Absatzrückgang Wein

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
Weinschlürfer
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Re: ...wohin mit dem edlen Wein

Beitrag von Weinschlürfer »

la-vita hat geschrieben: Sa 8. Nov 2025, 08:18 Eine ganz interessante Analyse des leidenden Fine-Wine Marktes auf Winesearcher-News:

https://www-wine--searcher-com.translat ... r_pto=wapp

und im Original:
https://www.wine-searcher.com/m/2025/11 ... al-outlook

Ganz interessant finde ich die Bemerkung von Sophia Gilmour, Marktanalystin bei Liv-ex:
„Letztendlich ist der Markt für edle Weine darauf angewiesen, dass potenzielle Käufer über ausreichend Kapital verfügen, was durch fiskal- und geldpolitische Maßnahmen unterstützt werden kann. Vermögensbildung ist gut für edle Weine, aber meine Sorge ist, dass der derzeit generierte Reichtum zu zentralisiert ist. Wir brauchen eine starke Mittelschicht, um die Nachfrage nach edlen Weinen angemessen zu decken – ein paar Milliardäre können nur begrenzt viel trinken, und ihre Weinkeller füllen sich.“

Da spiegelt sich halt nur wieder was in 20 - 30 Jahren neoliberaler Politik angerichtet wurde und was man auch in Deutschland beobachten kann. Die Mittelschicht wird langsam aber sicher ausradiert und das Kapital konzentriert sich auch wenige Wohlhabende die dann den ganzen teuren Wein nicht mehr wegtrinken können :lol: :( .

Einen schönen Gruß
Detlef
kommt drauf an was Mittelschicht ist.

Ich glaube kaum jemand in der "Mittelschicht" hat teure Weine getrunken in den 90ern und 2000ern.

Grundsätzlich ist bei vielen noch Geld wie Heu da (noch).
Aber dann baut man sich eine Sauna oder eine 40k Küche. Oder man fliegt 3 mal in Urlaub.

Ich denke die Prioritäten sind einfach andere bei dem Normalbürger.
Der Boom bzgl. Luxus kam ja aus anderen Regionen.

Deswegen ist Deutschland auch komplett egal im Weltmaßtab.
So schlecht die Zukunftserwartung hier ist. So viel besser ist sie anderswo.

---

ich denke grundssätzlich wurden sehr sehr viele Weine nicht getrunken. Ich kenne ausnahmslos Leute mit vollen Kellern.
Absoluter jeder hat zu viel Wein. Und bei verhaltener Wertentwicklung werden diese auf den Markt geworfen.
Dies verschlimmert die Lage zusätzlich.
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EThC
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von EThC »

Weinschlürfer hat geschrieben: Sa 8. Nov 2025, 14:55 Absoluter jeder hat zu viel Wein.
...habe ich auch, aber für den Absatzrückgang insgesamt dürfte es kaum relevant sein, wenn Nerds wie wir aufgrund von Kellerfülle weniger einkaufen. Vermutlich haben 98 % aller Weintrinker max. 6 Flaschen unter der Spüle stehen.
Bei mir selbst ist es nach erhöhten Einkäufen der vergangenen Jahre auch so, daß ich bei in etwa gleichbleibendem Konsum zur Zeit für meine Verhältnisse extrem wenig einkaufe. Dieses Jahr in etwa 1/4 der Menge aus 2022 bzw. 1/3 der aus 2023 oder 1/2 der Menge letzten Jahres. Wenn ich deutlich unter 1.000 Flaschen angelangt bin, werde ich wohl wieder sachte aufstocken...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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joern_ribu
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von joern_ribu »

Gerade ein sehr interessantes Interview mit Andrea Wirsching in der SZ gelesen:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... li.3330974

"Ich schätze, 30 bis 40 Prozent der Rebflächen werden verschwinden. Jeder zweite Winzer wird aufgeben."

Auch Frau Wirsching benennt den Preisverfall für Weinbergflächen und berichtet von Winzerkollegen, die sie bitten, ihre Weinberge zu übernehmen.
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Jörn
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UlliB
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von UlliB »

joern_ribu hat geschrieben: Di 25. Nov 2025, 11:12 Gerade ein sehr interessantes Interview mit Andrea Wirsching in der SZ gelesen:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... li.3330974

"Ich schätze, 30 bis 40 Prozent der Rebflächen werden verschwinden. Jeder zweite Winzer wird aufgeben."

Auch Frau Wirsching benennt den Preisverfall für Weinbergflächen und berichtet von Winzerkollegen, die sie bitten, ihre Weinberge zu übernehmen.
Leider liegt der Artikel hinter einer Bezahlschranke.

Die Prognose, dass die Rebfläche in Deutschland in den nächsten 15 bis 20 Jahren um 30 bis 40 Prozent zurückgehen wird, war zuletzt von verschiedenen Seiten zu hören. Dass es einen Rückgang geben wird, halte auch ich für sicher, aber beim "wie viel" gibt es doch einiges an Spekulation. Es könnte am Ende weniger sein, aber auch mehr.

