Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Benutzeravatar
Markus Vahlefeld
Beiträge: 1689
Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Bernd Schulz hat geschrieben: Der ordinäre Deutschweintrinker, der alles Süßliche schluckt, ist so gut wie ausgestorben!
Das wage ich mal zu bezweifeln. Auf dem Fröhlichen Weinberg wird immer noch das halbsüsse Zeug geschüttet, bis der Blutdruck bei 200 ist. Und das ist nun mal die Masse an älteren Deutschen. DIE halten Süsse immer noch für typisch Deutsch.

Als ich hier auf dem Land unsere Nachbarn zur Hauseinweihung eingeladen habe, bekamen wir 2 Flaschen Wein geschenkt. Einen süssen Sekt und einen halbtrockenen Spätburgunder aus Rheinhessen. Mit dem Kommentar, dass das tolle Tropfen sind. So sieht leider die Wahrheit aus. Und das ist auch der Grund, warum der Pinot Grigio, der hier im Discounter angeboten wird, die trocken-Schwelle weit überschreitet. Weil hier in D noch Wein getrunken wird, der eben nicht trocken ist.

Es mag Gewohnheit sein oder Unkenntnis. Murks ist es trotzdem.

Was aber nicht in Abrede stellt, dass fruchtige Kabinette etwas Geniales sein können

Bild
Benutzeravatar
Birte
Beiträge: 3125
Registriert: Di 25. Jan 2011, 21:28

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Birte »

Als ich hier auf dem Land unsere Nachbarn zur Hauseinweihung eingeladen habe, bekamen wir 2 Flaschen Wein geschenkt. Einen süssen Sekt und einen halbtrockenen Spätburgunder aus Rheinhessen.
Wahrscheinlich wäre das eine aufwändige Untersuchung festzustellen, wie der größte Teil der Menschen heute zu Süßwein steht. Land/ Stadt abhängig, Generations abhängig, wie groß ist das Interesse an Wein und so weiter. Kein Wunder also, dass unsere Erfahrungen so unterschiedlich sind.
Benutzeravatar
Markus Vahlefeld
Beiträge: 1689
Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Markus Vahlefeld »

@Birte: absolut d'accord.

Nur ausgestorben scheint die Spezies nicht zu sein :lol:

Und ich glaube, dass viele Süss-Maniker sich - ob bewusst oder unbewusst - von dieser Spezies abzugrenzen versuchen. Sie steht für old-fashioned Wirtschaftswunder Deutsche mit fleischfarbenen Socken in den Sandalen.

Dieses Vorurteil des Süss-Spiessers sitzt bei Jüngeren doch ziemlich tief. Das führt dann zu dem Umstand, dass unbedingt trocken auf dem Wein stehen muss, auch wenn halbtrocken ihnen besser schmeckt, und viele vermeintlich trockene Weine aus Deutschland eben diesen Geschmack dann auch bedienen.

Dass das im Ausland mit Verwunderung zur Kenntnis genommen wird, ist verständlich. Es hat halt weniger etwas mit Wein als mit soziologischer Prägung zu tun.
Benutzeravatar
DerFranki
Beiträge: 157
Registriert: Fr 4. Feb 2011, 14:09

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von DerFranki »

Bernd Schulz hat geschrieben:Der ordinäre Deutschweintrinker, der alles Süßliche schluckt, ist so gut wie ausgestorben! Abgelöst wurde er vom ordinären Deutschweintrinker, der alles schluckt, solange "trocken" auf dem Etikett steht.
Du hast vergessen:
...und solange der Wein nicht wirklich trocken ist.


Am Wochenende war ich an der Mosel und habe dem Weingut Christoffel Jr. einen Besuch abgestattet.
Mit dabei waren Freunde, die zwar gerne mal Wein trinken, aber halt auch gerne welche, die „trocken“ oder „halbtrocken“ auf dem Etikett stehen haben.

Es wurde alles aufgefahren, was Rang und Namen hatte. Von Auslesen aus 1990 bis zum aktuellen Prälat.
Und zusätzlich wurden trockene Weine präsentiert. Ich wusste gar nicht, dass Christoffel so etwas überhaupt gemacht hat.
Die trockenen Weine waren jetzt nicht so mein Fall (ich war einfach unvorbereitet ;) ) meine Bekannten haben aber welche gekauft.

