Deutsche Spätburgunder 2015/2016 zehn Jahre danach

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Nora
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Deutsche Spätburgunder 2015/2016 zehn Jahre danach

Beitrag von Nora »

Am Wochenende trafen sich ein paar Weinenthusiasten in Berlin, um deutsche Spätburgunder aus den Jahrgängen 2015 und 2016 gemeinsam zu verkosten.

Es war eine Blindprobe, bei der im Vorhinein zwar das Teilnehmerfeld (inkl. der beiden Piraten aus dem Burgund), aber nicht die Reihenfolge bekannt war. Probiert wurde in 2er-Flights. Die Auflösung erfolgte erst nach der Verkostung aller Weine am Ende des Abends.

Hier meine kurzen Eindrücke:

Flight 1
Links: feiner, leichter recht eleganter Spätburgunder ohne großartige Tiefe und Komplexität, der aber wunderschön zu trinken war. 88 Pkt
Reinhold und Cornelia Schneider, Spätburgunder Engelsberg 2016

Rechts: der einzige Wein aus der Halbflasche. Er war nicht mehr ganz i.O., deshalb keine Bewertung von mir
Huber, Alte Reben 2015

Flight 2
Links: Schon die Farbe (am Rand deutlich bräunlich) zeigte die fortgeschrittene Reife, auch in der Nase dann die ersten Reifenoten, aber auch deutlich Erdbeere, der Gaumen war zunächst unangenehm süß, hinten heraus dann aber überraschend frisch mit Struktur. 87 Pkt
Holger Koch Pinot Noir *** 2015

Rechts: Unangenehme vanillige Nase, am Gaumen dann recht dünn, holzig und herb. 85 Pkt
Thörle Probstey 2016

Flight 3
Links: Auch hier wieder farblich ein deutlich brauner Rand, in der parfümierten Nase Erdbeer-Vanille-Eis, am Gaumen recht weich, neben der deutlichen Süße kräutrige Noten von Wachholder und Lorbeer, eine deutliche alkoholische Note am Ende. 86 Pkt
Holger Koch Pinot Noir Reserve 2015

Rechts: Das erste Ausrufezeichen des Abends! Noch deutlich jugendliche Farbe mit Blautendenzen, in der Nase zunächst ein recht kräftiger Reduktionsstinker (Schießpulver), der Wein brauchte etwas länger Luft, dann Johannisbeeren und feine Noten vom Holzausbau, der Gaumen kräftig und elegant mit guter Struktur, recht kräftige Säure und Tannine, die leicht adstringierend waren und mit einer dezenten Bitternote endeten. 92 Pkt
Neus Pares GG 2016

Flight 4
Links: Wow, was für eine schöne, dichte Nase! Rauchig, erdig, dunkelwürzig-pfeffrig, dezente Holznoten, nur im Hintergrund die feine Frucht und fleischige Noten. Der Gaumen ist dicht und auch wieder sehr würzig, feine Toastnoten. 94 Pkt
Hinter meiner Notiz zu dem Wein steht „Fürst?“ Und ich hatte richtig vermutet.
Fürst Hundsrück GG 2015

Rechts: Den Wein fand ich etwas kurios, monothematisch Sauerkirsche in der Nase, der Wein schmeckte dann auch wie Sauerkirschsaft mit Tanninen und Alkohol versetzt. 89 Pkt
Henri Boillot Volnay 1er Cru Caillerets 2016

Flight 5
Links: Dunkles Purpurrot, sehr schöne, dichte Nase, die rauchig, wachholderwürzig und leicht speckig war. Am Gaumen noch recht kompakt und jung wirkend mit einer prägnanten Säure, die sich vielleicht noch etwas besser einbinden kann. Ein sehr schöner Wein mit Entwicklungspotential. 92 Pkt
Kuhn Kirschgarten Pinot Noir GG 2015

Rechts: Dunkle Farbe, holzig pfeffrig, dunkelbeerig in der Nase und auch am Gaumen kräftig und strukturiert mit viel Säure und staubig, feinem Tannin, sehr burgundisch mit großem Entwicklungspotential. 92 Pkt
Louis Jadot Volnay 2015