Betrachtet man die globale Situation und schaut sich die Statistiken der OIV an, müssten weltweit überschlägig 1 Million Hektar Rebfläche stillgelegt werden, um die Produktion an den Konsum anzupassen. Das ist das 10fache der gesamten Rebfläche in Deutschland. Und das gibt nur die aktuelle Situation wieder - sinkt der Konsum weiter, was er voraussichtlich tun wird, müsste entsprechend noch mehr Fläche stillgelegt werden. Es gibt jetzt schon heftige Verteilungskämpfe, und die werden sich weiter verschärfen. Inwieweit der Weinbau in Deutschland mit vergleichsweise hohen Löhnen längerfristig mithalten kann, muss man abwarten.

Gruß
Ulli
joern_ribu
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von joern_ribu »

UlliB hat geschrieben: Di 25. Nov 2025, 11:34
joern_ribu hat geschrieben: Di 25. Nov 2025, 11:12 Gerade ein sehr interessantes Interview mit Andrea Wirsching in der SZ gelesen:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ ... li.3330974

"Ich schätze, 30 bis 40 Prozent der Rebflächen werden verschwinden. Jeder zweite Winzer wird aufgeben."

Auch Frau Wirsching benennt den Preisverfall für Weinbergflächen und berichtet von Winzerkollegen, die sie bitten, ihre Weinberge zu übernehmen.
Leider liegt der Artikel hinter einer Bezahlschranke.
Ah, sorry, ich habe den SZ-Plus Zugang, da habe ich nicht gesehen, dass er zu den beschränken Angeboten gehört. Ich liste mal noch ein paar weitere Aussagen auf, die mir ins Auge gesprungen sind:

"In normalen Jahren zwischen 500 000 und 600 000 Flaschen, aber normale Jahre sind selten geworden. Wir machen zwischen fünf und sechs Millionen Euro Umsatz." Sie bewirtschaften 90 Hektar.

"Jetzt steckt die Branche in einer Absatzkrise. Momentan investieren wir nur noch in den Verkauf. Jede Generation hat ihre Herausforderungen, das ist jetzt meine."

"Mein Vater hat Anfang der 90er-Jahre rund 50 Mark für einen Quadratmeter gezahlt. Heute bekäme ich vielleicht noch drei, vier Euro. [...] Man kann froh sein, wenn die Banken die Sicherheiten für bestehende Kredite nicht neu verhandeln."

"Der gesetzliche Mindestlohn liegt derzeit bei knapp 13 Euro. Ist er zu hoch? - Viel zu hoch. - Was hätten Sie gerne? - Einen landwirtschaftlichen Mindestlohn für echte Saisonarbeiter, die nur eine bestimmte Zeit hier in Deutschland arbeiten. Mit zehn Euro Mindestlohn plus Versicherungen könnte ich leben." [...] "Der Mindestlohn ist unser Sargnagel. In schlechten Jahren zahle ich die Hälfte meines Umsatzes für Personalkosten."

"Bislang haben wir Plattformen wie Instagram und Facebook zur Imagepflege genutzt. Jetzt stellen wir unsere Social-Media-Arbeit auf Verkauf um. Am Ende werden die Weingüter überleben, die gut verkaufen können. [...] Wir haben uns in den vergangenen 60 Jahren auf Endverbraucher konzentriert. Aber das reicht nicht mehr. Heute verkaufen wir über den Handel." (Hawesko, Edeka, Wirwinzer, Vicampo - (bisher) nicht Aldi/Lidl)

"Die Kunden lieben die „Bag-in-Box“, denn dort kommt – im Gegensatz zur Flasche oder zum Tetrapak – kein Sauerstoff an den Wein. Bei uns ist es ein Silvaner, die für Franken typische Rebsorte, eineinhalb Liter für 14 Euro. Der Wein hält in der angefangenen Box viel länger als in einer geöffneten Flasche, sechs bis acht Wochen. [...] mögen die Box, weil dann keiner sieht, wie viele Flaschen sie sonst zum Container bringen würden."

"Die Generation Z trinkt weniger, da gibt es eventuell nur ein Glas zur Pasta, und dann wird die geöffnete Flasche drei Tage lang in der Kühlschranktüre geschüttelt. Am Ende schmeckt sie wie eingeschlafene Füße."

"Kellereien und Genossenschaften sind in Deutschland eine starke Macht. Die machen die Politik und die Preise. Im Vergleich zu anderen Lebensmitteln ist Wein wirklich nicht teuer. " (im Vergleich zur Tasse Kaffee, die in manchen Coffee Shops fast soviel kostet wie eine Flasche Wein)

Jg. 2024: "Herstellung (hat uns) im Schnitt weit mehr als acht Euro je Flasche gekostet." Auch Fassweinwinzer hätten "Kosten von mindestens 2,50 Euro je Liter. Der Fassweinpreis liegt aber gegenwärtig nur bei 0,40 Euro."

"Wir brauchen keine zusätzlichen Trauben. Überall in der Branche werden Verträge mit Traubenlieferanten gekündigt."