Mit den Süßweinen konnten sie jetzt nicht soviel anfangen. Sie haben ihnen zwar geschmeckt, aber ich hatte den Eindruck, als könnten sie nicht über ihren eigenen Schatten springen. Vielleicht so wie ich bei den Trockenen.

Ich frage mich allerdings ernsthaft, wie solche Gaumenschmeichler wie Christoffels (Süß-)Weine jemanden nicht schmecken können. Ich finde es eine menschlicher Reflex, so etwas zu mögen.


Die 2010er Kollektion von Christoffel ist übrigens bei durchgehend 7% Alkohol angekommen!
Die ***-Auslesen aus dem Würzgarten und dem Prälat sind grandios und bei den geringen Erntemengen, sollten Interessierte sich sputen.



Es ist halt angesagt Wein-Fachmann zu sein und sich von den Mosel-Busreisenden zu unterscheiden.
Deswegen müssen Weine trocken sein. Die Winzer wollen Geld verdienen und produzieren, was der Markt verlangt.
Ich habe einige 1g-Restzucker-Pfälzer-Rieslinge im Keller.
Es macht mir immer wieder Spaß, diesen „Weinfachleuten“ solche Tropfen zu präsentieren und beim ersten Schluck in ihre Gesichter zu schauen. Es fällt ihnen verdammt schwer die Contenance zu wahren ;)
Benutzeravatar
Birte
Beiträge: 3125
Registriert: Di 25. Jan 2011, 21:28

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Birte »

Ich habe einige 1g-Restzucker-Pfälzer-Rieslinge im Keller.
Es macht mir immer wieder Spaß, diesen „Weinfachleuten“ solche Tropfen zu präsentieren und beim ersten Schluck in ihre Gesichter zu schauen. Es fällt ihnen verdammt schwer die Contenance zu wahren ;)
1g Restzucker, das ist ja noch für Mädchen, bei 0,5 RZ macht es richtig Spaß und schön salzig. Aber den Test das angeblich trockenen Weißweintrinkern vorzusetzten muss ich unbedingt ausprobieren, das verspricht sehr lustig zu werden.
Benutzeravatar
Desmirail
Beiträge: 911
Registriert: Mo 20. Dez 2010, 12:30
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Essen
Kontaktdaten:

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Desmirail »

octopussy hat geschrieben: Wie seht ihr das? Sind wir hier in D gerade etwas zu kategorisch, indem wir v.a. trockene Rieslinge wollen und restsüßen (nicht edelsüßen) bzw. halbtrockenen Rieslingen keine faire Chance mehr lassen?
Ich sehe das ähnlich wie Du. Ich bin was Riesling an geht ehr breit aufgestellt, wobei ich eine eindeutige Tendenz zu restsüßen Rieslingen habe.
Ich kann die Diskussion, die internationale zum großen Teil ganz und gar nicht nachvollziehen, denn für mich sprechen die Diskutanten immer über Dinge die längst klar sind. Wenn ich das Thema "Panscherei und Zuckerwasser" schon höre/lese stäubt sich mir mein Fell.

Was soll's, am Ende empfinde ich die Diskussion als interessant :idea:
-----------------------
Deep And House
-----------------------
Benutzeravatar
Markus Vahlefeld
Beiträge: 1689
Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Markus Vahlefeld »

octopussy hat geschrieben:Wie seht ihr das? Sind wir hier in D gerade etwas zu kategorisch, indem wir v.a. trockene Rieslinge wollen und restsüßen (nicht edelsüßen) bzw. halbtrockenen Rieslingen keine faire Chance mehr lassen?
Also, ich sehe das nicht so. Ich will unbedingt AUCH trockene Weine haben. Und um ehrlich zu sein: ich greife öfter zu trockenen Weinen als zu fruchtigen. Einfach weil ich sie besser zum Essen einbauen kann. Mich machen süsse Weine eher satt, trotz des niedrigen Alkohols. Ich denke, dass es an der Masse an Zucker liegt, die mich abfüllt.

Und ja, mich nerven auch "trockene" Weine, die eher halbtrocken sind. Da fühle ich mich auf den Arm genommen. Wo trocken draufsteht, muss auch trocken drin sein. Punkt.