Flight 6
Links: Dunkles Rot, sehr facettenreiche Nase, dunkelfruchtig mit einem dezenten Anflug von Kirschen und getrockneter Orangenschale, daneben feinen Noten von Kräutern und vom Holzausbau, am Gaumen sehr dicht mit einer hohen aromatischen Komplexität, Gewürze, Rauch, dezente Fruchtigkeit und prägnante Mineralik. Dieser Wein zeigt große Tiefe bei gleichzeitiger Eleganz. Hier passt alles zusammen. Großer Wein. 96 Pkt
Huber Wildenstein Spätburgunder GG 2015

Rechts: Sehr dunkler Wein, ganz anderer Geruch, als bei den bisherigen Weinen, kaum Frucht, eher eine medizinale, kräutrige, erdige und holzbetonte, dabei sehr komplexe und aufregende Nase. Sie erinnerte mich sofort an Ziereisen. Am Gaumen ist der Wein noch etwas schwierig, neben der Würzigkeit ist er noch deutlich holzbetont und austrocknend. Trotzdem sehr gut. 93 Pkt
Ziereisen Pinot Noir Jaspis 2016

Flight 7 (die Konzentration lässt nach)
Links: aufdringlich vanillige Nase, ich mag den nicht trinken und lass ihn stehen.
Thörle Hölle 2016

Rechts: Farbe geht ganz leicht ins bräunliche, auch in der schönen Nase die ersten Reifenoten, rauchig, Herbstlaub, Kräuter und Würze, am Gaumen ist der Wein mir eine Spur zu süß. Trotzdem ein recht schöner Wein. 90 Pkt
Josef Walter Centgrafenberg „J“ 2015

Flight 8
Links: Ich bin erschöpft und der Wein holt mich auch nicht sonderlich ab. 88 Pkt
Künstler Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder GG 2015

Rechts: leider Kork
Willi Berner Spätburgunder Exclusiv Edition HB 2015


Insgesamt ist festzuhalten, dass die Weine auf einem sehr guten Niveau waren. Die schlechteste Performance lieferten die Thörle Weine. Enttäuscht haben mich auch die Weine von Holger Koch, da hatte ich mehr erwartet.
Gewinner des Abends war der Wildenstein von Huber, der von allen Teilnehmern auf Platz Eins gesetzt wurde. Die meisten Stimmen für Platz 2 bekam Fürst Hundsrück.

Vielen Dank an Jürgen für den thematisch äußerst passenden, sehr gelungenen und leckeren Einstieg mit dem Pinot Kirchenstück Réserve Brut Nature 2015 und dem Bollinger Champagner PN VZ15.

Und natürlich ganz großen Dank an Lukas für die Idee und die perfekte Vorbereitung des Abends und das leckere Essen. Es hat mir ganz viel Spaß gemacht!

VG Nora
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dylan
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Re: Deutsche Spätburgunder 2015/2016 zehn Jahre danach

Beitrag von dylan »

Hallo Nora,

schöner Bericht aber immer das gleiche Elend ;) : Die teuersten Weine räumen ab. :(
Ist uns in unserer Bordeaux- Rund kürzlich auch so gegangen.
Bei den 2003ern hatte Latour die Nase vorn, bei den 98ern (Rechts Ufer und Pessac) Ausone und Cheval Blanc.

Noch einen schönen Sonntagabend

dylan
amateur des vins
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Re: Deutsche Spätburgunder 2015/2016 zehn Jahre danach

Beitrag von amateur des vins »

Das war zwar harte Arbeit, aber auch ich hatte mächtig Spaß und kann mich dem Dank nur anschließen!
Es sei erwähnt, daß Flight 1 aus Gründen (sic!) zwischen den Flights 7 und 8 auf den Tisch kam.

Legende:
Die Bewertungen (++, +, ○, - und Zwischenwerte) sind relativ; ein Wein mit - ist nicht per se schlecht, sondern konnte mich lediglich im Kontext nicht überzeugen. ➙ zeigt eine deutliche zeitliche Veränderung an.

Flight 0
Rotapfelig, intensive Nase, restsüß
Bollinger PN VZ15

Rotapfelig, zurückhaltend leicht hefig
Raumland Kirchenstück 2015

Die waren beide schön zu trinken und auch Pinot-typisch, aber für mich auch etwas linear in ihrer Aromatik. Daß die Dosage 7 vs. 0 g/l war, war so kaum zu schmecken.

