Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
BerlinKitchen
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BerlinKitchen »

Heute nachmittag hat mir Frank Schönleber folgendes mitgeteilt:

“Fehlmeldung! Noch ist GARNICHTS beschlossen!”
"Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!"
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben: Ansonsten finde ich das System des VDP so kompliziert nicht [...]
Hallo Armin,

ohne Dir allzu nahe zu treten wollen: entweder Du kennst das aktuelle System der VDP-Klassifikation nicht vollständig, oder du beschäftigst Dich hobbymäßig mit komplexen Denksportaufgaben, bei denen man Sekundärliteratur zur Lösung heranziehen muss.

Etwas weiter oben kannst Du in einem Beitrag von Stephan (octopussy) schon mal ein typisches Missverständnis sehen - und das von einem Forumsteilnehmer, den ich im Hinblick auf deutschen Wein für wirklich sehr gut orientiert halte: da werden die Ortsweine als Zweitweine der GGs kategorisiert (was nie das Konzept des VDP war), und gleichzeitig angemerkt, dass Produzenten wie Schäfer-Fröhlich und Emrich-Schönleber noch den "QbA Trocken" aus Großen Gewächs Lagen im Angebot haben. Eben nix mit "noch", genau das sind nach dem aktuell gültigen Klassifizierungsystem des VDP Nahe die Zweitweine der GGs. Der VDP Pfalz hat das gleiche Modell wie der VDP Nahe (ein Zweitwein mit Lagenbezeichnung ist neben dem GG zulässig), und ich gehe davon aus, dass dieses Zweitweinmodell sich überall im VDP durchsetzen wird - womit der vollständige Lagenverbrauch übrigens vom Tisch ist.

Bekommt man heute einen "QbA trocken" mit Lagenbezeichnung von einem VDP-Winzer in die Hand, der nicht ausdrücklich als GG gekennzeichnet ist, kann es sich bei exakter Einhaltung sämtlicher VDP-Regeln um folgendes handeln:

- um den Zweitwein eines GGs, wenn der Wein aus einer "Ersten Lage" kommt und der Winzer aus dieser Lage im gleichen Jahr ein GG produziert hat;
- um den Erstwein aus einer "Ersten Lage", wenn der Winzer aus dieser Lage im selben Jahr aus welchen Gründen auch immer kein GG erzeugt hat (einen Zweitwein gibt es in diesem Falle nicht);
- um einen Wein aus einer "klassifizierten Lage", die aber keine "Erste Lage" ist.

Das nennst Du unkompliziert? Sicher, für einen wirklichen Freak wird die Sache dann immer noch klar sein; für den würde aber die alleinige Angabe der AP-Nr. auf dem Etikett schon ausreichen. Alle anderen müssen einen VDP-Lagenatlas sowie eine komplette Sortimentsliste des Winzers zur Hand nehmen, um feststellen zu können, was genau sie da eigentlich in der Hand haben.

Nur noch kurz am Rande: das gesamte "Zweitweinkonzept" läuft dem Grundgedanken der Lagenklassifizierung diametral entgegen - tatsächlich kommt es ja auch aus dem Bordelais, wo es eine Erzeugerklassifizierung gibt. Zusammen mit der Tatsache, dass bei restsüßen Weinen auch beim VDP alles beim alten Prädikatssystem bleibt, ist die VDP-Klassifizierung in der jetzt etablierten Form ein wilder Bastard aus burgundischen, bordelaiser und deutschen Elementen - gewissermaßen Frankensteins Monster der Weinwelt :twisted:
BuschWein hat geschrieben: [...] und dass es in einer Umstellungsphase Weingüter gibt die erst mal nicht mitmachen oder nur halbherzig mitmachen ist doch auch normal.
Das System gibt es nun schon seit 10 Jahren. Ok, es wird dauernd vom VDP selber dran rumgefummelt - aber wie lange soll denn die "Umstellungsphase" noch laufen dürfen?

Gruß
Ulli
Dirk Würtz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Dirk Würtz »

Es ist, in der Tat, nicht gerade einfach zu verstehen, selbst wenn man quasi mittendrin steckt. Das habe ich gestern abend auch bei der Mitgliederversammlung des Rheingauer VDP gesehen. Es ist verwirrend, nicht exakt formuliert, leicht unübersichtlich und voller Stolperfallen. Ganz entscheidend ist aber, dass bestimmte Dinge zwar wünschenswert sein könnten, wären oder wie hypothetisch auch immer das auszudrücken ist, die Realität aber deutlich anders aussieht.
BerlinKitchen
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BerlinKitchen »

"Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!"
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

Dirk Würtz hat geschrieben:Ganz entscheidend ist aber, dass bestimmte Dinge zwar wünschenswert sein könnten, wären oder wie hypothetisch auch immer das auszudrücken ist, die Realität aber deutlich anders aussieht.
Wenn ein einfaches, übersichtliches und auch für den interessierten Konsumeten schnell durchschaubares Klassifizierungskonzept aus welchen Gründen auch immer nicht machbar ist: wozu braucht man dann überhaupt eines?

