Deutsche Weinprobe in Würzburg

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weinaffe
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Deutsche Weinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

es wurde mal wieder Zeit, mit einigen gleichgesinnten Weinnasen einige deutsche Rot- und Weißweine durchzuprobieren. 14 Weine standen auf dem Prüfstand (4x rot, 10 x weiß) und ..oh Wunder.. ein Abend ohne Korkschmecker, obwohl 13 der 14 Weine verkorkt waren !!

Für die Interessierten folgend meine Kurznotizen:

1.) 2009er Lemberger ** QW trocken (Rainer Schnaitmann, Fellbach)

sehr klassischer Lemberger mit Kirsch- und Pflaumenfrucht,angenehm kühler Gaumenauftritt, noch leicht kantiges Tannin, Holz nur ganz dezent im Hintergrund, erinnert stark an einen mittelgewichtigen Burgenländer,sehr guter Trinkfluss, dürfte vor allem als Essensbegleiter eine gute Figur machen. 85 P.

2.) 2008er Cabernet Mitos QW trocken (Kirmann, Westerhausen)

die Nase erinnert durchaus an Bordeaux, etwas Cassis, Pflaume, vor allem balsamische und würzige Noten (Tabak, Leder, Tintenblei, dezent floral), leider kann der Gaumenauftritt dann -sicherlich auch jahrgangsbedingt- nicht mit der vielversprechenden Nase mithalten, es fehlt doch deutlich an Fleisch und Kraft, etwas monolithische Frucht, zu hohe Säure, etwas kurzer Abgang. Wenn man aber den Jahrgang und die klimatischen Bedingungen berücksichtigt, ein durchaus sehr ordentlicher Wein. 82 P.

3.) 2003er "Divino" Frühburgunder QW trocken (WG Nordheim)

sehr feine Nase nach Schattenmorellen ,Erd- und Himbeere,rohes Fleisch, typisches Pinot-Stinkerl, erstaunlicherweise und entgegen dem Jahrgangstrend absolut nicht marmeladig, ganz trocken, aber mit deutlicher Extraktsüsse, genau die richtige Säuredosis für eine ordentliche Struktur, fast abgeschmolzenes Tannin, reif, aber keine Spur von Alkoholübermass (vergeichsweise bescheidene 13,2 Vol%), elegant und voller Finesse, mittlerer bis langer Abgang, ein Klasse Frühburgunder, der auch wesentlich teureren Exemplaren locker Paroli bieten kann. 90P.

4.) 2004er Spätburgunder QW trocken "Alte Reben" (Huber, Malterdingen)

voll auf Eleganz getrimmte Nase, feiner MIx aus zarten Holztönen mit floralen- und
Dunkelbeereinschüben, auch hier das typische Pinot-Stinkerl, jahrgangsbedingt eine etwas höhere Säure als beim Frühburgunder, feinkörniges, mürbes Tannin, der Wein ist jetzt herrlich gereift und auf dem Punkt. Die stilistische Ähnlichkeit mit dem Frühburgunder ist wirklich erstaunlich. Auch hier 90 P.


Jetzt zu den Weißweinen:

5.) 2007er Bopparder Hamm Ohlenberg Riesling Spätlese tr. -Alte Reben- (Matthias Müller)

kräftiger Riesling mit einiges an (sauberer) Bortrytis, kräftige Honignote, reife Aprikose, Ananas, etwas exotisch, mittlere Säure, mittelgewichtig bis kraftvoll, mehr auf der wuchtig-fruchtigen als auf der mineralischen Seite, vielleicht etwas sättigend, aber trotzdem ein tadelloser, vielleicht ein Tick zu schwermütiger Riesling. Das Preis-Leistungsverhältnis ist wie bei allen Weinen von Matthias Müller sehr gut. 85 P.

6.) 2004er Kirrweiler Mandelberg Weißburgunder tr. "GG" (Rainer Bergdolt)

würzig-fruchtige, aber gleichzeitig frische und noch erstaunlich jugendliche Nase, reifer Apfel, etwas Birne, dezent vegetabile Töne (Heu, Fenchel), mundwässernde Nase, absolut trocken, fast leichtfüssig wirkend aufgrund der stringenten, aber reifen Säure, Körper bestens verpackt, die 13, 5 Vol% sind nicht zu erahnen, langer und frischer Abgang.
Ein Großes Gewächs, das durchaus seinen Namen verdient. Man merkt die Erfahrung, die Rainer Bergdolt schon sehr lange mit dem häufig unterschätzten Weißburgunder besitzt.
90 P.

