Am 20.07.2011 hatte ich sie im Postfach, die Einladung zu einer Weinprobe im Oktober, die aus Anlass eines 50. Geburtstages stattfinden sollte. Aus 1961 sollten es u. a. Haute-Brion, Latour, Latour-a-Pomerol und Petrus geben. Was sagt man zu so einer Einladung? „Zu“ natürlich, was ich denn auch wie alle übrigen geladenen Gäste schnellstens tat.
Am 14.10.2011, dem Tag der Probe, war ich schon einige Stunden vor Probenbeginn in dem von mir und auch den übrigen auswärtigen Probeteilnehmern gebuchten Hotel. Auch wenn ich mir immer wieder einredete, es wird, wie üblich, nur vergorenen Traubensaft geben, will ich nicht verschweigen, dass ich gespannt und vielleicht sogar etwas nervös dem Probebeginn entgegen fieberte.
Um 18.00 Uhr war es dann endlich soweit: Wir wurden in unserem Hotel von einem vom Gastgeber bestellten Taxi abgeholt und zu dem Privathaus gefahren, in dem die Probe stattfinden sollte. Insgesamt fanden sich neun Weinnasen ein, die sich einer gleich großen Anzahl von Bordeauxweinen aus dem Jahrgang 1961 gegenüber sah. Diese hatte der Gastgeber fein säuberlich und ohne Rücksicht auf das Alter einiger Probenteilnehmer auf dem Fußboden des Probenraumes aufgereiht, so dass man, wenn man die Flaschenetiketten genauer in Augenschein nehmen wollte, notgedrungen vor den Weinen auf die Knie fallen musste. Eine Geste, die ob der Größe, die einige der verkosteten Weine später zeigte, durchaus angemessen war.
Mit Verkostungsnotizen der getrunkenen Weine kann ich mangels schriftlicher Aufzeichnungen nicht dienen, so dass ich mich auf eine kurze Charakteristik der einzelnen Weine beschränken muss.
Zum Avinieren der Gläser gab es zunächst einen Domaine de Chevalier 2004, sicherlich ein guter Wein, aber mir persönlich noch zu vanillig und damit zu jung.
Los ging es dann mit einem Lynch Bages 1982, der mir schon ausgereift erschien und unter Berücksichtigung des hervorragenden Jahrganges eine leichte Enttäuschung darstellte (91 P). Was Lynch Bages wirklich kann, bewies dann später in der Hauptprobe der 61er.
Der Reigen der Weine aus dem Geburtsjahr unseres Gastgebers wurde mit einem Beychevelle eröffnet. Ein sehr schönes Nasenbild zeigend, aber am Gaumen zunächst blechern, harmonisierte er sich zunehmend im Glas, konnte jedoch nicht verleugnen, dass er seine besten Zeiten schon länger hinter sich hatte. In der Nase deutlich über 90 Punkte, am Gaumen um die 80, ich notierte wohlwollende 85 Punkte. Wenn man bspw. die Notizen auf CT nachliest, so liegt der Verdacht nahe, dass es sich hier um eine nicht optimal gelagerte Flasche handelte.
Der zweite Wein kam ebenfalls aus St. Julien, ein Leoville Las Cases. Ein anständiger Wein, aber für den Jahrgang und angesichts der Reputation des Weingutes sicherlich eher eine Enttäuschung (90 P).
Dann hatten wir den ersten Hammer im Glas, einen Lynch Bages, der mit einer geilen, fast kalifornischen (Eukalyptus, Minze, volle Cassis-Frucht) Nase aufwartete. Am Gaumen dann ein voller, fleischiger Körper, noch spürbares Tannin, Druck ohne Ende, jung, jung, jung. Sicherlich nicht zu spät, sondern allenfalls zu früh getrunken (95 P).
Da konnte der folgende Pichon Baron nicht ganz mithalten. Fein und mit gutem Trinkfluss ausgestattet, fehlte es ihm doch deutlich an Tiefe und Struktur (92 P).
Die erste „Weinlegende“ bekamen wir dann mit dem Latour ins Glas. Nach dem ersten Probeschlückchen entschloss ich mich, das Glas beiseite zu stellen: Der Wein, der wie alle anderen unmittelbar vor dem Ausgießen geöffnet und nicht dekantiert worden war, brauchte offensichtlich eines: Luft, Luft und nochmals Luft. Nach einer Viertelstunde drehte dann der Wein im Glas auf. Die Nase, die zunächst von einigen Probeteilnehmern als Indiz für einen fehlerhaften Wein gewertet worden war, zeigte plötzlich die für Latour so typische Walnussschalenaromatik. Ich habe den Wein dann über die Dauer von ca. einer halben Stunde getrunken und er vermittelte jedes Mal neue Sinneseindrücke. Ein großer, monumentaler Wein, der in der Blüte seines Lebens steht und sicherlich noch viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, halten wird. Ich kann jedem, der eine gut gelagerte Flasche Latour 1961 besitzt, nur empfehlen, diesen Wein vor dem Genuss ausreichend zu belüften.
Auf Latour folgte Chateau Margaux, ein Wein, der nicht die Kraft und Vitalität seines Vorgängers bieten konnte, aber dafür mit Eleganz und Finesse zu überzeugen wusste. Keine Eisenfaust mehr, aber dafür ultrafeine Samthandschuhe (95 P).
Ja und dann, dann kam mein Wein des Abends. Haut-Brion aus einer Flasche mit ziemlich vergammeltem Etikett, aber mit wundervollem Inhalt. Dieser Wein bot das ganze Programm, das man von einem großen Haut-Brion erwarten kann: Rote und schwarze Frucht, Rauch, Zedernholz, Tabak, ich will gar nicht versuchen, hier die gesamten Aromen aufzuführen, es wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Wenn Parker die Vermutung ausspricht, „dass es sich bei diesem großartigen Premier cru um den elegantesten und hinsichtlich der Aromen komplexesten Wein der Welt handelt“, so hat er zumindest dann, wenn man diesen von uns getrunkenen Haut-Brion 1961 zugrunde legt, wahrscheinlich recht. Dieser Wein ist einfach nur strahlend schön, leicht zu verstehen und in seiner Art einfach perfekt. Ein Stern am Weinfirmament. Zum ersten Mal in meinem Weintrinkerleben habe ich mich dazu durchgerungen, einem Rotwein 100 Punkte zu geben!
