Selten waren wir uns bei einem Thema so einig. Auch ich stehe Martin Kössler und seinen Aussagen inzwischen so ambivalent gegenüber wie meine Vorredner.
die verfügbarkeit von guten, interessanten und individuellen weinen für eine große menge von konsumenten war vermutlich nie so groß wie heute.
Zumindestens bei deutschen Weinen verhält es sich ganz sicher so. Und wenn ich mir anschaue, was ich alles im ein- oder knapp zweistelligen Preissegment aus den Nachbarländern bekommen kann, scheint mir Kössler schlichtweg Tinnef zu verzapfen.
Das exzellente Sortiment von K&U in dem ebenfalls exzellenten Online-Shop spricht für sich und ist aus meiner Sicht über jeden Zweifel erhaben
Das sehe ich genauso, obwohl ich längst kein Kösslerianer mehr bin. Und ich würde noch öfter bei K&U einkaufen, wenn es dort ein etwas breiter aufgestelltes Sortiment an restsüßen Rieslingen gäbe...
Natürlich geht es Martin Kössler in diesem Editorial auch darum sich als Weinhändler zu positionieren und seinen Kunden zu kommunizieren, dass sie bei ihm etwas besonderes, einzigartiges bekommen. Das ist aber in keiner Weise ehrenrührig, der Aufsatz ist ja auch auf der eigenen Homepage veröffentlicht. Und Teil des Geschäfts als Weinhändler ist es natürlich auch nach außen zu kommunizieren, was man warum anbietet.
Das ganze macht seine Thesen aber nicht weniger richtig.
Zum Thema Anspruch an den Wein und globale Einheitsbrühe
Mag schon sein, dass wir in Deutschland eine kleine Qualitätsrevolution in den letzten 10/15 Jahren erlebt haben, aber man sollte auch bedenken, dass Deutschland bei diesem Thema auch der Weinwelt hinterhergehinkt ist. Wir haben also nur eine Entwicklung nachgeholt, die in anderen Ländern schon früher gemacht wurde. Aber auch hier kommt jetzt der Punkt, wo auch "industriell" erzeugte Weine gut schmecken, wo Winzer wachsen und damit Weine "machen" müssen, die vielen Menschen schmecken. Auch in Deutschland werden wir den Trend zum Weinberater bekommen, Leute wie Rolland oder Coltarella werden auch "Winzerweine" austauschbar werden lassen. Klar ist das Argument richtig, dass solche Flying Winemaker, beratende Önologen auch viele Fehler ausmerzen, dass durch Sie die Qualität in der Breite steigt, aber das Individuelle geht eben schon auch verloren.
Aber selbst ohne solche Berater von außen gibt es eine Nivellierung, alle jungen Winzer lernen in der gleichen Schule (Universität), bei den gleichen Professoren, machen Praktika bei den gleichen renommierten Erzeugern, machen Praktika weltweit, sprich das Wissen wie man Wein macht gleicht sich immer mehr an. Auch das ist erst mal etwas Positives, die Qualität steigt, aber es bedeutet aben auch, dass die solcherart ähnlich erzeugten Weine dann auch immer ähnlicher schmecken.
Warum suchen denn die Spitzenerzeuger so verzweifelt nach einer regionalen Typizität aka Terroir? Weil es heute eben nicht mehr genügt einfach guten Wein zu machen. Aber auch die Ansprüche der Kunden, zumindest der meisten Kunden, gleichen sich an. Heute erwarten die Kunden auch von einem deutschen Rotwein dass er tiefdunkel ins Glas fließt, dicht und stoffig ist, siehe auch den großen Erfolg von Markus Schneider aus Ellerstadt. Klar es gibt dann auch immer kleine Gegenbewegungen, aber die spielen sich in einer Nische ab. Auch dieses Forum ist eine ganz, ganz kleine Nische. Ich bin mir sicher, dass mindestens 90% unserer Kunden solch dieses oder ein anderes Weinforum gar nicht kennen. Und ich spreche hier schon von Kunden, die in einem Fachgeschäft einkaufen, also die Masse der Weintrinker, die sich beim Discounter und im Supermarkt bedienen meine ich hier noch nicht einmal.
