP.

Normalerweise mag ich von den Léovilles den Poyferré am wenigsten, weil er in vielen Jahren von den dreien der am wenigsten typische Bordeaux ist. Die Kritik verfängt hier aber überhaupt nicht; der 2001er ist mit seinem unverwechselbaren "nördlichen Charakter" sogar so sehr Bordeaux, dass man ihn glatt für Testzwecke einsetzen könnte: wer das mag, mag Bordeaux. Wer das aber nicht mag, mag Bordeaux bestenfalls in sehr ungewöhnlichen Jahren wie 2009.

Gruß
Ulli
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