Die Probe nahm dann ihr Ende mit zwei Weinen aus Pomerol, Latour-a-Pomerol und Petrus, beide von Parker mit 100 Punkten vorgewettet, kamen in der genannten Reihenfolge ins Glas. Der Latour-a- Pomerol war ein üppiger, fleischiger, fast wollüstiger Wein, der sicherlich auch eine hohe Wertung verdiente, jedoch aus meiner Sicht im Vergleich zu dem majestätischen, eleganten und einfach nur traumhaft schönen Haut-Brion etwas abfiel (97 P).
Trotz aller Kraft, allem Körperreichtum und der auch hier gezeigten süßen Frucht war der Petrus doch um einiges eleganter und finessiger, als der Latour-a-Pomerol. Auch dieser Wein zeigte keinerlei Alterserscheinungen und dürfte sich noch lange Zeit halten. Von etwa der Hälfte der Probenteilnehmer wurde der Petrus als bester Wein der Probe gesehen. Mein Liebling blieb der Haut-Brion, so dass ich dem Petrus nur (!) 99 Punkte zugestehen konnte. Zugegebenermaßen ist es eine Frage der persönlichen Preferenz, ob man nun Petrus, Haut-Brion oder Latour 1961 bevorzugt. Ich befürchte, dass sich die Qual dieser Wahl in absehbarer Zeit für mich nicht wiederholen wird.
Nach der offiziellen 61er Probe wurden noch einige Weine getrunken, darunter u. a. Unico 1994, Alion 1994 und Latour 1985. Ich habe an diesen Weinen nur noch genippt. Sie schmeckten mir nach den Grananten, die wir zuvor im Glas hatten, nur noch bedingt.
Nachts zum 2 Uhr brachte dann ein Taxi lauter glückliche Menschen mit strahlenden Kinderaugen wieder ins Hotel zurück. Ein großes Dankeschön an den generösen Gastgeber. Es war eine tolle Weinprobe, ein unvergesslicher Abend.
Beste Grüsse
dylan
Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Danke Dylan,
für den intensiven Bericht. Wie gern wäre (wohl nicht nur) ich dabei gewesen. Aber leider kenne ich niemanden, der mich zu so einem Erlebnis einladen wird. Aber... immerhin soll's für 4 Koster demnächst 4 25-jährige Bdxs geben. Für mich als Nichtkenner der Materie schon mehr als interessant. Das schöne daran: Es sind nur wenige m zu Fuß bis nach Hause zum eigenen Bett.
Schöne Grüße
Wolfgang
für den intensiven Bericht. Wie gern wäre (wohl nicht nur) ich dabei gewesen. Aber leider kenne ich niemanden, der mich zu so einem Erlebnis einladen wird. Aber... immerhin soll's für 4 Koster demnächst 4 25-jährige Bdxs geben. Für mich als Nichtkenner der Materie schon mehr als interessant. Das schöne daran: Es sind nur wenige m zu Fuß bis nach Hause zum eigenen Bett.
Schöne Grüße
Wolfgang
Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Hallo Dylan,
vielen Dank für die schöne Zusammenfassung, die ich durch ein paar Bilder untermalen möchte:
http://www.dasweinforum.de/gallery/albu ... lbum_id=22
Deine Beschreibung trifft meine Empfindungen in Bezug auf die Probe auf den Punkt. Einzig meine Reihenfolge sah graduell anders aus, ich hatte den Petrus leicht vor Latour und Haut Brion - bei einer Bewertung für alle drei Weine mit der maximal möglichen Punktzahl.
Ergänzen möchte ich noch, dass ich die Weine der Nachprobe durchaus genossen habe. Sicher ist der 94er Unico noch sehr jung, aber man spürt schon, dass hier ein Riesenwein im Werden ist. Alion 94 ist dagegen bereits fantastisch. Schade, dass er so schwer zu finden ist.
Latour 1985 wurde kurz vor Ende der Probe sturzdekantiert; hier mag mein Eindruck, dass es sich um keinen herausragenden Wein handelt, daher ungerechtfertigt sein.
Die getrunkenen Weißweine - 2010 Wittmann Morstein GG, noch deutlich auf der Fruchtseite, und 2008 Bürklin-Wolf Kirchenstück GG, ziemlich verschlossen - sollten nicht unerwähnt bleiben.
Grüße
Hartmut
vielen Dank für die schöne Zusammenfassung, die ich durch ein paar Bilder untermalen möchte:
http://www.dasweinforum.de/gallery/albu ... lbum_id=22
Deine Beschreibung trifft meine Empfindungen in Bezug auf die Probe auf den Punkt. Einzig meine Reihenfolge sah graduell anders aus, ich hatte den Petrus leicht vor Latour und Haut Brion - bei einer Bewertung für alle drei Weine mit der maximal möglichen Punktzahl.
Ergänzen möchte ich noch, dass ich die Weine der Nachprobe durchaus genossen habe. Sicher ist der 94er Unico noch sehr jung, aber man spürt schon, dass hier ein Riesenwein im Werden ist. Alion 94 ist dagegen bereits fantastisch. Schade, dass er so schwer zu finden ist.
Latour 1985 wurde kurz vor Ende der Probe sturzdekantiert; hier mag mein Eindruck, dass es sich um keinen herausragenden Wein handelt, daher ungerechtfertigt sein.
Die getrunkenen Weißweine - 2010 Wittmann Morstein GG, noch deutlich auf der Fruchtseite, und 2008 Bürklin-Wolf Kirchenstück GG, ziemlich verschlossen - sollten nicht unerwähnt bleiben.
Grüße
Hartmut
- octopussy
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- Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
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Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
WOW, tolle Probe und ein schöner Bericht. Vielen Dank, dylan und Hartmut.
dylan, und welchem Weißwein (oder gar Rosé) wurde diese Ehre zuvor zuteil?dylan hat geschrieben:Zum ersten Mal in meinem Weintrinkerleben habe ich mich dazu durchgerungen, einem Rotwein 100 Punkte zu geben!
Beste Grüße, Stephan
- Markus Vahlefeld
- Beiträge: 1689
- Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43
Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
NEID!
Ich könnte jetzt was Nettes schreiben, aber ich muss zu meinen Gefühlen stehen
Einfach nur G E I L, was Ihr da im Glas hattet!
Darf ich den Thread jetzt löschen