Als ich vor 15 Jahren zum ersten Mal auf der VinItaly war, da waren die Weine der verschiedenen Appellationen viel unterschiedlicher als sie es heute sind, natürlich hat man damals auch noch viel mehr schlechte Weine, ja deutlich fehlerhafte Weine vorgesetzt bekommen. Das findet man heute fast nur noch bei den kleinen unbekannten Appellationen und bei Erzeugern, die sich noch nicht mit den Weinen der Welt beschäftigt und verglichen haben. Manchmal ist das richtig spannend, solch eine Verkostung zu besuchen, Erinnerung an alte Tage im Weinhandel.
Heute findet man die "fehlerhaften" Weine oft bei den Spitzenerzeugern, ich erinnere nur mal beispielhaft an den, ich glaubees war der 2003er, Nikolaus von Kühn. Aber auch andere Weine von handwerklich arbeitenden, oft biodynamisch arbeitenden Erzeugern schrammen häufig schon sehr knapp am tolerierbaren entlang. Was für die Weinfreaks dann unglaublich spannend, komplex individuell sein mag, für die Masse der Kunden, von denen man als Händler aber lebt sind solche Weine aber wenig Freude machend. Das ist es was den Handel heute manchmal so schwierig macht und was dann auch in solchen "Klagen" eines Weinhändlers münden kann wie hier beschreiben.
Ich hoffe ich konnte zeigen, dass die Ansprüche heutzutage vielerlei auseinanderlaufen und nicht immer wirklich Qualitätssteigerung das Ziel ist, sondern in ganz vielen Fällen eben doch "nur" schmeckt mir, schmeckt mir nicht. Und wenn "einfache" Industrieweine schon "lecker" sind, dann ist es manchmal nicht so einfach zu erklären, warum der Kunde für einen handwerklich erzeugten Wein mehr Geld ausgeben soll.
Ich bin der Meinung, dass es dann nicht gleich Klagen und Larmoyanz ist, wenn man diese Dilemma aufzeigt und kommuniziert.
Wenn man sich dann noch die Statistiken zum Weinkauf ansieht, dann muss man halt leider schon sagen, dass immer mehr beim Discounter gekauft wird, sprich die Anspruchsvolleren Alternativen, Fachhandel und Winzer verlieren Jahr für Jahr Kunden.
Es mag so sein, dass in Großstädten heute die Vielfalt an Händlern viel größer ist, dass es rein regional ausgerichtete Sortimente gibt, aber dafür geht natürlich in der fläche auch viel verloren, wo es früher in fast jeder Stadt noch gut sortierte Feinkosthandlungen gab, da sind diese heutzutage fast alle geschlossen. Selbst auf der sogenannten Frankfurter "Fressgass" findet sich heute kein echtes Feinkostgeschäft mehr, diese Sortimente mögen vielleicht früher teuer gewesen sein und auf die klassischen Regionen beschränkt, aber so schlecht waren die auch nicht. Da ist schon einiges an Angebot verloren gegangen, das durch die reinen Weinhändler nur bedingt aufgefangen wurde.
Und zum Thema Bio
Warum ist das heute im ein ein Trend geworden? Natürlich hat das etwas mit den Erzeugern zu tun, die heute selbst viel sensibler bezüglich Naturbelastung geworden sind, aber dass gerade die Toperzeuger sich gleich der Biodynamik verschreiben hat eben auch ganz viel damit zu tun ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Großerzeugern zu haben. Biodynamik ist durch die Demeter-Mitgliedschaft ein Closed-shop, der einem die Möglichkeit schafft, sich von den anderen Erzeugern am Markt abzugrenzen. Dass man den Marketing-Vorteil weniger bis gar nicht gegenüber der möglichen Qualitätssteigerung kommuniziert ist auch klar, man sieht und ließt ja hier in diesem Forum auch immer wieder das Unbehagen gegenüber Werbung und Marketing.
