nun will ich endlich mein Versprechen einlösen und etwas detaillierter über die 2001er-Verkostung berichten, die wir Anfang Juni mit Dir als Gast in unserem Bdx-Kreis durchgeführt haben.
Verkostet wurden zwölf Weine, die wir teils en primeur, teils zwei, drei Jahre nach der Arrivage vom Fachhandel bezogen und seit Auslieferung unter besten Bedingungen (bei ca. 13 °C) gelagert haben.
Da unser Kreis in punkto Verkostungspraxis sehr heterogen zusammengesetzt ist, wurden unsere Favoriten nicht über eine Durchschnittsbewertung ermittelt, sondern in einem mehrstufigen Verfahren, das dem des Coup de Cru Bourgeois ähnelt, herausgefiltert. Hierbei werden die Weine in 4 Vorrunden, 2 Halbfinals und 3 Finalrunden (Verlierer, Mittelklasse, Siegerweine) miteinander verglichen und durch einfache Abstimmung klassifiziert. Der größte Vorteil dieses Verfahrens ist, dass (fast) alle Weine zweimal probiert und in den Final-Flights Weine mit vergleichbarem Qualitätsniveau beurteilt werden.
Soweit zum Prozedere, nun zu den Weinen entsprechend der Klassifikation in den Finalrunden.
„Trostrunde“ (in der Vorrunde ausgesonderte Weine) in der Reihenfolge der Platzierung:
Rauzan Ségla:
dunkelbeerig, Mocca,leicht laktisch, verschließt sich mit zunehmender Belüftung; schlank am Gaumen, recht saftig mit Kirsche-Anklängen, etwas flach am Ende; kann in dieser Phase nicht wirklich überzeugen. Da ich ihn schon deutlich besser erlebt habe, wird da in Zukunft sicherlich noch mehr kommen (meine Bewertung 89 P.)
Potensac:
dunkelbeerig, schöne Adstringenz, noch leicht trocknend, hat Tiefe und Länge, sehr schöner Wein (91 P.)
Duhart Milon:
streng, noch auf der Holz-Seite; rund, ausgewogene Struktur, toller Geschmack, klassischer Pauillac (90 P.)
La Louvière:
extrem reduktiv = Gummi; wenig Frucht, eher flach, macht in dieser Phase gar keinen Spaß (86 P.); den Rest in der Karaffe habe ich zwei Tage später getrunken, hier präsentierte sich der Wein deutlich charmanter und zugänglicher und würde von mir ca. 89 P. erhalten
„Mittelklasse“ (in den Halbfinals ausgesonderte Weine), ebenfalls wieder in der Reihenfolge des Gruppenrankings:
Pichon Comtesse:
Pflaume, Vanille, Süße, dabei auch eine strenge Note; elegant, schöne Frucht, noch jugendlich, aber mit tollen Anlagen, komplex (93 P.)
Lagrange, St. Julien:
anfänglich etwas Kuhstall, dunkle Beeren, recht komplexes Nasenbild; viel Saft, schöne Dichte, noch leicht trocknend, beste Anlagen (93+)
Poujeaux:
hellrote Beeren, Kirsche, recht streng; am Gaumen sehr verhalten, wirkt verschlossen, muss sich finden (90 P.?)
Montrose:
dunkle Beeren, aber sehr verhalten; guter Saft, viel Tannin, leicht adstringierend, vollfruchtig, macht Spaß (90 P.); den Wein hatte ich zum ersten Mal und war mit hohen Erwartungen in die Probe gegangen, insofern eine enttäuschende Performance, hier heißt es abwarten und derweil Tee trinken (oder aber die Weine der Siegerrunde
Siegerrunde
Reignac:
für mich nicht völlig überraschend, der Siegerwein des Abends, hatte Reignac bei den Grand Jury Europeen-Proben doch mehrfach hochklassifizierte Gewächse, einschließlich 1er cru, hinter sich gelassen; dunkle Beeren und Mocca finden sich im intensivem Bukett; am Gaumen ist er recht massiv, noch mit viel Tannin, aber gleichwohl ausgewogener Struktur, ein modern gehaltener Wein, aber was soll’s, er schmeckt (93 P.)
La Gaffelière:
wieviel Schlechtes kann man über dieses Wein teilweise doch lesen (Neal Martin zückt einmal sogar 78 P.), hier kann ich nur raten – selber ein Urteil bilden; die Nase ist eher hellbeerig angelegt, sie wirkt frisch und fruchtig, wenngleich noch nicht voll entwickelt, ist sie schon recht komplex; am Gaumen mit voller Frucht, Tiefe, Länge und auch etwas Eleganz, ein Superwein (93 P.)
La Tour Carnet:
die Nase ist eher unscheinbar, dafür passiert umso mehr am Gaumen; der Wein steht voll im Saft, wirkt durch die Säure sehr lebendig und entwickelt nach hinten heraus ordentlich Dampf, das Tannin ist eher dezent, so dass man hier nicht mehr mit dem Trinken warten muss (92 P.)
La Conseillante:
die Nase ist einfach fantastisch, es findet sich die typische Würze der Weine aus dieser Ecke, auch Himbeere, dazu Karamell vom nicht sparsam dosierten Holz; am Gaumen ebenfalls sehr würzig und vielschichtig, leider gesellt sich zu diesem recht reifen Eindruck ein adstringierendes, sogar leicht bitteres Tannin, was bei mir etwas Unsicherheit über das Entwicklungspotenzial entstehen lässt (92 P.)
Mein persönliches Fazit: 2001 IST ein toller Jahrgang. Den großen Weinen sollte man aber noch Zeit geben.
Grüße
Hartmut
