Rotweinprobe in Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe
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Rotweinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

letzten Freitag haben sich wieder einige Weinzähne getroffen, um Rotweinsorten aus aller Welt zu testen. 14 Weine waren insgesamt am Start.
Hier in aller Kürze meine VKN:

1.) 2009er "Herzog Christoph" Lemberger QW trocken (WG Cleebronn-Güglingen)
Ein Lemberger (Blaufränkisch) aus dem "Aufsteigerweingut des Jahres" (Gault Millau 2012).
Geradlinige, straffe Frucht, Brombeere und Kirsche, ganz trocken, gute Säure, passendes Tannin, sehr ordentlicher, trinkiger Lemberger. 84 P.

2.) 2008er Blaufränkisch "Szapary" Eisenberg DAC Reserve (Jalits, Badersdorf
stoffiger Wein mit einiger Extraktdichte,Brombeere, Kirsche und Pflaume mit dem typischen Eisenberg-Ton (nomen est omen: metallisch, Graphit), trotzdem kein Marmeladenwein, gute Länge, durchaus auf Augenhöhe mit dem Szapary von Uwe Schiefer, nur erheblich preiswerter. Top-PLV (10,50 EURO Vinothekspreis Österreich). 88 P.

3.) 2002er Cahors a.c. "Les Laquets" (Cosse-Maisonneuve, Fargues)
sehr feine, elegante Nase, wunderbarer Mix aus Dunkelfrucht und würzigen Noten, sehr komplex und dicht, voll auf der eleganten Seite, nichts kracht im Glas, nichts sticht hervor, tolle Harmonie, wirkt noch sehr jugendlich, sehr lang. Der "Lafite" von Cahors ;)
Toller Malbec ! 91 P.

4.) 2007er Catena Alta Malbec "Estate Lots" (Catena Zapata, Mendoza)
Der Gegenentwurf zum Cahors-Malbec aus der neuen Welt. Sehr fruchtintensiv (Johannisbeere, Kirsche,Pflaume) und kraftvoll, deutlich neues Holz, das aber gut integriert ist, deutliche Extraktsüsse, Alkohol (14 Vol %) etwas spürbar, feines Tannin, ordentliche Säure, sehr dicht, kraftvoller Abgang. Ein sehr ambitionierter und auch nicht gerade billiger Wein, der doch auf Dauer etwas ermüdend wirkt. 87 P.

5.) 2007er Cornas a.c. "Granit 30" (Vincent Paris, Cornas)
Klassische, sehr feine Syrah-Nase nach knappreifen Johannis- und Brombeeren, blutiges Fleisch, würzig, Veilchen, sehr komplex und finessenreich. Auch auf der Zunge extrem elegant, Holz ganz im Hintergrund, mittlerer bis langer Abgang. Sehr feiner Cornas mit Potential, der aber schon momentan viel Trinkfreude bereitet. Mit etwas mehr Dichte und Länge wäre dies sogar ein großer Nordrhone-Syrah geworden. 90 P.

6.) 2007er Shiraz "Reiver" Barossa Valley (Mitolo Wines, Virginia)
Hier hat wieder Kult-Winemaker Ben Glaetzer zugeschlagen. Enorm kraftvoller, fruchtdichter Wein im typ. Aussiestil, fast Fruchtkonzentrat auf der Zunge, Tannin und Säure können diese Wuchtbrumme (15 Vol%) so eben in der Waage halten, langer, etwas hitziger Abgang.
Beeindruckender Wein für eine Weinprobe, aber mehr als ein Glas möchte ich von diesem Macho nicht unbedingt trinken. 89 P.

7.) 2007er Chianti classico Riserva DOCG (Badia a Colitibuono, Gaiole)
Die einzige richtige Enttäuschung des Abends. Schon die Farbe mit deutlichen Ziegelrot-Tönen deutet eine frühzeitige Alterung an. Sehr strenger, fruchtarmer Eindruck, fast karg wirkend, auf der Zunge folgerichtig wenig Frucht, relativ grobkörniges, etwas bitteres Tannin, gute Säure, Alkohol (14 Vol%) gut verpackt, relativ kurzer, strenger Abgang.
Schade, ich hatte die Coltibuono-Weine immer als angenehm-klassische Weine empfunden. Vielleicht eine "Ausrutscher"-Flasche, aber ein offensichtlicher Weinfehler war nicht erkennbar. Aufgrund der Fruchtarmut wird dieser Wein, zumindest in der vorliegenden Flaschenform, keine Zukunft mehr haben. 79 P.