Ich denke dass die Tesen von Martin Kössler durchaus berechtigt sind, ob der Ton immer der richtige ist, da kann man sicher streiten, aber Martin Kössler war und ist schon immer ein streitbarer Mensch gewesen, dass er manchmal im Ausdruck ein wenig über das Ziel hinausschießt liegt halt an der Leidenschaft mit der er seine Tätigkeit als Weinhändler betreibt.
Die Fragen die er aufwirft sind durchaus überlegenswert. Was bedeutet Qualität heute im Wein? "Nur" ein fehlerfreier Wein kann es eben nicht sein.
Was bedeutet Regionaltypizität in einer globalisierten und tendenziell sich nivellierenden Weinwelt? Wie verändern Markenweinkonzepte den Anspruch an Typizität?
Was bedeutet der Wert, der Preis eines Weins? Wie korreliert der Wert und der Preis mit der Qualität?
Wenn man sich dann noch die Statistiken zum Weinkauf ansieht, dann muss man halt leider schon sagen, dass immer mehr beim Discounter gekauft wird, sprich die Anspruchsvolleren Alternativen, Fachhandel und Winzer verlieren Jahr für Jahr Kunden.
Das mag schon so sein, aber ich sehe die Ursache dafür nicht bei den Verbrauchern, sondern im teilweise unfähigen Fachhandel. Da gibt es Verkäufer, die kennen nicht mal das Sortiment. Es gibt eine schlechte Sortimentspolitik mit unschlüssigen Konzepten. Von der Arroganz mancher Läden mal zu schweigen, wenn man da nicht im Anzug auftaucht und so aussieht, als wolle man Wein im Wert eines Kleinwagens kaufen. Wenn ich nicht im Internet durchaus positive Erfahrungen gesammelt hätte, wäre ich nach meinen ersten beiden Erfahrungen im "Fach"handel auch lieber zum Discounter gegangen.
Und für alle Kaufleute gilt: Wenn der Kunde nicht kommt, ist nicht der Kunde schuld, sondern der Kaufmann selber.
BuschWein hat geschrieben: dann ist es manchmal nicht so einfach zu erklären, warum der Kunde für einen handwerklich erzeugten Wein mehr Geld ausgeben soll.
Einfach nicht, aber das ist eben der Job des Fachhandels. Nicht nur beim Wein. Und aus der Perspektive des Käufers ist das sogar gut so, denn Information ist etwas wert, sie steigert nicht nur das Wissen, sondern auch den Genuss.
BuschWein hat geschrieben: Die Fragen die er aufwirft sind durchaus überlegenswert. Was bedeutet Qualität heute im Wein? "Nur" ein fehlerfreier Wein kann es eben nicht sein.
Was bedeutet Regionaltypizität in einer globalisierten und tendenziell sich nivellierenden Weinwelt? Wie verändern Markenweinkonzepte den Anspruch an Typizität?
Was bedeutet der Wert, der Preis eines Weins? Wie korreliert der Wert und der Preis mit der Qualität?
Die Fragen sind berechtigt. Hat er sie aber beantwortet?
Die Fragen sind berechtigt. Hat er sie aber beantwortet?
Ich denke Martin Kössler sieht die Antwort auf diese Fragen in seinem Programm, dort versucht er ja auch durch Information zu den Weinen und den Erzeugern zu erklären was seine Weine auszeichnet.
Wenn man sich dann noch die Statistiken zum Weinkauf ansieht, dann muss man halt leider schon sagen, dass immer mehr beim Discounter gekauft wird, sprich die Anspruchsvolleren Alternativen, Fachhandel und Winzer verlieren Jahr für Jahr Kunden.
Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast!
Der älteste GM, der bei mir im Regal liegt, ist der 96er. Darin werden 374 Weingüter empfohlen. Im 2011er sind es hingegen bereits 984, deren Weine alle von irgendwem gekauft werden.
Meine Mutter hat früher Amselfelder im Aldi erworben, heute kauft sie Spätburgunder bei Jakob Sebastian oder beim Weingut Stadt Lahr.
Ich bin mir absolut sicher, dass hierzulande inzwischen viel mehr hochwertige Weine konsumiert werden als vor 20, 30 oder gar 40 Jahren.
Aber selbst ohne solche Berater von außen gibt es eine Nivellierung, alle jungen Winzer lernen in der gleichen Schule (Universität)
Ach was. Ich muss dir doch nicht die ganzen Toperzeuger - Quereinsteiger wie auch gelernte Winzer - aufzählen, die den Geisenheimer Laden nie von innen gesehen haben, oder?
Beste Grüße
Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am Di 10. Jan 2012, 23:08, insgesamt 1-mal geändert.
Bernd Schulz hat geschrieben: Ich muss dir doch nicht die ganzen Toperzeuger - Quereinsteiger wie auch gelernte Winzer - aufzählen, die den Geisenheimer Laden nie von innen gesehen haben, oder?
BuschWein hat geschrieben: dann ist es manchmal nicht so einfach zu erklären, warum der Kunde für einen handwerklich erzeugten Wein mehr Geld ausgeben soll.
Einfach nicht, aber das ist eben der Job des Fachhandels. Nicht nur beim Wein. Und aus der Perspektive des Käufers ist das sogar gut so, denn Information ist etwas wert, sie steigert nicht nur das Wissen, sondern auch den Genuss.
Ich könnte auch noch Negativbeispiele zum Weinfachhandel einbringen, wie in jeder Branche, finde aber, dass die Information dem Weinfachhandel gut gelingt. Im Präsenzgeschäft ist es natürlich viel einfacher, bei ausgerichteten Proben oder Seminaren die Kundschaft über das eigene Anliegen aufzuklären oder gar zu überzeugen, während der Internethandel doch hauptsächlich nach den bekannten Mechanismen funktioniert: Schnäppchenpreise, Kritikerpunkte nebst Zitaten, Namedropping („Nachbar von Petrus“) und anderen nach Prestige heischenden Kommentaren. Dazu bedarf es wahrlich keiner Kompetenz. Das ist Herrn Kössler wohl schon lange ein Dorn im Auge. Die Kritik am ‚inkompetenten’ Internethandel zieht sich wie ein roter Faden durch seine Veröffentlichungen. Ich halte es für legitim, dass Herr Kössler zu den Mitteln Übertreibung und Polemik greift, um sich im ‚lärmenden’ Netz überhaupt Gehör zu verschaffen. Im wirklichen Leben er bestimmt ein ganz Netter
Grüße
Martin
Military justice is to justice what military music is to music [Groucho Marx]
Die Kritik am ‚inkompetenten’ Internethandel zieht sich wie ein roter Faden durch seine Veröffentlichungen. Ich halte es für legitim, dass Herr Kössler zu den Mitteln Übertreibung und Polemik greift, um sich im ‚lärmenden’ Netz überhaupt Gehör zu verschaffen.
Ganz ehrlich halte ich es nicht für ein Zeichen von Kompetenz, wenn man alle Mitbewerber als Schwachköpfe darstellt. Mag schon sein, dass Kösslers Sortiment wirklich gut ist, aber mich persönlich würden schon diese Ausfälligkeiten als Käufer eher abschrecken.
Aber wenn er insgesamt mit diesen Ausführungen mehr Kunden gewinnen oder binden kann als er damit abschreckt, dann hat er ohnehin alles richtig gemacht