Gruß
Ulli
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Wenn ein einfaches, übersichtliches und auch für den interessierten Konsumeten schnell durchschaubares Klassifizierungskonzept aus welchen Gründen auch immer nicht machbar ist: wozu braucht man dann überhaupt eines?
Vielleicht, weil *burgundische* Verhältnisse angestrebt werden? :mrgreen: Sprich: Man möchte einen Dschungel, in dem es leichter möglich ist, schwache Qualitäten zu exorbitanten Preisen zu vermarkten.

Burgund wird von entsprechender Seite ja immer als leuchtendes Vorbild gepriesen... :mrgreen: :mrgreen:

Beste Grüße

Bernd
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

Bernd Schulz hat geschrieben: Vielleicht, weil *burgundische* Verhältnisse angestrebt werden? :mrgreen: Sprich: Man möchte einen Dschungel, in dem es leichter möglich ist, schwache Qualitäten zu exorbitanten Preisen zu vermarkten.

Burgund wird von entsprechender Seite ja immer als leuchtendes Vorbild gepriesen... :mrgreen: :mrgreen:
Bernd, ehrlich gesagt finde ich Burgund, was die Klassifizierung angeht, ein gutes Vorbild. Die Stufen Grand Cru - Premier Cru - Villages Wein - Bourgogne AC sind leicht verständlich. Und mit ein paar wenigen Ausnahmen sind sich die Burgund-Profis wie Allen Meadows, Clive Coates, Becky Wassermann, usw. auch einig, dass die Lagen weitgehend auch tatsächlich ihrer Einstufung entsprechen. Natürlich gibt es Ausnahmen, so z.B. dass einige Parzellen in den großen Grand Crus Clos de Vougeot, Corton und Echézeaux kein Grand Cru Niveau haben. Und natürlich gibt es auch Premier Crus, die regelmäßig Grand Cru Niveau erreichen (z.B. der Cros Parantoux in Vosne-Romanée, der Les St.-Georges in Nuits St.-Georges, der Clos St. Jacques in Gevrey, und einige mehr). Die entsprechend schwachen Grand Crus liegen im Preis aber auch häufig sogar unter Villages Weinen. Und für einen Cros Parantoux muss man deutlich mehr hinlegen als für viele Grand Crus vom Clos de Vougeot und Echézeaux. Welche Qualität man aus den einzelnen Lagen rausholt, liegt ganz maßgeblich am Winzer.

Und das mit den "schwachen Qualitäten zu exorbitanten Preisen" stimmt so generell einfach nicht. Natürlich gibt es schwache Winzer, die preislich davon profitieren, dass sie Premier Cru und ggf. sogar Grand Cru Lagen haben, weil eben jemand sagt: "Ich möchte einen Corton Grand Cru". Aber diese schwachen Erzeuger gibt es im Zweifel in jedem klassifizierten System. Die exorbitanten Preise in der Spitze (Top Grand Crus, Top Premier Crus, Top Erzeuger) liegen ganz hauptsächlich an der geringen Verfügbarkeit und der großen Nachfrage und nicht an einem intransparenten System.
Zuletzt geändert von octopussy am Do 19. Jan 2012, 16:42, insgesamt 1-mal geändert.
Beste Grüße, Stephan
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

Bernd Schulz hat geschrieben: Sprich: Man möchte einen Dschungel, in dem es leichter möglich ist, schwache Qualitäten zu exorbitanten Preisen zu vermarkten.
:D

Tjaja... eine Klassifizierung ist immer hilfreich, um mäßige Produkte zu hohen Preisen abzusetzen - so lange es genügend Leute gibt, die an die Klassifizierung glauben.

Ob das Vorgehen des VDP zur Erzeugung dieses Glaubens der Richtige weg ist, ist aber sehr fraglich. Das burgundische Vorbild ist im Vergleich zum konfusen Verhau, den der VDP bislang verzapft hat, ein leuchtendes Vorbild an Einfachheit und Klarheit.

