Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
Bernd Schulz
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Bernd Schulz »

was Du machst, ist sehr ehrenrührig.
Markus, diesen Satz solltest du nachbessern. Schau dir mal an (z.b. auf wictionary), was "ehrenrührig" bedeutet! :mrgreen:

Ansonsten stimme ich deinen Ausführungen gerne zu.

Beste Grüße

Bernd
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Markus Vahlefeld
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Sorry, meinte natürlich "ehrenhaft"...
Dirk Würtz
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Dirk Würtz »

Markus Vahlefeld hat geschrieben: Als wären die o.g. Hysteria in irgendeiner Form vernünftig. Dieser Irrglaube, dass "grün" in irgendeiner Art besser wäre als konventionell ist eine der neuen hysterischen Säue, die durchs Marketing-Dorf getrieben werden und wiederholt letztlich nur, womit die "Konventionellen" so lange durchgekommen sind: ein Produkt durch Schönfärberei zu mystifizieren. Wenn der 47-Minuten-Bericht auf Deiner HP darstellt, dass die globalen Industrieweinerzeuger mit Bildern der "schönen heilen Weinwelt" werben, dann wird dabei unterschwellig transportiert, dass eben diese Bilder der Industrie nicht zustehen, sondern nur den "ehrlichen" Erzeugern. Dass diese vermeintlich "ehrlichen" Erzeuger mit Beton-Eiern arbeiten, die nachweislich gesundheitsschädliche Stoffe in den Wein transportieren, dass Öko-Winzer ohne Kupfer nicht auskommen, dass Zuchthefen und Chips auch in Öko-Weinen verwendet werden dürfen undsoweiterundsofort... all das muss dann unterschlagen werden, um dieses Heile-Welt-Bild wieder zu gewinnen. Damit wird eine Lüge durch eine neue Lüge ersetzt, was ich für einen Rückschritt halte. Es geht nicht um den Gegensatz von Industriewein zu vermeintlich ehrlichem Wein, sondern um eine Transparenz in der Weinbereitung, um die sich auch die meisten vermeintlich ehrlichen Erzeuger herumdrücken. Übrigens: alle diese in dem Bericht erwähnten "Zusatzstoffe" der Weinmultis sind auch in Öko-Weinen erlaubt.

Und meinst Du wirklich, dass, wenn man an die Loire fährt (aus dieser Region besprichst Du ja einige Weine enthusiastisch), nicht auch so verkommene und verrottete Weinberge finden kann, wie in dem Bericht suggeriert wird, dass sie für die Champagne "normal" wären?
Ach MArkus... Du hast ja sowas von Recht!!! Mich macht diese Art der Betrachtung langsam aber sicher nur noch wütend. Im Übrigen, hätte ich gerne mal eine Definition von "Industriewein" und eine Definition von "Ökowein" und wenn möglich eine, die ich nachvollziehen und verstehen kann. Ganz besonders interessiert mivch allerdings der Begriff "Industriewein"... Dieser unreflektierte Begrifflickeitsamok geht mir soooo auf die Nerven. Und ganz wichtig in dem Kontext: Öko ist nicht gleich besser.
Kle
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Kle »

Dirk Würtz hat geschrieben:Ganz besonders interessiert mivch allerdings der Begriff "Industriewein"... Dieser unreflektierte Begrifflickeitsamok geht mir soooo auf die Nerven.
mir nicht. Es gibt eine paar unverzichtbare Begriffe, die jeder intuitiv sofort versteht. So Spießer, Fascho, Sozi, Technokrat, Terroir, Egoist, Gutmensch … und eben auch "Industriewein". Ohne das wäre nicht nur die Welt unendlich kompliziert, sondern auch die Sprache.

Gruß, Kle

PS: auch "Prost" ist ein solcher Begriff. Wie der Wein schmeckt, wird danach beredet. Und wie plump all die Begriffe sind, die man dabei verwendet.
Dirk Würtz
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Dirk Würtz »

Kle hat geschrieben:
Dirk Würtz hat geschrieben:Ganz besonders interessiert mivch allerdings der Begriff "Industriewein"... Dieser unreflektierte Begrifflickeitsamok geht mir soooo auf die Nerven.
mir nicht. Es gibt eine paar unverzichtbare Begriffe, die jeder intuitiv sofort versteht. So Spießer, Fascho, Sozi, Technokrat, Terroir, Egoist, Gutmensch … und eben auch "Industriewein". Ohne das wäre nicht nur die Welt unendlich kompliziert, sondern auch die Sprache.