Fortsetzung folgt !!

Grüsse
Bodo
weinaffe
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Re: Rotweinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

... und weiter geht es ab Wein Nr. 8.):

8.) 2005er "Oscar Tobia" Rioja Reserva DOC (Bodegas Tobia, San Asensio)(
deutlicher Holzeinsatz, trotzdem satte Pflaumen- und Kirschfrucht, gute Säure, kraftvoll, aber keineswegs alkoholisch, moderner, perfekt vinifizierter Wein mit guter Länge, der allerdings von fast überall her stammen könnte. 88 P.

9.) 2001er Vina Pedrosa Reserva Ribera del Duero DO (Perez Pascuas)
wunderschön gereifter Tempranillo mit minimalen Cabernet Sauvignon-Anteil, komplexe Nase mit Johannisbeere, Pflaume, vermischt mit Leder und feinstem Havanna-Tabak, sehr würzig, durchaus komplexe Nase. Auf der Zunge überraschend kühler Auftritt, sehr elegant, komplex, ein feiner Wein der eher klassischen Ausrichtung. Der kleine Cabernet-Anteil ändert daran absolut nichts. 90 P.

10.) 2007er Pinot Noir Hemel-en Aarde Valley W.o.O. (Hamilton-Russell)
seit Jahren einer der besten Adressen für südafrikanischen Chardonnay und Pinot Noir. Dieser Wein macht hier keine Ausnahme: "ehrliche", durchscheinende Kirschfarbe, reife Kirsche mit etwas Himbeere, dezenter Holzeinsatz, deutliche Extraktsüsse, mildes, weitgehend abgeschmolzenes Tannin, fruchtbetonter Abgang. Sehr schöner Pinot aus einer der kühlsten Ecken der neuen Welt. 89 P.

11.) 2004er Gevrey-Chambertin "Petite Chapelle" 1er Cru (Rossignol-Trapet)
Sehr klassischer, noch etwas verhaltener Bourgogne mit fester Struktur, eleganter Weichsel/Himbeerfrucht,ein Hauch blutiges Fleisch, dezente florale Noten,kommt noch nicht ganz aus dem Schneckenhaus, hat aber aufgrund der merklichen Frucht und der festen Struktur noch Reifepotential,gut antrinkbar ist er aber in jedem Falle jetzt schon. 91+P

12.) 2004 Barbaresco DOCG "S. Stefanetto" (Piero Busso, Neive)
Hier kann ich 1 zu 1 meine VKN vom April diesen Jahres heranziehen, würde aber noch 1 Punkt mehr vergeben:
Optik:
leicht durchscheinendes Kirschrot, deutliche Viskosität.

Geruch:
sehr reintönige, nebbiolotypische Nase nach reifen Herzkirschen und Pflaumen, vermischt mit Noten von Piment, Teer und etwas Veilchen. Sehr jugendlicher, aber mundwässernder Eindruck.

Geschmack:
absolut trocken mit frischer, strukturierender Säure, noch etwas eckiges, aber feinkörniges Tannin, kraftvoller Körper, die Naseneindrücke bestätigen sich voll im Mund, reife Kirsche und Pflaume, dezent floral und würzig, Holz nur unterstützend im Hintergrund, Alkohol bestens eingebunden, mittellanger bis langer, fruchtig-würziger Abgang mit lange nachklingender Aromatik.

Fazit:
Der Wein steht noch ganz am Anfang und braucht Minimum 5 Jahre, um noch etwas runder zu werden und mehr Komplexität zu entwickeln.
Aufgrund der Tatsache, dass dieser Wein im Gambero Rosso 2008 mit 3 Gläsern ausgezeichnet wurde (der 2007 hat 2011 schon wieder 3 Gläser erhalten), habe ich eher einen "modernen", barriquegeprägten Barbaresco erwartet. Das ist er aber definitiv nicht. Er hat zwar moderne Elemente (Barriqueausbau, klare, saubere Fruchtausprägung), ist aber doch als klassischer Nebbiolo gut zu erkennen.
Sehr schöner Barbaresco mit Potential. Derzeit 92+P.

Fortsetzung mit den letzten 2 Weinen folgt !!