Flight 2 (s.o.)
Etwas bräunlich. Süßlich; eingemachte Erdbeere, leicht morbide. Tannine mittelkräftig und -körnig, unauffällig frische Säure. Gaumen "jünger" als Nase.
Holger Koch Pinot Noir *** 2015
+

Kühl, Kirsche, leicht maskulin. Gaumen etwas "dünn"; Vanille,
Thörle Probstey 2016


Flight 3
Etwas bräunlich (weniger als der im Vorflight). Auch wieder süßlich; eingemachte Erdbeere (auch weniger). Wacholder/Lorbeer. Etwas unstimmig.
Holger Koch Pinot Noir Reserve 2015
-

Hell, leicht bläulich. Deutliche Reduktion (Stinker). Fein, dicht. Leicht spitze Säure, deutlich griffige Tannine. Zarte Bitternote.
Neus Pares GG 2016
○ ➙ ○+

Flight 4
"Halbdeutsche" Nase, würzig, etwas Rauch. Küchenkräuter! Etwas Herbstlaub. Leichte Schärfe im Abgang.
Fürst Hundsrück GG 2015
+(+) ➙ +

Robe rel. dicht,keine Verfärbung. Dunkle Frucht (Blaubeer, Knüpper), zurückhaltend. Etwas dünn, noch kirschiger, Sandpapier-Tannine.
Henri Boillot Volnay 1er Cru Caillerets 2016
○-

Flight 5
Blaubeer, Kirsche, leicht speckig. Cranberry, Himbeere; dtl. abgesetzte Säure (führt zur Abwertung, sonst +(+)).
Kuhn Kirschgarten Pinot Noir GG 2015
+

Klassische PN-Nase (im Ggs. zu SB), rel. dunkel. Dunkles Aromenprofil (Blaubeer, etwas Cassis). "Rappen" im Abgang und griffige Tannine.
Louis Jadot Volnay 2015
+

Flight 6
Mitteldicht; minimale Aufhellung. Süßkirsche. Etwas fleischig (kein Speck). Getr. Orange. Im Abgang getr. Thymian. Fein und elegant. Bis hierher deutlich der komplexeste und harmonischste Wein (und wie sich zeigte, blieb er das auch).
Huber Wildenstein Spätburgunder GG 2015
++

Superdicht und dunkel. Kaum Frucht (etwas Sauerkirsche). Holz. Viel Tannin! (führt zur Abwertung). Insgesamt stimmig, aber etwas hinter der Struktur versteckt.
Ziereisen Pinot Noir Jaspis 2016
+(+)

Flight 7
Kühl; mittelrot- und lachsfarben. Leicht würzig, etwas simpel. Himbeere. Herb, Säure, floral.
Thörle Hölle 2016


Sehr hell, orange/lachs. Kaminasche! Sauerkirsch, Lorbeer. Am Übergang etwas curry?? Kräftig adstringent, etwas scharf, Hauch grün.
Josef Walter Centgrafenberg „J“ 2015
+○

Flight 1 (sic! s.o.)
Sehr deutlich speckig/rauchig. Hell. Karamell. Restsüß trotz kühler Frucht.
Reinhold und Cornelia Schneider, Spätburgunder Engelsberg 2016
-

Rauchig; leichte Reduktion. Himbeere, etwas simpel.
Anm. @Nora: Ich fand den Wein technisch ok, nur eben etwas schlicht, und vermutlich über den Zenit.
Huber, Alte Reben 2015
-

Flight 8 "nicht ganz ernst"
(Notiz fehlt)
Künstler Assmannshäuser Höllenberg Spätburgunder GG 2015

Erste Flasche hatte massiv TCA. Es fand sich aber noch ein Rest Kochwein als Konterflasche. Coté überreif, leicht rosinig, Gaumen etwas madeirisiert. Zuviel gewollt?
Willi Berner Spätburgunder Exclusiv Edition HB 2015
-

Außer Konkurrenz
Mächtig Röstnoten, Kaffebohnen, Pumpernickel.
Johner Blauer Spätburgunder SJ 2000


Einige zusammenhanglose Anmerkungen:
Bei Neus wurde aufgrund der Struktur auf Huber getippt. Der Wildenstein hingegen hatte weder auffällige Reduktion noch spitze Säure. Beide Holger Koch waren aus meinem Keller und wären besser spätestens vor 2 Jahren getrunken worden. Mein letzter *** war nicht ganz so weit, aber auch bei dem hatte ich mir "austrinken" notiert. Bestätigt fand ich, daß ich *** besser als Reserve finde. Etwas schockiert hat mich der schwache Auftritt des H. Boillot Cailleret, zumal ich den (aus älteren Jahren) selber im Keller habe. Gerade Pinot gefällt mir mit feinen, seidigen Tanninen besser, als wenn sich im Mund alles zusammenzieht und austrocknet. Nur wenige Weine überleben 10 und mehr Jahre oder profitieren gar davon. Johner habe ich zurecht nicht weiter verfolgt. Daß ein Wein einstimmig vorne gesehen wird, kommt nicht so oft vor.
Besten Gruß, Karsten
mixalhs
Beiträge: 1827
Registriert: Mi 7. Sep 2011, 11:29