"Momentan wird über staatliche Rodungsprämien diskutiert. Die braucht es auch, denn die Rodung ist teuer." (sonst Pilzinfektionen; 5-9TE Prämie pro Hektar seien nötig)

"Wie lange müssen Sie und Ihr Weingut durchhalten, bis es wieder aufwärtsgeht? - Fünf Jahre."

"...wir halten zusammen. Gerade in solchen Zeiten zeigt sich, wie wichtig Familie ist. Je stärker der Wind da draußen bläst, umso mehr rücken wir innen zusammen."
Zuletzt geändert von joern_ribu am Di 25. Nov 2025, 15:00, insgesamt 2-mal geändert.
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Gerald
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von Gerald »

Hallo
"Mein Vater hat Anfang der 90er-Jahre rund 50 Mark für einen Quadratmeter gezahlt. Heute bekäme ich vielleicht noch drei, vier Euro"
...
"Momentan wird über staatliche Rodungsprämien diskutiert. Die braucht es auch, denn die Rodung ist teuer." (sonst Pilzinfektionen; 5-9TE Prämie pro Hektar seien nötig)
um es positiv zu sehen: immerhin ist der Boden noch mehr wert als die Kosten der Rodung. Im Languedoc - so war vor kurzem zu lesen - war der Durchschnittspreis pro Hektar schon unter 10.000 Euro, also kaum mehr als die Rodungskosten. Bei einem Auto würde man so etwas wohl einen "wirtschaftlichen Totalschaden" nennen. :(

Grüße
Gerald
TOM
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Re: Absatzrückgang Wein

Beitrag von TOM »

joern_ribu hat geschrieben: Di 25. Nov 2025, 12:13 "Der gesetzliche Mindestlohn liegt derzeit bei knapp 13 Euro. Ist er zu hoch?
Wir waren im September zu einem Kurzurlaub in der Pfalz und ich muss sagen: Ich habe noch nie so viele Vollernter und so wenig Menschen im Weinberg gesehen wie dieses Jahr. Das mag aber Zufall sein, dass wir gerade eine Woche erwischt haben, in der viel geerntet werden musste.
joern_ribu hat geschrieben: Di 25. Nov 2025, 12:13 Jg. 2024: "Herstellung (hat uns) im Schnitt weit mehr als acht Euro je Flasche gekostet." Auch Fassweinwinzer hätten "Kosten von mindestens 2,50 Euro je Liter. Der Fassweinpreis liegt aber gegenwärtig nur bei 0,40 Euro."
Über das Thema haben wir dort mit zwei Winzern gesprochen. Beide sagten, dass es sich in bestimmten Parzellen nicht lohnt, die Trauben abzuernten. Der Vollernter ist teurer als das, was man später für Fasswein bekommt. Auf meine Frage, warum man die Trauben denn nicht einfach hängen lässt, meinten Beide unisono: "Um Himmels Willen! Wir sind hier in einem kleinen Dorf. Dann geht sofort die Kunde um: Dem geht es schlecht mit Folgen für Kundschaft und Sicherheiten bei der Bank."
Man muss dazu sagen, dass Beide sowohl Fasswein, als auch Flaschenwein für Endkunden produzieren. Anscheinend ist es für den guten Ruf noch immer besser Überschuss "zu verramschen" als diesen hängen zu lassen oder die Parzellen zu roden.
Zum Thema verkaufen meinten Beide, dass es in der Pfalz sehr viele Nebenerwerbswinzer gibt, die Ihre Weinberge loswerden wollen. Damit seien zwar viele Parzellen auf dem Markt, aber die Nachfrage ist fast gleich Null. Gleichzeitig würden diese Nebenerwerbswinzer meist nur Fasswein produzieren und diesen unter den Herstellungskosten verkaufen, was den Fassweinpreis zusätzlich drückt...
joern_ribu hat geschrieben: Di 25. Nov 2025, 12:13 "Momentan wird über staatliche Rodungsprämien diskutiert. Die braucht es auch, denn die Rodung ist teuer." (sonst Pilzinfektionen; 5-9TE Prämie pro Hektar seien nötig)
Beide Winzer haben behauptet, dass es ein Programm der EU gibt über das man Rodungsprämien beziehen kann. Dieses wäre in anderen EU-Ländern umgesetzt, in Deutschland liegt es aber seit Jahren beim Landwirtschaftsministerium und wird nicht umgesetzt. Beide glauben, dass dieses Programm viel bringen würde, da so mancher Nebenerwerbswinzer dann die Fläche roden und anderweitig nutzen würde. Das wiederum würde den Druck bei Haupterwerbswinzern stark senken.

Weiß jemand von Euch mehr zu dem Programm? Liegt das wirklich in Deutschland an der Umsetzung durch die Bundesregierung?

Zudem sind die obigen Aussagen natürlich Einzelmeinungen und Momentaufnahmen. Ich fand sie trotzdem interessant und dachte, sie passen ganz gut zu diesem Thema.
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
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