Zufällig kenne ich die Analysewerte einiger Weine. Der GG Frauenberg 2009 hat beispielsweise unter 1g RZ, d.h nicht mehr messbar. Und der Wein ist sehr fein und geschmeidig. Warum sollte das nicht möglich sein? Wer bei richtig trocken an sauer denkt, der hat eben auch die Klimaerwärmung verschlafen ;)
AH.
Beiträge: 92
Registriert: Mo 13. Dez 2010, 19:17

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von AH. »

Hallo,

ich stimme zunächst denen zu, die für die Vielfalt von Stilen eintreten. Was als "harmonisch" empfunden wird, ist von Mensch zu Mensch doch sehr verschieden. Genügend stilistische Vielfalt findet man m.E. beim deutschen Riesling noch immer - glücklicherweise.

Ich selbst empfinde trockenen Riesling als schwierig, da er mir entweder zu säurebetont (besonders zu feinen Speisen) oder zu alkoholbetont ist. Allerdings trinke ich Wein auch ungern unter ca. 14°C bis 15°C, da ich den trigeminalen Kältereiz im Mund nicht schätze, den andere als Frische empfinden. Bei höheren Temperaturen fallen Alkohol und Säure stärker auf.

Eine 150%ige Trockenwelle, wie vom zitierten Autor beschrieben, vermag ich übrigens nicht zu erkennen, vielmehr die Suche nach "Balance", die er einfordert. Trockene Rieslinge (< 4g/l RZ) sind m.E. selten und sehr viel seltener, als die Bezeichnung "trocken" auf dem Etikett. Ehrliche Erzeuger sagen auch direkt, daß der RZ an der Obergrenze der Bezeichnung "trocken" eingestellt wird. Ich verstehe jeden, der dies bedauert.

Gruß

Andreas
Bernd Schulz
Beiträge: 7157
Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55
Kontaktdaten:

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Bernd Schulz »

Der GG Frauenberg 2009 hat beispielsweise unter 1g RZ, d.h nicht mehr messbar. Und der Wein ist sehr fein und geschmeidig. Warum sollte das nicht möglich sein?
Das ist fraglos möglich, und ich *will* solche Weine auch, kaufe sie gelegentlich und genieße sie im Falle des Falles sehr.

Darüber, dass die stilistische Vielfalt beim deutschen Riesling ein großes, unbedingt erhaltenswertes Plus darstellt, sind wir uns wohl einig. Zu dieser Vielfalt gehören neben knochentrockenen Produkten, pseudotrockenen Weinen und TBAs aber eben auch restsüße Vertreter unterhalb der Auslese. Und diese Weine spielen hierzulande im öffentlichen Bewußstsein kaum noch eine Rolle: Versuche mal, hier beim "Händler um die Ecke" einen ordentlichen Mosel-Kabinett oder eine gute Ruwer-Spätlese aufzutreiben - da kann es aber ganz schön eng werden! Neuerdings führt der Dealer, bei dem ich öfter mal einen Südfranzosen kaufe, einen 09er Kabinett von Fritz Haag. Als ich neulich davon eine Flasche mitgenommen habe, lautete der Kommentar des Ladeninhabers: "Endlich kauft den mal jemand! Ein toller Wein, aber so etwas Süßes will niemand haben! Das liegt bei mir wie Blei in den Regalen."

Beste Grüße

Bernd
Benutzeravatar
Birte
Beiträge: 3125
Registriert: Di 25. Jan 2011, 21:28

Re: Riesling trocken vs. restüß - die Sicht von außen

Beitrag von Birte »

Als ich neulich davon eine Flasche mitgenommen habe, lautete der Kommentar des Ladeninhabers: "Endlich kauft den mal jemand! Ein toller Wein, aber so etwas Süßes will niemand haben! Das liegt bei mir wie Blei in den Regalen."
Die Aachener, ist ja fast Landvolk ;) , scheinen aber auch ganz speziell engstirnig zu sein. Bei Divinum hat man mir auch schon erzählt, dass die Kundschaft bei restsüßen die Nase rümpft. Möselchen...
Antworten

Zurück zu „Riesling“