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Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Hallo Stephan,octopussy hat geschrieben:WOW, tolle Probe und ein schöner Bericht. Vielen Dank, dylan und Hartmut.
dylan, und welchem Weißwein (oder gar Rosé) wurde diese Ehre zuvor zuteil?dylan hat geschrieben:Zum ersten Mal in meinem Weintrinkerleben habe ich mich dazu durchgerungen, einem Rotwein 100 Punkte zu geben!
es war ein Chateau d'Yquem 2001, leider auch nicht ganz billig.
Viele Grüsse
dylan
- Oberpfälzer
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Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Hallo Dylan,
bin sprachlos. Bin auch Jahrgang 61 kann weder zu solch einer Probe einladen noch werde ich dazu eingeladen. Meine junggebliebenen Weinfreunde haben wie ich keine solche Raritäten im Keller und mein Bankberater würde mir wohl auch abraten
Aber wenn ich mir das so überlege, wieviele schlechte Tipps ich bisher dort erhielt, ist es gar einen Versuch wert.

bin sprachlos. Bin auch Jahrgang 61 kann weder zu solch einer Probe einladen noch werde ich dazu eingeladen. Meine junggebliebenen Weinfreunde haben wie ich keine solche Raritäten im Keller und mein Bankberater würde mir wohl auch abraten



