Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
Bradetti
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Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von Bradetti »

Dieses Statement ist aus dem Interview entnommen:

https://www.n-tv.de/panorama/Geologiepr ... 09892.html

Rein wissenschaftlich irgendwie nachvollziehbar.

Meinungen?
Viele Grüße
Dirk
amateur des vins
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von amateur des vins »

Joa, der ist halt Geologe, kein Mikrobiologe. Ich erwähnte an anderer Stelle mal, daß man zwar "Mineralien" natürlich nicht schmeckt, daß aber Mikrobiome unterschiedliche Affinitäten zu verschiedenen Bödentypen haben.

Obstbauern werden Dir auch verraten, daß in Wein kein Pfirsichsaft ist. Trotzdem regt sich keiner über "Pfirsicharomen" in Weinbeschreibungen auf. So ist es mit "Schiefer" eben auch.

Und für alle anderen Beschreibungen außer "Mineralität" sagt er das ja auch selber. Eigentlich äußert er sich ziemlich differenziert; erwähnt am Ende auch Mikroorganismen. Aber er kann anscheinend nicht vermeiden, aus seiner Blase heraus zu argumentieren - was ja auch der Anlaß war, ihn zu befragen.

Viel Lärm um (fast) nichts.
Besten Gruß, Karsten
Blaufränkisch
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von Blaufränkisch »

amateur des vins hat geschrieben: So 26. Okt 2025, 21:50 Obstbauern werden Dir auch verraten, daß in Wein kein Pfirsichsaft ist. Trotzdem regt sich keiner über "Pfirsicharomen" in Weinbeschreibungen auf. So ist es mit "Schiefer" eben auch.
Aber die Aromen von Pfirsichsaft sind im Wein chemisch nachweisbar. Die "Aromen" von Schiefer oder "Schiefer-Mikrobiom" halt nicht.
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
amateur des vins
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von amateur des vins »

Blaufränkisch hat geschrieben: Mo 27. Okt 2025, 20:24
amateur des vins hat geschrieben: So 26. Okt 2025, 21:50 Obstbauern werden Dir auch verraten, daß in Wein kein Pfirsichsaft ist. Trotzdem regt sich keiner über "Pfirsicharomen" in Weinbeschreibungen auf. So ist es mit "Schiefer" eben auch.
Aber die Aromen von Pfirsichsaft sind im Wein chemisch nachweisbar. Die "Aromen" von Schiefer oder "Schiefer-Mikrobiom" halt nicht.
Auf den Einwand habe ich irgendwie gewartet, nachdem ich den Post abgeschickt hatte. War halt das erste, das mir einfiel, um richtig schön plakativ zu sein. Bißchen ungeschickt vielleicht.

Wüdest Du sagen, alle "nichtmineralischen" Aromen sind chemisch bekannt und entsprechen den assoziierten Aromen? Oder alle "fruchtigen"? Wie ist es mit "Gras", "Kräutern", "Waldboden", "Tabak", ... - you-name-it? Sind die dann per definitionem "mineralisch"?

Wurde die Chemie von "Schiefer-Mikrobiom" so genau untersucht, daß auszuschließen ist, daß es (wenigstens zum Teil) das ist, was assoziiert wird?

Ich bin auch felsenfest überzeugt, daß nicht selten z.B. "Pfirsich" assoziiert wird, wenn die entsprechende Chemie nicht vorliegt. Ist das dann 'was Anderes als bei "Mineralien", oder vielleicht doch äquivalent?
Besten Gruß, Karsten
Löhlein
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von Löhlein »

Ich bin auf dem Gebiet kein Experte, mir fällt es immer noch schwer aus mir selbst heraus so viele verschiedene Aromen zu benenen wie andere Leute das tun. Umso mehr überrascht es mich dann auch wieder, dass ich das Aroma, auf das ich selbst nicht gekommen wäre, gleich schmecke, wenn es nur ein anderer benennt...

Allerdings finde ich den Erkenntnisgewinn, den der Artikel suggeriert, etwas hoch gegriffen. Ich wäre zum Beispiel nicht auf die Idee gekommen, dass ein rauchiger Geschmack daher rührt, dass zu früheren Zeiten ein Vulkan in der Gegend seine Asche verteilt hat. Auch habe ich nie vermutet, dass mein Riesling wenn er salzig schmeckt einen höheren NaCl Gehalt haben könnte, den er noch dazu direkt aus dem Boden gezogen hat. Trotzdem sind das alles Geschmacksassoziationen die ich wahrnehmen kann und die auf den Genuss durchschlagen.

Interessant, fand ich den Hinweis weiter oben, dass Fruchtaromen chemisch nachweisbar sind. Aber dass die Bodenbeschaffenheit (auch) für Aromen sorgt, die vielleicht nur nicht so eindeutig chemisch zugeordnet werden können, halte ich für recht wahrschlich.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich den Begriff "mineralität" persönlich bei der Verkostung von Wein schwer greifen kann. Ich assoziiere damit weniger ein Aroma als eine Mischung aus verschiedene Eindrücken, wie Frische, Säure, Textur und Salzigkeit. Manchmal frage ich mich dann, ob das was ich schmecke, das ist, was andere als Mineralität bezeichnen. Aber auf die Idee, dass der Wein seinen Geschmack direkt aus der Substanz des Bodens zieht, wäre ich nicht gekommen. Ich habe bisher auch nicht vermutet, dass andere Leute das meinen könnten.
Warten auf Mondot
TroisLacs
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von TroisLacs »

Ich finde die Diskussion grundsätzlich sehr spannend und habe selber auch Freude daran, wenn ich die eine oder andere Wahrnehmung benennen kann. Und insgesamt gibt es ja schon Unterschiede festzustellen, gerade fruchtige, florale Noten lassen sich gut "entdecken" und differenzieren, oder eben Noten vom Ausbau und von der Reifung.