Gruß, Kle

PS: auch "Prost" ist ein solcher Begriff. Wie der Wein schmeckt, wird danach beredet. Und wie plump all die Begriffe sind, die man dabei verwendet.
Bei den von Dir angeführten Begriffen weiss ich genau was gemeint ist und es gibt wenig bis keinerlei Erklärungs- und Deutungsbedarf, da es eine ganz einfache und RICHTIGE Definition gibt. Wenn ich mir das Wort "Industriewein" ansehe, dann ist das leider anders. Es gibt keinen "industriell" hergestellten Wein. Was soll das denn für ein Wein sein? Wir der nicht mehr aus Trauben hergestellt? Insbesondere im gerne verwendeten Kontext als Gegenentwurf zum "Öko-Wein" (den es auch nicht gibt), ist dieser Begriff einfach nur Polemik, sonst nichts. Hier werden Begriffe benutzt, die ganz bewußt Gegensätze schüren und fördern sollen, anstatt Transparenz zu schaffen.
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susa
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von susa »

Ich habe für mich folgende Unterscheidung getroffen und verwende lieber den Begriff "Massenwein" als Industriewein. Wobei auch diese Begrifflichkeit eher schräg ist.

Schaut man sich große Weinfabriken an, in denen der Mensch kaum noch in Berührung mit dem Ausgangsprodukt kommt, die Herstellung weitestgehend automatisiert ist und die dort entstehenden Weine keinerlei jahrgangsbezogene, rebsortengerechte oder lagebezogene Indvidualität und Typizität aufweisen dürfen, dann weiß man schon, was damit gemeint ist.

"Industriewein" soll ein möglichst glatt gebügeltes, massenkompatibles und vor allem immer gleiches Geschmacksspektrum aufweisen, kommt ja nicht von ungefähr, dass dort kein Jahrgang auf dem Etikett steht, der ist ja nebensächlich (bzw. in diesem Zusammenhang eher kontraproduktiv).

Diese Weine haben für mich durchaus auch eine Existenzberechtigung und ich halte ihre Verteufelung in Bausch und Bogen für kurzsichtig.

Die gesamte Nachfrage nach Wein kann gar nicht von den handwerklich arbeitenden Winzern befriedigt werden (genauso, wie zB der gesamte Güterverkehr nicht von der Straße auf die Schiene verlegt werden kann, es können sich lediglich Anteile verschieben). Und selbst wenn, könnte das nur zu Lasten der Qualität und Individualität der Weine gehen, denn die Winzer müssten zwangsläufig ihre Produktionsmethoden umstellen, um Menge und Preis anbieten zu können.

Außerdem ist es nichts Ehrenrühriges (und hier meine ich diesen Begriff), einfach einen Wein nachfragen zu wollen, den man beim Wocheneinkauf im Supermarkt ohne groß nachzudenken kaufen kann, für einen niedrigen Preis. Man kann nicht von allen Kunden verlangen, sich soweit in die Materie einzuarbeiten, dass sie Lagen, Rebsorten, Erzeuger etc. kennen und selektiv nachfragen. Ist doch ok. (Und ausserdem in den meisten Fällen werden diese Weine nicht nach der "Riechen-und-Schwenken"-Methode konsumiert, sondern einfach geschluckt. Würden sie keine eher plakative Aromatik aufweisen, hätten sie keinerlei Chance, einen irgendwie gearteten Geschmackseindruck zu hinterlassen). Die meisten von uns kaufen ja auch Konfektionsware zum Anziehen und lassen sich nicht aus ausgewählten handgewebten Stoffen ihre Kleider und Anzüge vom Schneider ihres Vertrauens anmessen und nähen.

Dass man einzelne Produktionsmethoden kritisch hinterfragen soll, Gesundheitsschädigung für den Verbraucher verhindern und den Produzenten kritisch auf die Finger gucken muss, ist eine andere Sache und steht nicht im Widerspruch zum oben Geschriebenen.

Also immer ruhig mit den jungen Pferden.

lieben Gruß
susa
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Gerald
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Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Gerald »

Also nach meinem Verständnis sind die typischen Merkmale industrieller Produktion vor allem die hohe Mechanisierung/Automatisierung sowie eine gleichbleibende Produktqualität einschließlich eines Qualitätssicherungssystems. Auf Wein bezogen also die Verwendung vieler technischer Hilfsmittel beginnend mit dem Vollernter bis zur vollautomatischen Abfüll- und Verpackungsanlage. Dazu eben eine einwandfreie, blitzsaubere Kellertechnik und natürlich auch ein möglichst reproduzierbares Geschmacksbild.

Wenn wir jetzt "handwerklichen" Wein als Gegenpol dazu sehen, würde das bedeuten: geringe Mechanisierung (überspitzt ausgedrückt: der Winzer presst die Trauben selbst mit den Füßen, transportiert/bewegt den Most mit Muskelkraft, füllt die Flaschen selbst auf und verschließt sie mit einem manuellen Verkorkungsgerät). Dazu kommt das Fehlen eines Qualitätssicherungssystems, die Weine sind in manchen Jahrgängen großartig, in anderen wiederum untrinkbar. Fehltöne (z.B. Essigstich) kommen schon mal vor.