Grüsse
Bodo
Zuletzt geändert von weinaffe am Do 24. Nov 2011, 19:32, insgesamt 1-mal geändert.
weinaffe
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Re: Rotweinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

... und abschließend noch die beiden letzten Weine:

13.) 2006er "Rubicon" Stellenbosch W. o. O. (Meerlust Estate, Stellenbosch)
einer der kultigen Cabernet/Merlot-Verschnitte aus Südafrika. Klassische Johannisbeer/grüne Paprika-Nase, wirkt leicht unterreif, kühler Eindruck, ein Hauch Minze, Cabernet gibt hier ganz klar den Ton an. Folgerichtig auf der Zunge, noch leicht eckiges Tannin, schöne Säure, gut verpackter Alkohol (14 Vol%),ordentliche Länge. Macht Spass. 88 P.

14.) 2000er Domaine de Chevalier rouge Grand Cru Classe de Graves (O. Bernard)
Zum Abschluss noch einmal geniales Bordeaux-Kino: eine Nase zum Hineinlegen, ultraelegant,feine Dunkelbeerfrucht, perfekter Holzeinsatz,der Wein hat noch durchaus reichlich Tannin, dieses ist aber so feinkörnig, dass der Wein fast seidig wirkt, auf der Zunge trotzdem ein fester Kern, strukturierende Säure, Alkohol nur 12,5 Vol%, sehr dicht und fein, ein fast burgundischer Bordeaux, ellenlanger Abgang. Der Wein ist schon jetzt so verführerisch, dass man kaum widerstehen kann. Ich bin mir aber sicher, dass dieser Wein problemlos noch 5-10 Jahre weiterreifen und sich noch verbessern kann. Wer mehrere Flaschen von dieser Schönheit besitzt, sollte sich aber jetzt schon mal das Vergnügen gönnen. 93+P.

Das wars in aller Kürze. Morgen wird es eine Probe mit den 4 großen "B" geben (Bordeaux, Burgund, Barolo, Brunello), quasi ein französisch-italienisches Länderspiel auf sehr hohem Spielniveau. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt und werde im Forum darüber berichten.

Grüsse
Bodo
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harti
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Re: Rotweinprobe in Würzburg

Beitrag von harti »

Hallo Bodo,

vielen Dank für Deine sehr interessanten VKN. Eine Bitte: Könntet Du noch den Jahrgang des Barbaresco ergänzen?

Bin schon gespannt auf die (sicher nicht einfache) Zusammenstellung und die Ergebnisse Eurer 4B-Probe (eine solche hatte ich übrigens auch schon mal, allerdings standen die Bs für 3fach blind* und hinterher blau ;) ).

Grüße

Hartmut

*Der Veranstalter hatte bei einer Doppelt-Blindprobe die Zuordnung der Karaffen durcheinander gebracht, so dass wir nach der vermeintlichen - falschen - Auflösung versuchen mussten, die Weine anhand einer Nachverkostung richtig zuzuordnen. Für diese Nachverkostung steht das dritte B.
weinaffe
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Re: Rotweinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

harti hat geschrieben:Hallo Bodo,

vielen Dank für Deine sehr interessanten VKN. Eine Bitte: Könntet Du noch den Jahrgang des Barbaresco ergänzen?

Bin schon gespannt auf die (sicher nicht einfache) Zusammenstellung und die Ergebnisse Eurer 4B-Probe (eine solche hatte ich übrigens auch schon mal, allerdings standen die Bs für 3fach blind* und hinterher blau ;) ).

Grüße

Hartmut

*Der Veranstalter hatte bei einer Doppelt-Blindprobe die Zuordnung der Karaffen durcheinander gebracht, so dass wir nach der vermeintlichen - falschen - Auflösung versuchen mussten, die Weine anhand einer Nachverkostung richtig zuzuordnen. Für diese Nachverkostung steht das dritte B.
Hallo Hartmut,
au Backe, das ist ja dann in richtige Arbeit ausgeartet. So chaotisch wird es morgen sicher nicht, da wir zwar außer mir (einer muss ja schließlich die Zusammenstellung machen) blind verkosten, aber nach jedem Wein auflösen werden. Wir werden auch nicht "wild" durcheinander probieren, sondern die Herkünfte werden aus didaktischen Gründen blockweise zusammengefasst. So kann man dann möglicherweise die unterschiedlichen Stilistiken der einzelnen Herkünfte besser herausarbeiten. Bei der Zusammenstellung habe ich ja hier im Forum schon den einen oder anderen Tipp bekommen (speziell was die Italiener anbelangt) ;) . Vielen Dank dafür!

P.S.: Jahrgang beim Barolo ist ergänzt (2004).

Grüsse
Bodo
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