Re: Deutsche Spätburgunder 2015/2016 zehn Jahre danach

Beitrag von mixalhs »

Meine Wertungen:
Hubers Wildenstein 2015 war mein Favorit (95) vor Fürsts Hundsrück (94), beide reif, jetzt auf dem Höhepunkt, sehr elegant. So wünscht man sich Pinot Noir. Auf Platz drei hatte ich dann mit 92 gleich drei Weine, die eher auf der muskulösen Seite waren als die beiden ersten: Neus' Pares 2016 mit leichter Süße und etwas Vanille, Holger Kochs PN *** 2015 und R&C Schneiders Engelsberg 2016, der auch ein kleines Zuckerschwänzchen hatte. Knapp dahinter lag für mich Kuhns Kirschgarten 2015 (91/92), ziemlich dunkel für einen PN und mit feiner rauchiger Note.

Die beiden Weine von Thörle haben mich (auf hohem Niveau) nicht so recht überzeugt. Überraschend schwach war Boillots Volnay 1er Cru Caillerets 2016 (88), der im Vergleich zu den meisten anderen Weinen fast eindimensional wirkte: dunkel, viel Kirsche, etwas spitze Säure, der am wenigsten burgundische Wein der Probe.

Fazit: Die beiden teuersten Weine waren meine Favoriten bei dieser Blindprobe und das sogar recht deutlich. Ich habe nur einen der vielen Weine richtig erkannt (oder sagen wir besser: gut geraten), den Engelsberg von R&C Schneider. Zwar wusste ich, dass Wildenstein und Hundsrück auf der Liste waren, aber erkannt habe ich keinen der beiden. Wie auch? Ich hatte die Weine - aus einem anderen Jahrgang - mal bei einer von Martin Zwicks (aka Berlinkitchen) Spätburgunder-GG-Proben, aber das war direkt nach der Freigabe, also zwei Jahre nach der Lese in einem Stadium, in dem man wenig darüber sagen kann, wie sich das mal entwickeln wird.

Großes Dankeschön an Elah, der die Probe ausgerichtet hat und an alle, die Weine mitgebracht haben, insbesondere an Nora für die beiden Siegerweine.

Herzliche Grüße

Michael
Bibbel
Beiträge: 321
Registriert: Fr 3. Dez 2010, 12:42

Re: Deutsche Spätburgunder 2015/2016 zehn Jahre danach

Beitrag von Bibbel »

Zu den Weinen ist eigentlich alles gesagt. Auch ich hatte die beiden Platzhirsche (Danke an die Spenderin) vorne danach dann den Kuhn. Absolut neu für mich und positive Überraschung war der Centgrafenberg J von Walter. Der hatte noch ein paar Ecken und Kanten, die mir auch bei Pinot Noir / Spätburgunder gefallen. War übrigens ein Schrauber.

Noch eine kleine Ergänzung zu den Schaumweinen. Der 15er Kirchenstück-Sekt von Raumland kam nach über 90monatigem Hefelager mit Zero Dosage erst 2024 auf den Markt. Das 1 g Restzucker beim Raumland und die 7g-Dosage beim Bollinger empfand ich nicht als störend, kam im Gegenteil meinem alten Magen eher entgegen. Das staubtrockene Zeugs vertrage ich nicht mehr so gut.

Die Trauben des Bollingers kommen aus Cru Lagen in und um Verzenay. Eine Mixtur der Jahrgangstrauben mit ca 50% Reserveweinen, die auch aus anderen Gemeinden der Montagne de Reims stammen, und ist die erste Ausgabe einer neuen Jahrgangslinie des Hauses.

Beide Weine sind erst am Anfang ihrer Trinkreife.
Der Raumland ist mit 39 Euro in meinen Augen ein Schnäppchen, der Bollinger mit seinem dreifach höheren Preis schon sehr ambitioniert bepreist.

Prima Abend. Danke an Lukas für die Proben-Anregung und deren Organisation.
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