Allerdings ist es doch recht subjektiv, ob jemand jetzt eine Sauerkirsche aus Sachsen erkennen kann oder eine Amarena-Kirsche aus der Region Emilia-Romagna. Oder ob ein Pomerol ein erotisches Bouquet entfalten kann ...
Und ob etwas chemisch nachweisbar ist oder nicht, interessiert mich nur wenig. Im Endeffekt ist es ein Genussmittel und zumindest ich brauche keine detaillierte chemische Zusammensetzung aller Inhaltsstoffe und nachgewiesenen Nuancen.

Aber für mich auch nachvollziehbar, dass eine Rebe mit Wurzeln tief in den Boden, durchaus neben Nährstoffen auch geschmackliche Noten des Bodens aufnehmen und dann widergeben kann, sei es nun Schiefer, Kalk oder was auch immer.
Gruss, Sascha

„Riesling geht immer“!
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Gerald
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von Gerald »

Hallo
Aber für mich auch nachvollziehbar, dass eine Rebe mit Wurzeln tief in den Boden, durchaus neben Nährstoffen auch geschmackliche Noten des Bodens aufnehmen und dann widergeben kann, sei es nun Schiefer, Kalk oder was auch immer.
na ja, wie im verlinken Artikel ja schon erwähnt, sind diese anorganischen Komponenten (um die es ja hier geht) völlig geruchlos, Aromen könnten sich nur durch die auch genannten mikrobiellen Vorgänge bilden. Nur nehmen Pflanzen ja über ihre Wurzeln nicht einfach alles auf, was im Boden herumschwimmt, sondern gehen da schon ein bisschen selektiver vor.

Allerdings - so habe ich einmal gelesen - haben die anorganischen Stoffe im Boden natürlich schon einen Einfluss auf den Stoffwechsel in der Pflanze und damit auch auf Menge und Art der gebildeten Aromastoffe. Angeblich sollen kaliumreiche Böden mit mehr Aromastoffen korrelieren, aber nicht unbedingt mit "mineralischen" Aromen, sondern mit der gesamten Aromapalette.

Meiner Ansicht nach kommen "mineralische" Aromen vor allem von der Kellertechnik bzw. dem Ausbau. Oder vom Stil des Weinguts (ich erinnere mich, dass die Veltliner eines Weinguts im Weinviertel aus Lagen mit ganz unterschiedlichen Bodenverhältnissen ähnliche mineralische Noten aufgewiesen haben). Für mich jedenfalls sind "mineralische" Noten einfach solche, die man nicht mit den üblichen Kategorien Frucht, Gemüse, Blüten etc. beschreiben kann. Da gehören für mich auch Aromen dazu, die man in ähnlicher Form z.B. als zugesetzte Parfumkomponente in Waschmitteln findet. Das klingt aber für den Konsumenten nicht so attraktiv, daher hat man halt den schönen Begriff der "mineralischen" Aromen gefunden. ;)

Grüße
Gerald
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EThC
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von EThC »

...ich wundere mich diesbezüglich nur, daß man bzw. auch ich die Herkunft von vielen Weinen blind über die "mineralische Seite" bestimmen kann, wenn diese nach Meinung der Mineraliknegierer gar nicht da sei. Z.B. bei Schiefer und Keuper sind meine Trefferquoten doch recht hoch...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Gerald
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von Gerald »

Gerade Schiefer ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel für die Probleme der "Mineralik", denn soweit ich weiß, weist der Name "Schiefer" ja eigentlich nur auf die horizontale Spaltbarkeit hin, aber die chemische Zusammensetzung der diversen Schieferminerale ist sehr unterschiedlich. Und dass sich die horizontale Spaltbarkeit im Glas bemerkbar machen würde, na ja ...

Kalk oder Granit sind da schon andere Kaliber, da ist die Zusammensetzung ziemlich klar definiert.

Grüße
Gerald
jxs
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Re: Mineralität in der Wein-Sprache ist substanzlos

Beitrag von jxs »

Neu ist mir das ja nicht. Ich bin deshalb auch immer amüsiert, wenn beim Winzer die Kiste mit Steinen aus dem Weinberg zum Einsatz kommt. Damit lassen sich halt gute Geschichten erzählen.
Ich finde es aber auch nicht dramatisch. Die ganze Weinbeschreibungssprache lebt von Assoziationen, Marketing und Standesdünkel…

Amüsant an diesem Interview finde ich übrigens, dass der Interviewte in seine eigene „Argumentationsfalle“ tappt:
Tatsächlich kann man einen Wein ja im Mund als rau und hart oder frisch und kühl empfinden
Kühl (Temparatur) ist klar, aber „rauh“, „hart“ und sehr wahrscheinlich auch „frisch“ sind auch nur Assoziationen mit deutlichem Interpretationsspielraum und nicht eineindeutig auf physikalische oder chemische Eigenschaften zurückzuführen.
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