Gruß
Ulli
BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Natürlich ist das Hauptproblem in Deutschland, dass es seit 1971 in den meisten Anbaugebieten keine echten Grand Cru Lagen mehr gibt. Man hat damals die Lagen mit dem höchsten Image so arrondiert, dass weil man unbedingt erreichen wollte, dass jeder Kleinstwinzer mit verstreutem Parzellenbeitz auch sog. Lagenweine machen konnte. Und wer nach all dieser Zusammenlegung der Lagen das immer noch nicht konnte, oder wer aus schierer größe Lagenweine in 10.000er Flaschenzahl erzeugen musste/wollte (Genossenschaften und Kellereien, der bekam die sogenannten Großlagen spendiert, die mit einer Lage natürlich gar nichts mehr zu tun hatten, aber ein solcher Lagenname auf dem Etikett macht sich halt so schön und suggeriert dem Konsumenten eine "Einzigartigkeit" die zwar nicht vorhanden aber so trotzdem vermarktbar.

Das Problem des VDP ist halt nun das Weingesetz, auf Weinflaschen dürfen zwar Pseudolagen wie die sogenannten Großlagen stehen, aber man darf keine alten Parzellennamen als "Ortsbezeichnungen" verwenden. Natürlich gibt es Bereiche des heutigen Escherndorfer Lumps die Grand Cru würdig sind, die ganze heutige Lage ist es aber mit Sicherheit nicht. Oder durch die Vergrößerung 1971 ist die Lage heute auch nicht mehr homogen, sprich die Weine aus ihr sind natürlich auch nicht mehr in Gänze der Lage zuzuordnen. Für was brauche ich aber eine Lagenbezeichnung, wenn diese kein erkennbares Geschmacksprofil nach sich zieht?

Ein kleines Problem ahbe ich auch mit dem Kampf um den Kabinettwein, dieser ist auch so eine Erfindung des 1971er Weingesetz. Waren die "Cabinet-Weine" davor ganz besondere Schatzkammerweine wurden sie danach die einfachsten "Einstiegsweine". In der ganzen Welt gibt es keine so niedrigen Anforderungen an Qualitätsweine wie in Deutschland an den Kabinett (Zuckergradation in der Traube, Höchstertrag etc.)

Bei den restsüßen Weinen mag dieser Typus noch einen Sinn haben, bei trockenen Weinen sicher nicht und dass dem so ist beweißt auch die Praxis. Wer erzeugt denn noch trockene Kabinettweine die wirklich im eigentlichen Öchsle-Bereich der Kabinette also unterhalb der Spätlesen-Gradation erzeugt werden? Heute bedeutet, zumindest im trockenen Bereich, die Bezeichnung Kabinett doch fast nie ein leichter Wein, sondern "Einstiegsklasse". Und eine echte Lagenerkennbarkeit ist in 95% der Fälle auch nicht gegeben, insofern sehe ich den Verlust des trockenen Lagenkabinetts eher entspannt.

Im übrigen gibt es in keinem Land der Welt eine in sich stimmige Weinklassifikation und eine selbsterklärende Weinbezeichnungssystematik, die dann auch noch von allen Erzeugern umgesetzt wird.

@Ulli
10 Jahre sind doch gar nichts, vor allem wenn es ein "freiwillig" ist. Man schaue nur an die Mosel wo viele Winzer auch heute noch (über 40 Jahre nach ihrer gesetzlichen Abschaffung) nicht von den feinen, hochfeinen und feinsten Auslesen lassen wollen und diese mit unterschiedlichen Kapsellängen kommunizieren, verrückter geht es kaum.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Bernd, ehrlich gesagt finde ich Burgund, was die Klassifizierung angeht, ein gutes Vorbild. Die Stufen Grand Cru - Premier Cru - Villages Wein - Bourgogne AC sind leicht verständlich.
Soweit die Theorie, Stephan! In der Praxis verhält es sich aber so, dass es kaum ein Anbaugebiet gibt, welches dem Endverbraucher fallenreicher und verwirrender entgegenkommt. Wozu hat das leicht verständliche System am Ende geführt? Zu entsprechender Transparenz?
Das burgundische Vorbild ist im Vergleich zum konfusen Verhau, den der VDP bislang verzapft hat, ein leuchtendes Vorbild an Einfachheit und Klarheit.
Das stimmt, Ulli - aber von der Einfachheit und Klarheit des burgundischen Systems hat der Konsument am Ende nichts. Siehe oben.

Beste Grüße

Bernd

Beste Grüße

Bernd
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