Dünger- und Pestizideinsatz werden "nach Gefühl" dosiert und sind vermutlich höher als notwendig.

Durch die ineffiziente Produktion sind die Kosten der Weine - sogar bei vergleichbarer Qualität - deutlich höher als in der "industriellen" Variante. Um einen akzeptablen Preis zu erreichen, arbeiten Winzer und seine Familie teilweise kostenlos (z.B. beim Verkauf) mit. Der Vertrieb ist auch wenig sinnvoll geplant, durch den notwendigen Ab-Hof-Verkauf zu niedrigen Preisen wird der Wein für den Handel wiederum uninteressant.

Sicher gilt das für die "Stars" der "handwerklichen Winzer" nicht so ganz, da sie ihre Weine ohnehin zu Höchstpreisen verkaufen und trotzdem ausverkauft sind. Für die große Zahl der "handwerklichen Winzer" aber leider schon, oder?

Soll nur heißen: industriell ist nicht automatisch schlecht und handwerklich nicht automatisch gut. Oder wer würde sich z.B. sein Handy von einem Handwerker zusammenlöten lassen? ;)

Grüße,
Gerald
C9dP
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Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:10

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von C9dP »

Danke Gerald für diese Definition. Das kann ich für mich blind übernehmen.
Viele Grüße

Aloys
_AL_
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Registriert: Di 28. Dez 2010, 11:37

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von _AL_ »

Dirk Würtz hat geschrieben:Im Übrigen, hätte ich gerne mal eine Definition von "Industriewein" ...
Industrieweine sind z.B. Weine, die als Beigabe in lilafarbenen Verpackungen am Ausgang von Discountern zu finden sind, für 7.99 Euro im Abverkauf. Peppige Etiketten ohne Jahrgangsbezeichnung, langweiliger und fader Geschmack, der marktschreierisch entweder als "rau-männlich" oder als "Lady like" bezeichnet wird. Als Dreingabe noch ein pubertär geschriebenes Buch über ebenso "gut" schmeckende Industrie/Massen/Supermarktweine. Der Winzer selbst hält (nach eigenen Angaben) seinen "verfeinerten" Wein (aus Zukäufen ohne genaue Angabe) nach bereits wenigen Wochen :!: für überlagert :o :shock: :roll:

...
Dirk Würtz
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Registriert: Mo 6. Dez 2010, 15:30

Re: Martin Kössler - Worte zum Jahresanfang

Beitrag von Dirk Würtz »

@ Gerald
Wasa Du hier schreibst klingt toll:"Also nach meinem Verständnis sind die typischen Merkmale industrieller Produktion vor allem die hohe Mechanisierung/Automatisierung sowie eine gleichbleibende Produktqualität einschließlich eines Qualitätssicherungssystems. Auf Wein bezogen also die Verwendung vieler technischer Hilfsmittel beginnend mit dem Vollernter bis zur vollautomatischen Abfüll- und Verpackungsanlage. Dazu eben eine einwandfreie, blitzsaubere Kellertechnik und natürlich auch ein möglichst reproduzierbares Geschmacksbild.

Wenn wir jetzt "handwerklichen" Wein als Gegenpol dazu sehen, würde das bedeuten: geringe Mechanisierung (überspitzt ausgedrückt: der Winzer presst die Trauben selbst mit den Füßen, transportiert/bewegt den Most mit Muskelkraft, füllt die Flaschen selbst auf und verschließt sie mit einem manuellen Verkorkungsgerät). Dazu kommt das Fehlen eines Qualitätssicherungssystems, die Weine sind in manchen Jahrgängen großartig, in anderen wiederum untrinkbar. Fehltöne (z.B. Essigstich) kommen schon mal vor.


Ich kenne kein Weingut in D (ausser die in den absoluten Steillagen), die nicht auch mit dem Vollernter ernten und ich sehe auch keinen per Schwapphahn Wein in Flaschen füllen und manuell verkorken. Andererseits sehe ich überall blitzsaubere Kellertechnik

Und diesen Satz von Dir: "industriell ist nicht automatisch schlecht und handwerklich nicht automatisch gut. " unterschreibe ich auch zu 100%, auch wenn ich nach wie vor behaupte, dass es keinen Industriewein gibt... ;)

Und als kleine Anmerkung an @AL
Nein, das ist kein Industriewein und wenn Du den Kommentar auf CC richtig liest, wirst Du feststellen, dass ich lediglich anmerkte, dass ich nicht weiss, wie der Wein nach der Lagerung in den Regalen des Discounters schmeckt. Aber an diese recht merkwürdige Form der Auslegung habe ich mich bereits gewöhnt. So ist das halt mit der selektiven Wahrnehmung :lol: :lol: :lol:
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