Servus
Wolfgang
Wolfgang
- Dick
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Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Hallo Dylan,
Wowww ein Toller Bericht, und fotos, von einer offenbar großartigen Probe und großartigen Tischweinen.
Danke ( Bin auch Jahrgang 61
)
Wowww ein Toller Bericht, und fotos, von einer offenbar großartigen Probe und großartigen Tischweinen.
Danke ( Bin auch Jahrgang 61

Mit freundlichen Grüßen aus Holland,
Dick
Dick
Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Hallo Wolfgang, hallo Dick,
da haben euere Eltern aber gut aufgepasst, zielgenaue Landung in einem phantastischen Weinjahrgang. Ein Jahr früher, und ihr müsstet keinen Gedanken an eine Flasche aus euerem Geburtsjahrgang verschwenden.
Wolfgang, dir zum Trost: Es gibt durchaus auch noch erschwingliche Weine aus diesem Jahrgang. Vor wenigen Tagen wurde bei ebay ein Batailley zum Preis von ca. 85 Euro versteigert, ein Latour-a-Pomerol kostete hingegen schon rund 630, Lafleur 700 und Palmer 930. Du wohnst und arbeitest doch in der Schweiz, da sollte das doch gehen.
Beste Grüsse
dylan
da haben euere Eltern aber gut aufgepasst, zielgenaue Landung in einem phantastischen Weinjahrgang. Ein Jahr früher, und ihr müsstet keinen Gedanken an eine Flasche aus euerem Geburtsjahrgang verschwenden.
Wolfgang, dir zum Trost: Es gibt durchaus auch noch erschwingliche Weine aus diesem Jahrgang. Vor wenigen Tagen wurde bei ebay ein Batailley zum Preis von ca. 85 Euro versteigert, ein Latour-a-Pomerol kostete hingegen schon rund 630, Lafleur 700 und Palmer 930. Du wohnst und arbeitest doch in der Schweiz, da sollte das doch gehen.

Beste Grüsse
dylan
- Don Miguel
- Beiträge: 426
- Registriert: Mi 3. Nov 2010, 18:01
Re: Bordeaux 1961 - ein unvergesslicher Abend
Das hast du wunderbar auf den Punkt gebracht! Genau so istdylan hat geschrieben:Ein Jahr früher, und ihr müsstet keinen Gedanken an eine Flasche aus euerem Geburtsjahrgang verschwenden.


Tolle Probe, schöner Bericht, für diese Einladung hätte ich wohl auch jeden Weg frei gemacht und den gebuchten Urlaub storniert

Grüße
Don