7.) 2008er Retzstadter Langenberg "Recis" Silvaner Spätlese tr. (Rudi May)

frische Melonennase, etwas Heu und vegetabile Noten, wirkt sehr frisch, kräftige aber reife Säure, sehr geradlinig, dezente Mineralik auf der Zunge, ganz trocken, gelungener Mix aus Frucht und Würze, gute Länge. Ein niveauvoller, sehr trinkanimierender Silvaner. Warum genau dieser Wein von Jancis Robinson zu einem Ihrer Weine des Jahres gekürt wurde, erschließt sich mir allerdings nicht ganz. 88 P.

8.) 2008er Westhofener Kirchspiel Riesling tr. "GG" (Keller)

sehr kühle, elegante und absolut mineralisch gefärbte Nase, die Frucht entwickelt sich nur im Schneckentempo, elegant und trotzdem sehr dicht, absolut spannend.
Knackig trocken mit reifer Säure, verhaltene Zitrus-/Aprikosenfrucht mit einer Spur Tabak, nasser Stein, sehr fokussiert und klar, voll seine Eleganz ausspielend, finessenreicher Abgang. Der Wein ist noch sehr jung und wird sich zweifellos verbessern. Mir macht er aber jetzt schon riesig Spass. Mit jedem Schluck gewinnt dieser Wein. Absolut nichts für Power-Trinker. 93 P. +

Fortsetzung folgt mit den restlich 6 Weißweinen !

Grüsse
Bodo
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hendrik
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Re: Deutsche Weinprobe in Würzburg

Beitrag von hendrik »

13 Weine verkorkt????
Unglaublich :ugeek:
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sociando
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Re: Deutsche Weinprobe in Würzburg

Beitrag von sociando »

...also so wie holland morgen spielt??? :roll: (achtung spass, attention joke, atención diversión, 尊敬的樂趣, уважительного веселья, aandacht fun - niet ernstig). beste grüsse nach leusden und auf ein gutes, faires spiel morgen! martin
es lebe die freiheit! es lebe der wein!
(johann wolfgang von goethe, faust, auerbachs keller)
weinaffe
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Re: Deutsche Weinprobe in Würzburg

Beitrag von weinaffe »

... und weiter geht's mit deutschen Weinen ab Wein 9:

9.) 2007er Rüdesheimer Berg Kaisersteinfels "Terrassen" Riesling QW (Leitz)

klassische, mineralisch geprägte Nase mit Zitrus-/Grapefruitfrucht, leichte, für mich etwas zu hohe Restsüsse (oberer Trockenbereich bis halbtrocken), die die steinigen Noten etwas ausbremst,hintergründige, reife Säure, nur mittelgewichtig (12,5 Vol%),mittlerer Abgang. Ein zweifellos guter Riesling mit Reifepotential, aufgrund des ambitionierten Preises (knapp 39 EURO im Handel) habe ich doch etwas mehr erwartet. 89 P.

10.) 2007er Grauburgunder Spätlese tr. (Schloß Proschwitz)

klassische Grauburgundernase (Melone,Quitte, Kakao),elegante Ausprägung, wirkt noch sehr jugendlich,dezente, aber eingepasste Restsüsse (ca. 7g), ausgeprägte, aber reife Säure (ca. 7 Promill), die 13,5 Vol% werden fast spielerisch verpackt, angenehme Melonen-/Quittenmelange, sehr klar im Ausdruck, gute Länge.
Ein vorbildlicher Grauburgunder mit sehr gutem Trinkfluss. 90 P.

11.) 2005er Niederhäuser Hermannshöhle Riesling GG (Dönnhoff)

sehr ausgeprägte, fast schon exotische Rieslingfrucht mit Noten von Ananas, Maracuja, Aprikose und Grapefruit, wirkt weich und reif, schon sehr zugänglich.
Folgerichtig auf der Zunge ein richtiges Fruchtcocktail (erinnert mich ein wenig an die "Nimm 2" Bonbons), das auch hier wenig Mineralisches freigibt, spürbarer Hauch Restzucker,reife Säure, elegante Erscheinung ohne Ecken und Kanten, sehr gut, aber auch etwas langweilig. Der Wein wirkt schon durchaus trinkfertig und ich frage mich, ob da noch viel kommt ?? 88 P.

12.) 2009er Monzinger Halenberg Riesling GG (Emrich-Schönleber)

umwerfende Nase mit filigraner, maximaler Fruchtausprägung, aber messerscharfer Struktur, enorme, nur ansatzweise aufblitzende "Stein"-Mineralität,grosses Potential.
Wirklich trocken mit rassiger, aber reifer Säure, glasklar und rasiermesserscharf strukturiert, tolle Fruchtausprägung (Aprikose, Zitrus, Ananas) ohne jeden Kitsch, starke, noch verdeckte Mineralität, Alkohol hervorragend integriert, wirkt bei aller Dichte und Tiefe fast spielerisch, sehr lang und finessenreich.
Der Wein steht noch ganz am Anfang und wird mit den Jahren seine mineralische Seite voll in den Vordergrund schieben. Wer aber mehrere Flaschen von diesem Klassewein im Keller hat, sollte die jetzige hedonistische Phase keinesfalls verpassen. Ganz großes Rieslingkino, sicherlich einer der Jahrgangsbesten, vieleicht sogar der Top-Wein des Jahres. Hat gegenüber der GG-Verkostung in Kloster Eberbach vor gut 1 Jahr noch deutlich zugelegt.
Besser kann man trockenen Riesling kaum machen, höchstens stilistisch anders.
95 ++P.

13.) 1999er Wehlener Klosterberg Riesling Auslese** (Markus Molitor)

archetypische, reife Rieslingnase mit nur einem minimalen Hauch an Petrol,schiefrige Aprikosen/Zitrusfrucht, sehr würzig, keinesfalls alt, man könnte stundenlang schnüffeln.
Dank rassiger Säure (über 10 Promill) wirkt der Wein nur dezent restsüss, ja sogar fast halbtrocken (und das bei gut 100gr. RZ !), federleicht im Alkohol (8 Vol %),schiefrige Würze, knackige Aprikosenfrucht, ein Hauch Lakritze, sehr finessenreich, gute Länge.
Eine klassische Moselauslese, die einfach nur Spass macht und noch keineswegs getrunken werden müsste. 91 P.

14.) 1994er Mußbacher Eselshaut Rieslaner Trockenbeerenauslese (Müller-Catoir)

fast cognacfarben mit dezent olivgrünen Reflexen, im Gegensatz zur Farbe ist der Wein aber noch äusserst lebendig, intensive, klirrend-frische Exotikfruchnase (Maracuja, Ananas, Zitrus, Grapefruit) mit etwas Waldmeister und leichter Kräutrigkeit, sehr intensiv und komplex.
Irre Säure, die die hohe Süsse bestens abfedert,leicht im Alkohol (8 Vol%), sehr dichte und intensive Frucht, angenehme Reife, langer, hochkomplexer Abgang. Ein Süsswein der absoluten Spitzenklasse in bester Reife, der aber aufgrund der Säure und Fruchtdichte quasi ein ewiges Leben haben dürfte. Rieslaner in dieser Gewichtsklasse fegt fast jeden Riesling gleicher Gradation von der Platte.
96 P.

Das wars in aller Kürze von einem genussreichen und entspannten Weinabend. Nächsten Freitag werden wir uns dann mit den interessantesten Rotweinsorten- und Stilen weltweit befassen.

Grüsse
Bodo
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octopussy
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Re: Deutsche Weinprobe in Würzburg

Beitrag von octopussy »

weinaffe hat geschrieben: 10.) 2007er Grauburgunder Spätlese tr. (Schloß Proschwitz)

klassische Grauburgundernase (Melone,Quitte, Kakao),elegante Ausprägung, wirkt noch sehr jugendlich,dezente, aber eingepasste Restsüsse (ca. 7g), ausgeprägte, aber reife Säure (ca. 7 Promill), die 13,5 Vol% werden fast spielerisch verpackt, angenehme Melonen-/Quittenmelange, sehr klar im Ausdruck, gute Länge.
Ein vorbildlicher Grauburgunder mit sehr gutem Trinkfluss. 90 P.
Danke für die schönen Notizen. Da schlägt sich der Saggse ja gar nicht so schlecht. Der Grauburgunder ist neben der Scheurebe auch meist mein Lieblingswein vom Prinzen.
Beste Grüße, Stephan
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